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Taxi Times Berlin - Februar 2017

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PERSONEN<br />

Der Klang verzaubert viele, doch eine gut klingende<br />

Saz ist keine Hexerei, sondern solides Handwerk.<br />

Süleyman Akkılıç in seinem Musikgeschäft in Gesundbrunnen.<br />

ÜBUNG MACHT DEN MEISTER<br />

Süleyman ist seit 17 Jahren <strong>Taxi</strong>fahrer.<br />

Unter meinen musikalischen Kollegen sticht er besonders hervor.<br />

Er baut nämlich seine Musikinstrumente selbst.<br />

Viele Fahrgäste hören gerne während der Fahrt Musik im<br />

<strong>Taxi</strong>, und bei Jüngeren kommt es sehr oft vor, dass sie<br />

einen bestimmten Radiosender bevorzugen. Kein Problem,<br />

es kommt immer auf die Art und Weise an. Die akustische<br />

Unterhaltung läuft leise oder manchmal lauter, je nachdem, wie<br />

der „König Kunde“ es wünscht.<br />

Heutzutage sind die Möglichkeiten, um Musik zu hören, in<br />

mehreren Varianten gegeben: Radio, CD, USB, mp3-Player und<br />

andere Medienquellen können uns über die monotone<br />

Zeit im <strong>Taxi</strong> hinweghelfen.<br />

Dann gibt es Kollegen wie Süleyman, 59 Jahre,<br />

die zu Hause oder am Halteplatz selber Musikinstrumente<br />

spielen.<br />

In seinem Atelier in der Buttmannstraße<br />

habe ich ihn mit meiner eigenen Saz (einem<br />

Saiteninstrument) besucht. Die Saiten mussten<br />

erneuert und einige Feineinstellungen<br />

getätigt werden, vergleichbar mit einer Inspektion<br />

bei unseren <strong>Taxi</strong>s.<br />

Nachdem wir uns begrüßt hatten, fragte ich<br />

ihn, ob er noch <strong>Taxi</strong> fährt, und er bejahte und fügte<br />

hinzu, dass er seinen P-Schein vor Kurzem verlängert<br />

hatte. In letzter Zeit sitzt er weniger im <strong>Taxi</strong> und vermisst die<br />

Kollegen. Er ist immer sehr glücklich darüber, wenn die Kollegen<br />

ihn besuchen.<br />

Mit Plätzchen und einem türkischen Tee führten wir unsere<br />

Unterhaltung fort und Süleyman betonte, dass er die Kollegen,<br />

wenn sie in der Nähe sind, um auch etwas vom Verkehrsstress<br />

abzuschalten, zum Teetrinken erwarte.<br />

Für den Neubau einer einzigen Saz braucht Süleyman ca. sechs<br />

Wochen, bis es für ihn meisterlich klingt, und zurzeit baut er für<br />

einen Kollegen. „Spezielle Anfertigungen brauchen ihre Zeit“,<br />

sagt er, und zeigt mir im hinteren Bereich seines Ladens die Werkstatt.<br />

Es hängen einige defekte, zerbrochene und für mich unreparierbare<br />

Instrumente an der Wand. „Die werde ich alle in die<br />

Musikwelt zurückbringen“, sagt er, und während er die Saiten in<br />

die Saz einbaut, erklärt er mir die Besonderheiten bei der Bindetechnik.<br />

Es sieht bei ihm so einfach aus, wie er an der Saz arbeitet,<br />

und ich habe beim Zusehen das Gefühl, die Welt um ihn herum<br />

würde nicht mehr existieren.<br />

„Seit 1986 baue ich mein eigenes Instrument. Die<br />

bestellten Saz aus der Türkei haben meinen Vorstellungen<br />

nie entsprochen. So fing es an, und<br />

meine Saz muss viel besser werden als die<br />

zuletzt fertiggestellte, denn mit jeder neuen<br />

Saz lerne ich immer wieder dazu. Das ist<br />

für mich wie eine Kur, ich kann nie genug<br />

davon bekommen.“<br />

Zum Schluss erzählte er mir die<br />

Geschichte einer Dame, die in sein <strong>Taxi</strong> einstieg<br />

und von Prenzlauer Berg zum Bahnhof<br />

Friedrichstraße wollte. Im Radio lief klassische<br />

Musik, und kurz vor dem Ziel änderte sie die<br />

Route mit der Bemerkung: „So eine herrliche Musik<br />

kann ich einfach nicht verlassen. Fahren Sie mich bitte<br />

nach Potsdam.“<br />

Es war eine schöne, musikalische und herzliche Unterhaltung,<br />

und dabei konnte ich auch etwas mehr über meine Saz erfahren.<br />

Seitdem spiele ich zu Hause öfters auf meiner neu gebundenen<br />

Saz – auch wenn es meiner Frau manchmal auf den Nerv geht,<br />

wenn ich ein paar Noten nicht ganz treffe. Wie heißt es doch so<br />

schön: „Übung macht den Meister.“ <br />

hs<br />

Hayrettin Şimşek stellt in jeder <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong>-Ausgabe ganz<br />

besondere Kollegen vor.<br />

SIM IS KO L L E G E N<br />

FOTOS: Simi LOGO: Raufeld Medien<br />

4<br />

FEBRUAR / <strong>2017</strong> TAXI

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