Impulse für Bildung: Melanchthon - Evangelische Trinitatiskirche Bonn
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aufgefrischt !<br />
12<br />
Jesus - ein Pauker?<br />
Das fällt einem wahrscheinlich nicht als Erstes ein. Wer von<br />
Jesus spricht, nennt ihn eher „Herr“ oder „Bruder“, „Christus“<br />
oder „Gottes Sohn“, „König“ oder „Hirte“.<br />
Jesus selbst nennt sich häufig „Menschensohn“. Keine andere<br />
Bezeichnung wird von ihm so oft verwendet wie diese.<br />
Die gebräuchlichste Anrede aber, die wir in den Evangelien<br />
finden, lautet tatsächlich „Lehrer“. Sie wird von allen angewandt,<br />
von den Gegnern wie den Freunden, den Zöllnern<br />
wie den Schriftgelehrten, von Einzelnen und von Gruppen.<br />
Manchmal taucht im griechischen Wortlaut sogar die hebräische<br />
Bezeichnung <strong>für</strong> Lehrer auf: Rabbi<br />
Luther übersetzte mit „Meister“. Darin sind ihm einige Übersetzungen<br />
gefolgt. Ebenso in der Wiedergabe des griechischen Wortes<br />
<strong>für</strong> „Schüler“ mit „Jünger“. Bis heute ist uns Jesus vielleicht<br />
deshalb nicht so sehr als Lehrer vor Augen und seine Anhänger<br />
kommen uns nicht wie Schüler vor, sondern wie Freunde.<br />
Dabei zeichnen die Evangelien ein klares Bild. Mehr als ein Wanderprediger<br />
ist Jesus ein Wanderlehrer: Er zieht im Land umher,<br />
lehrt in den Synagogen, im Freien, im Tempel. Überall findet er<br />
Zuhörer, die staunen, sich verwundern, ins Nachdenken kommen.<br />
Man bescheinigt ihm, dass seine Lehre Vollmacht hat. Sein<br />
Unterrichtsmaterial ist die heilige Schrift in Gestalt von Tora,<br />
Propheten, Psalmen. Dazu kommt die Schöpfung („Seht die Vögel<br />
unter dem Himmel“). Und nicht zu vergessen die Lebenswelt,<br />
die ihn umgibt: der Sämann und der Weingärtner, die Frau, die<br />
einen Teig knetet, der Vater, der zwei Söhne hat. Jesus lehrt mit<br />
konkreten, erfahrbaren und nachvollziehbaren Beispielen. Er erfindet<br />
Geschichten, Gleichnisse, Bildworte, Weisheitssprüche<br />
oder bringt sie ins Gespräch. Was wir die Bergpredigt nennen, ist<br />
eigentlich eine Berg-Lehre (Jesus „ging auf einen Berg, setzte<br />
sich, tat seinen Mund auf und lehrte sie“). Wozu wir Missionsbefehl<br />
sagen, ist eigentlich ein Auftrag zur Lehrtätigkeit („lehret sie<br />
halten alles, was ich euch aufgetragen habe“).<br />
Auch wenn Paulus in seinen Briefen nicht von „Schülern“<br />
spricht, sondern von „Brüdern“, und wenn Jesus von ihm nur<br />
„Herr“ genannt wird, nicht aber „Lehrer“, rücken die Evangelien<br />
Jesus doch als einen großartigen Lehrmeister ins Blickfeld. Und<br />
wir haben bis heute viel davon, in seine Schule zu gehen und von<br />
ihm zu lernen.<br />
PFR. UWE GRIESER