Impulse für Bildung: Melanchthon - Evangelische Trinitatiskirche Bonn
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Theodor Cramer, seit 1976 Lehrer<br />
am Nikolaus-Cusanus-Gymnasium<br />
in Bad Godesberg<br />
6<br />
humanistischer Tradition. Jede Generation soll das, was den<br />
Menschen ausmacht, das, was der Mensch schon geleistet hat<br />
und was er leisten kann, lernen. Und da die meisten jungen Menschen<br />
neugierig sind und lernen wollen, dürfte es keine Probleme<br />
geben.<br />
Gibt es aber doch! Die natürliche Neugier von Jugendlichen<br />
wird durch ein Überangebot der Ablenkungsindustrie<br />
zerstört. Viele Schulen sind in desolatem<br />
Zustand. Es gibt zu wenig Möglichkeiten kultureller<br />
und sportlicher Entfaltung. In den Schulen<br />
herrscht zu viel Nervosität. Sie entsteht durch Überfrachtungen<br />
mit Vergleichsarbeiten, Lernstandserhebungen,<br />
PISA-Tests, Qualitätsprüfungen, Rankings,<br />
Aufforderungen zu Aktionen, Wettbewerben und guten<br />
Taten. Überlastete Lehrkräfte und ehrgeizige Eltern<br />
kommen dazu. <strong>Bildung</strong> braucht Ruhe, Gelassenheit,<br />
Zeit. Ein entstehendes Bild braucht lange, bis<br />
der Künstler zufrieden ist. Vielleicht sind auch die<br />
Künstler, wir Lehrer, nicht immer in Bestform. Der<br />
Lehrer „muss sich den Kindern verantwortlich<br />
fühlen, mehr als der Schulbehörde..., er muss Nerven<br />
haben....Er muss neugierig sein auf die verschiedenen<br />
Anlagen der Kinder. (...) Der gute Lehrer hat gewonnen,<br />
wenn die Kinder ihn akzeptieren, obwohl sie ihn<br />
ungestraft ablehnen könnten.“ (Jurek Becker)<br />
Mit welchem <strong>Bildung</strong>ssystem kann man besser fördern? Eine Erfahrung<br />
ist, dass etwa ähnlich begabte Schüler in einer Gruppe<br />
bessere Lernfortschritte machen. Es gilt aber auch die Erkenntnis<br />
des Amos Comenius, „dass die Langsamen unter die Geschwinden,<br />
die Schwerfälligen unter die Wendigen, die Hartnäckigen<br />
unter die Folgsamen gemischt werden“.<br />
Den <strong>Bildung</strong>splanern schwebt ein Lehrer als Moderator vor, der<br />
das Selbstlernen steuert. Als eine Methode ist das richtig, als<br />
Norm verfehlt. Junge Menschen sollen z.B. im Verständnis Philipp<br />
<strong>Melanchthon</strong>s kreative, selbstständige Denker werden. Dazu<br />
sind Vorbilder wichtig.<br />
Der aufgeklärte Protestantismus will in guter Symbiose mit dem<br />
Humanismus den ganzen Menschen bilden und nicht nur Fähigkeiten<br />
antrainieren. Hier hat auch der Religionsunterricht seinen<br />
Platz, er lässt die Schüler vom Glauben her misstrauisch werden.<br />
Denn die Bibel bietet Stoff <strong>für</strong> genaues Lesen, Anregungen <strong>für</strong><br />
präzises Schreiben, taugliche Bilder, um ein Leben lang zu lernen.<br />
THEODOR CRAMER