einigkeit 01/2017
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Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten | Ausgabe 1-2<strong>01</strong>7 | www.ngg.net<br />
<strong>einigkeit</strong><br />
Das Magazin der NGG<br />
Herausforderung Demografie:<br />
Unternehmen denken um,<br />
NGG denkt voraus.
<strong>einigkeit</strong>*<br />
*macht stark!<br />
Michaela Rosenberger,<br />
NGG-Vorsitzende
EDITORIAL<br />
Ein dickes Brett …<br />
… wollen wir bohren, die Arbeitsbedingungen in unseren Branchen<br />
humaner und den demografischen Wandel tarifvertraglich gestalten.<br />
Die Beschäftigten in der Ernährungsindustrie und im Gastgewerbe<br />
sind stärker als in anderen Branchen belastenden Umweltbedingungen<br />
ausgesetzt, arbeiten in Schichten, nachts oder am Wochenende.<br />
Wir sind längst nicht am Ziel, zeigen aber in unserer Titelgeschichte<br />
ab Seite 6 am Beispiel von iglo, dass es auch anders<br />
geht, wenn NGG, Betriebsrat und der Arbeitgeber an einem Strang<br />
ziehen für „Faire Arbeit.Gutes Leben“.<br />
Foto: NGG<br />
In unserem neuen Magazin „<strong>einigkeit</strong>“ bieten wir einen bunten<br />
Strauß von Themen. Er zeigt die Vielfalt und Lebendigkeit unserer<br />
NGG, unserer Mitglieder, Betriebsräte, Ehrenamtlichen mit ihrem<br />
Engagement und ihrer Kreativität.<br />
Die Systemgastronomie von McDonald’s, Starbucks bis hin zu<br />
Burger King und Co. ist eine Branche im Wandel, die zum Wachstumstreiber<br />
im Gastgewerbe geworden ist. Wir stellen sie ab Seite 22<br />
in den Fokus. Seit Anfang des Jahres ist kaum ein Tag vergangen, an<br />
dem die „Systemer“ nicht mit Warnstreiks für einen fairen Tarifvertrag<br />
kämpfen. Denn sie wollen sich für ihre harte Arbeit nicht mit ein<br />
paar Cent über dem gesetzlichen Mindestlohn abspeisen lassen.<br />
Wir schauen aber auch – Seite 15 – über den Tellerrand zu den<br />
Coca-Cola-Leuten in Madrid, die mit unserer und internationaler Solidarität<br />
um ihre Arbeitsplätze kämpfen.<br />
Aufschlussreiche Lektüre wünscht<br />
Michaela Rosenberger<br />
NGG-Vorsitzende<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7<br />
3
INHALT<br />
6 18<br />
Titelthema Demografie:<br />
„Wir sind weiter als andere“<br />
Im iglo-Werk in Reken setzt man auf Dialog<br />
Ferrero-Betriebsrätin Michaela<br />
Vermeij: 30 Tage Urlaub fallen<br />
nicht vom Himmel<br />
FOKUS | POLITIK<br />
6 Herausforderung Demografie<br />
Zeit zu handeln: Das Beispiel iglo<br />
zeigt, wohin die Reise gehen kann<br />
9 Andrea Krier und Michael Schröer:<br />
„An der Linie sind wir Sportler“<br />
11 Drei Fragen an …<br />
NGG-Vize Claus-Harald Güster<br />
BRANCHE<br />
22 Wandel mit System<br />
Die Systemgastronomie erobert<br />
Marktanteile<br />
25 Davon hab‘ ich nachts geträumt<br />
Bei McDonald´s in Kiel<br />
MENSCHEN<br />
12 jungeNGG<br />
Aktive JAV bei Hilton in München<br />
13 „Mein Arbeitsplatz“<br />
Naschen erlaubt: Carina Janßen ist<br />
Fachkraft für Süßwarentechnik<br />
bei Bahlsen<br />
18 Porträt<br />
Ferrero-Betriebsrätin Michaela<br />
Vermeij: Powerfrau mit Herzblut<br />
26 Jubilare<br />
NGG AKTIV<br />
15 Internationales<br />
Spanien: Albtraum Coca-Cola<br />
16 Tarifpolitik<br />
28 Gleichstellung<br />
Sexuelle Belästigung am<br />
Arbeitsplatz: Betroffenen fehlt<br />
oft der Mut, ihr Schweigen zu<br />
brechen<br />
4<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7
IN DIESER AUSGABE<br />
22<br />
Die Arbeit bei McDonald’s und<br />
Co. ist hart – und schlecht<br />
bezahlt<br />
30<br />
NGG-Regionen vorgestellt:<br />
Wissenstransfer à la NGG. Geschäftsführerin Isabell Mura und das Team vom<br />
NGG-Büro Hagen mit dem Regionsvorstand Südwestfalen<br />
KOPF & BAUCH<br />
20 Frische Rezepte für gute Arbeit<br />
Genießer-Rezepte<br />
zum Nachkochen<br />
21 Da sind wir uns einig<br />
Fußball: Besuch bei der 1. Damen<br />
des SV Einigkeit<br />
32 Der Vorleser<br />
Warum Vorlesen und Zuhören so<br />
wichtig sind<br />
33 Nachlese<br />
NGG VOR ORT<br />
29 Schlachtindustrie<br />
Erstes Unternehmen ohne<br />
Werkvertrag<br />
30 NGG-Regionen vorgestellt<br />
Das „bierlastige“ Südwestfalen<br />
profitiert vom klugen Miteinander<br />
KURZ NOTIERT<br />
34 Sozialwahl 2<strong>01</strong>7<br />
Du hast die Wahl<br />
34 Ausblick<br />
35 Solidaritätsfonds<br />
35 Impressum<br />
„<strong>einigkeit</strong>“ im Netz<br />
Das Magazin der NGG digital lesen, als App und im Web.<br />
Hier gibt es auch weitere interessante Features: Bildergalerien,<br />
Videos und weiterführende Berichte.<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7<br />
5
Die Teams bei iglo in Reken steuern sich selbst. Die Teamkoordinatoren<br />
Andrea Krier und Michael Schröer (rechts oben) wissen: „Das<br />
Wichtigste ist der Dialog.“<br />
Neue Chancen bieten die Investitionen in neue Produktionsanlagen.<br />
Unter der Überschrift „Reken baut Zukunft“ stellt sich das Werk gerade<br />
neu auf. Verbesserungen gibt es auch bei der Ergonomie: Der<br />
Folienhubwagen (rechts) erleichtert die Arbeit – eine Rolle wiegt 40<br />
bis 50 Kilo und muss alle 80 bis 90 Minuten gewechselt werden.<br />
6<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7
FOKUS | POLITIK<br />
Demografischer Wandel:<br />
„Wir brauchen einen<br />
Kümmerer“<br />
Begriffe, wie Beschäftigungsfähigkeit, alternsgerechtes Arbeiten oder lebensphasenorientierte<br />
Arbeitszeitmodelle, sind sperrig – die Ergebnisse sind zukunftsweisend. Bereits vor<br />
vier Jahren hat die NGG den Stein ins Wasser geworfen und das TiL-Projekt gestartet: Für<br />
Thomas Eiling, Betriebsratsvorsitzender bei iglo, war klar: „Iglo muss dabei sein.“<br />
Fotos: Silvia Steinbach / Fotoagentur FOX<br />
Die Ausgangslage bei iglo im münsterländischen<br />
Reken vor einem Jahr: mit 48 Jahren<br />
ein vergleichsweiser hoher Altersdurchschnitt<br />
der 436 Beschäftigten sowie eine Betriebszugehörigkeit<br />
von durchschnittlich 25<br />
Jahren. Hinzu kam ein überdurchschnittlich<br />
hoher Krankenstand. Gründe genug also,<br />
gegenzusteuern. Die Initiative dafür ging<br />
maßgeblich vom Betriebsrat aus. Die „<strong>einigkeit</strong>“<br />
war vor Ort und hat nachgefragt: Wie<br />
wird die Herausforderung Demografie gemeistert?<br />
Seit einigen Monaten haben die Handwerker<br />
und Bauarbeiter im Werk Reken alle Hände<br />
voll zu tun. Sie haben die Produktionshallen<br />
um- und neue Produktionslinien aufgebaut.<br />
Das Unternehmen setzt auf Wachstum bei<br />
Tiefkühlgemüse aus der Region, sodass die<br />
Produktion am Standort erheblich ausgeweitet<br />
wird. „Es entsteht eine neue Welt“, sagt<br />
Thomas Eiling, der sich nicht nur für seine<br />
Kolleginnen und Kollegen bei iglo engagiert,<br />
sondern auch noch ehrenamtlicher Vorsitzender<br />
der NGG-Region Münsterland ist.<br />
Neue Chancen – und mehr Verantwortung<br />
„Investitionen bieten auch neue Chancen“,<br />
so Eiling. „So erhält unser TiL-Projekt Demografie<br />
und Gesundheitsmanagement,<br />
das im August abgeschlossen<br />
wurde, noch eine größere Bedeutung.“<br />
Für dieses Projekt<br />
wurde eine Linie aus dem<br />
Bereich Fertiggerichte als<br />
Pilotlinie ausgewählt. Ergonomie<br />
und Qualifizierung<br />
waren die wichtigsten<br />
Ansatzpunkte für<br />
Verbesserungen.<br />
Die beiden Teamkoordinatoren<br />
Andrea Krier und<br />
Michael Schröer verweisen<br />
auf den Folienhubwagen und<br />
die Mehrkopfwaage, die die<br />
schwere körperliche Arbeit wie Bücken<br />
und Tragen erleichtern. „Früher hatten<br />
wir nur einen Knopf zum Ein- und Ausschalten.<br />
Heute haben wir ein Tablet mit<br />
freier Programmierung und können zudem<br />
auch einfache Reparaturen selbst erledigen.<br />
Externe Handwerker müssen nur noch für<br />
spezialisierte Tätigkeiten kommen. Das heißt<br />
auch – „mehr Verantwortung“, berichtet Andrea<br />
Krier.<br />
Während des TiL-Projektes ergaben sich für<br />
Reken durch die Investition in neue<br />
Altersstruktur in der<br />
Ernährungsindustrie<br />
15 bis 24 Jahre: 11,1 %<br />
25 bis 34 Jahre: 20,5 %<br />
35 bis 44 Jahre: 20,3 %<br />
über 45 Jahre: 48,1 %<br />
Quelle: NGG<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7<br />
7
Foto: Gundolf Renze - Fotolia / Grafiken: freepik.com<br />
Ab April werden 50.000 Tonnen<br />
Spinat verarbeitet.<br />
iglo-Standort Reken<br />
14 Produktionslinien für<br />
Tiefkühlkost<br />
375 Produkte<br />
436 Beschäftigte<br />
2<strong>01</strong>7 sind 60 bis 70 Neueinstellungen<br />
geplant.<br />
30 Auszubildende:<br />
u.a. Lebensmitteltechniker,<br />
Mechatroniker<br />
Kurz erklärt<br />
TiL – Transfer innovativer Lösungen<br />
für eine zukunftsorientierte Personalpolitik<br />
in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie.<br />
In 14 Pilotunternehmen<br />
wurden in den Jahren<br />
2<strong>01</strong>3 bis 2<strong>01</strong>6 auf Initiative von<br />
NGG Ansätze entwickelt, um den<br />
demografischen Wandel in den Betrieben<br />
zu gestalten. Ziel ist es nun,<br />
diese auf die gesamte Branche zu<br />
übertragen und zu tarifvertraglichen<br />
Lösungen zu kommen.<br />
www.til-projekt.de<br />
Produktionsanlagen ganz neue Chancen.<br />
Unter der Überschrift „Reken baut Zukunft“<br />
stellt sich das Werk gerade neu auf.<br />
Psychische Belastungen werden ernst genommen<br />
Schon bei der Planung der neuen Maschinen<br />
werden die Anlagenfahrerinnen einbezogen:<br />
Wo ist das Bedienfeld? In welcher<br />
Arbeitshöhe ist eine Acht-Stunden-Schicht<br />
ohne Rückenprobleme möglich? Allerdings<br />
laufen die Linien schneller. Dadurch wird die<br />
Arbeit stressiger und die psychischen Belastungen<br />
könnten wachsen. Die Risikofaktoren<br />
wurden in Workshops unter die Lupe genommen<br />
und sind nun ein elementarer Bestandteil<br />
der Gefährdungsanalyse.<br />
Diese überarbeitete Gefährdungsanalyse<br />
gab es zunächst nur an der Pilotlinie. Im<br />
zweiten Schritt sollen die Handwerker und<br />
im dritten die Angestellten befragt werden.<br />
Wissenstransfer in gemischten Teams<br />
Wer braucht welche Qualifizierung, um an<br />
den neuen Maschinen arbeiten zu können?<br />
Aus dieser Fragestellung ist eine individuell<br />
angepasste Qualifizierungsmatrix definiert<br />
worden. „Jetzt wollen wir weiter daran arbeiten,<br />
das Pilotprojekt auf andere Produktionsbereiche<br />
ausweiten. Mit den neuen Investitionen<br />
entsteht eine neue Welt. Die Teamstrukturen<br />
ändern sich und werden flexibler.<br />
In den neuen Teams werden die aktuell eingestellten<br />
Neuen mit den bisherigen Mitarbeitern<br />
gemischt. So profitieren diese vom<br />
Wissen und den Erfahrungen der ‚alten Hasen‘“,<br />
erzählt der Betriebsratsvorsitzende.<br />
Darüber hinaus ergänzen zukünftig Qualifikationsprogramme<br />
die Entwicklung der Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter.<br />
Fachkräftemangel? Fehlanzeige!<br />
Personalleiter Bernd Ahlert hat neben der<br />
Gestaltung eines betrieblichen Gesundheitsund<br />
Demografiemanagements bis hin zur<br />
Einrichtung einer entsprechenden Stelle<br />
(„BGM-Beauftragter“) auch noch etwas anderes<br />
im Blick: Wie nehme ich die Leute<br />
beim Thema Industrie 4.0 mit? „Wir machen<br />
uns frühzeitig Gedanken, um die Ansätze<br />
von TiL umzusetzen und weiter zu entwickeln.<br />
Das heißt: strategische Personalplanung.“<br />
Für alle Beteiligten wünscht er sich<br />
einen Ansprechpartner: “Wir brauchen einen<br />
internen Kümmerer.“<br />
Iglo in Reken wird in diesem Jahr weiter<br />
wachsen und hat sich zum Ziel gesetzt, „europäisches<br />
Kompetenzzentrum“ für die Produktion<br />
tiefgekühlter Lebensmittel zu werden.<br />
Dafür sind Fachkräfte, vor allem für<br />
Lebensmitteltechnik, gefragt. Bernd Ahlert<br />
ist sich sicher: „Das, was das Unternehmen<br />
zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit, zur Ausbildung<br />
und Qualifizierung seiner Mannschaft<br />
leistet, spricht sich rum und trägt zur Arbeitgeber-Attraktivität<br />
bei.“ So wurden alle Auszubildenden<br />
im vergangenen Jahr übernommen.<br />
Auch für 2<strong>01</strong>7 hat iglo die Übernahme<br />
fest im Blick.<br />
Ernährungswirtschaft:<br />
Arbeitsbedingungen aus Sicht<br />
der Beschäftigten<br />
56 %<br />
der Beschäftigten müssen sehr<br />
häufig oder oft gehetzt arbeiten.<br />
68 %<br />
müssen seit längerem immer mehr in<br />
der gleichen Zeit leisten.<br />
45 %<br />
müssen sehr häufig oder oft körperlich<br />
schwer zu arbeiten.<br />
58 %<br />
müssen sehr häufig oder oft unter widrigen<br />
Umgebungsbedingungen arbeiten.<br />
60 %<br />
leisten regelmäßig Überstunden, ein<br />
Viertel von ihnen sogar durchschnittlich<br />
zehn und mehr pro Woche.<br />
Quelle: DGB-Index Gute Arbeit<br />
8<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7
Fotos: Silvia Steinbach / Fotoagentur FOX<br />
Andrea Krier beherrscht die Mehrkopfwaagen. Ist das Richtige drin, in der richtigen Menge?<br />
Dank innovativer Technik muss sie die Waagen nicht mehr per Hand einstellen.<br />
Michael Schröer schätzt den Fitnessraum. Dieser dient nicht nur dem Training und<br />
der Entlastung von Rücken, Beinen und Armen, sondern auch der Kommunikation.<br />
„An der Linie sind wir Sportler“<br />
Andrea Krier und Michael Schröer sind Anlagenfahrer und Teamkoordinatoren. Sie stehen täglich an der Produktionslinie,<br />
sind also unmittelbar betroffen von der Aus- und Umgestaltung der Arbeitsplätze.<br />
Was hat sich mit, vor allem nach dem Projekt „Transfer<br />
innovativer Lösungen“ für Euch geändert?<br />
Krier: An den neuen Maschinen gibt es einen stetigen<br />
Technologiewechsel. Die Einweisungen müssen vernünftig<br />
geplant werden. Uns geht es manchmal zu schnell. Die<br />
neuen Linien laufen schneller und sind deshalb stressiger.<br />
Aber die Qualifikationsmatrix wurde in Absprache mit den<br />
Schichtleitern individuell angepasst.<br />
Inzwischen steuern die Teams sich selbst und achten auf<br />
sich. So gibt es bei den Teamsitzungen viel Redebedarf.<br />
Mängellisten und Rückmelde-Tools wollen wir noch besser<br />
strukturieren: Wie ist der zeitliche und organisatorische<br />
Ablauf? Immerhin werden an der Linie R10 bis zu 16<br />
verschiedene Gerichte pro Woche produziert. Bei einer<br />
roten Karte heißt es: Die Effizienz wurde noch nicht erreicht.<br />
Schröer: In dem Projekt werden alle mitgenommen. Wichtig<br />
ist vor allem der Workshop zu den psychischen Belastungen.<br />
Die haben an den neuen Linien zugenommen.<br />
Aber alle wurden gefragt. Nun gilt es, die guten Ansätze<br />
dauerhaft zu implementieren.<br />
Beispielsweise müssen alle 80 bis 90 Minuten die Folien<br />
an der Verpackungseinheit gewechselt werden. So eine<br />
Rolle wiegt 40 bis 50 Kilo. Der Hubwagen bringt da große<br />
Erleichterung. Aber die Leute müssen auch sensibilisiert<br />
werden, ihn zu benutzen und sich an ein neues Gerät zu<br />
gewöhnen. An der Maschine alt werden zu können – das<br />
wollen wir erreichen.<br />
Gibt es jetzt alters- und alternsgerechte Arbeitsplätze?<br />
Krier: Früher sagte man „Schonarbeitsplätze“. Die existieren<br />
nicht mehr. Klar gibt es Menschen, die nicht im Kühlhaus<br />
oder in der Nachtschicht arbeiten oder nicht heben<br />
können. Eine komplette altersgerechte Linie müsste das<br />
ganze Jahr laufen. Das ist nicht machbar. Aber das<br />
Grundgerüst für das Team steht: An der Linie sind wir<br />
Sportler. Wir finden immer eine Lösung.<br />
Schröer: Schichtbetrieb ist unvermeidbar, sehr belastend<br />
und bleibt ein Thema: Wenn ein zusätzlicher Auftrag von<br />
der Muttergesellschaft Nomad Foods aus England kommt,<br />
machen wir das. Schließlich wollen wir, dass niemand auf<br />
unsere Gerichte und unser Gemüse warten muss.<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7<br />
9
Fotos: Silvia Steinbach / Fotoagentur FOX<br />
Betriebsratsvorsitzender Thomas Eiling (l.) und Personalchef Bernd Ahlert (r.) betonen: „Wir arbeiten konstruktiv zusammen und haben gemeinsame Ziele. Beim<br />
Thema Demografie sind wir uns grundsätzlich einig.<br />
„Wir sind weiter als andere”<br />
Iglo hat sich ein ganzheitliches Gesundheits- und Demografiemanagement auf die Fahne geschrieben. Die<br />
„<strong>einigkeit</strong>“ hat beim Betriebsratsvorsitzenden Thomas Eiling und Personalchef Bernd Ahlert nachgefragt.<br />
Wo steht iglo heute im Vergleich mit der Branche?<br />
Eiling: Wir haben endlich das Thema Demografie platziert<br />
und mit der Qualifikationsmatrix ein Grundgerüst<br />
gelegt. Nicht nur in Workshops und an der Pilotlinie wird<br />
diskutiert: Wo wollen wir hin?<br />
Ahlert: Obwohl wir erst begonnen haben, sind wir weiter<br />
als andere. Das TiL-Projekt ist ein Start in die Zukunftssicherung<br />
des Standorts. Darauf aufbauend wollen wir einen<br />
kontinuierlichen Prozess in Gang setzen. Gesundheit<br />
und Verringerung der Fehlzeiten liegen mir besonders<br />
am Herzen. Hier haben wir noch Stellschrauben:<br />
Rückenschule, Hebehilfen, Mitarbeiterführung. Dies ist<br />
auch mit Investitionen verbunden. Verbesserungen werden<br />
grundsätzlich nicht am Geld scheitern.<br />
Wie geht es weiter?<br />
Ahlert: Künftig wird es neue Teams geben, denen sowohl<br />
neu eingestellte als auch erfahrene Mitarbeiter angehören.<br />
Damit ermöglichen wir einen wechselseitigen Wissenstransfer.<br />
Auch die Gefährdungsanalyse soll in den<br />
Teams besprochen werden. Wo sind Verbesserungen<br />
notwendig? Diese Gefährdungsanalysen, die es zunächst<br />
an der Pilotlinie gibt, werden auf die anderen Produktionslinien<br />
ausgedehnt.<br />
Außerdem sind zukünftig die Führungskräfte besser ansprechbar.<br />
Früher hatten wir drei Schichtleiter für 70 bis<br />
80 Leute. Heute haben wir 21 Teamleiter für sechs bis<br />
20 Leute pro Team.<br />
Eiling: Künftig diskutieren wir systematisch über einzelne<br />
Mitarbeiter. Aus der Altersstrukturanalyse in Verbindung<br />
mit der Qualifikationsmatrix wird der Qualifizierungsbedarf<br />
ermittelt. Wann muss wer qualifiziert werden,<br />
um durch Abgänge entstehende Lücken nahtlos zu<br />
schließen?<br />
Das wichtigste Thema ist Kommunikation. Wie nehme<br />
ich die Menschen mit? Notwendig ist permanenter Dialog.<br />
Ein Aushang reicht heute schon lange nicht mehr.<br />
Ahlert: Langzeitarbeitskonten sind ein heißes Thema.<br />
Auch bei Übergängen in die Rente muss der politische<br />
Rahmen stimmen. Die Wettbewerbsbedingungen müssen<br />
für alle gleich sein. Das gilt auch für tarifvertragliche<br />
Lösungen. Denkbar ist ein Demografie-Fonds, so wie ihn<br />
die IG Metall hat.<br />
10<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7
FOKUS | POLITIK<br />
Kurz erklärt<br />
Altersstrukturanalyse<br />
Gegenwärtige und künftige Personalprobleme<br />
werden früh erkannt:<br />
Stehen ausreichend Auszubildendenstellen<br />
zur Verfügung? Welche<br />
Neueinstellungen sind geplant?<br />
Drei Fragen an …<br />
… den NGG-Vize Claus-Harald Güster, für den tarifvertragliche Regeln zu<br />
demografischen Herausforderungen die beste Möglichkeit sind, den Beschäftigten<br />
gerecht zu werden. Auch wenn hier ein dickes Brett zu bohren ist: „Betriebliche<br />
Lösungen sind gut … Tarifverträge sind besser.“<br />
Warum ist das Thema so wichtig?<br />
Die Arbeitgeber können inzwischen nicht mehr die Augen vor Fehlzeiten und<br />
Krankheit, Fachkräftemangel oder unbesetzten Ausbildungsstellen verschließen.<br />
Sie müssen sich dem Thema alternder Belegschaften stellen. Die Menschen<br />
müssen gesund das Rentenalter erreichen können.<br />
Ist der Betrieb darauf eingerichtet,<br />
dass zukünftig mehr Beschäftigte<br />
bis zum 65. bzw. 67. Lebensjahr arbeiten?<br />
Ist der betriebliche Gesundheitsschutz<br />
darauf eingestellt, dass<br />
die Leistungen von Älteren zunehmend<br />
eingeschränkt sind?<br />
Gefährdungsanalyse<br />
Ermittlung und Bewertung aller Gefährdungen,<br />
denen die Beschäftigten<br />
ausgesetzt sind. Umsetzung aller<br />
zum Schutz der Sicherheit und<br />
der Gesundheit erforderlichen Maßnahmen.<br />
Ziel ist, Gefährdungen bei<br />
der Arbeit frühzeitig zu erkennen<br />
und diesen entgegenzuwirken.<br />
Was steht auf der tarifpolitischen Agenda?<br />
Zunächst gilt es, die Altersstruktur unter Beteiligung der Betriebsräte<br />
zu analysieren. Darüber hinaus müssen die Arbeitsbedingungen<br />
und damit die Gesundheit der Beschäftigten<br />
verbessert werden. Wir wollen vor allem für besonders belastete<br />
Beschäftigte gleitende Übergänge in die Rente tarifvertraglich<br />
regeln und für junge Menschen eine sichere Perspektive<br />
durch eine qualifizierte Berufsausbildung und Übernahme<br />
nach der Ausbildung sichern.<br />
Welche Hindernisse gibt es auf dem Weg zu tarifvertraglichen<br />
Lösungen?<br />
In einigen Unternehmen ist die Thematik alternde Belegschaften,<br />
Verminderung nicht nur physischer, sondern auch psychischer<br />
Belastungen angekommen, in vielen noch nicht.<br />
Knackpunkt ist u. a. die altersgerechte Arbeitszeit. Es muss<br />
möglich werden, dass ältere Beschäftigte aus der Mehrschichtarbeit<br />
in die Tagesschicht wechseln oder ihre Arbeitszeit<br />
ohne Einkommensverluste reduzieren können. Den Wandel<br />
zu gestalten, kostet Geld, das ist so banal wie richtig. Sich<br />
mit tarifvertraglichen Lösungen zu binden und damit einen<br />
ableitbaren Anspruch festzulegen, ist für manchen Arbeitgeber<br />
noch eine zu hohe Hürde. Wir bleiben hartnäckig dran!<br />
Claus-Harald Güster: Für Arbeitgeber lohnt sich jeder Euro, den sie in die Gesundheit<br />
der Mitarbeiter investieren: Allein aufgrund reduzierter Fehlzeiten sparen die Betriebe<br />
laut einer Studie der Initiative Gesundheit und Arbeit im Schnitt 2,70 Euro mit jedem<br />
ausgegebenen Euro. (Foto: NGG)<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7<br />
11
MENSCHEN<br />
Qualität braucht<br />
Engagement<br />
Seit 2<strong>01</strong>3 können die Auszubildenden der beiden<br />
Münchner Hilton-Hotels nachschlagen, welche Rechte<br />
sie haben. Thomas Dieplinger, der Betriebsratsvorsitzende,<br />
ist stolz auf das Regelwerk. Zudem gibt es jetzt<br />
eine garantierte Übernahme nach der Ausbildung.<br />
Die Erfolge in Bayern zeigen, dass sich gewerkschaftliches<br />
Engagement im Betrieb lohnt. Die fünfköpfige Jugend-<br />
und Auszubildendenvertretung (JAV) ist in den<br />
beiden Luxushotels seit mehreren Jahren aktiv. Die JAV-<br />
Vorsitzende Nicola Hladik stellt fest, dass der Umgangston<br />
respektvoller wurde: „Wir ermutigen die Azubis,<br />
Fehlverhalten zu melden, wir stärken ihnen den Rücken.“<br />
Das geschieht über persönliche Ansprachen,<br />
aber auch über die beiden Facebook-Gruppen, die als<br />
Pool für den gegenseitigen Informationsaustausch genutzt<br />
werden.<br />
Die Azubis stellen ein Drittel der insgesamt rund 360 Beschäftigten.<br />
Und sie haben manchmal andere Auffassungen<br />
bei der Bewertung ihres Arbeitsplatzes. Für den<br />
Betriebsratsvorsitzenden gehören Rente und Altersarmut<br />
zu seinen Schwerpunktthemen, doch damit hat er<br />
kaum Chancen beim Nachwuchs. „Das Thema ist wich-<br />
tig, aber für mich zeigt es auch, dass die Berufsanfänger<br />
eigene Ansprechpartner brauchen.“ Unterschiedlich<br />
entscheiden sich die Altersgruppen auch bei der Überstundenvergütung.<br />
Die Auszubildenden wollen mehr<br />
Geld, die Älteren lieber Freizeit. Die JAV kann auch Anstöße<br />
geben, die allen mehr bringen. So gelang es gerade<br />
durchzusetzen, dass die Umkleidezeit als Arbeitszeit<br />
gerechnet wird. „Das bringt sechs Arbeitstage im Jahr“,<br />
freut sich Hladik. Die 21-Jährige kann auch mit Kompromissen<br />
leben, wenn es nötig ist. So wurde aus der JAV-<br />
Forderung nach bezahlten Taxifahrten nach Spät- und<br />
Nachtschichten das Zugeständnis, dass die Kosten immerhin<br />
dann bezahlt werden, wenn Dienstzeiten kurzfristig<br />
geändert werden.<br />
Richtig stolz ist Nicola Hladik, dass sich die Qualität der<br />
Ausbildung verbessert hat. So wurden die Azubis häufig<br />
nur zum Frühstück eingeteilt. Der Nachteil: Außer Kaffee<br />
oder Saft nachzufüllen und Tische abzuräumen, lernten<br />
sie wenig über den Umgang mit Gästen. Jetzt gilt: Zehn<br />
Tage können alle einmal am Restauranttisch den À-lacarte-Service<br />
üben.<br />
Kurz erklärt<br />
Die JAV ist die Jugendund<br />
Auszubildendenvertretung<br />
in einem Betrieb<br />
oder Unternehmen. Sie<br />
kümmert sich zum Beispiel<br />
um die Ausbildungsqualität<br />
oder verhandelt<br />
über die Übernahme der<br />
Azubis mit. Weitere Infos<br />
unter: www.jav-portal.de<br />
Foto: Jörg Koch / Fotoagentur FOX<br />
Thomas Dieplinger (r.) arbeitet erfolgreich mit Nicola Hladik (2. v. r.) und ihrem JAV-Team zusammen.<br />
12<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7
MENSCHEN | MEIN ARBEITSPLATZ<br />
Die Keksfabrik: kein Platz<br />
für Krümelmonster<br />
Carina Janßen bei der Qualitätskontrolle in der Produktion. Hier darf übrigens genascht werden.<br />
Foto: Jörg Oberheide / Fotoagentur FOX<br />
Wenn man aus der Wesermarsch kommt und das Backen liebt, ist die Auswahl an Ausbildungsbetrieben mit<br />
Perspektive nicht gerade riesig. Carina Janßen hat dennoch ihren Platz gefunden: als Fachkraft für Süßwarentechnik<br />
bei Bahlsen im friesischen Varel.<br />
» Gewerkschaft ist<br />
eine gute Sache, da<br />
hast Du immer jemanden,<br />
der sich für Dich<br />
einsetzt.«<br />
Das Ende ihrer Ausbildung liegt schon ein paar Jahre<br />
zurück, dennoch erinnert sich die heute 25-Jährige<br />
Carina Janßen sehr gut an ihren Einstieg ins Berufsleben.<br />
„Mich hat die Vielseitigkeit der Ausbildung gereizt.<br />
Ich habe es immer geliebt, zu backen<br />
und alles über die verschiedenen<br />
Rohstoffe zu lernen. Auch<br />
der Umgang mit Technik und Maschinen<br />
war cool“, erzählt sie. Als<br />
Fachkraft für Süßwarentechnik<br />
braucht man handwerkliches und<br />
technisches Geschick gleichermaßen.<br />
Handwerkliches, um während<br />
der Ausbildung Konfekt oder eine Tafel Schokolade<br />
selbst herzustellen. Technisches, um die großen Maschinen<br />
gut im Blick zu haben.<br />
In der Vareler Keksfabrik werden an großen Produktionsanlagen<br />
Kekse und Kuchen hergestellt. Etwa 270 der<br />
rund 1.600 Bahlsen-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter<br />
arbeiten hier am Jadebusen. Die Sozialstandards in dem<br />
125 Jahre alten Familienunternehmen seien vergleichs-<br />
weise hoch, berichtet die Betriebsratsvorsitzende<br />
Manuela Haase. Leiharbeit gebe es kaum und Übernahmeoptionen<br />
für Azubis seien die Regel. Die beiden Frauen<br />
kennen sich gut, nicht nur, weil Carina schon seit ihrer<br />
Ausbildung NGG-Mitglied ist. Sie<br />
konnte auch Manuelas Arbeitsplatz in<br />
der Qualitätskontrolle übernehmen. „Das<br />
ist bis heute mein Platz! Der Job ist abwechslungsreich<br />
und man muss sehr<br />
selbstständig arbeiten“, berichtet die<br />
junge Frau, die sich zur Hygiene-Auditorin<br />
fortgebildet hat und es liebt, einmal<br />
pro Schicht ihren Rundgang durch die<br />
Produktion zu machen. Dabei nimmt sie Kekse und Verpackungen<br />
genauestens unter die Lupe. Sie entnimmt<br />
Proben, achtet auf Geschmack und Aussehen, kontrolliert<br />
die Rohstoffe und überprüft die Einhaltung der umfassenden<br />
Hygiene-Vorschriften. „Sauberkeit und Ordnung<br />
waren das erste, was mir Manuela beigebracht<br />
hat“, lacht sie. „Schade Krümelmonster, hier habt ihr<br />
ganz schlechte Karten!“<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7<br />
13
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NGG AKTIV | INTERNATIONALES<br />
Foto: Rosa-Luxemburg-Stiftung<br />
David gegen Goliath — die spanischen Kollegen werden u. a. unterstützt von Ulf Henselin, Referatsleiter in der NGG-Hauptverwaltung, Podemos-Generalsekretär<br />
Pablo Iglesias und Jonny Neto von der französischen CGT (v.l.n.r.).<br />
Coca-Cola und der Schein von Arbeit<br />
Arbeiter vor leeren Hochregalen, die Platz für 60.000 Paletten bieten, Gabelstaplerfahrer,<br />
die nichts transportieren können. Das sind die Arbeitsbedingungen<br />
für 175 Beschäftigte bei Coca-Cola Fuenlabrada in Madrid. Die Coca-Cola European<br />
Partners haben beschlossen, dieses moderne voll funktionstüchtige Werk<br />
zu schließen. Als vor drei Jahren das „Aus“ für insgesamt knapp 1.200 spanische<br />
Coca-Cola-Mitarbeiter kam, beschlossen 175 zu klagen. Sie gewannen, doch was<br />
sich nach Sieg anhörte, verwandelte sich in einen Albtraum.<br />
Das Verhalten des Konzerns führte allerdings dazu, dass hinter den Arbeitern, die<br />
nichts mehr zum Arbeiten haben, viele stehen: Familien, Nachbarn, Gewerkschafter<br />
und Politiker. Aus dem Protest wurde eine soziale Bewegung, bei der<br />
auch EFFAT und IUL mitmachen. NGG ist Mitglied in beiden Organisationen. Die<br />
Spanier sagen, es sei ein Kampf „zwischen David und Goliath“. Hintergrund sind<br />
Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs. Der hatte 2<strong>01</strong>4 die Wiedereinstellung<br />
der 175 Kläger verlangt. Dem folgte das Unternehmen — die (Noch-)Beschäftigten<br />
verbringen nun sozusagen ihre Arbeitszeit in einer Firmenkulisse.<br />
Mitte Januar kamen Gewerkschafter aus Deutschland, Belgien und Frankreich<br />
nach Madrid. Es stand eine weitere Gerichtsentscheidung an: Die Richter urteilten,<br />
Coca-Cola habe die Auflagen erfüllt. Für die Kläger ist diese Entscheidung<br />
nicht nachvollziehbar. Auch Ulf Henselin, Referatsleiter Getränke in der NGG-<br />
Hauptverwaltung, war dabei – und kann dieses Urteil kaum glauben. Er bewundert<br />
den Durchhaltewillen der Protestierenden, der trotz des Urteils ungebrochen<br />
ist. Sie kämpfen nicht nur für Spanien, weiß Henselin. Der weltweit größte Getränkeproduzent<br />
versuche auch in Deutschland und anderen Ländern die Arbeitsbedingungen<br />
zu verschlechtern. Der spanische Protest verdiene schon deshalb die<br />
Unterstützung aller Beteiligten. In Madrid heißt deshalb die Devise: Durchhalten.<br />
Sie hoffen, das Unternehmen an einer seiner empfindlichsten Stellen zu treffen,<br />
seinem Image. „Wir haben den Arbeitskampf dorthin getragen, wo es Coca-Cola<br />
am meisten trifft, in die Öffentlichkeit“, erklärten die spanischen Kollegen.<br />
Solidaritätsbotschaften an: mercedespm@hotmails.es<br />
Kurz erklärt<br />
Der europäische<br />
Verband der Lebensmittel-,<br />
Landwirtschafts-<br />
und<br />
Tourismusgewerkschaften<br />
ist das Sprachrohr von 2,6<br />
Millionen Mitgliedern aus 120 Gewerkschaften<br />
in 35 Ländern.<br />
www.effat.org<br />
Die Internationale<br />
Union der Lebensmittel-,<br />
Landwirtschafts-,<br />
Hotel-, Restaurant-,<br />
Café- und Genussmittelarbeiter-Gewerkschaften<br />
ist die<br />
Dachorganisation von 324 Gewerkschaften<br />
in 120 Ländern und vertritt<br />
die Interessen von mehr als 12<br />
Millionen Gewerkschafts-Mitgliedern.<br />
www.iuf.org<br />
Mehr Informationen online<br />
www.ngg.net/coca-cola<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7<br />
15
NGG AKTIV<br />
NGG wirkt:<br />
Kündigung verhindert<br />
Foto: picture alliance / dpa<br />
An Deutschlands Raststätten muss auch für den Besuch des stillen Örtchens<br />
gezahlt werden. In vielen der knapp 400 Raststätten von Tank & Rast erstehen<br />
die Kunden gleichzeitig einen Wertbon in Höhe von 50 Cent, der gegen Kaffee,<br />
Kekse oder Getränke eingelöst werden kann. Wegen des angeblichen Diebstahls<br />
zwölf solcher Sanifair-Toiletten-Bons hat Tank & Rast im Mai 2<strong>01</strong>6 einer langjährigen<br />
Mitarbeiterin gekündigt. Sie hat sich mit Unterstützung der NGG in Augsburg<br />
über Monate hinweg gegen ihre Kündigung gewehrt. Schließlich hat sie die<br />
Bons nicht unterschlagen, sondern lediglich wegen des großen Andrangs an ihrer<br />
Kasse kurz beiseite gelegt, um sie bei nächster Gelegenheit in den Reißwolf<br />
zu stecken. Den Gesamtbetrag von sechs Euro bonierte sie dabei vorschriftsmäßig<br />
– ein Schaden für den Raststätten-Betreiber ist nicht entstanden. Die Kündigung<br />
erhielt sie trotzdem – nach 15 Jahren im Betrieb. Kurz vor Prozessbeginn<br />
am Augsburger Arbeitsgericht hat Tank & Rast die Kündigung überraschend zurückgezogen:<br />
Der von der NGG erzeugte öffentliche Druck hat das Management<br />
zum Einlenken gebracht.<br />
Rote Karte<br />
für Tarifverweigerer<br />
Mit Brötchen die eigenen Brötchen zu verdienen, ist ein<br />
hartes Brot. Ohne staatliche Zuschüsse können viele Beschäftigte<br />
im Bäckerhandwerk nicht leben. In Sachsen<br />
und Thüringen betrifft das besonders viele Menschen, da<br />
sie ohne Tarifvertrag in den Bäckereifilialen und Backstuben<br />
schuften – sie verdienen oft gerade mal den Mindestlohn.<br />
Stress macht ihnen zusätzlich die hohe Arbeitsbelastung.<br />
Das ist nicht länger hinnehmbar. Seit Ende November<br />
zeigt die NGG den Tarifverweigerern und dem<br />
Innungsverband die Rote Karte. Mit der gleichnamigen<br />
Unterschriftenaktion, bei Redaktionsschluss lagen<br />
schon mehr als 1.000 unterschriebene Postkarten vor,<br />
unterstreicht die NGG die Forderung nach einem Flächentarifvertrag,<br />
der endlich für alle faire Arbeitsbedingungen<br />
und gute Löhne regelt. In Sachsen und Thüringen<br />
würden von einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag<br />
allein in der Herstellung von Back- und Teigwaren<br />
mehr als 25.000 Beschäftigte profitieren: Die NGG im<br />
Landesbezirk Ost ist bis in den März hinein mit Postkarten<br />
und „Bäckerei-Visiten“ vor Ort unterwegs, um den Druck auf die Arbeitgeber<br />
Schritt für Schritt zu erhöhen.<br />
16<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7
Großer Andrang herschte bei einer NGG-Kundgebung vor der Coca-Cola-Zentrale in Berlin am 1. März 2<strong>01</strong>7. (Foto: NGG)<br />
160 Euro mehr sind fair<br />
Nachdem die Geschäftsleitung von Coca-Cola European<br />
Partners Deutschland bislang kein angemessenes Angebot<br />
für eine Lohnerhöhung vorgelegt hat, haben die Beschäftigten<br />
seit Anfang März mit Warnstreiks reagiert.<br />
Los ging es im „Verkaufsgebiet Ost“. Mit mehrstündigen<br />
Arbeitsniederlegungen haben die Beschäftigten von Coca-Cola<br />
klar gemacht, dass sie hartnäckig für ihre Forderungen<br />
kämpfen werden. Den Auftakt bildete eine Kundgebung<br />
in Berlin. 250 Beschäftigte „tauschten“ ihre<br />
Frühschicht gegen eine Fahrt nach Berlin ein, um mit<br />
Arbeitsbeginn vor der deutschen Firmenzentrale von<br />
Coca-Cola lautstark zu protestieren. Parallel zur Auf-<br />
sichtsratssitzung des Unternehmens machten sie ihrem<br />
Unmut Luft. In der laufenden Tarifrunde fordert die NGG<br />
160 Euro mehr pro Monat für jeden Beschäftigten. Das<br />
Angebot der Arbeitgeber sieht eine Erhöhung des Entgelts<br />
um 1,3 Prozent vor – angesichts immer weiter steigender<br />
Anforderungen deutlich zu wenig. Bis ein neues,<br />
verhandelbares Angebot vorliegt, werden die Warnstreiks<br />
ausgeweitet.<br />
Mehr Informationen online<br />
www.ngg.net/coca-cola<br />
Arbeitszeit<br />
braucht Grenzen<br />
DIe NGG im Saarland wehrt sich gegen andauernde Versuche<br />
des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes<br />
(DEHOGA), die gesetzlichen Regelungen zur Arbeitszeit<br />
aufzuweichen und hat die Resolution „Arbeitszeit<br />
braucht Grenzen!“ gestartet. Seit Jahresbeginn wurden<br />
schon weit mehr als 1.000 Unterschriften gesammelt.<br />
Aus Sicht der NGG sind die ausufernden und teils gesundheisschädlichen<br />
Arbeitszeiten im Gastgewerbe einer<br />
der Gründe für die großen Nachwuchssorgen der<br />
Branche.<br />
Mehr Informationen online<br />
www.ngg.net/saar<br />
NGG im<br />
Dauereinsatz<br />
Allein vom 1. Januar bis 28. Februar 2<strong>01</strong>7<br />
wurden 54 Warnstreiks in NGG-Betrieben<br />
durchgeführt.<br />
54 Warn-<br />
streiks<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7<br />
17
» Starke Betriebsräte<br />
gibt es in unserer<br />
Branche nur mit<br />
der NGG.«<br />
Michaela Vermeij<br />
18 <strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7
MENSCHEN | PORTRÄT<br />
30 Tage Urlaub fallen<br />
nicht vom Himmel<br />
Michaela Vermeij ist eine engagierte Frau. Als freigestelltes Betriebsratsmitglied bei Ferrero Deutschland setzt<br />
sie sich am Produktionsstandort im hessischen Stadtallendorf mit Herzblut für ihre mehr als 4.000 Kolleginnen<br />
und Kollegen ein.<br />
Foto: Uwe Völkner / Fotoagenut FOX<br />
„Wir sind hier so richtig multikulti“, lacht die in Bayern<br />
aufgewachsene Holländerin und erzählt, dass Menschen<br />
aus 48 Nationen im Werk gemeinsam mit der Leitung<br />
des Familienunternehmens ein außergewöhnliches Betriebsklima<br />
geschaffen haben. „Hohe soziale Standards<br />
prägen die Kultur bei Ferrero. Dazu gehört auch, dass<br />
die NGG seit Jahren fester Bestandteil im Unternehmen<br />
ist. Betriebsrat, Gewerkschaft und Unternehmensleitung<br />
arbeiten absolut vertrauensvoll zusammen.“<br />
Noch Luft nach oben<br />
Dass das die Mitgliederwerbung nicht einfacher macht,<br />
ist für die 54-Jährige eine Herausforderung, der sie sich<br />
gerne täglich neu stellt. „In der Region liegen wir vergleichsweise<br />
super, was den Organisationsgrad angeht.<br />
Ich konzentriere mich auf das riesige Potenzial bei Ferrero.<br />
Das beflügelt doch bei der Arbeit, oder?“ Gewerkschaftsarbeit.<br />
Das ist für Michaela fester Bestandteil ihres<br />
Lebens: Mit dem Einstieg in den Betriebsrat 1994<br />
erfolgte unmittelbar auch der Eintritt in die NGG. „Das<br />
war für mich keine Frage. Mir ist der Solidargedanke<br />
wichtig – 30 Tage Urlaub kriegt man nicht geschenkt.<br />
Starke Betriebsräte gibt es in unserer Branche nur mit<br />
der NGG. Die Gewerkschaft hat mir – auch in schweren<br />
Phasen meines Lebens – viel gegeben. Das kann ich<br />
heute zurückgeben!“ Das tut sie. Zum Beispiel als<br />
Hauptvorstandsmitglied und als stellvertretende Vorsitzende<br />
der NGG-Region Nord- und Mittelhessen.<br />
Zukunft gemeinsam meistern<br />
Im Moment liegt der Fokus aber auf ihrer Arbeit in der<br />
NGG-Tarifkommission für den Entgelt-Rahmen-Tarifvertrag<br />
Süßwarenindustrie. „Hier müssen wir dringend vorankommen“,<br />
erzählt sie, „bereits vor 20 Jahren wurde<br />
dieser Tarifvertrag gekündigt. Seitdem sehen wir uns veränderten<br />
Produktionsbedingungen mit ständig wachsen-<br />
den Mehrfachbelastungen ausgesetzt.“ Wegfall von<br />
Schonarbeitsplätzen, Belastungen durch Schichtarbeit,<br />
Steigerung des Durchschnittsalters: Diese Themen beschäftigen<br />
Michaela bei Ferrero schon eine Weile. Im<br />
Rahmen des TiL-Projektes (Transfer innovativer Lösungen<br />
für eine zukunftsorientierte Personalpolitik in der<br />
Nahrungs- und Genussmittelindustrie, www.til-projekt.<br />
de) nahmen sich Personalleitung und Betriebsrat vor, gemeinsam<br />
ein Konzept zur altersgerechten Gestaltung von<br />
Arbeitsplätzen zu entwickeln, ohne dabei die Jüngeren<br />
zu vergessen. Mit Erfolg: Ein Belastungskataster wurde<br />
erstellt, neue Angebote zur betrieblichen Gesundheitsförderung<br />
wurden entwickelt. Bei Ferrero besuchen inzwischen<br />
Physiotherapeuten die Kolleginnen und Kollegen<br />
an ihren Arbeitsplätzen in der Produktion. „Solche<br />
in die Zukunft gerichteten Projekte machen Spaß und<br />
geben mir das Gefühl, gemeinsam mit meiner Gewerkschaft<br />
gute Arbeit für die Beschäftigten zu leisten. Das<br />
kann von mir aus auch die nächsten 150 Jahre mutig so<br />
weitergehen.“<br />
Wissen, wo man herkommt<br />
2<strong>01</strong>4 musste die Betriebsrätin für eine Weile wieder zurück<br />
auf einen Schicht-Arbeitsplatz in der Produktion<br />
wechseln. Plötzlich war sie wieder, wo sie 1989 angefangen<br />
hatte. Das war nicht leicht, daraus macht Michaela<br />
keinen Hehl. Dennoch möchte sie die Zeit nicht missen:<br />
„Ich wurde so gut aufgenommen. Die Kolleginnen haben<br />
mir einiges von dem zurückgegeben, was ich mit meiner<br />
Arbeit im Betriebsrat für sie getan hatte. Das tut gut –<br />
und erdet gleichzeitig.“<br />
Apropos Erdung. Was bewegt die Power-Frau nach Feierabend?<br />
„Da erinnert mich mein ‚wahrer Chef’, Kater<br />
Beppo, Zuhause an die ‚Friedenspflicht’ und sorgt dafür,<br />
dass ich mal einen Gang runter schalte.“<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7<br />
19
150 Frische Rezepte für gute Arbeit<br />
Genießer-Rezepte zum Nachkochen<br />
Seit mehr als 150<br />
Jahren ...<br />
... steht die NGG für die richtigen<br />
Rezepte, für gerechte Bezahlung<br />
und faire Arbeitsbedingungen. Genauso<br />
lange stellen NGG-Mitglieder<br />
in den Küchen und Backstuben<br />
Deutschlands nach modernen oder<br />
traditionellen Rezepturen Lebensmittel<br />
her. Was wäre also die „Genussgewerkschaft“<br />
ohne stattliche<br />
Rezepte-Sammlung? Zum 150-jährigen<br />
Jubiläum hatten wir Mitglieder,<br />
Prominente und Hobbyköche<br />
aufgerufen, regionale Köstlichkeiten<br />
oder Familien-Leibspeisen einzusenden.<br />
Schnell füllte sich die<br />
„Bundes-Genuss-Karte“ mit Rezepten<br />
aus allen 50 NGG-Regionen.<br />
Mehr als 1.000 Rezepte aus ganz<br />
Deutschland wurden eingeschickt.<br />
Ausgewählte Rezepte findet Ihr in<br />
dem in den Regionalbüros erhältlichen<br />
Buch „150 Frische Rezepte<br />
für Gute Arbeit“ oder unter<br />
www.ngg/rezepte.net<br />
Zutaten für vier Personen:<br />
375 g Speck<br />
750 g frische Bohnen<br />
2 Zwiebeln<br />
2 Zweige Bohnenkraut<br />
500 g festkochende Kartoffeln<br />
500 g Birnen<br />
2 EL körnige Brühe<br />
700 ml Wasser<br />
50 ml Weißwein-Essig<br />
Salz, Pfeffer<br />
2 EL Mehl (zum Andicken)<br />
Landesbezirk Nord // Region Hamburg-Elmshorn<br />
Birnen, Bohnen<br />
und Speck<br />
Zubereitung:<br />
Wasser und Brühe in einen Topf geben, aufkochen lassen. Speck in etwa 1 cm<br />
dicke Scheiben schneiden und zugeben. Etwa 15 Minuten kochen lassen dann<br />
aus dem Topf herausnehmen. Bohnen putzen und in 4 cm lange Stücke brechen.<br />
Zwiebel würfeln. Beides zusammen mit dem Weißwein-Essig in den Topf<br />
geben und 15 Minuten kochen lassen. Kartoffeln schälen und im Ganzen in den<br />
Topf dazugeben. An den Birnen die Stielansätze und die Blüten entfernen und<br />
mit Schale zum Eintopf dazugeben. Den Eintopf nach Belieben salzen und pfeffern,<br />
mit Bohnenkraut würzen. Etwa 30 Minuten bei mittlerer Hitze kochen lassen,<br />
dann das Mehl mit etwas Wasser verquirlen und einrühren. Speck in kleine<br />
Würfel schneiden, dazugeben und alles nochmal kurz aufkochen. Eventuell noch<br />
einmal nachwürzen.<br />
Mehr Informationen online<br />
www.ngg.net/rezepte<br />
Foto: Fürcho GmbH<br />
20 <strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7
KOPF UND BAUCH<br />
24 Fußball-Mannschaften hat der ESV Einigkeit Wilhelmsburg, doch keine ist so erfolgreich wie die 1. Damen. Die „<strong>einigkeit</strong>“ hat die Mädels besucht.<br />
23 aus 8: Das Erfolgsrezept der Damen<br />
Fotos: Matthias Bolle<br />
... ist Einigkeit. In allen Lebensbereichen haben sich Menschen unter dem<br />
Namen Einigkeit zusammengeschlossen. Die Redaktion stellt sie Euch vor.<br />
Hamburg-Wilhelmsburg liegt auf der größten Flussinsel Deutschlands und ist ein<br />
ganz besonderer Stadtteil. Ursprünglich Arbeiterhochburg ist das Viertel heute<br />
jung, modern und multikulti. „Na, wollen Sie es mal versuchen? Bei mir kriegt jede<br />
erst mal eine Chance!“ Trainer Matthias Bolle lacht und erzählt, dass er selbst<br />
früher nicht so recht an die Attraktivität von Frauenfußball glauben konnte. „Dann<br />
habe ich doch mal ein Spiel meiner Tochter angeguckt. Das hat mich überzeugt.“<br />
Inzwischen hat er den 23-köpfigen Kader um Spielführerin Sarah Scherer fest im<br />
Griff und steuert die 1. Damen des ESV Einigkeit Wilhelmsburg sicher durch die<br />
Verbandsliga Hamburg. Keine der Männer-Mannschaften des traditionsreichen<br />
Vereins spielt übrigens so hoch wie die Girls von Trainer Bolle.<br />
Ihr Erfolgsrezept? Ausgefeilte Taktik, spielerisches Talent, unbedingter Siegeswillen<br />
mögen eine Rolle spielen. Aber vor allem ist es der Zusammenhalt über Herkunft<br />
und Religion hinweg, der diese Fußballerinnen stark macht. 23 Frauen aus acht<br />
Nationen im Alter von 16 bis 38 Jahren spielen in der 1. Damen des ESV Einigkeit.<br />
Sie kommen aus Usbekistan, Polen oder Nigeria. Sogar zwei afghanische Nationalspielerinnen<br />
sind dabei. Sie gewinnen und verlieren gemeinsam und lassen die<br />
Saison feuchtfröhlich auf Mallorca ausklingen. Was sich harmonisch anhört, ist<br />
kein Selbstläufer: „23 Frauen unter einen Hut zu bringen, das ist nicht immer<br />
einfach“, schmunzelt Matthias Bolle. Einigkeit ist manchmal harte Arbeit ...<br />
Wir sind uns einig ...<br />
... Einigkeit macht stark! Dieser Leitspruch<br />
begleitet die deutschen Gewerkschaften<br />
seit ihren Gründungen.<br />
Einigkeit steht für Zusammenhalt<br />
und Übereinstimmung. Das<br />
Gegenteil ist der Widerspruch. All<br />
das macht Gewerkschaft aus. Aber<br />
eben nicht nur Gewerkschaft: Sport,<br />
Hobby, Freizeit – überall gilt, Einigkeit<br />
macht nicht nur stark, sondern<br />
auch erfolgreich.<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7<br />
21
Harte Arbeit, wenig Geld.<br />
Mit Warnstreiks kämpfen<br />
die Beschäftigten von McDonald`s<br />
und Co. für faire Bezahlung.
BRANCHE<br />
Wandel mit System<br />
Das deutsche Gastgewerbe verändert sich, die Systemgastronomie erobert immer<br />
größere Marktanteile. Das hat Folgen für die Arbeit in der Branche.<br />
ca. 58.000 Beschäftigte<br />
Wer in der Gastronomie dauerhaft erfolgreich<br />
sein will, muss sich immer wieder an<br />
die wechselnden Geschmäcker der Gäste<br />
anpassen, sich – wenigstens ein Stück weit<br />
– immer wieder neu erfinden. Dabei wechseln<br />
die Vorlieben und Trends in immer<br />
schnelleren Abständen. Vor kurzem noch in<br />
aller Munde, ist etwa der klebrig süße<br />
Bubbletea heute kaum mehr zu bekommen.<br />
War Sushi vor einigen Jahren noch extrem<br />
beliebt, treffen heute eher vegane Küche<br />
oder ausgefallene Hamburger den Geschmack.<br />
Im Gaststättengewerbe weiß man<br />
also von jeher mit Veränderungen umzugehen,<br />
Wandel ist<br />
1 Euro<br />
uro<br />
1 Euro<br />
1 Euro<br />
uro<br />
Jeder dritte Euro in der Gastronomie<br />
entfällt auf die<br />
Systemgastronomie.<br />
Quelle: Systemgastronomie in<br />
Deutschland 2<strong>01</strong>5, Dehoga<br />
stetiger Begleiter.<br />
Seit Jahren<br />
ist in der Branche<br />
allerdings<br />
eine Veränderung<br />
zu beobachten,<br />
die<br />
über das bekannte<br />
Maß hinausgeht:<br />
Die<br />
Systemgastronomie<br />
gewinnt<br />
an Bedeutung<br />
und erobert<br />
Schritt für Schritt immer größere Marktanteile:<br />
Inzwischen landet jeder dritte Euro, der in<br />
der Gastronomie verdient wird, bei einem<br />
Unternehmen der Systemgastronomie.<br />
Der Kunde bekommt, was er erwartet<br />
In der Systemgastronomie tummeln sich viele<br />
bekannte Namen, die zwar unterschiedliche<br />
Produkte – von Burger über Pizza und Pasta,<br />
von Fischspezialitäten zu Kaffee – anbieten,<br />
aber eines eint: Die Arbeitsabläufe innerhalb<br />
des jeweiligen „Systems“ sind in hohem Maße<br />
standardisiert, Optik, Zubereitung und Geschmack<br />
der Speisen und Getränke exakt<br />
vorgeschrieben und die Ladeneinrichtungen<br />
nahezu identisch. Für die Kunden bringt das<br />
einen klaren Vorteil: Wer ein McDonald’s-, ein<br />
Nordsee- oder ein Burger-King-Restaurant<br />
betritt, bekommt genau das, was er erwartet:<br />
Denn von Aachen bis Zwickau gilt: Ein Big<br />
Mac ist ein Big Mac, ein Whopper ist ein<br />
Whopper und ein Iced Caramel Macchiato<br />
von Starbucks ist ein Iced Caramel Macchiato:<br />
Sieht gleich aus, schmeckt gleich und kostet,<br />
von kleinen regionalen Unterschieden<br />
abgesehen, gleich viel.<br />
Keine Experimente!<br />
Der Erfolg der Systemgastronomie, die sich<br />
längst zum Wachstumstreiber im deutschen<br />
Gastgewerbe entwickelt hat, gibt ihrem Prinzip<br />
der einheitlichen Standards Recht. Offenbar<br />
ist es so: In einer von hoher Mobilität<br />
geprägten, als sich schnell verändernden<br />
empfundenen Welt voll wachsender Unsicherheiten<br />
und scheinbarer Risiken, ziehen<br />
es viele Menschen vor, beim Essen und Trinken<br />
auf Experimente zu verzichten und greifen<br />
stattdessen auf das bewährte, risikolose<br />
Angebot von McDonald’s, Burger King, Vapiano<br />
und Co. zurück.<br />
Die Markengeber setzen auf Franchise<br />
Auch die Markengeber in der Systemgastronomie<br />
scheuen das Risiko, fast alle „Systeme“<br />
sind im Franchise-Prinzip organisiert.<br />
Das bedeutet, dass der Markeninhaber, zum<br />
Beispiel Burger King Deutschland, seine Restaurants<br />
nicht selber führt, sondern anderen<br />
– gegen Gebühr – erlaubt, Burger-King-<br />
Produkte zu verkaufen. Diese „Franchisepartner“<br />
profitieren von Bekanntheit und<br />
Image der Marke sowie beispielsweise von<br />
flächendeckenden Werbekampagnen. Im<br />
Gegenzug sind sie verpflichtet, die vorgegebenen<br />
Standards einzuhalten, die Produkte<br />
aus den vorgeschrieben Kanälen und zu festen<br />
Preisen zu beziehen und tragen das unternehmerische<br />
Risiko.<br />
ca. 2.000 Beschäftigte<br />
ca. 2.250 Beschäftigte<br />
ca. 5.300 Beschäftigte<br />
ca. 4.700 Beschäftigte<br />
ca. 25.000 Beschäftigte<br />
ca. 1.300 Beschäftigte<br />
ca. 4.000 Beschäftigte<br />
Mitglieder des Bundesverbands<br />
der Systemgastronomie (Auswahl)<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7<br />
23
Dass die Markengeber immer stärker auf<br />
Franchise setzen – Unternehmen wie<br />
Burger King oder Starbucks führen heute<br />
kein einziges ihrer vielen<br />
hundert deutschen Restaurants<br />
und Cafés in Eigenregie<br />
– hat direkte Auswirkungen<br />
auf die Arbeitsbedingungen.<br />
Denn mit<br />
dem Franchisenehmer ist<br />
ein weiteres Glied in der<br />
Kette, das Kosten decken<br />
muss und Gewinn machen<br />
will. Guido Zeitler, der bei<br />
NGG für das Gastgewerbe<br />
verantwortlich ist, stellt<br />
dazu fest: „Immer dann, wenn Unternehmen<br />
auf Franchise umstellen, können wir<br />
mit geringer zeitlicher Verzögerung die Folgen<br />
vor Ort in den Betrieben beobachten.<br />
Die Arbeitsbedingungen verändern sich –<br />
leider fast nie zum Besseren.“<br />
» Wenn Unternehmen auf<br />
Franchise umstellen, können<br />
wir die Folgen vor Ort<br />
beobachten. Die Arbeitsbedingungen<br />
verändern sich<br />
— fast nie zum Besseren.«<br />
Guido Zeitler, NGG-Referatsleiter<br />
für das Gastgewerbe<br />
Mehr Informationen online<br />
www.ngg.net/system2<strong>01</strong>7<br />
hin gezahlt werden muss, hinausgeht. Die NGG<br />
hält dagegen und hat nach dem vorläufigen<br />
Scheitern der Verhandlungen am 23. Januar<br />
2<strong>01</strong>7 zu bundesweiten<br />
Warnstreiks<br />
aufgerufen.<br />
Kaum ein Tag ohne<br />
Warnstreik<br />
Seitdem verging<br />
kaum ein Tag, an<br />
dem nicht an einem<br />
oder mehreren Orten<br />
in Deutschland<br />
die Arbeit niedergelegt<br />
wurde. Für viele<br />
Beschäftigte in der deutschen Systemgastronomie<br />
ist es das erste Mal, dass sie sich aktiv und<br />
selbstbewusst für bessere Arbeitsbedingungen<br />
und gerechte Bezahlung einsetzen. Gerade in<br />
der Systemgastronomie verkennen noch allzu<br />
viele den Wert ihrer Arbeit und die eigene Stärke.<br />
Gemeinsam mit den Beschäftigten und engagierten<br />
Betriebsräten wird die NGG den Druck<br />
auf die Arbeitgeber weiter erhöhen – stetig steigende<br />
Mitgliedszahlen in der Systemgastronomie<br />
stärken dabei den Rücken. Es bleibt abzuwarten,<br />
wann die Arbeitgeber bereit sind, ein<br />
Angebot vorzulegen, das der harten Arbeit in<br />
der Systemgastronomie gerecht wird.*<br />
Wie in Berlin am 11. Februar 2<strong>01</strong>7 sind bundesweit<br />
Beschäftigte der Systemgastronomie dem<br />
NGG-Aufruf zum Warnstreik gefolgt. (Fotos: NGG)<br />
*Der Tarifkonflikt mit dem BdS dauerte bei<br />
Redaktionsschluss an.<br />
24<br />
Feilschen um jeden Cent<br />
Viele Franchisegeber verlangen so hohe Lizenzgebühren<br />
oder Mieten, dass die Franchisenehmer<br />
unter großem Druck stehen.<br />
Und nicht wenigen fällt dann nichts Besseres<br />
ein, als diesen Druck ungefiltert an die<br />
eigenen Beschäftigten weiterzugeben. Umso<br />
wichtiger, dass die Arbeitsbedingungen in<br />
der Systemgastronomie per Tarifvertrag mit<br />
der NGG geregelt sind. Seit Ende 2<strong>01</strong>6 laufen<br />
die Verhandlungen mit dem Bundesverband<br />
der Systemgastronomie (BdS), in dem<br />
alle führenden Systeme Mitglied sind, über<br />
den Abschluss eines neuen Entgelttarifvertrages<br />
für die rund 100.000 Beschäftigten<br />
von McDonald’s, Burger King und Co. Die<br />
Arbeitgeberseite feilscht dabei um jeden<br />
Cent, der über den Mindestlohn, der ohne<strong>einigkeit</strong><br />
1-2<strong>01</strong>7
„Davon hab‘ ich<br />
nachts geträumt“<br />
Die Arbeit in der Systemgastronomie ist laut, stressig und richtig hart. Trotzdem wollen McDonald’s, Burger<br />
King, Starbucks und Co. kaum mehr als Mindestlohn bezahlen. Die „<strong>einigkeit</strong>“ sprach mit Lisa Halbauer, NGG-<br />
Mitglied und Studentin aus Kiel, die seit zweieinhalb Jahren bei McDonald’s arbeitet.<br />
Lisa, was ist das Besondere an der Arbeit in der Systemgastronomie?<br />
Die Arbeit ist stark durchgetaktet, es gibt nur sehr wenig<br />
Freiraum und praktisch nie Leerlauf. Die kurzen Momente,<br />
wo wir keine Kundinnen oder Kunden bedienen,<br />
Speisen zubereiten oder Maschinen auffüllen, müssen<br />
wir nutzen, um den Gastraum zu reinigen, die Wagen<br />
mit den Tabletts abzuräumen oder in den Toiletten nach<br />
dem Rechten zu sehen.<br />
Lisa Halbauer, NGG-Mitglied aus Kiel, arbeitet seit zweieinhalb<br />
Jahren bei McDonald´s.<br />
Klingt, als sei das Personal<br />
sehr eng bemessen?<br />
Wie das in anderen Stores<br />
aussieht, kann ich nicht<br />
sagen, aber bei uns ist es<br />
schon ziemlich eng, gerade<br />
in Stoßzeiten. Wie viel<br />
Personal eingesetzt wird,<br />
richtet sich nach dem zu<br />
erwartenden Umsatz, der<br />
wird mit einem speziellen<br />
Programm berechnet und<br />
scharf kalkuliert – Stillstand<br />
ist nicht vorgesehen.<br />
Es wird schon versucht,<br />
uns die nötigen<br />
Pausen zu gewähren,<br />
aber das klappt nicht immer.<br />
Wir arbeiten sozusagen<br />
im Takt der Maschinen,<br />
ständig piepst es irgendwo<br />
und wir müssen zum jeweiligen Gerät springen<br />
und zum Beispiel die Pommes nach exakt 180 Sekunden<br />
aus der Fritteuse holen oder das Hamburger-Brötchen<br />
nach genau 30 Sekunden aus dem Toaster nehmen.<br />
Jedes Gerät hat seinen eigenen Ton, davon hab‘<br />
ich am Anfang nachts geträumt.<br />
Wird dein Job fair bezahlt?<br />
Nein, definitiv nicht. Wir arbeiten in direktem Kundenkontakt,<br />
haben immer Zeitdruck und Stress und sind die<br />
ganze Zeit auf den Beinen. Es ist nicht richtig, dass Menschen,<br />
die diese harte Arbeit machen, davon eigentlich<br />
nicht leben können – erst Recht nicht, wenn sie Familie<br />
haben.<br />
Foto: Uwe Völkner / Fotoagentur FOX<br />
Und wie kann sich das ändern?<br />
Ich glaube, vielen Beschäftigten ist der Wert der eigenen<br />
Arbeit gar nicht richtig<br />
bewusst, da fehlt es an<br />
Selbstbewusstsein. Das<br />
ist kein Wunder, denn<br />
wenn jemand erzählt,<br />
dass sie oder er bei<br />
McDonald’s oder Burger<br />
King arbeitet, gibt es statt<br />
Anerkennung mitleidige<br />
Blicke. Das ist gar nicht<br />
nötig – viele von uns machen<br />
einen richtig tollen<br />
Job, sind sehr engagiert<br />
und geben ihr Bestes.<br />
Nur leider bekommen<br />
wir von unseren Arbeitgebern<br />
mehr oder minder<br />
deutlich eingetrichtert,<br />
dass unsere Arbeit<br />
nichts Besonderes ist<br />
und dass wir ersetzbar<br />
sind. Das stimmt natürlich nicht, denn längst nicht jede<br />
und jeder schafft unseren Job. Das müssen wir uns bewusst<br />
machen. Und die Beschäftigten in der Systemgastronomie<br />
müssen noch stärker zusammenhalten und<br />
gemeinsam mit ihrer NGG für mehr Anerkennung und<br />
mehr Geld kämpfen.<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7<br />
25
Wir gratulieren!<br />
Es sind die Mitglieder, die unsere Gewerkschaft zu dem machen, was sie ist. Eine starke, lebendige Organisation,<br />
die sich mit voller Kraft für ihre Mitglieder einsetzt. Viele halten ihrer NGG über Jahrzehnte die Treue. Darauf sind<br />
wir stolz und dafür sind wir dankbar. Deshalb erhalten unsere Jubilare einen Ehrenplatz in der „<strong>einigkeit</strong>“.<br />
1947<br />
Foto: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung<br />
1947, am 30. Juli, wurde in der britischen Besatzungszone die Industriegewerkschaft Nahrung Genuß Gaststätten gegründet. Im Bild<br />
vom Verbandstag der NGG in Hamburg, der neu gewählte Vorsitzende Gustav Pufal (vorne rechts). Viele weitere Informationen zur Geschichte<br />
der NGG gibt es online auf www.ngg.net/150.<br />
Seit 70 Jahren Mitglied<br />
Seit 50 Jahren Mitglied<br />
Arnold Grunwald, Helmut Schormann ,<br />
Kurt Herm, Erhard Ziepel,<br />
Otto Gremmelmaier, Hans Altenhofer,<br />
Otto Atrott, Hans Schweiger,<br />
Helmut Huber, Günter Peschke,<br />
Siegfried Gretsch, Hans Lotzer,<br />
Elisabeth Kabermann, Walter Maisch,<br />
Karl Nold, Werner Buch,<br />
Gerd Büffor, Anton Heinzl,<br />
Wilhelm Burgdorf, Ralf Sorgenfrei,<br />
Herbert Grewecke, Anneliese Edinger,<br />
Rudolf Wiesner, Walter Kokotek,<br />
Heinrich Sichelschmidt<br />
Winfried Lehmann, Lieselotte Kuczmann,<br />
Udo Konrad, Günter Müller,<br />
Horst Wehmöller, Guenter Heinrich,<br />
Karin Stalling, Hans-Wilhelm Engelhardt,<br />
Walter Buechner, Marlene Witt,<br />
Peter Bornemann, Reinhard Hofmeister,<br />
Heinrich Möllmann, Karl-Heinz Schmeißing,<br />
Ute Finsterbusch, Friedrich Vomfelde,<br />
Karl-Heinz Adrian, Helmut Plutka,<br />
Hans-Otto Häfele, Heinrich Peter Buhs,<br />
Rudolf Jaeger, Klaus Müller,<br />
Bariza Pavic, Klaus Nikolai,<br />
Karl-Peter Przibilla, Klaus Zander,<br />
26
Elisabeth Wilke, Klaus Brandt,<br />
Werner Kotzan, Bernhard Lubczyk,<br />
Harald Hartung, Günter Löb,<br />
Gerhard Schmitting, Gisela Resler,<br />
Inge Fink, Horst Geppert,<br />
Herbert Mayer, Hans Riessler,<br />
Mathias Sieber, Franz Wassner,<br />
Josef Simson, Josef Thalhammer,<br />
Manfred Arbeit, Bärbel Becker,<br />
Heinrich Jäger, Michael Lorenc,<br />
Hans Dieter Pohl, Helmut Quanz,<br />
Josef Kriegmaier, Rainer Kursawe,<br />
Marianne Fehn, Elisabeth Meissner,<br />
Rudi Nagel, Heinz Scherbauer,<br />
Hans Spindler, Horst Wolfshöfer,<br />
Bernhard Zwirner, David Bintakies,<br />
Aloysius Schulte, Adelheid Mueller,<br />
Raymund Wolf, Maria Beckert,<br />
Anna Herold, Brigitte Scales,<br />
Juergen Kalina, Friedrich Schneider,<br />
Klaus Scholtz, Franz Seliger,<br />
Christel Butzke, Marion Vogel,<br />
Jochen Schneider, Regina Wiener,<br />
Christoph Feinen, Alfred Riske,<br />
Werner Braig, Zenta Krug,<br />
Werner Fritzsche, Walter Passow,<br />
Detlev Schrader, Karl-Heinz Rapsch,<br />
Waltraudt Behrendt, Herbert Bolt,<br />
Ursula Haßelbring, Werner Bäumlisberger,<br />
Martin Mueller, Heinz Noske,<br />
Christian Speck, Willi Tillmanns,<br />
Uwe Buenger, Selma Goerke,<br />
Johannes Entling, Rolf Hellwig,<br />
Werner Latussek, Alfred Meißner,<br />
Peter von Lossow, Erich Nowak,<br />
Guenter Siegel, Karl-Heinz Eckhardt,<br />
Heinz Schröder, Monika Florschütz,<br />
Richard Hentze, Harry Bläser,<br />
Hartwig Krick, Wolfgang Lausch,<br />
Christa Schröder, Maximilian Baum,<br />
Roland Boll, Erika Fuchs,<br />
Helmtrud Jehl, Walter Rauch,<br />
Gerda Schmid, Susanne Wolf,<br />
Arthur Pfahl, Horst Roessel,<br />
Walter Brachtel, Inge Conrad,<br />
Ursula Stamm, Hans-Juergen Meyer,<br />
Karl-Heinz Maack, Walter Moebis,<br />
Joachim Schönebaum, Inge Freyher,<br />
1967<br />
„Vom Stehpult zum Computer“, titelte die „<strong>einigkeit</strong>“ am 1. November<br />
1967. Die Frage, wie „Zukunftstechnologien“ unsere Arbeit<br />
verändern, ist auch heute, 50 Jahre später, brandaktuell und<br />
wird eine wichtige Rolle in der nächsten Ausgabe der „<strong>einigkeit</strong>“<br />
spielen.<br />
Friedmar Stuckenberg, Inge Janeke,<br />
Horst Bieber, Irmtraud Sommer,<br />
Erich Baumann, Bernhard Christoffers,<br />
Johann Fellner, Günther Noack,<br />
Hermann Vilzmann, Manfred Greil,<br />
Hermine Gürster, Dieter Schmidt,<br />
Johann Steinberger, Marianne Arens,<br />
Herbert Rolig, Siegfried Karrasch,<br />
Carl Guenter Menzel, Klaus Donner,<br />
Peter Steffens, Hannelore Jaekel<br />
Hinweis: In dieser Ausgabe gratulieren wir Mitgliedern,<br />
die im ersten Quartal der Jahre 1947 (vor 70 Jahren) und<br />
1967 (vor 50 Jahren) in die Gewerkschaft NGG eingetreten<br />
sind. In den weiteren Ausgaben des Jahres 2<strong>01</strong>7<br />
werden diejenigen geehrt, die im zweiten, dritten und<br />
vierten Quartal der Jahre 1947 und 1967 Mitglied geworden<br />
sind.<br />
27
NGG AKTIV<br />
Unterstützung<br />
erwünscht<br />
Wer kennt Beispiele guter Betriebsvereinbarungen<br />
aus dem eigenen<br />
Unternehmen? Schickt uns die Regelungen.<br />
Die Redaktion verfolgt<br />
das Thema weiter:<br />
redaktion@ngg.net<br />
Frauenkonferenzen<br />
Auf den Konferenzen<br />
wird die Kandidatin<br />
für den<br />
Landesbezirksvorstand<br />
gewählt, über<br />
die geleistete Arbeit<br />
berichtet und werden Anträge für<br />
die Bundesfrauenkonferenz (13. bis<br />
15. Oktober 2<strong>01</strong>7 in Sprockhövel)<br />
beraten. Die NGG-Vorsitzende Michaela<br />
Rosenberger und die Landesbezirksvorsitzenden<br />
werden auf<br />
allen Konferenzen sprechen.<br />
:was uns<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
1./2. April in der DGB-Bildungsstätte<br />
Hattingen<br />
Bayern<br />
5./6. Mai in der „Villa Leon“<br />
in Nürnberg<br />
Südwest<br />
19./20. Mai im Bildungszentrum<br />
Oberjosbach<br />
Nord<br />
10./11. Juni in der ver.di-<br />
Bildungsstätte in Walsrode<br />
zusteht<br />
Ost<br />
24./25. Juni im Sea Ride Park Hotel<br />
in Leipzig<br />
Das Schweigen brechen<br />
Jede zweite Beschäftigte in Deutschland hat sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz selbst<br />
erlebt – so ein Umfrageergebnis der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.<br />
Doch Zahlen sagen<br />
nichts über die Belastung<br />
der Betroffenen<br />
aus. Immerhin ist „sexuelle<br />
Belästigung“<br />
mittlerweile ein Thema<br />
in den Unternehmen.<br />
Die NGG hat für ihre<br />
Beschäftigten eine entsprechende<br />
Betriebsvereinbarung,<br />
die es<br />
Frauen leichter machen<br />
soll, Übergriffe,<br />
seien es „nur“ dumme<br />
Sprüche oder Handgreiflichkeiten,<br />
zu melden<br />
und Ansprechpartner<br />
in der Organisation<br />
zu finden. Etliche Firmen<br />
haben ebenfalls –<br />
meist in Zusammenarbeit<br />
mit ihren Betriebsräten – Verhaltensregeln<br />
aufgestellt.<br />
„Super schwierig, das Thema“<br />
Sabine Piel, Koordinatorin beim Europäischen<br />
Betriebsrat von Unilever, wirkte bei<br />
dem Nahrungsmittelkonzern aktiv an entsprechenden<br />
Regelungen mit. Doch trotz<br />
einer guten Konzernbetriebsratsvereinbarung<br />
weiß sie: „Für die Kolleginnen ist es<br />
enorm schwierig, über ihre Erlebnisse zu<br />
sprechen.“ In vielen Firmen gibt es eine Person<br />
im Betrieb, die für ein Gespräch zur Verfügung<br />
steht, oft sind es Mitglieder des Betriebsrates.<br />
Zudem haben die Frauen das<br />
Recht auf ihrer Seite. So bleibt das Hauptproblem<br />
„der fehlende Mut“, überhaupt den<br />
Mund aufzumachen. „Super schwierig ist<br />
das Thema für die Betroffenen“, sagt die<br />
47-Jährige.<br />
Lösungen suchen<br />
Anzügliche Bemerkungen, ein beiläufiger<br />
Griff an Po oder Busen, sogar Vergewaltigungen,<br />
gehören für viele Frauen zum Arbeitsalltag.<br />
Verlässliche Zahlen gibt es prak-<br />
Engagiert beim Thema sexuelle Belästigung: Die Koordinatorin beim EBR<br />
von Unilever, Sabine Piel<br />
tisch nicht, da alle Experten von einer hohen<br />
Dunkelziffer ausgehen. Entscheidend ist<br />
deshalb der Opferschutz. Für Piel ist es<br />
schon ein Fortschritt, wenn das Problem in<br />
einem Unternehmen wie dem ihren „offen<br />
und lösungsorientiert“ thematisiert wird. Das<br />
kann helfen, dass sich die Frauen überhaupt<br />
trauen, von ihren Erfahrungen zu berichten.<br />
Kolleginnen, aber auch Kollegen können zudem<br />
aufmerksamer sein und selbst die Täter<br />
ansprechen.<br />
Sabine Piel hat noch einen wichtigen Tipp<br />
für alle: „Führt Tagebuch.“ Denn wer sich<br />
dazu durchringt, endlich die Übergriffe zu<br />
melden, kann oft selbst nicht mehr alle Details<br />
rekonstruieren. Vor allem empfiehlt sie<br />
den Frauen, „ihren eigenen Gefühlen zu<br />
trauen“. Denn wer sich nicht wehrt, akzeptiert<br />
die Machtspielchen der Täter.<br />
www.frauen.dgb.de<br />
Foto: Unilever<br />
28<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7
NGG VOR ORT<br />
Fotos: NGG<br />
Harte Arbeit zu Dumping-Löhnen: Die Arbeitsbedingungen sind in vielen Schlachtbetrieben katastrophal.<br />
Geht doch: Ohne Werkvertrag<br />
In der Schlacht- und Zerlegeindustrie sind unfaire Arbeitsbedingungen und die<br />
Ausbeutung der oft aus Osteuropa stammenden Beschäftigten besonders ausgeprägt.<br />
Die NGG setzt sich seit Jahren dafür ein, dass die hier Beschäftigten fest<br />
angestellt werden, statt mit Werkverträgen abgespeist und über Subunternehmen<br />
in extrem prekäre Verhältnisse gedrängt zu werden.<br />
Böseler Goldschmaus, ein großer niedersächsischer Schlachthof, hat nun einen<br />
ersten Schritt in die richtige Richtung getan und angekündigt, die rund 400 Beschäftigten,<br />
die bislang mit Werkverträgen und bei einem Werkvertragsunternehmen<br />
arbeiten, 2<strong>01</strong>7 schrittweise zu übernehmen. Auch wenn das Unternehmen<br />
diesen Schritt schon bis zum Ende des letzten Jahres durchsetzen wollte, begrüßt<br />
die NGG dieses Vorhaben. Die tatsächliche Umsetzung des Plans wäre ein<br />
Novum in dieser Branche und hätte eine große Signalwirkung. Und die Unternehmen,<br />
die bislang<br />
auch ihre soziale<br />
Verantwortung auslagern<br />
und nicht gewillt<br />
sind, die katastrophalen<br />
Arbeitsbedingungen<br />
in der<br />
Fleischwirtschaft<br />
endlich flächendeckend<br />
zu verbessern,<br />
wären unter<br />
Zugzwang.<br />
Der Schlachthof Böseler Goldschmaus übernimmt Werkvertragler.<br />
80%<br />
der Gastronomiebetriebe in<br />
Nordrhein-Westfalen verstoßen<br />
gegen das Arbeitszeitgesetz.<br />
Das ergaben unangemeldete<br />
Kontrollen durch das Landesarbeitsministerium<br />
in 146 Gastronomiebetrieben.<br />
Die häufigsten Verstöße:<br />
Nichtberücksichtigung von Arbeitszeiten,<br />
Überschreitung der<br />
täglichen Höchstarbeitszeit,<br />
Verweigerung von Pausen.<br />
Quelle: Ministerium für Arbeit, Integration<br />
und Soziales NRW, 2<strong>01</strong>6<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7<br />
29
Foto: Uwe Völkner / Fotoagentur FOX<br />
Isabell Mura, Geschäftsführerin der NGG-Region Südwestfalen, setzt auf innovative Mitgliederwerbung.<br />
Wissenstransfer à la NGG<br />
In unserer Reihe NGG vor Ort stellen wir künftig jeweils eine Region aus der Nähe vor. Den Anfang macht Südwestfalen.<br />
Dafür haben wir uns bei Isabell Mura und ihrem Team in Hagen umgesehen und erfahren, wie die<br />
Region Südwestfalen vom klugen Miteinander profitiert.<br />
Vom Ruhrgebiet bis zum Sauer- und Siegerland: Die<br />
größte Flächenregion in Nordrhein-Westfalen ist geprägt<br />
von der Getränkeindustrie. Neben den drei großen, konzernunabhängigen<br />
Brauereien Veltins, Krombacher und<br />
Warsteiner war bis Anfang 2<strong>01</strong>6 auch Coca-Cola hier mit<br />
drei Standorten vertreten. „Nun müssen wir gemeinsam<br />
mit den Kolleginnen und Kollegen die Schließung der<br />
Produktionsstätten in Soest und Drolshagen verkraften“,<br />
erzählt Isabell Mura. Die 32-Jährige ist erst seit August<br />
2<strong>01</strong>5 Geschäftsführerin der Region. Auch der Gewerkschaftssekretär<br />
Lars Wurche ist frisch dabei. „Was wir in<br />
den Betrieben einfordern, nämlich dass die Jungen vom<br />
Know-how der Älteren profitieren, das praktizieren wir<br />
hier im Büro längst täglich“, lacht Isabell. „Ohne die jahr-<br />
zehntelange NGG-Erfahrung der beiden Verwaltungskräfte,<br />
Marita Arens und Martina Pot, wären Lars und ich<br />
aufgeschmissen!“ Auch die mehr als 500 Mitglieder, die<br />
sich jährlich mit ihren zumeist arbeitsrechtlichen Anliegen<br />
an das Büro wenden, profitieren von dem eingespielten<br />
Team.<br />
Gewerkschaftskind<br />
Dabei hat die Wahl-Hagenerin durch ihre in NGG und<br />
ver.di aktiven Eltern selbst „Gewerkschaft“ im Blut.<br />
„Nach dem Lehramtsstudium war mir schnell klar, wo<br />
mein Platz ist. In der Gewerkschaft kann ich einfach viel<br />
mehr Positives bewirken als im Schulbetrieb.“<br />
Dass der Einsatz lohnt, zeigt die gute Mitgliederentwick-<br />
30<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7
NGG VOR ORT<br />
Die Brauereien Veltins, Krombacher und Warsteiner prägen die NGG-Region Südwestfalen.<br />
Foto: Veltins<br />
Fünf Landesbezirke, 50 Regionen:<br />
www.ngg.net/vorOrt<br />
lung in der weitläufigen Region. Neben den<br />
Brauereien spielen in Südwestfalen das Bäckerhandwerk<br />
(u.a. Bäckerei Hosselmann),<br />
das Gastgewerbe (Sauerland) und die Lebensmittelindustrie<br />
(Westfleisch, Metten<br />
Fleischwaren, Ölmühle Brökelmann) eine<br />
Rolle. Um neue Mitglieder zu gewinnen,<br />
lässt man sich hier einiges einfallen: Werber-<br />
Seminare werden geplant und Anreize mit<br />
gestaffelten Prämien geschaffen. Mit Erfolg:<br />
85 neue Mitglieder verzeichnet die NGG in<br />
der Region aufgrund dieser Werbeaktion seit<br />
August 2<strong>01</strong>6.<br />
Auf Inhalte setzen<br />
Letztlich aber funktioniert Mobilisierung nur<br />
über die richtigen Themen: So konnte im Anschluss<br />
an die internationale Fleischkonferenz<br />
im Herbst 2<strong>01</strong>6 der Betriebsratsvorsitzende<br />
von Westfleisch, Dieter Haugwitz, in<br />
drei Monaten mehr als 20 neue Mitglieder<br />
gewinnen!<br />
Ganz oben auf der Tagesordnung steht in<br />
diesem Jahr das Thema Demografie. Aktiv<br />
trägt Isabell gemeinsam mit den Betriebsräten<br />
das Thema in die Belegschaften, organisiert<br />
Infotage oder Rentenberatungen.<br />
„Unser Ziel ist ein neuer Flächentarifvertrag<br />
für die Sauer- und Siegerländer Brauereien.<br />
Hier haben wir bereits erste Gespräche geführt“,<br />
erzählt Isabell, die auch Koordinatorin<br />
im Projekt Arbeit 2020 in NRW ist. „Den Arbeitgebern<br />
liegen Altersstrukturanalysen vor,<br />
die sie aufhorchen lassen müssten. Leider<br />
bevorzugten sie bisher individuelle betriebli-<br />
che Lösungen, aber transparente, einheitliche<br />
Modelle erreichen wir nur mit Tarifverträgen.<br />
In der aktuellen Entgelt-Runde haben<br />
wir deshalb die Wiederaufnahme der<br />
Gespräche gefordert.“<br />
Der Mensch im Mittelpunkt<br />
Wahljahr 2<strong>01</strong>7: Für die Hagener Kollegen<br />
bedeutet das mobilisieren gegen Rechtspopulismus<br />
und Rassismus. Am internationalen<br />
Frauentag gab es Aktionen zur Lohngerechtigkeit.<br />
Isabell Mura gehen die Ideen<br />
nicht aus. Abgestimmt werden<br />
die Aktivitäten mit dem<br />
13-köpfigen Regionsvorstand.<br />
„Wir haben fünf Vorstandssitzungen<br />
und eine<br />
Klausur jährlich“, erklärt die<br />
Geschäftsführerin und der<br />
Vorstandsvorsitzende Wilfried<br />
Pälmer ergänzt: „Die<br />
Region ist weitläufig, dennoch<br />
bewirken wir hier als<br />
NGG vieles. Warum? Weil<br />
wir zum einen absolut vertrauensvoll<br />
zusammenarbeiten<br />
und zum anderen<br />
auch den jungen Leuten<br />
vermitteln: ‚Deine Stimme zählt!’ Wir geben<br />
Orientierung und sorgen für Mitsprache. Bei<br />
der NGG steht auch heute noch der Mensch<br />
im Mittelpunkt. Das ist mein Verständnis von<br />
Gewerkschaftsarbeit!“.<br />
Auf einen Blick<br />
Region Südwestfalen<br />
www.ngg.net/suedwestfalen<br />
Mitglieder: ca. 3.100<br />
Fläche: ca. 7.500 km²<br />
Besonderheit: bierlastig<br />
» Wir geben<br />
Orientierung und<br />
sorgen für Mitsprache.«<br />
Wilfried Pälmer, Vorsitzender der NGG-<br />
Region Südwestfalen und ehrenamtliches<br />
Mitglied im NGG-Hauptvorstand<br />
Foto: Uwe Völkner / Fotoagentur FOX<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7<br />
31
Noch einmal, bitte!<br />
Vorlesen ist wichtig<br />
Gemütlich auf dem Sofa, im Sessel, unter der Bettdecke: Anderen vorzulesen,<br />
bedeutet für Zuhörerinnen und Vorleser nicht nur gemeinsames Abtauchen<br />
in fremde Welten, Abenteuer und Spannung.<br />
Vorlesen bedeutet auch, sich einzulassen, dem anderen zuzuhören und dabei<br />
gleichzeitig Wortschatz und Sprachkompetenz zu trainieren. Schade nur, dass<br />
diese „schönste Art der Wissensvermittlung“ (Ranga Yogeshwar) aus der Mode<br />
zu kommen scheint!<br />
Seit über 150 Jahren ...<br />
... ist der Vorleser das Symbol der<br />
NGG. Es steht für den Kampf und<br />
das Recht auf Bildung trotz äußerer<br />
Zwänge. Während der Arbeit wurden<br />
die Zigarrenmacher im 19.<br />
Jahrhundert nicht durch die Fabrikanten<br />
kontrolliert. Sie konnten ungehindert<br />
miteinander reden und<br />
debattieren. Die Vorleser kamen aus<br />
ihren Reihen. Sie trugen aus Romanen,<br />
politischen Schriften und sozialdemokratischen<br />
Zeitungen vor —<br />
zur Unterhaltung und zur politischen<br />
Information der Zigarrenmacher.<br />
Die „<strong>einigkeit</strong>“ stellt künftig<br />
neue und alte Vertreter dieser Tradition<br />
vor.<br />
Sie sind der Schlüssel zu Bildung: Lesen und Schreiben gehören zu den elementarsten<br />
Kulturtechniken, die unsere Gesellschaft kennt, und sind damit wesentlicher<br />
Teil der Allgemeinbildung und Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe<br />
und politische Mitbestimmung. Vorlesen, das belegt die aktuelle Studie von Stiftung<br />
Lesen, der Wochenzeitung DIE ZEIT und Deutsche Bahn Stiftung, schult<br />
sprachliche Fertigkeiten und soziale Kompetenzen gleichermaßen. 91 Prozent<br />
der Kinder in Deutschland bekommen gern vorgelesen. Auch bei Kindern aus<br />
Haushalten, in denen eine andere Sprache als Deutsch gesprochen wird, ist die<br />
Zahl gleichbleibend hoch. Und dennoch nehmen sich immer weniger Eltern Zeit,<br />
ihren Kindern regelmäßig vorzulesen, und ihnen damit den Zugang zu Bildung<br />
und Teilhabe zu erleichtern. Neben der Stiftung Lesen gibt es eine Vielzahl von<br />
Initiativen, die sich zum Ziel gesetzt haben, den Trend mit Aktionen wie dem<br />
Bundes-Vorlesetag zu stoppen. Ein Beispiel ist www.netzwerkvorlesen.de.<br />
Um das Vorlesen als eine universelle Kulturtechnik zu schützen, werden der<br />
Deutsche Bibliotheksverband und die Stiftung Lesen eine gemeinsame Initiative<br />
zur Eintragung der Kulturtechnik „Das Vorlesen“ in die UNESCO-Liste des Immateriellen<br />
Kulturerbes starten. Da ist man im sozialistischen Kuba schon einen<br />
Schritt weiter: Dort sind die „lectora de tabaquería“ inzwischen ein richtiger Beruf.<br />
Seit Dezember 2<strong>01</strong>2 ist die alte Tradition sogar als nationales Kulturerbe<br />
anerkannt. Alles begann 1865, als ein engagierter Fabrikarbeiter es sich zur<br />
Gewohnheit machte, seinen Kollegen während der Arbeit aus einer neuen proletarischen<br />
Zeitung vorzulesen. Inzwischen gibt es mehr als 100 „lectores“ auf der<br />
Karibikinsel.<br />
60. 000<br />
Bücher, die früher verboten waren, werden<br />
noch für den „Pantheon of Books“<br />
gesucht, den die argentinische Künstlerin<br />
Marta Minujin zur documenta in Kassel<br />
errichten will. Bislang haben die Verlage<br />
für den papiernen Nachbau der Akropolis<br />
knapp 40.000 Bücher zur Verfügung<br />
gestellt. www.documenta14.de<br />
Vorleser gesucht<br />
Am bundesweiten Aktionstag für das<br />
Vorlesen (3. Freitag im November) finden<br />
auch an ungewöhnlichen Vorleseorten<br />
Aktionen statt: im Schwimmbad,<br />
im Tierpark, in Museen oder in der Fußgängerzone<br />
– der Fantasie sind keine<br />
Grenzen gesetzt. 2<strong>01</strong>6 beteiligten sich<br />
135.000 Vorleserinnen und Vorleser!<br />
www.vorlesetag.de<br />
Schon mal vor-gelesen<br />
Auf dieser Seite findet Ihr künftig Lese-,<br />
Hör- und Vorlese-Empfehlungen der<br />
Redaktion — aber auch von unseren<br />
Leserinnen und Lesern. Schickt uns<br />
Eure Tipps und Empfehlungen oder Fotos<br />
von Euch als Vorleser an:<br />
redaktion@ngg.net<br />
32<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7
Die Nachlese<br />
Die Nachlese bietet Raum für die Leserinnen und Leser der „<strong>einigkeit</strong>“. Die<br />
Redaktion freut sich auf Leserbriefe und spannende Anregungen und Diskussionen.<br />
In dieser ersten Ausgabe der neugestalteten „<strong>einigkeit</strong>“ zeigen wir,<br />
welche Themen die NGG-Online-Welt zuletzt beschäftigt haben.<br />
Wir freuen uns ...<br />
... auf Post via E-Mail an<br />
redaktion@ngg.net.<br />
KOPF UND BAUCH<br />
„Wir haben unsere Prügel im Kühlhaus bezogen“<br />
276.110 Aufrufe • 11.241 • 654 Mal geteilt<br />
Die Online-Kampagne „NGG.<br />
Die bessere Lösung“, in der<br />
auch der raue Umgangston<br />
in vielen Küchen zum Thema<br />
gemacht wird, hat viele (positive)<br />
Reaktionen hervorgerufen.<br />
Ein Beispiel ist der Kommentar<br />
von Marc Hübschen<br />
auf der NGG-Facebookseite:<br />
Ihr habt Fragen, Anregungen oder<br />
Kritik? Dann diskutiert mit uns auf<br />
www.facebook.com/<br />
gewerkschaftNGG<br />
und<br />
www.twitter.com/<br />
gewerkschaftNGG<br />
Marc Hübschen Wir haben unsere Prügel im Kühlhaus bezogen!<br />
Da gab es keine Zeugen! Ausserdem war, egal was schief ging, immer<br />
einer der Azubis Schuld! Und wenn man mal was sagte, wurde<br />
es immer runter gespielt! Schließlich sind Lehrjahre keine<br />
Herrenjahre!<br />
Gefällt mir • Antworten • Nachricht senden<br />
<strong>01</strong> • 15 Std.<br />
NGG Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten<br />
Und uns erzählt man, wir hätten uns das nur ausgedacht...<br />
leider nein.<br />
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Marc Hübschen Nein leider nicht! Erst die Azubis brechen<br />
und dann, wenn sie es solange ausgehalten haben, wieder<br />
aufbauen! Das war die Devise unseres Ausbilders.<br />
Gefällt mir • Antworten • Nachricht senden <strong>01</strong><br />
Auch das „Angebot“ des Bundesverbands der Systemgastronomie, den vielen<br />
Beschäftigten in der untersten Tarifgruppe künftig 5,07 Euro mehr als Mindestlohn<br />
(pro Monat) zu zahlen, wurde vielfach kommentiert, etwa von Ines Rejek:<br />
Ines Rejek Und für das wenige Geld soll man auch noch um jede<br />
Uhrzeit zur Verfügung stehen können, für drei die Arbeit machen.<br />
Da brauchen die sich wirklich nicht wundern, wenn gute Mitarbeiter<br />
gehen, sobald die einen besseren Job mit besserer Bezahlung und<br />
nicht mit so einem extremen Arbeitstempo finden. Denn auf Dauer<br />
hält man das Tempo auch nicht aus.<br />
Gefällt mir • Antworten • Nachricht senden 02 • 25.<strong>01</strong>.17<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7<br />
33
KURZ NOTIERT<br />
Sozialwahl 2<strong>01</strong>7: Du hast die Wahl<br />
Mehr als 50 Millionen Wahlberechtigte können bis zum 31. Mai 2<strong>01</strong>7 per Brief ihre Vertreterinnen und Vertreter<br />
in der Renten-, Unfall-, Kranken- und Pflegeversicherung wählen.<br />
Warum ist das so wichtig?<br />
Es geht um uns: Wer Beiträge einzahlt, soll auch mitbestimmen,<br />
was damit passiert. Die Vertreterversammlungen<br />
und Verwaltungsräte sind paritätisch besetzt – von<br />
Arbeitgebern und Vertretern der Versicherten. Sie beschließen<br />
u.a. die Haushalte, entscheiden mit über Satzungsleistungen,<br />
die Höhe der Zusatzbeiträge und Bonusleistungen<br />
oder „Kann“-Leistungen bei der Rehabilitation.<br />
Bei Widersprüchen verhelfen sie Versicherten zu<br />
ihrem Recht. Es geht also um unsere Rente, unsere Gesundheitsversorgung<br />
und damit auch unsere Zukunft<br />
und die Zukunft unserer Kinder. Nutze Deine Stimme für<br />
die Gemeinschaftslisten des Deutschen Gewerkschaftsbundes<br />
(DGB), auf denen auch NGG-Mitglieder mit ihrer<br />
sozialpolitischen Expertise aus der gewerkschaftlichen<br />
Arbeit kandidieren.<br />
www.dgb.de/sozialwahl<br />
Ausblick<br />
Ein spannendes politisches Jahr – mit Wahlen in unseren Nachbarländern und der Wahl zum Deutschen Bundestag<br />
im September – liegt noch vor uns. Aber auch unsere NGG hat Interessantes zu bieten, das wir in den nächsten<br />
drei Ausgaben der „<strong>einigkeit</strong>“ beleuchten wollen.<br />
Die „Arbeit der Zukunft“ in unseren Branchen: Das wird<br />
der Fokus in der nächsten Ausgabe der „<strong>einigkeit</strong>“ sein,<br />
die Mitte Juni erscheint. Wir sind am Thema Industrie<br />
4.0 dran und wollen mitgestalten.<br />
Hier ist auch Deine Meinung gefragt: Woran denkst Du<br />
bei Industrie 4.0 und Digitalisierung? Wie stellst Du<br />
Dir Deine Arbeit in den nächsten Jahren vor? Wir freuen<br />
uns auf Deine Antworten via Facebook, Twitter oder<br />
an redaktion@ngg.net.<br />
In der dritten Ausgabe nehmen wir uns des Themas „Rente<br />
muss für ein gutes Leben reichen“ an. Das Quartett voll<br />
macht die „Initiative Lohngerechtigkeit“ sowie eine Einstimmung<br />
auf unseren Gewerkschaftstag im November<br />
2<strong>01</strong>8.<br />
Die Redaktion – und ich persönlich – freuen uns auf Eure<br />
Reaktion und Eure Anregungen zum neuen Magazin.<br />
Michaela Rosenberger, NGG-Vorsitzende<br />
Arbeit wird digitaler<br />
Beschäftigte arbeiten mit...<br />
23 % 33 % 50 %<br />
computergesteuerten<br />
Maschinen oder Robotern<br />
Projektkooperationen im<br />
Internet<br />
softwaregesteuerter<br />
Produktionsplanung<br />
53 % 68 % 82 %<br />
IT-Geräten (wie Scanner<br />
oder Datenbrillen)<br />
@<br />
elektronischen Kommunikationsmitteln<br />
digitalen Mitteln<br />
insgesamt<br />
34<br />
<strong>einigkeit</strong> 1-2<strong>01</strong>7<br />
Quelle: DGB-Index Gute Arbeit 2<strong>01</strong>6 / Grafiken: Freepik.com
IMPRESSUM<br />
In eigener Sache<br />
Wir wollen die Umwelt schonen, Kosten<br />
senken und deshalb Doppellieferungen<br />
vermeiden. Unsere Bitte: Teilt uns mit,<br />
wenn in Euren Haushalt mehrere Ausgaben<br />
der „<strong>einigkeit</strong>“ geliefert werden, beispielsweise<br />
bei Ehepartnern oder Lebensgemeinschaften,<br />
und ein Exemplar<br />
des Magazins ausreicht.<br />
redaktion@ngg.net<br />
NGG mit neuer Hausbank<br />
Wir haben unsere Hausbank gewechselt.<br />
Wir bitten die Mitglieder, die ihre Beiträge<br />
bislang auf das Konto der Hauptverwaltung<br />
bei der SEB Hamburg entrichtet haben,<br />
ab sofort nur noch folgende Bankverbindung<br />
zu nutzen:<br />
Landesbank Hessen-Thüringen<br />
IBAN: DE88 5005 0000 00<strong>01</strong> 0302 04<br />
BIC: HELADEFFXXX<br />
Solidaritätsfonds<br />
Aus dem Solidaritätsfonds für internationale<br />
gewerkschaftliche Arbeit unterstützt<br />
die NGG verfolgte GewerkschafterInnen<br />
und ihre Familien. Bitte helft mit und<br />
überweist eine Geldspende auf unser<br />
NGG-Konto:<br />
Landesbank Hessen-Thüringen<br />
IBAN: DE88 5005 0000 00<strong>01</strong> 0302 04<br />
BIC: HELADEFFXXX<br />
Verwendungszweck: Solidaritätsfonds<br />
Michaela Vermeij<br />
Herausgeber<br />
Hauptvorstand der Gewerkschaft<br />
Nahrung-Genuss-Gaststätten<br />
Haubachstraße 76, 22765 Hamburg<br />
Tel. (040) 38<strong>01</strong>30<br />
Fax (040) 38<strong>01</strong>3220<br />
hv.redaktion@ngg.net<br />
Redaktion<br />
Dr. Karin Vladimirov (V.i.S.d.P.)<br />
Gabriele Becker<br />
Jonas Bohl<br />
Birgit Böhret<br />
Mascha Jacobs<br />
Redaktionsschluss<br />
8. März 2<strong>01</strong>7<br />
Gestaltung und Konzept<br />
hofAtelier und<br />
Wellenschlag Textkontor, Bremen<br />
Titelfoto<br />
Silvia Steinbach / Fotoagentur FOX<br />
Satz<br />
Malena Bartel<br />
Maren Eilers-Baetu<br />
Erscheinungsweise<br />
4 x jährlich<br />
Auflage<br />
220.000 Stück<br />
Druck<br />
BWH GmbH<br />
Der Verkaufspreis ist im<br />
Mitgliedsbeitrag enthalten.<br />
35
Stress im Job?<br />
www.bessere-loesung.de<br />
<strong>einigkeit</strong>: Jetzt auch als App<br />
Die „<strong>einigkeit</strong>“, das Mitgliedermagazin der Gewerkschaft NGG, gibt es jetzt auch<br />
als App. Das E-Paper ist vollgepackt mit spannenden Infos, Bildergalerien, Videos<br />
und noch viel mehr. Hol dir jetzt die „<strong>einigkeit</strong>“ auf dein Smartphone oder Tablet!