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KUNSTINVESTOR AUSGABE APRIL 2017

KUNSTINVESTOR Kunst als Kapitalanlage AUSGABE April 2017 Herausgeber Michael Minassian

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Kunst als Kapitalanlage
AUSGABE April 2017
Herausgeber Michael Minassian

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KUNST.INVESTOR Kunsthalle Wien<br />

Wenn João Maria Gusmão und Pedro Paiva in ihrem<br />

16mm Film Glossolalia (2014) einen Papagei langsam<br />

seine Flügel spreizen, sich drehen und den Schnabel<br />

öffnen lassen, ist der/die Betrachter/in in gespannter<br />

Erwartung. Doch mit dem Öffnen des Schnabels endet<br />

der (Stumm-)Film und lässt uns mit der Frage zurück:<br />

Welche Sprache spricht ein sprechender Papagei?<br />

Nicht nur die Stimme, auch und vor allem Gesten<br />

vermitteln dieses „mehr als nur Worte“: Bruno Munaris<br />

Sammlung von Gesten im Supplemento al dizionario<br />

italiano – I Gesti (1958) zeigt Fotos von rund fünfzig<br />

Handbewegungen, ergänzt um deren Anwendung und<br />

Bedeutung. Ketty La Roccas Fotoserie Le mie parole, e<br />

tu? (1974) zeigt ebenfalls Hände als Ausdrucksträger<br />

und Symbol des Körpers. Anders als bei Munari, wo<br />

Handzeichen als Form der Kommunikation auf ein<br />

intuitives Verständnis abzielen, sind es bei Ketty La<br />

Rocca Hände, auf die Worte und Sätze appliziert sind –<br />

Hände, in die sich Sprache sprichwörtlich einschreibt.<br />

Fast ein Jahr lang arbeitete die Künstlerin Erica Scourti<br />

an ihrem Projekt Life in AdWords (2012/13). Sie<br />

erstellte ein digitales Tagebuch, in dem sie sich mit der<br />

Webcam ihres Computers täglich dabei filmte, wie sie<br />

von einem Algorithmus erzeugte Keywords, wie einen<br />

Wordrap vorträgt. Die vorgeschlagenen Worte ergaben<br />

sich aus personalisierter Werbung, die ihr als Reaktion<br />

auf ihr digitales Tagebuch vorgeschlagen wurde. So<br />

wurde täglich eine lange Liste an Objekten, Marken,<br />

emotionalen Zuständen und Wünschen kreiert.<br />

Auch performative Elemente prägen die Ausstellung, so<br />

etwa Jason Dodges Skulptur Rose light to white light to<br />

rose light over and over by hand, die während der<br />

Dauer der Ausstellung an unterschiedlichen Tagen die<br />

existierenden Neonröhren im Raum durch rosafarbene<br />

Röhren austauschen lässt, um diese dann wiederum<br />

durch die ursprünglichen zu ersetzen. Diese Arbeit führt<br />

vor Augen, wie sich allein durch den Wechsel des<br />

Lichts, die Wahrnehmung verändert. Eine punktuelle<br />

Wahrnehmungsverschiebung nimmt auch Fernando<br />

Ortegas Transcription vor. Ortega hat das Summen<br />

einer Mücke in eine Komposition übersetzt, die von<br />

einem Violinisten an unterschiedlichen und nicht vorab<br />

bekanntgegebenen Tagen in der Ausstellung gespielt<br />

wird. Poesie ist sprachlicher Überschuss. Es ist eine<br />

Sprache, die sich der Logik der effektiven Sinnstiftung<br />

und des funktionalen Zeichenaustauschs widersetzt.<br />

Eine Sprache, die sich der Logik ökonomischer<br />

Abstraktion und den Regeln des Pragmatismus<br />

entzieht. Kombinationen von semiotisch befreiten<br />

Silben und Wörtern, die spielerisch Bedeutung<br />

erzeugen, überspringen, vermischen. „Poesie muss von<br />

allen gemacht werden“, verkündete der Comte de<br />

Lautréamont bereits 1870: ein kollektiver Akt, der sich<br />

auch im Format Ausstellung als Zusammenspiel der<br />

Werke und ihrer Aufführung, im Solo und als Ensemble<br />

widerspiegelt. [Kunsthalle Wien. Kuratiert von Luca Lo<br />

Pinto und Vanessa Joan Müller - Foto © Kunsthalle<br />

Wien]<br />

Künstler/innen: John Baldessari, Elisabetta Benassi, Nina Canell, Natalie Czech, Michael Dean, Jason Dodge, João<br />

Maria Gusmão / Pedro Paiva, Ketty La Rocca, Bruno Munari, Olaf Nicolai, Fernando Ortega, Jenny Perlin, Gerhard<br />

Rühm, Olve Sande, Erica Scourti, Michael Snow, Mladen Stilinović, Artur Żmijewski

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