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Nordkurier Ratgeber "Fahrt ins Blaue"

Unsere Ratgeber-Ausgabe für die Region Südvorpommern.

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SEITE 18 FREITAG, 28. APRIL 2017<br />

Mit StroM getankt<br />

Das Auto der Zukunft<br />

Die technische Fortschritt inden vergangenen Jahren hat die Automobilindustrie gründlich<br />

durchgerüttelt. Esgibt ständig neue Entwicklungen und Trends. Die Reise geht klar in Richtung<br />

Elektro-Auto und autonomes Fahren. Doch noch gibt eseinige Baustellen.<br />

VonMartin Lindner<br />

Duisburg. Stellen Sie sich vor,<br />

Sie öffnen die Zeitung, nehmen<br />

den Kaffeebecher zur<br />

Hand, trinken einen Schluck<br />

–nebenbei checken Sie Ihre<br />

E-Mails auf dem Smartphone.<br />

Aber das tun Sie nicht im<br />

Bus oder Zug, sondern hinter<br />

dem Steuer Ihres eigenen<br />

Autos. Unvorstellbar? Genau<br />

das wird inder Zukunft<br />

aber ein sehr wahrscheinliches<br />

Szenario sein. Denn die<br />

Autohersteller arbeiten mit<br />

Hochdruck am autonomen<br />

Fahren.<br />

Für die Sicherheit im Straßenverkehr<br />

wären selbstfahrende<br />

Autos ein gewaltiges<br />

Plus. „Der Computer ist nie<br />

unaufmerksam, braucht keine<br />

Pause, reagiert immer in<br />

Nanosekunden”, sagt Professor<br />

Ferdinand Dudenhöffer.<br />

Der Automobilexperte, der<br />

unter anderem schon für<br />

Opel, Porsche und Peugeot<br />

gearbeitet hat, hat sich in<br />

seinem Sachbuch „Wer kriegt<br />

die Kurve? Zeitenwende in<br />

der Autoindustrie” intensiv<br />

mit der Frage nach der Zukunft<br />

des Autos befasst.<br />

Das google-Auto fährt<br />

schon jetzt ohne Fahrer<br />

Als Antwort auf Befürchtungen,<br />

dass komplett computergesteuerter<br />

Verkehr ein zu<br />

großes Risiko für Menschen<br />

darstelle, verweist er auf Flugzeuge<br />

und U-Bahnen, die bereits<br />

vom Computer gesteuert<br />

unterwegs sind und Menschen<br />

befördern. „Das selbstfahrende<br />

Auto ist im Vergleich zur<br />

Luftfahrt oder Schiene also<br />

keineswegs Science-Fiction,<br />

sondern eher ein Spätstarter.”<br />

Zukünftig, so Dudenhöffer,<br />

werde es nicht mehr die<br />

Beschleunigung von Null auf<br />

Hundert sein, die den Fahrer<br />

emotional packt und für ein<br />

prickelndes Fahrgefühl sorgt,<br />

sondern die Eleganz und<br />

Präzision, mit der ein Fahrzeug<br />

vollautomatisch aus der<br />

Garage vorfährt.<br />

Ein Auto, das selbst fahren<br />

kann, hat bereits der Internet-<br />

Gigant Google auf den Weg<br />

gebracht. Zwar sieht der erste<br />

Typ des „Waymo“-Projekts<br />

(way forward in mobility)<br />

etwas gewöhnungsbedürftig<br />

aus. Doch dabei wird es nicht<br />

bleiben. Und am Ende zählen<br />

die Ambitionen unter dem<br />

Blech. Ziel von Google ist es,<br />

dass der Zweisitzer bald ganz<br />

ohne Lenkrad und Pedale gebaut<br />

und verkauft werden<br />

darf. Zudem stehen weitere,<br />

familientauglichere Auto-Typen<br />

wie der Minivan auf dem<br />

Programm. Ein solches marktfähiges,<br />

selbstfahrendes Auto<br />

wäre vor allem ein Gewinn<br />

für körperlich beeinträchtigte<br />

oder sehbehinderte Menschen:<br />

Ihnen werden dadurch<br />

ganz neue Mobilitätsmöglichkeiten<br />

eröffnet. Erste Testfahrten<br />

ohne Fahrer werden in<br />

diesem Jahr auf Kaliforniens<br />

Straßen stattfinden. Dabei sollen<br />

letzte Schwachstellen behoben<br />

werden. Denn mit dem<br />

selbstfahrenden Auto kam es<br />

–trotz Fahrer hinterm Lenkrad<br />

–schon zu Blechschäden.<br />

So ist das Google-Auto Mitte<br />

Februar vergangenen Jahres in<br />

den USA frontal mit einem Linienbus<br />

zusammengestoßen;<br />

der Konzern gab der Software<br />

die Schuld daran. In rund sieben<br />

Jahren war das selbstfahrende<br />

Google-Auto in mehr als<br />

ein Dutzend kleinerer Unfälle<br />

verwickelt.<br />

Vordem autonomen Fahren<br />

kommt das E-Auto<br />

VonExperimenten in Bezug<br />

auf autonomes Fahren hört<br />

man in Deutschland noch<br />

nicht viel. Eine andere Baustelle,<br />

die hingegen etwas<br />

intensiver angegangen wird,<br />

ist die Elektromobilität. Das<br />

Ziel der Bundesregierung,<br />

bis 2020 eine Million Elektroautos<br />

auf die Straße zu bringen,<br />

wird wohl nicht erreicht.<br />

Im Januar dieses Jahres waren<br />

knapp 37 000 reine Elektro-Fahrzeuge<br />

auf deutschen<br />

Straßen unterwegs. Das sind<br />

gerade einmal 3,7 Prozent<br />

des gesteckten Ziels. „Mit<br />

4000 Euro für ein Elektroauto<br />

haben wir einen zusätzlichen<br />

Kaufanreiz geschaffen. Dennoch<br />

muss noch wesentlich<br />

mehr Dynamik entstehen”,<br />

sagt Bundesverkehrsminister<br />

Alexander Dobrindt.<br />

Dudenhöffer wundert<br />

sich über die geringe<br />

Anzahl verkaufter<br />

E-Autos in<br />

Deutschland nicht. Er ist von<br />

der Konsequenz der Handlungen<br />

der Bundesregierung<br />

nicht überzeugt. Der Kampf<br />

gegen die Klimaerwärmung<br />

erfordere ein radikales Umdenken.<br />

Da sieht er noch<br />

viel Nachbesserungsbedarf.<br />

„Die seit Jahren anhaltenden<br />

Kanzlerreden, Berliner Regierungsdebatten<br />

und nationalen<br />

Plattformen für Elektromobilität<br />

muten an wie ein<br />

Kasperletheater.”<br />

Plug-In-Hybriden, die oftmals<br />

als Mittelweg zwischen<br />

Verbrennungs- und Elektromotor<br />

gelobt werden, erteilt<br />

der Universitätsprofessor<br />

eine Absage. Schon das höhere<br />

Gewicht der Autos durch<br />

die zwei Motoren erhöhe den<br />

Energieverbrauch. Zudem sei<br />

der Schritt nicht konsequent.<br />

„Das ist, als hätte Apple sein<br />

iPhone so entwickelt, dass<br />

der Ein- und Ausschaltbefehl<br />

über Touchscreen-<br />

Technik, aber das Wählen<br />

einer Telefonnummer mit<br />

den traditionellen Knöpfen<br />

funktioniert.” Die Bundesregierung<br />

müsse sich stärkerbemühen,<br />

Fliegende Autos wird essobald wohl nicht<br />

geben. Aber die nächsten Jahre warten mit<br />

anderen spannenden neuerungen auf.<br />

FoTo: TERRAFUGIA<br />

reine E-Autos auf die Straßen<br />

zu bringen, fordert Dudenhöffer.<br />

Als Beispiel nennt er<br />

Länder wie Norwegen.<br />

Viele Länder sind bereits<br />

weiter als Deutschland<br />

Die Skandinavier planen<br />

ein Gesetz, das durch hohe<br />

Steuern Autos mit Verbrennungsmotoren<br />

so gut wie<br />

unverkäuflich machen soll;<br />

E-Autos hingegen sind von<br />

der Mehrwertsteuer befreit.<br />

In den Niederlanden wird<br />

über ein Gesetz nachgedacht,<br />

den Verkauf von Neuwagen<br />

mit Verbrennungsmotoren<br />

noch vor dem Jahr 2030 zu<br />

verbieten.<br />

Ferner müsse es ein europaweites<br />

Schnellladenetz<br />

für E-Autos geben, um mit<br />

dem Elektroauto genauso<br />

Buchtipp<br />

Ferdinand Dudenhöffer: Werkriegt die Kurve?<br />

Zeitenwende in der Autoindustrie.Campus Verlag,<br />

272Seiten, Kosten: 24,95Euro<br />

ISBN: 978-3593-506-074<br />

FoTo: M.HETzMAnnSEDER<br />

Unser Experte<br />

Ferdinand Dudenhöffer<br />

Er ist der bekannteste<br />

und meistzitierte Automobilexperte<br />

Deutschlands.<br />

Seit 2008 hat<br />

Dudenhöffer den lehrstuhl<br />

für Allgemeine<br />

Betriebswirtschaftslehre<br />

und Automobilwirtschaft<br />

an der Universität<br />

Duisburg-Essen<br />

inne. Inder Praxis war<br />

er schon für die Autoriesen<br />

opel, Porsche<br />

und Citroën tätig.<br />

komfortabel von München<br />

nach Mailand unterwegs zu<br />

sein wie mit dem Diesel- und<br />

Benzinauto. Der Preis sollte<br />

wettbewerbsfähig sein und<br />

die Autos müssten mit einer<br />

„Tankfüllung” eine Reichweite<br />

von 500 Kilometern schaffen.<br />

Sobald diese Baustellen<br />

behoben sind, wird das<br />

E-Auto den nächsten Schritt<br />

in der Zukunft der Automobilität<br />

einläuten: das massenhafte<br />

autonome Fahren.<br />

Der gegenseitige Wettbewerbsdruck<br />

der beiden<br />

großen Pioniere auf diesem<br />

Gebiet, Tesla und Google,<br />

könnte sich auf die Umsetzung<br />

dieser Zukunftsvision<br />

positiv auswirken.<br />

Kontaktzum Autor<br />

m.lindner@nordkurier.de<br />

In diesem Jahr will Kalifornien Testfahrten des<br />

Google-Roboter-Autos ohne Fahrer erlauben.<br />

FoTo: GooGlE

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