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Vorkämpfer des Deutschtums" oder„entarteter Künstler"?

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07 Danker 01.06.2008 20:33 Uhr Seite 161<br />

Uwe Danker Nachdenken über Emil Nolde in der NS-Zeit 161<br />

Erklärungsmittel für den individuellen Werdegang, für seine Kämpfe.<br />

Nolde wird bekanntlich anfangs als Avantgardist abgelehnt, missverstanden,<br />

oft von Kulturbanausen verhöhnt. Ein schwerer Weg für<br />

den sturen Maler, ein langer Kampf um erste Anerkennung im ersten<br />

Jahrzehnt <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts. Und dann sein Streit in der Berliner<br />

Secession, das Leiden unter Max Liebermann, dem aus der Sicht<br />

Nol<strong>des</strong> zu frankophilen Impressionisten. Der Konflikt, der mit dem<br />

Ausschluss Nol<strong>des</strong> endet. Ein Kampf, der damals, 1908 bis 1910,<br />

von Nolde als eine Auseinandersetzung zwischen deutscher und<br />

französischer Kunstausrichtung, zwischen Alt und Jung, meinetwegen<br />

auch zwischen nordischer und südlicher Kunst beschrieben worden<br />

wäre. 30 1934 aber erinnert und bewertet er ganz anders:<br />

„Ich stand allein. Der gegnerischen Allmacht erlegen und geächtet<br />

für’s Leben, – wie es schien.<br />

Doch ganz tot war ich noch nicht. Nur unsere Existenz schwer<br />

erschüttert. Die Stirn mir wund. Ich war verschrieen und traurig.<br />

Vom Lebensstrom angezogen, eine kurze Weile mitgeschwemmt<br />

und dann verstoßen. – Wozu auch meine dreiste Auflehnung gegen<br />

die in allen Künsten herrschende jüdische Macht. Was wollte ich ungeschickter<br />

Junge vom Lande mit meinem Glauben an Recht und<br />

Menschlichkeit auf diesem glatten, glitschigen Pflaster hier!<br />

Großstadtmüde war ich.<br />

Die Welt mir fremd.“ 31<br />

Ja, Liebermann war Jude, auch der wichtige Verleger, Galerist<br />

und Nol<strong>des</strong>keptiker Paul Cassirer. Nun also der ungeschickte Junge<br />

vom Lande, der einer jüdischen Macht unterliegt und fortan angeblich<br />

boykottiert wird:<br />

„Während 20 Jahren konnte ich in Berlin meine Bilder nicht zeigen,<br />

und 62 Jahre mußte ich werden, bevor der Erstankauf eines Bil<strong>des</strong><br />

von der Nationalgalerie erfolgte. So ging es dauernd weiter.<br />

Meine Bilder wanderten zu Ausstellungen in den deutschen Städten<br />

umher, dahin auch die Herren von Berlin manchmal reisten, um<br />

spöttelnd von dem ‘teutschen’ Maler berichten zu können. Und<br />

wenn irgendwo persönlich ich gesehen wurde, starrten sie den einfachen<br />

Menschen an, als ob ich wer weiß was sei. Doch wenige nur<br />

mich kannten.“ 32<br />

Der ‘nordische’ Künstler. Und schließlich fühlt er sich auch noch falsch<br />

eingeordnet. „Intellektuelle Kunstliteraten nennen mich Expressionist;<br />

ich mag diese Beengung nicht. Deutscher Künstler, das bin ich.<br />

Als später Futuristen und Konstruktivisten diese Bezeichnung für<br />

sich beanspruchten, war es mir wie eine Befreiung.“ 33<br />

Ganz eigenartig sind diese Passagen, die Nolde als Einzelgänger<br />

und Opfer stilisieren. Und im übrigen ganz falsch! Das geht schon<br />

mit der – typisch expressionistischen – Großstadtverdammung los:<br />

Er lebt zur Hälfte in Berlin, auch sein künstlerisches Schaffen ist<br />

voller produktiver Auseinandersetzung mit städtischem Leben. Der<br />

Brite Peter Vergo hat in einem beachtlichen Beitrag darauf hingewiesen,<br />

dass diese antisemitische Einordnung der künstlerischen<br />

Konflikte in der Berliner Secession retrospektiv 25 Jahre danach von<br />

30 Vgl. Vergo 1996 (wie Anm. 1),<br />

S. 47f; Heinzelmann 1999<br />

(wie Anm. 28), S. 13.<br />

31 Jahre der Kämpfe 1934 (wie Anm.<br />

21), S. 149.<br />

32 Jahre der Kämpfe 1934<br />

(wie Anm. 21), S. 216f.<br />

33 Jahre der Kämpfe 1934<br />

(wie Anm. 21), S. 182.

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