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Vorkämpfer des Deutschtums" oder„entarteter Künstler"?

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07 Danker 01.06.2008 20:33 Uhr Seite 171<br />

Uwe Danker Nachdenken über Emil Nolde in der NS-Zeit 171<br />

ein Hamburger NS-Zeichenlehrer namens Walter Hansen, 73 Autor<br />

<strong>des</strong> 1942 erscheinenden Ban<strong>des</strong> „Judenkunst in Deutschland“, übrigens<br />

ein Herr, der nach dem Zweiten Weltkrieg unter leicht modifiziertem<br />

Namen an einem Gymnasium in Schleswig-Holstein wirken<br />

wird. 74<br />

Bald mit einer Generalvollmacht von Goebbels versehen, reisen<br />

sie und andere 1937 durch öffentliche Museen <strong>des</strong> Reichs und konfiszieren<br />

aus deren Beständen die Produkte der – inzwischen meist<br />

in die Depots verbannten – anstößigen Kunst. Die Säuberer beschlagnahmen<br />

auch noch über die Ausstellungseröffnung hinaus insgesamt<br />

19500 Kunstwerke, allein genau 1052 von Emil Nolde! 48<br />

Arbeiten von ihm, darunter das neunteilige Leben Christi, und mit<br />

großem Abstand mehr als von jedem anderen Künstler, präsentiert<br />

die insgesamt 600 Werke von 110 Künstlern vorführende Ausstellung<br />

„Entartete Kunst“ schließlich dem einschlägig interessierten<br />

Publikum. Zu sehen sind auch Werke von Karl Schmidt-Rottluff und<br />

Otto Dix, die wie Nolde weiterhin in Deutschland leben. Ziegler<br />

qualifiziert bei der Eröffnung am 19.7.1937 die in enger, schlecht<br />

beleuchteter, unordentlicher und schiefer Hängung präsentierten Arbeiten<br />

schlicht als „Ausgeburten <strong>des</strong> Wahnsinns, der Frechheit, <strong>des</strong><br />

Nichtskönnertums und Entartung“.<br />

„Gequälte Leinwand – Seelische Verwesung – Krankhafte Phantasten<br />

– Geisteskranke Nichtskönner – von Judencliquen preisgekrönt.“<br />

– So laden Plakate zur ‘für Jugendliche verbotenen’Ausstellung<br />

ein. Bis Ende November 1937, die Ausstellung wandert anschließend<br />

nach Berlin und in viele weitere Städte, kommen allein<br />

nach München über zwei Millionen Menschen. In<strong>des</strong>, man sollte<br />

sich nach allen Zeitzeugenberichten nichts vormachen: Nur ganz<br />

wenige Menschen sind darunter, die Abschied nehmen von den Werken<br />

der deutschen Moderne, die darauf über die Schweiz ins Ausland<br />

verramscht werden sollen. Nein, die übergroße Mehrheit der<br />

Besucher sucht die Sensation <strong>des</strong> Negativen, will einmal laut ablehnen<br />

können, was sie schon immer für Kinderkram oder Irrenwerk<br />

gehalten hat!<br />

Ernst Bloch notiert angesichts dieser Barbarei unmittelbar:<br />

„Möge man leise reden, es ist ein Sterbender im Zimmer. Die<br />

sterbende deutsche Kultur, sie hat im Innern Deutschlands nicht einmal<br />

mehr Katakomben zur Verfügung. Nur noch Schreckenskammern,<br />

worin sie dem Gespött <strong>des</strong> Pöbels preisgegeben werden soll;<br />

ein Konzentrationslager mit Publikumsbesuch.“ 75<br />

Und Luise Rinser schreibt tief ergriffen an Emil Nolde:<br />

„Ach, Ihr Abendmahl! Ich hatte es nie zuvor in Farben gesehen.<br />

Ich stand davor und ich zitterte und mitten unter all den Menschen<br />

und Aufsehern liefen mir die Tränen über das Gesicht. …<br />

Das Bild hing ganz schief an der Wand. Ich ging hin und versuchte,<br />

es gerade zu hängen. Ich wollte ihm etwas Liebes tun. Alle<br />

Menschen sahen mich ganz dumm an. Mir aber waren die Hände<br />

ganz bange, als ich das Bild berührte. – Sonst konnte ich ja nichts für<br />

das Bild und für Sie tun.“ 76<br />

73 Vgl. Lüttichau, Mario-Andreas von:<br />

‚Deutsche Kunst’ und ‚Entartete Kunst’:<br />

Die Münchener Ausstellungen 1937, in:<br />

Die ‚Kunststadt’ München 1937. Nationalsozialismus<br />

und ‚Entartete Kunst’, München<br />

1987, S. 83-118, hier: S. 96.<br />

74 Vgl. Manitz 1993 (wie Anm. 38),<br />

S. 17f.<br />

75 Zit. in: Ungemalte Bilder 1938-1945<br />

(wie Anm. 5), S. 15.<br />

76 Zit. in: Ungemalte Bilder 1938-1945<br />

(wie Anm. 5), S. 18.

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