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07 Danker 01.06.2008 20:33 Uhr Seite 173 Uwe Danker Nachdenken über Emil Nolde in der NS-Zeit 173 Im Angesicht dieser Ächtung, so erinnert später ein Bewohner <strong>des</strong> zu Seebüll benachbarten Aventoft, habe Ada Nolde gesagt, „das sei nur die Schuld der Juden“, wogegen Emil Nolde dem Herrn gedankt habe für sein Schicksal. 77 Zumin<strong>des</strong>t das Zweite ist für das Jahr 1937 nicht sehr glaubhaft, denn der bedrängte Künstler betont in diesem Jahr mehrfach seine Nähe zur NS-Ideologie. Nolde schreibt zum Beispiel an Minister Rust, kämpft noch immer gegen das Missverstehen seiner Rolle und Kunst, betont die Zugehörigkeit zur NS-Bewegung, und zwar so nachhaltig, dass Parteiinstanzen die Frage seiner Mitgliedschaft prüfen und klären. 78 Ein Brief an Goebbels. Zugleich wird die Schlinge spürbar enger gezogen: Die erwähnte zweite Säuberungswelle der Preußischen Akademie der Künste fällt in das Jahr 1937; ab 1938, noch während die Ausstellung durch deutsche Städte wandert, beginnt auf der Basis <strong>des</strong> „Gesetzes über die Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“ vom 31.5.1938 79 der bis 1942 laufende systematische Verkauf der geraubten „Entarteten“, zum Beispiel mit einer großen Versteigerung am 30. Juni 1939 in Luzern. Die bildet den Hintergrund, vor dem Emil Nolde am 2. Juli 1938 einen persönlichen Brief an Minister Goebbels schreibt: „Seebüll bei Neukirchen (Schleswig) 2.7.38 An den Herrn Minister für Volksaufklärung und Propaganda, Berlin Sehr geehrter Herr Minister. Mit der Abtretung Nordschleswigs an Dänemark bin ich dänischer Staatsangehöriger geworden und zur dortigen deutschen Minderheit gehörend Mitglied der N.S.D.A.P.N. Ich bitte Sie ergebenst auf Grund <strong>des</strong> veröffentlichten Gesetzes die mir gehörenden Bilder zurückgeben zu wollen. Es sind die Gemälde: Neunteiliges Werk: Das Leben Christi (9 Bilder) Große Sonnenblumen Blonde Mädchen Nasser Tag, sowie das Aquarell mit Tulpen und Amaryllis (Leihgabe <strong>des</strong> Museums Moritzburg – Halle).“ 80 Die Bedrängnis, in der Nolde sich befindet, wird deutlich: Ein Künstler, <strong>des</strong>sen Werke geraubt sind und zerstört werden sollen. Das ist furchtbar, und der opportunistische Verweis auf die NSDAPN- Mitgliedschaft ist naheliegend wie nachvollziehbar. Allerdings fährt Nolde in seinem Brief an Goebbels unmittelbar fort: „Auch bitte ich Sie, sehr geehrter Herr Minister, die gegen mich erfolgte Diffamierung aufheben zu wollen. Ich empfinde diese als besondere Härte und auch besonders, weil ich vor Beginn der Nationalsozialistischen Bewegung als fast einzigster deutscher Künstler in offenem Kampf gegen die Überfremdung der deutschen Kunst, gegen das unsaubere Kunsthändlertum und gegen die Machenschaften der Liebermann- und Cassirerzeit gekämpft habe, ein Kampf gegen eine große Übermacht, der mir jahrzehntelange materielle Not und Nachteile brachte. Als der Nationalsozialismus auch gegen mich und meine Kunst die Benennungen ‘entartet’ und ‘dekadent’ prägte, Linke Seite: „Werbung“ für die Ausstellung ‚Entartete Kunst’, beigelegt den Katalogen der zeitgleich in München stattfindenden „Großen Deutschen Kunstausstellung“. Reproduktion aus: „Entartete Kunst“. Das Schicksal der Avantgarde im Nazi-Deutschland, München 1992. (Beilage). 77 Volquardsen 1989 (wie Anm. 8), S. 63. 78 Vgl. Hecker 1995 (wie Anm. 1), S. 11ff. 79 Vgl. Petropoulos 1990 (wie Anm. 40), S. 71ff, 99ff; Gesetz dokumentiert in: Piper 1983 (wie Anm. 47), S. 209f. 80 Nolde an Goebbels am 2.7.1938, dokumentiert in: Schmidt 1964 (wie Anm. 58), S. 152f.