UNIVERSITÄT KONSTANZ Geisteswissenschaftlicher Fachbereich
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Gegensatz zum „Miraflores-Triptychon“, das auch „Marienaltar“ genannt wird, bezieht sich<br />
die „Beweinung Christi“ in Brüssel bei der Darstellung nicht vorwiegend auf Maria. Sie ist<br />
zwar mit ihrem Sohn im Mittelpunkt der Komposition gezeigt, jedoch werden ihr Johannes<br />
und Maria Magdalena zur Seite gestellt. Diese werden mit einer gewissen Nähe zu Maria und<br />
Jesu gezeigt. Johannes berührt Jesu und Maria. Die Füße Jesus` reichen bis zum Gewand<br />
Maria Magdalenas. Die Umrisse der Personen gehen bei dieser Bildkomposition ineinander<br />
über. Diese Verbundenheit in der Komposition wird auch im thematischen Inhalt deutlich.<br />
Maria, Maria Magdalena und Johannes sind in tiefer Trauer um Jesu verbunden. Die<br />
Gesichter der drei zeigen ihre tiefe Trauer und ihre Kontemplation. Maria Magdalena kniet<br />
vor dem Leib Christi, ihr Kopf ist geneigt, sie weint und ihre Hände sind zum Gebet gefaltet.<br />
Johannes kniet ebenfalls, jedoch nicht um zu beten, sondern um den Leib Jesu zu stützen und<br />
Maria von ihrem Sohn zu trennen. Sein Gesicht zeigt jedoch, wie auch das Maria Magdalenas,<br />
tiefe Trauer. Seine Stirn liegt in Falten, die Augen sind blutunterlaufen und über seine<br />
Wangen rinnen Tränen. Der Betrachter der Beweinungsszene soll durch die herangeholte<br />
Szene quasi in einen persönlichen Dialog mit den Personen treten können. Die Haltungen<br />
Marias, Maria Magdalenas und Johannes´ sollen dem Betrachter zur Veranschaulichung<br />
seiner eigenen Haltung gegenüber dem toten Christus dienen. Die Ergebenheit der<br />
Dargestellten, ihr Mitleiden, wie auch der Blick auf den realistischen Leichnam Christi sollen<br />
den Gläubigen emotional ansprechen. Die Brüsseler „Beweinung Christi“ zeigt die<br />
Anwesenden zwar in gleichgestellten Emotionen, jedoch werden Maria und Jesu dennoch als<br />
Bildmittelpunkt wahrgenommen, weshalb hier von einem pietàartigen Typus der Beweinung<br />
gesprochen werden kann. Die Andacht vor dem Bildnis des verstorbenen Christus sollte den<br />
Gläubigen der eigenen Erlösung näher bringen, das Erbarmen und die Gnade Gottes sollten<br />
erlangt werden.<br />
Bei der „Londoner Pietà“ handelt es sich nicht um eine Beweinung im Sinne der<br />
vorangegangenen Werke. Die Pietà im Mittelpunkt des Gemäldes wird zwar von Personen<br />
umgeben, jedoch sind diese nicht im biblischen Kontext wieder zu finden, sie stehen zeitlich<br />
in keinem Zusammenhang mit der Pietà oder der Passion Christi. Auf der linken Seite wird<br />
der Heilige Hieronymus gezeigt, wie er als einziger, neben Maria, Jesu berührt. Er scheint<br />
auch der einzige zu sein, der Maria und Jesu wahrnimmt. Der betende, kniende Auftraggeber<br />
blickt zwar in die Richtung von Mutter und Sohn aber sein Blick geht ins Leere. Auch der auf<br />
der rechten Seite dargestellte heilige Dominikus scheint Maria und ihren toten Sohn nicht zu<br />
sehen, er blickt in ein Buch, vermutlich die Bibel, das er in Händen hält. Dominikus scheint<br />
durch den Blick in die Bibel die Pietà zu sehen und durch ein geistiges Bild mit der Pietà<br />
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