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UNIVERSITÄT KONSTANZ Geisteswissenschaftlicher Fachbereich

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Der Blick des Auftraggebers, der ins Leere zu gehen scheint, ist mit dem Bestreben der<br />

Gläubigen im 15. Jahrhundert nach der verinnerlichten Frömmigkeit 72 und der Meditation, als<br />

einer Andachtsform, bei der der Gläubige den intimen inneren Kontakt zu den dargestellten<br />

Personen sucht, zu erklären. Es ist anzunehmen, dass der Auftraggeber Maria und den toten<br />

Leib Jesu vor seinem geistigen Auge, wie in einer Art Vision, wahrnimmt und zu diesen betet.<br />

Anders als bei der Rolin Madonna Jan van Eycks 73 geht hier die Verbindung zwischen<br />

Auftraggeber und Jesu nicht von Jesu aus, der bei der Rolin Madonna den Kanzler Rolin zu<br />

segnen scheint, sondern die Verbindung wird durch den Namenspatron des Auftraggebers<br />

geschaffen, indem er Jesu und den Betenden gleichzeitig berührt. Diese Darstellungsweise ist<br />

bemerkenswert, werden die Auftraggeber in dieser Zeit normalerweise getrennt vom<br />

Gegenstand der Anbetung dargestellt, so im Madrider Werk, in dem der Auftraggeber hinter<br />

dem Hügel dargestellt wird die Pietà aber ebenfalls nur vor dem geistigen Auge<br />

wahrzunehmen scheint. Die Visionshaftigkeit der Pietà im Londoner Werk wird durch diese<br />

gleichzeitige Berührung Jesus` und des Auftraggebers etwas zurückgenommen. Dass<br />

Hieronymus den Auftraggeber empfiehlt, ist ebenfalls eine konstruierte Wirklichkeit, da<br />

dieser ca. 420 gestorben ist. Dominikus starb 1221. Somit konnten beide Heilige im 15.<br />

Jahrhundert, die Kleidung des Auftraggebers entspricht dem Kleidungsstil des 15.<br />

Jahrhunderts 74 , nicht mehr real anwesend gewesen sein.<br />

Es wird vermutet, dass Hieronymus als Namensheiliger des Auftraggebers ins Bildprogramm<br />

integriert wurde. Dominikus könnte, wie bei Belting/Kruse angenommen, den Vertreter des<br />

Ordens, in dessen Kirche die Privatkapelle des betend Dargestellten gelegen habe,<br />

verkörpern 75 . Einer solchen Deutung steht entgegen, dass ein kleinformatiges Tafelgemälde,<br />

das Londoner Werk misst 35,5 x 45 cm, seinen Aufstellungsort vermutlich nicht in einer<br />

Kapelle gefunden haben wird. Der Heilige Dominikus, über den eine Legende sagt, die<br />

Mutter Gottes habe ihm einen Rosenkranz geschenkt und die Benutzung erläutert und der auf<br />

dem Gemälde einen weißen Skapulier trägt, der als Zeichen der Marienverehrung getragen<br />

wird, steht dadurch in attributiver Beziehung zur Mutter Gottes. Es ist möglich, dass es sich<br />

bei der Figur des Heiligen Dominikus um ein Rollenportrait, vielleicht eines Verwandten des<br />

Auftraggebers, handelt. Die Darstellung des Heiligen Dominikus in einem privaten<br />

Andachtsbild soll vermutlich auch die Marienfrömmigkeit des Auftraggebers ausdrücken.<br />

72 Vgl.: Schade, Karl, „Andachtsbild. Die Geschichte eines kunsthistorischen Begriffs“, Weimar 1996, S. 16<br />

73 Jan van Eyck, „Madonna des Kanzlers Nicolas Rolin“, sogenannte „Rolin Madonna“, um 1435, Öl auf Eiche,<br />

66 x 62 cm, Museé du Louvre, Paris, Abbildung siehe Anhang<br />

74 Vgl.: Belting/Kruse, S. 183<br />

75 Vgl.: ebenda<br />

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