EVENTS driving mobility (DE)
Magazin der Messe Frankfurt
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CONNECTIVITY<br />
„STÄDTE WER<strong>DE</strong>N<br />
MENSCHEN<br />
FREUNDLICHER“<br />
umfassenderen technologischen Trends. Das Internet erobert zunehmend<br />
Lebensräume und wird zum Internet der Dinge. Es verknüpft die physikalische<br />
Ebene mit der Datenebene und ermöglicht das Entstehen cyberphysikalischer<br />
Systeme. Im Ergebnis werden sich viele Aspekte des städtischen<br />
Lebens rapide verändern: das Energie- und das Abfallmanagement,<br />
die Verkehrslenkung und die Wasserverteilung, aber auch Stadtplanung<br />
und Bürgerengagement.<br />
Doch das Verschwinden der Ampel ist für<br />
Ratti nur eine Metapher für viel grundlegendere<br />
Transformationen im urbanen Raum. In<br />
seiner Stadt der Zukunft parken selbstfahrende<br />
Autos nicht vor der Wohnung oder dem<br />
Büro, wenn sie nicht gebraucht werden. Sie<br />
befördern in der Zwischenzeit andere Passagiere<br />
oder fahren selbstständig in Außenbezirke,<br />
um zu parken. Lieferroboter und Drohnen<br />
bringen Pakete und entlasten die<br />
Straßen. Die Anzahl der Fahrzeuge kann um<br />
bis zu 80 Prozent verringert werden, und die<br />
Straßen und Parkplätze, die jetzt noch bis zu<br />
einem Drittel der Fläche von Städten blockieren,<br />
werden für Wohnraum, Radwege, Fußgängerzonen<br />
und Grünanlagen frei.<br />
Solche schönen Utopien teilen bei Weitem<br />
nicht alle Forscher. Aric Dromi, Cheffuturologe<br />
von Volvo, glaubt, dass in einer algorithmisch<br />
getakteten und von Robotern belebten<br />
CARLO RATTI<br />
arbeitet als<br />
Architekt und<br />
Ingenieur in Italien<br />
und lehrt am<br />
Massachusetts<br />
Institute of Technology,<br />
wo<br />
er das Forschungslabor<br />
Senseable<br />
City Lab leitet.<br />
Er ist Mitglied im<br />
Global Agenda<br />
Council für Stadtmanagement<br />
des Weltwirt -<br />
schafts forums<br />
Stadt die Menschen ein Störfaktor sein werden. Sie halten sich nicht<br />
an determinierte Programm abläufe, handeln spontan und machen<br />
Fehler. Autonomer und herkömmlicher Verkehr könnten sich keine<br />
Straßen teilen. Weil Roboterfahrzeuge immer defensiv auf Fahrfehler<br />
und Unachtsamkeiten menschlicher Verkehrsteilnehmer reagieren,<br />
wäre das Resultat nicht fließender Verkehr, sondern Stillstand, erklärte<br />
Dromi in einem Interview mit der „FAZ“. Deshalb setze autonomer Verkehr<br />
zwingend massive Infrastrukturprojekte voraus.<br />
Damit autonom fahrende Autos, Lieferroboter und Drohnen agieren<br />
können, müssen Städte roboterfreundlich gemacht werden – so<br />
wie in den Sechziger- und Siebzigerjahren die Städte für den Autoverkehr<br />
optimiert wurden. An den Auswirkungen leiden wir noch heute:<br />
Mehrspurige Verkehrsadern durchschneiden Lebensräume, Autos<br />
verpesten die Luft. Die Planer der Stadt der Zukunft haben eine anspruchsvolle<br />
Mission. Sie müssen für die neuen Technologien eigene<br />
Leitsysteme und Bewegungsräume erschaffen, weil sonst Zukunft<br />
nicht möglich ist. Aber sie müssen die Transformation so gestalten,<br />
dass der Mensch nicht zu einem Störfaktor in der Stadt wird, sondern<br />
von den neuen Technologien profitiert.<br />
Foto: Style magazine RCS / ph.Andrea Pugiotto; Illustration: Carlo Ratti Associati<br />
Umfassendes Carsharing könnte sogar<br />
die menschliche Interaktion in<br />
Städten verbessern, glaubt Stadtplaner<br />
und MIT-Forscher CARLO RATTI<br />
Die Automatisierung des Straßenverkehrs<br />
wird auch die Stadtplanung verändern.<br />
Wie schnell könnten Ihre Vorstellungen<br />
in die Tat umgesetzt werden?<br />
So etwas wie „Light Traffic“ wird erst möglich<br />
sein, sobald alle Fahrzeuge autonom fahren oder<br />
mit einer Variante von On-Board-Intelligenz ausgestattet<br />
sind. Wenn sich der selbstfahrende Verkehr<br />
durchgesetzt hat, können traditionelle Ampeln<br />
ersetzt werden. Dadurch gäbe es kürzere<br />
Schlangen und weniger Verzögerungen. Unsere<br />
Idee setzt mit Sensoren ausgestattete Fahrzeuge<br />
voraus, die miteinander kommunizieren und Sicherheitsabstände<br />
einhalten. Das würde auch die<br />
Emission von Schadstoffen und Treib hausgasen<br />
verringern, die beim Beschleunigen und Bremsen<br />
freigesetzt werden.<br />
Ihr Forschungslabor am MIT heißt Sen seable<br />
City Lab. Welche Veränderungen werden<br />
Städte in Zukunft „erfahren“?<br />
Dass inmitten der rapiden Verstädterung, die wir<br />
gerade beobachten können, auch Vorstellungen<br />
von Smart Citys – oder „senseable cities“, wie wir<br />
es lieber nennen – auftauchen, ist die Folge eines<br />
==== „WENN SICH <strong>DE</strong>R<br />
SELBSTFAHREN<strong>DE</strong> VERKEHR<br />
DURCHGESETZT HAT,<br />
KÖNNEN AMPELN<br />
ERSETZT WER<strong>DE</strong>N“ ======<br />
Carlo Ratti, Massachusetts Institute of Technology<br />
Ab den Sechzigerjahren sind Städte für den Autoverkehr optimiert<br />
worden. Das Ergebnis waren mehrspurige Verkehrsadern, die Städte<br />
zerschnitten haben. Wie können die Anpassungen an digitale Technologien<br />
so vorgenommen werden, dass die Menschen nicht leiden?<br />
Ich bin überzeugt, dass wir durch die neuen Technologien unsere Städte<br />
menschenfreundlicher machen – etwa durch verstärktes Teilen. Nehmen<br />
wir das Auto: Heute werden Autos zu 95 Prozent der Zeit gar nicht genutzt.<br />
Das macht sie zu idealen Kandidaten für die Sharing-Ökonomie.<br />
Schätzungen zufolge könnte jedes geteilte Auto zehn bis 30 Autos in Privatbesitz<br />
ersetzen. „Ihr“ Auto wird Sie am Morgen zur Arbeit bringen, aber<br />
danach nicht ungenutzt herumstehen, sondern jemanden aus Ihrer Familie<br />
transportieren – oder jemanden anders. Der Effekt des Carsharings<br />
wird mit der Durchsetzung selbstfahrender Autos exponentiell wachsen.<br />
Was wären die sozialen und ökologischen Folgen des verstärkten<br />
Carsharings?<br />
Einige aktuelle Studien des MIT zeigen, dass die heutigen Mobilitätsbedürfnisse<br />
einer Stadt wie Singapur – in der es möglicherweise die weltweit<br />
erste öffentlich zugängliche Flotte selbstfahrender Autos geben wird<br />
– von einem Bruchteil jener Autos erfüllt werden könnten, die gegenwärtig<br />
in Verwendung sind. Die Abnahme von Autos würde die Kosten für die<br />
Errichtung und Erhaltung von Verkehrsinfrastruktur dramatisch senken, es<br />
gäbe kürzere Reisezeiten, weniger Staus, weniger für Parkplätze verschwendeten<br />
Raum – und mehr Teilen und menschliche Interaktion<br />
in unseren Städten.<br />
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<strong>EVENTS</strong><br />
DRIVING MOBILITY