EVENTS driving mobility (DE)
Magazin der Messe Frankfurt
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SYNCHRONIZED LOGISTICS<br />
==== „ALS VERKEHRS-<br />
LOGISTIKER WOLLEN WIR<br />
SYSTEMISCH AN DIE THEMEN<br />
HERANGEHEN“ ======<br />
Uwe Clausen, Universität Dortmund<br />
==== „WIR HABEN ROBOTER<br />
FÜR EINEN WETTBEWERB <strong>DE</strong>R NASA<br />
ENTWICKELT – UND NACH NEUEN<br />
ANWENDUNGEN GESUCHT“ =======<br />
Helen Kaarlep, Starship Technologies<br />
gerecht zu versorgen. Da ergeben sich noch<br />
mal neue Wege, dorthin wird man dann auch<br />
mit größeren Einheiten transportieren.<br />
Frau Kaarlep, betrachten Sie Drohnen als<br />
ein Konzept, das zu Ihren Robotern in Konkurrenz<br />
steht?<br />
KAARLEP: Nein. Drohnen bewegen sich im<br />
Luftraum, einem hochgradig regulierten Bereich.<br />
Sie sind großartig darin, Lieferungen<br />
dort zuzustellen, wo unsere Roboter nicht hinkommen:<br />
auf entlegenen Inseln oder hohen<br />
Berge. Aber gleichzeitig können unsere Roboter<br />
etwas, was Drohnen nicht können.<br />
Herr Professor Clausen, Sie haben eine große<br />
Studie über „Die letzte Meile“ vorgelegt.<br />
Frau Kaarlep, Ihr Unternehmen baut einen<br />
Lieferroboter, der in der Studie als eine der<br />
Transportmöglichkeiten genannt wird. Was<br />
waren Ihre Ansätze dabei?<br />
CLAUSEN: Wir waren einerseits mit Entwicklungen<br />
konfrontiert, die einen langen Trend haben<br />
und die man fortschreiben kann. Andererseits<br />
mit solchen – dazu gehören die Zustell roboter –,<br />
die gab’s im letzten Jahr noch gar nicht. Was die<br />
letzte Meile und die Lösungen dafür verändern,<br />
sind die Randbedingungen, in Metropolen: Luftreinhaltung,<br />
Vorgaben für batterieelektrische<br />
Fahrzeuge, und die Nachfrage seite: Welche<br />
Service ideen gibt es? Ist Same-Day-Delivery gewünscht?<br />
Das ist eine neue Lo gis tik, die sehr<br />
schnell mit Daten umgehen kann.<br />
KAARLEP: Bei der Entwicklung unserer Lieferroboter<br />
waren zwei Aspekte wichtig. Wir hatten<br />
ein Team, das Roboter für den NASA-Contest<br />
„NASA Centennial Challenge“ entwickelt hat,<br />
die Bodenproben auf Planeten entnehmen sollten.<br />
Wir haben überlegt, wo man diese Idee<br />
noch einsetzen kann. Das entstand aus einem<br />
bestimmten Geist heraus: Einige der Gründer<br />
von Starship Technologies haben Skype entwickelt, eine disruptive Kommunikationstechnologie.<br />
Und sie haben überlegt, in welchen Industrien<br />
noch keine Disruption stattgefunden hat.<br />
Welche Idee steckt hinter dem Lieferroboter?<br />
KAARLEP: Unser Geschäft ist erst mal die Idee selbst, die Roboter sind nur<br />
ein Mittel. Wir bauen sie und bringen ihnen bei, auf der Straße zu funktionieren.<br />
Das ist ein Logistikkonzept mit einem Hintergrund in der Robotik.<br />
Unsere Roboter sind zu 99 Prozent autonom, und wenn etwas passiert,<br />
können sie die Kontrolle an einen Menschen übergeben. Natürlich ist es<br />
ein Roboter, aber es ist im Grunde ein ganzes Konzept. Die Idee war nicht,<br />
einen Roboter zu bauen, sondern ein Servicekonzept zu entwickeln.<br />
CLAUSEN: Lieferroboter entsprechen der Bedarfsorientierung und der<br />
Forderung nach einer höheren zeitlichen Flexibilität. Man trifft auf ein Konsumentenverhalten,<br />
das nicht gleichmäßig über den Tag verteilt ist. Die<br />
Auslastung von Lieferrobotern wird sicher im Laufe des Nachmittags zunehmen,<br />
sie wird nicht gleichmäßig über 24 Stunden verteilt sein.<br />
Wo und für welche Güter kann man die Roboter einsetzen?<br />
CLAUSEN: Man kann solche kleinen Roboter nicht über 40, 50 Kilometer<br />
Entfernung sinnvoll fahren lassen, man braucht eine bestimmte Zustelldichte<br />
und eine Infrastruktur. Und natürlich auch die Akzeptanz. Insofern sind<br />
vor dem Regelbetrieb der Lieferroboter sicher noch einige Fragen zu klären.<br />
KAARLEP: Bei der Akzeptanz haben wir in unseren Feldversuchen Erstaunliches<br />
herausgefunden. 80 bis 90 Prozent der Menschen ignorieren<br />
den Roboter tatsächlich komplett. Und die, die einen zweiten Blick auf ihn<br />
werfen, reagieren bemerkenswert positiv. Unsere Roboter können bis zu<br />
zehn Kilogramm Last transportieren. Sie liefern Pakete, Lebensmittel und<br />
Essen. Das sind die drei Bereiche, mit denen wir uns zurzeit beschäftigen.<br />
Herr Clausen, Sie haben errechnet, dass für circa 400 Millionen<br />
Pakete jährlich in Deutschland eine Zustellung per Roboter möglich<br />
ist. Wie sind Sie auf diese Zahl gekommen?<br />
Fotos: Nathalie Bothur, Willing-Holtz<br />
CLAUSEN: Wir haben uns bemüht abzuschätzen,<br />
wie groß der Markt ist. In Relation zur Anzahl der<br />
Haushalte in Deutschland, gut 40 Millionen mit<br />
steigender Tendenz, sind das zehn Zustellungen<br />
pro Jahr im Durchschnitt. Vor dem Hintergrund<br />
des weiter wachsenden Onlinehandels scheint<br />
uns das realistisch.<br />
Welche Infrastruktur benötigt die Zustellung<br />
von Lieferungen mit den Robotern?<br />
KAARLEP: Unser Konzept ist es, einen flexiblen<br />
Bereich zu haben, in dem wir eine größere Zahl<br />
an Robotern abstellen können, sie ihre Batterien<br />
laden können und von wo aus sie losgeschickt<br />
werden, um Lieferungen zuzustellen. Das kann<br />
ein fester oder ein wechselnder Bereich sein, der<br />
aber eine wenig spezifische Ausstattung braucht.<br />
CLAUSEN: Durch eine solche Infrastruktur verkürzt<br />
sich die letzte Meile. Wir werden also<br />
mehr Standorte bekommen, und wir brauchen<br />
natürlich eine Logistik, um diese dann bedarfs-<br />
CLAUSEN: Wir wissen auch nicht, inwieweit<br />
Kunden es chic finden, mit einer Drohne beliefert<br />
zu werden. Es gibt sicher Kunden, die das<br />
gern nutzen, aber es gibt auch Menschen, die<br />
es unangenehm oder sogar bedrohlich finden,<br />
wenn sozusagen Gegenstände über sie hinwegfliegen.<br />
Außerdem muss die Privatsphäre<br />
geschützt werden, und es gibt ein Unfallrisiko.<br />
Auch in der Logistik gibt es neue Allianzen.<br />
Welche wichtigen Player sehen Sie auf dem<br />
Markt?<br />
CLAUSEN: Mit Amazon haben wir einen Onlinehändler, der sich immer<br />
mehr zum Technologie- und Logistikunternehmen entwickelt. Und mit<br />
Starship Technologies etwa ein Start-up, das um eine Idee, ein Bedürfnis<br />
eben, einen Service und ein technologisches Gerät entwickelt und ganzheitlich<br />
ausbaut. Also gleichermaßen aus Erkenntnis und Erfahrung wie<br />
aus Lust auf Neues werden da Innovationen vorangetrieben.<br />
KAARLEP: Es drängen immer mehr multinationale Unternehmen in den<br />
Markt. Alle wollen dasselbe Problem lösen: den Auslieferungsprozess auf<br />
der letzten Meile. Starship Technologies ist ein Player, der das Potenzial<br />
hat, den Same-Day-Delivery-Prozess zu revolutionieren. Zu diesem Zweck<br />
gehen wir Partnerschaften mit starken Unternehmen wie Daimler ein, um<br />
gemeinsam innovative Lieferkonzepte zu entwickeln.<br />
CLAUSEN: Die branchenübergreifende Zusammenarbeit ist sicher der<br />
Schlüssel zu einem modernen Verkehrs- und Logistikkonzept. Güter- und<br />
Personenverkehr nutzen vielfach die gleiche Infrastruktur, werden aber<br />
getrennt voneinander gedacht und entwickelt. Als Verkehrslogistiker<br />
wollen wir systemischer an die Themen herangehen.<br />
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