COMPACT Magazin 6-2017
Jagd auf Naidoo - Zensur in Deutschland
Jagd auf Naidoo - Zensur in Deutschland
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Ausgabe 06/<strong>2017</strong> | 4,95 EUR<br />
www.compact-online.de<br />
Jagd auf<br />
Naidoo<br />
Zensur in Deutschland<br />
Bundeswehr<br />
Erfindung einer Terrorzelle<br />
Macron<br />
Rothschilds Präsident<br />
Diesel-Skandal<br />
Hysterie um heiße Luft<br />
Flucht aus der BRD<br />
Ein Auswanderer erzählt<br />
Dossier: Nordkorea in Angst<br />
USA drohen mit dem Dritten Weltkrieg
Opfer, Täter, Helden<br />
Wie wir wurden, was wir sind<br />
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<strong>COMPACT</strong> Editorial<br />
Helmut Schmidt und andere Nazis<br />
Ursula von der Leyen ist die größte Witzfigur im<br />
Kabinett, und genau das macht sie so gefährlich.<br />
Die Dame, die schon mal im pinken Barbie-Kostümchen<br />
an der Afrika-Front aufgetaucht ist, hat die<br />
Bundeswehr heruntergewirtschaftet wie niemand<br />
zuvor. Kein einziges Rüstungsprojekt hat sie auf den<br />
Weg gebracht, dafür das bei den Soldaten beliebte<br />
Standardgewehr G36 auf Zuruf der Journaille im<br />
Handstreich ausgemustert. Für Manöver muss die<br />
Ausrüstung von nichtbeteiligten Verbänden zusammengestümpert<br />
werden – es gab schon den Fall,<br />
dass fehlende Kanonenrohre mit Besenstielen simuliert<br />
wurden. Nur beim Thema Gender und Feminismus<br />
hat Uschis Muschi-Truppe zur Weltspitze<br />
aufgeschlossen: Kasernen werden wohl künftig<br />
standardmäßig nur noch mit Kita, Unisextoiletten<br />
und Moschee gebaut. Schon heute lockt Blondie die<br />
Rekruten mit smarten Teilzeitmodellen – schließlich<br />
ist der Dschihadist ja auch nur halbtags im Einsatz.<br />
Die Bilanz der Leyen-Ministerin ist so vernichtend,<br />
dass sie nach der Bundestagswahl wohl ihren<br />
Posten verloren hätte – wenn sie nicht auf den genialen<br />
Einfall gekommen wäre, eine antifaschistische<br />
Offensive zu starten! Die wichtigste Maxime für<br />
erfolgreiche Propaganda in der BRD lautet nämlich:<br />
Antifa geht immer. Wer zuerst Auschwitz sagt, hat<br />
gewonnen. Wenn dann einer mit Bedenken kommt<br />
und nach Beweisen fragt, ist er eben ein Verharmloser,<br />
ein Sympathisant oder vielleicht sogar selbst ein<br />
Nazi. Das Ganze klappt wie am Schnürchen: Zuerst<br />
wurde ein rechter Sprücheklopfer namens Franco A.<br />
auf dünner Grundlage zum Attentäter aufgeblasen,<br />
im nächsten Schritt aus ihm und zwei Kumpels eine<br />
Terrorzelle gebastelt – und innerhalb einer Woche<br />
galt dann bereits die ganze Bundeswehr als eine<br />
Art Braune Armee Fraktion. Vor diesem Hintergrund<br />
begann Flintenuschi mit dem großen Ausmisten –<br />
und machte auch vor Helmut Schmidt nicht halt. Der<br />
hatte nämlich in der Wehrmacht gedient, und damit<br />
war sein Uniformfoto untragbar für die Bundeswehr.<br />
Das generelle Verbot für die Truppe, auch nur im Entferntesten<br />
an irgendetwas in der Vorgängerarmee zu<br />
erinnern, und die Eliminierung von Kasernennamen,<br />
die an untadelige Generäle wie Erwin Rommel erinnern,<br />
waren dann nur noch Formsache. Die Botschaft<br />
ist eindeutig: Es geht nicht um Entnazifizierung<br />
– sondern um die Durchsetzung der Kollektivschuldthese.<br />
Wer selbst Hitlergegner wie Schmidt<br />
und Rommel verdammt, verdammt die ganze Kriegsgeneration<br />
– und alle Nachgeborenen, die nicht auf<br />
die Gräber ihrer Väter und Vorväter spucken wollen.<br />
Linksfraktion. Selbst die SPD zuckte vernehmlich,<br />
als ihr beliebtester Bundeskanzler in den Dreck gezogen<br />
wurde. Auffällig ist, dass sich in der CDU nur<br />
Hinterbänkler kritisch äußerten – oder Pensionäre<br />
wie der ehemalige Verteidigungsminister Volker<br />
Rühe. Vermutlich ticken Merkel, Schäuble und Kauder<br />
genauso wie ihre Parteifreundin – und werden<br />
sie bei der nächsten Gelegenheit mit moralischem<br />
Overkill noch zu übertreffen versuchen, um in der<br />
CDU-internen Hackordnung ihre Spitzenposition zu<br />
verteidigen.<br />
Dabei führt von der Leyen, trotz ihres Pussy Riots<br />
gegen die Wehrmacht, ausgerechnet deren verbrecherischste<br />
Tradition weiter: den Aufmarsch gegen<br />
Russland. Im Baltikum rasseln deutsche Panzer einen<br />
halben Tagesmarsch von Sankt Petersburg entfernt<br />
– der Stadt, an deren Einkesselung im Zweiten<br />
Weltkrieg auch ein Oberleutnant Schmidt beteiligt<br />
war. Der Sozialdemokrat hat daraus Lehren<br />
gezogen und den Krieg verflucht. Die Frau, die sich<br />
heute zur Richterin über ihn aufspielt, will unsere<br />
Soldaten dagegen von Neuem in den Tod schicken.<br />
Ignazio Silone warnte: Der neue Faschismus sagt,<br />
er ist der Antifaschismus. Wo sind die Bürger in<br />
Uniform, die dagegen mutig ihre Stimme erheben?<br />
Chefredakteur Jürgen Elsässer.<br />
Foto: Jörg Gründler<br />
Alles Nazis außer Uschi? Den lautesten Beifall<br />
für diese Tabula rasa bekam von der Leyen aus der<br />
3
<strong>COMPACT</strong> Themen<br />
4<br />
Titelthema<br />
Jagd auf Xavier Naidoo<br />
Politik<br />
Rothschilds Präsident<br />
Dossier<br />
Nordkorea in Angst<br />
Leben<br />
Flucht aus Neukölln<br />
05 Foto des Monats<br />
06 <strong>COMPACT</strong> Intern<br />
08 Zitate des Monats<br />
09 Lesebriefe<br />
Titelthema<br />
11 Jagd auf Xavier Naidoo<br />
Die Marionetten schlagen zurück<br />
14 Maasvoll: Zensur in Deutschland<br />
Totalitär: Das neue Internet-Gesetz<br />
17 Aufmachen, Gesinnungspolizei!<br />
Facebook-Razzien gegen Demokraten<br />
20 Die rote Studi-SA marschiert<br />
Die Kaderschmieden der Gleichschaltung<br />
Politik<br />
23 Die Erfindung einer Terrorzelle<br />
Bundeswehr als Braune Armee Fraktion<br />
26 Das Kaninchen und die Schlange<br />
Diesel-Skandal: Hysterie und heiße Luft<br />
29 «Wenn man den Gefährder<br />
an die Wand klatscht…»<br />
Der langjährige BND-Agent Wilhelm<br />
Dietl im Gespräch mit Marc Dassen<br />
32 Rothschilds Präsident<br />
Macron als Hoffnungsträger der Hochfinanz<br />
35 Tillersons Rache<br />
Regime Change in Venezuela<br />
38 «Wir müssen raus aus dem Euro»<br />
Dimitris Kazakis über die griechische<br />
Krise<br />
41 Putsch in Mazedonien<br />
Wie Moslems, Sozis, EU und USA einen<br />
Staat zerstören<br />
Dossier<br />
44 «Wir müssen uns schützen»<br />
Reise durch ein Nordkorea in Angst und<br />
Trotz<br />
47 Washington ist der Kriegstreiber<br />
Der Krieg hat nie aufgehört – obwohl ein<br />
Friedensabkommen seit 1994 in Reichweite<br />
ist<br />
50 Geschichten von King Kong Un<br />
Ein Comicjournalist in Pjöngjang<br />
Leben<br />
53 Flucht aus der BRD<br />
Ein Auswanderer erzählt<br />
56 Der Algorithmus als neuer Gott<br />
Homo Deus – Böse Neue Welt<br />
59 Vorspiel zum Inferno<br />
Von Kaiser Ferdinand zum 30-jährigen Krieg<br />
Kolumnen<br />
61 Unsere Helden _ Hildegard von Bingen<br />
63 BRD-Sprech _ Verfassungspatriotismus<br />
65 Sellners Revolution _ Burka-Verbot<br />
66 Bartels Schmäh _ Stadt, Land, Furz<br />
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Redakteure Marc Dassen (Politik),<br />
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Cover Montage Iris Fischer<br />
Fotoquellen Cover Clemens Bilan/Getty<br />
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Layout/Bild Steffen Jordan<br />
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Gedruckt in Deutschland<br />
Redaktionsschluss<br />
12.5.<strong>2017</strong><br />
Erscheinungsdatum<br />
der nächsten Ausgabe<br />
Samstag, 1.7.<strong>2017</strong>
<strong>COMPACT</strong> Foto des Monats<br />
Nun muss auch die Geschichte verschwinden – jedenfalls an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg. Ihren Namen darf die Hochschule der Bundeswehr<br />
– womöglich nur vorerst – behalten. Doch ein Bild des früheren Bundeskanzlers, der zwischen 1969 und 1972 auch Verteidigungsminister war, wurde Mitte Mai abgehängt.<br />
Das inkriminierte Foto zeigt Schmidt in der Uniform eines Leutnants der Wehrmacht – und fällt damit unter den Säuberungsbefehl Ursula von der Leyens alle Erinnerungen<br />
an die einstige deutsche Armee betreffend. Diese hatte Schmidt 1937 zum Wehrdienst eingezogen, und der spätere SPD-Politiker blieb bis 1945 Soldat. In den<br />
letzten Monaten entging er durch Glück einem Kriegsgerichtsverfahren wegen regimekritischer Äußerungen. Zu seiner Motivation, sich politisch zu engagieren, sagte er<br />
2008: «Wir haben viel Elend und Scheiße erlebt im Kriege, und wir waren alle entschlossen, einen Beitrag dazu zu leisten, dass all diese grauenhaften Dinge sich niemals<br />
wiederholen sollten.» Was der 2015 verstorbene Hamburger wohl zur heutigen Hexenjagd auf Andersdenkende sagen würde? Foto: picture alliance / AP Photo<br />
5
<strong>COMPACT</strong> Intern<br />
<strong>COMPACT</strong>-Geschichte Nr. 1 | 8,80 EUR (D) · compact-online.de<br />
Elsässer und Naidoo am 3.10.2014 in Berlin.<br />
Foto: Tommy Pelzel<br />
Nr. 1 1000 Jahre Deutsches Reich<br />
9,90 Euro (A), 13 sFr (CH)<br />
Die erste Ausgabe von COMAPCT-Geschichte ist seit<br />
Ende Mai am Kiosk. Foto: <strong>COMPACT</strong><br />
84 Seiten voll Informationen, die die Mainstreampresse<br />
verschweigt. Foto: <strong>COMPACT</strong><br />
Elsässer und Naidoo<br />
<strong>COMPACT</strong>-Geschichte<br />
Vier Jahre früher informiert<br />
6<br />
Seitdem Jan Böhmermann die Söhne<br />
Mannheims durch den von ihm selbst angerührten<br />
braunen Kakao gezogen hat, wissen<br />
es auch die Couch-Potatoes: Jürgen Elsässer<br />
empfiehlt nach Angaben des Schmuddel-<br />
Kabarettisten die neue CD von Xavier Naidoo<br />
mit den Worten: «Endlich singt‘s mal<br />
einer!» Die Bild-Zeitung nahm den Ball auf<br />
und bezeichnete den <strong>COMPACT</strong>-Chefredakteur<br />
gleich als «den deutschen Anführer aller<br />
Verschwörungstheoretiker». Aber, liebe<br />
Springer-Kollegen, dieser Pokal wandert doch<br />
in Eurer Redaktion durch die Reihen! Ihr entdeckt<br />
doch eine Verschwörung nach der anderen<br />
– und bei Euch führen alle Wege immer<br />
nach Moskau.<br />
Die kurzgeschlossene Verbindung Naidoo-Elsässer<br />
hat auch einige unserer Leser<br />
elektrisiert. Immer wieder kommen Anfragen,<br />
wir sollten den Barden für diese oder<br />
jene Kundgebung «besorgen» oder wenigstens<br />
ein wichtiges Gespräch mit ihm vermitteln.<br />
Tatsächlich aber hat Elsässer den<br />
Mannheimer erst ein Mal getroffen, nämlich<br />
am Rande einer Kundgebung zum Tag<br />
der Deutschen Einheit vor dem Bundeskanzleramt<br />
(die übrigens nicht, wie die gleichzeitige<br />
vor dem Reichstag, von sogenannten<br />
Reichsbürgern, sondern von Friedensaktivisten<br />
veranstaltet wurde). Man wechselte ein<br />
paar Sätze, und das war‘s dann auch schon.<br />
Wann er das nächste Mal unsere Wege<br />
kreuzt, weiß der Herrgott. Naidoo tourt in<br />
diesen Wochen durch die ganze Republik,<br />
und Elsässer ist auch ständig unterwegs: Am<br />
23. Juni spricht er in Würzburg, am 24. Juni<br />
in Garmisch-Partenkirchen und am 30. Juni<br />
in Ettlingen. Details auf compact-online.de.<br />
«Wer die Gegenwart beherrscht, beherrscht<br />
die Vergangenheit. Und wer die<br />
Vergangenheit beherrscht, beherrscht die<br />
Zukunft», lautet eine der Strategien des allmächtigen<br />
Großen Bruders, die George Orwell<br />
in seinem Roman 1984 aufgeschrieben<br />
hat. Mit anderen Worten: Wenn die Geschichte<br />
des deutschen Volks als Kette von<br />
Verbrechen dargestellt wird, ist uns auch<br />
der Aufbruch in die Zukunft verwehrt. Deswegen<br />
nimmt <strong>COMPACT</strong> den Kampf auch auf<br />
dem historischen Feld auf – mit unserer neuen<br />
Reihe <strong>COMPACT</strong>-Geschichte mit voraussichtlich<br />
zwei Ausgaben pro Jahr.<br />
Der erste Band 1000 Jahre Deutsches<br />
Reich behandelt die Periode von 919 bis<br />
1919: Unsere Geschichte, unsere Leistungen,<br />
unser Stolz, wie es im Untertitel heißt. Historiker<br />
Jan von Flocken erzählt faktengesättigt,<br />
aber mit leichter Hand über den Kampf gegen<br />
Hunnen und Päpste, die geostrategisch<br />
schicksalhafte Differenz zwischen Heinrich<br />
dem Löwen und Barbarossa, die Apokalypse<br />
des Dreißigjährigen Krieges, den Wiederaufstieg<br />
unter preußischer Führung. Festzuhalten<br />
bleibt: Unser Vaterland hat vor 1933<br />
keine Scheusale wie Iwan den Schrecklichen,<br />
keine geifernden Hassprediger wie Robespierre,<br />
keine Bartholomäusnacht, keine barbarischen<br />
Gewaltherrscher wie Heinrich VIII.<br />
oder Gangsterbosse wie Al Capone hervorgebracht.<br />
Auf 84 prächtig illustrierten Seiten entsteht<br />
ein politisch gänzlich unkorrektes Bild<br />
unserer Vergangenheit – ein Geschichtsbuch,<br />
das jeden bildungshungrigen Erwachsenen<br />
freut, aber auch gut an Heranwachsende verschenkt<br />
werden kann.<br />
Am 9. Mai ging die Bombe hoch: Das ARD-<br />
Politikmagazin Report Mainz und der Stern<br />
berichteten, dass es zum Mord an der Polizeibeamtin<br />
Michèle Kiesewetter am 25. April<br />
2007 in Heilbronn «neue Spuren» gebe, die<br />
auf islamistische Tatbeteiligte hindeuteten.<br />
Bisher wird die Bluttat dem Nationalsozialistischen<br />
Untergrund (NSU) zugeschrieben.<br />
Eine Handynummer, die bis kurz vor den tödlichen<br />
Schüssen an der Theresienwiese eingeloggt<br />
gewesen sei, führt demnach zur islamistischen<br />
Sauerlandgruppe. Überall wurde<br />
die gute Recherche der Kollegen gelobt.<br />
Nur: <strong>COMPACT</strong> hat über einen möglichen<br />
islamistischen Hintergrund beim Kiesewetter-Mord<br />
schon vor über vier Jahren<br />
berichtet! In unserer Spezial-Ausgabe Nummer<br />
1 Operation Nationalsozialistischer Untergrund<br />
– Neonazis, V-Männer und Agenten<br />
schrieben wir im Frühjahr 2013, dass der<br />
türkische Geheimagent Mevlüt Kar am Tatort<br />
war, und genau dieser Mann auch der Sauerlandgruppe<br />
Zünder für einen geplanten Terroranschlag<br />
geliefert hatte. In <strong>COMPACT</strong>-<br />
Spezial Nr. 8 Asyl. Das Chaos griffen wir<br />
das Thema erneut auf: Der Artikel «Mehmet<br />
und die Döner-Morde» fand Hinweise auf islamische<br />
Tatbeteiligte bei fünf bisher dem<br />
NSU zugeschriebenen Verbrechen: Heilbronn<br />
(2007), Kassel (2006), Nürnberg (2005), Köln<br />
(2004) und Hamburg (2001).<br />
Die Mainstream-Kollegen sind uns gegenüber<br />
strukturell im Nachteil: Sie müssen<br />
ständig Nazis jagen und interessieren sich<br />
deswegen nur für deutsche Mörder. Deutet<br />
irgendetwas auf Moslems hin, stirbt der journalistische<br />
Jagdinstinkt schnell ab: Sind ja<br />
alles Einzelfälle.
Ehrlicher Journalismus in Zeiten der Lüge.<br />
Die schweigende Mehrheit kann die Verhältnisse zum Tanzen bringen,<br />
wenn sie ihre Stimme wiederfindet. <strong>COMPACT</strong> ist ihr Lautsprecher, weil<br />
wir drucken und verbreiten, was andere nicht zu schreiben wagen.<br />
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<strong>COMPACT</strong> Zitate des Monats<br />
Auch wegen dieses T-Shirts mit der Aufschrift «Freiheit<br />
für Deutschland» verunglimpfte die Welt Naidoo<br />
als «Prophet des rechten Glaubens». Foto: picture<br />
alliance / AA<br />
Jagd auf Naidoo<br />
«Wie lange wollt Ihr noch Marionetten<br />
sein? Seht Ihr nicht, Ihr seid nur Steigbügelhalter?<br />
(…) Für Eure Puppenspieler seid Ihr<br />
nur Sachverwalter. (…) Alles wird vergeben,<br />
wenn Ihr einsichtig seid, sonst sorgt der wütende<br />
Bauer mit der Forke dafür, dass ihr einsichtig<br />
seid.» (Xavier Naidoo, «Marionetten», im<br />
neuen Album MannHeim)<br />
«Der Völkische Beobachter hätte nicht deutlicher<br />
sein können als Xavier Naidoo.» (Über Naidoos<br />
Song «Marionetten», Welt Online, 6.5.<strong>2017</strong>)<br />
«Pegida-Vokabular: Xavier Naidoos neuer<br />
Song zeigt, dass er vollkommen durchgedreht<br />
ist (…) In ”Marionetten” macht Naidoo<br />
klar, wie krude seine Weltanschauung<br />
ist.» (huffingtonpost.de, 26.4.<strong>2017</strong>)<br />
«Sollten wir die Glocken des Landes nicht<br />
läuten, wird eines Deutschen Schlafstätte<br />
zum Sterbebett.» (Xavier Naidoo, «Der deutsche<br />
Michel», im neuen Album MannHeim)<br />
Unbequeme Wahrheiten<br />
«Es [das Bundeskriminalamt] stellt in der Kriminalitätsstatistik<br />
2016 erstmals einen Vergleich<br />
von ”deutschen und nichtdeutschen<br />
Tatverdächtigen” an und präsentiert bei den<br />
nichtdeutschen Verdächtigen einen steilen<br />
Anstieg der Kriminalität in einer Gruppe,<br />
die das BKA ”Zuwanderer” nennt. Das Wort<br />
”Zuwanderer” ist in diesem Zusammenhang<br />
ein Skandal. (…) Es wäre verheerend, wenn<br />
die höchste deutsche Polizeiinstanz den Eindruck<br />
erweckte, als hätten wir ein kriminelles<br />
Sonderproblem mit ”Zuwanderern”. Keine<br />
Behörde sollte offiziell nahelegen, der Anstieg<br />
der Kriminalität sei ein typisches Ausländerphänomen.»<br />
(Welt Online, 23.4.<strong>2017</strong>)<br />
Kölle Alaaf!<br />
«Jagdszenen am Rhein (…) Wo ist eigentlich<br />
der Bundespräsident, wenn man ihn<br />
braucht? In Köln wurden AfD-Delegierte von<br />
der Antifa drangsaliert und bedroht – und die<br />
politische Klasse in Deutschland scheint das<br />
völlig in Ordnung zu finden.» (Kolumnist Jan<br />
Fleischhauer, Spiegel Online, 24.4.<strong>2017</strong>)<br />
Kein Sex mit Nazis?<br />
«Einen Trump-Anhänger daten? Niemals!<br />
(…) Die Trump-Ära macht es für viele Amerikaner<br />
schwer, einen Partner zu finden. Vor<br />
allem liberale Frauen lehnen republikanische<br />
Männer ab.» (Süddeutsche Zeitung Online,<br />
26.4.<strong>2017</strong>)<br />
Alle zu uns<br />
«Deutschland bringt (…) auch im Jahr <strong>2017</strong><br />
kaum Migranten in andere europäische<br />
Staaten zurück. Demnach hat die Bundesrepublik<br />
im ersten Quartal dieses Jahres<br />
16.631 Übernahmeersuchen an Mitgliedsstaaten<br />
gestellt. Gleichzeitig wurden nur<br />
1.344 Migranten in andere Schengen-Staaten<br />
abgeschoben. (…) Im umgekehrten Fall<br />
– also aus den Mitgliedsländern Richtung<br />
Deutschland – funktioniert das Verfahren<br />
besser.» (Welt Online, 28.4.<strong>2017</strong>)<br />
Wo ist der Sheriff?<br />
«Was in Amerika vor mehr als 100 Jahren Alltag<br />
war, ist nun Alltag in der Lausitz. Ganze<br />
Rinderherden verschwinden nachts spurlos<br />
von der Weide oder aus den Ställen. Während<br />
im filmischen ”wilden Westen” der betroffene<br />
Farmer seinen Colt umschnallte, seine<br />
Büchse schnappte und die Räuber jagte,<br />
ist hier die Polizei oft machtlos. Die Landwirte<br />
haben das Nachsehen, aber sie rüsten<br />
auf.» (mdr.de, 28.4.<strong>2017</strong>)<br />
Freiheit für Asylbetrüger<br />
«Es ist ein Fall, der die Gemüter erregt: Vergangene<br />
Woche wurde bekannt, dass ein abgelehnter<br />
Asylbewerber nicht in Abschiebehaft<br />
genommen werden konnte – weil es angeblich<br />
keinen Platz für ihn gab.» (Welt Online,<br />
28.4.<strong>2017</strong>)<br />
Wird das die bundesrepublikanische Barbie? Jedenfalls<br />
hat die sogenannte Hijarbie, Kreation einer<br />
nigerianischen Studentin, inzwischen über 80.000<br />
Instagram-Fans. Foto: Screenshot Instagram/Hijarbie<br />
Kulturleugner I<br />
«Eine deutsche Leitkultur darf es nicht geben<br />
// Mit seinen zehn Thesen zur Leitkultur<br />
versucht Innenminister de Maizière das<br />
”Deutsch-sein” zu definieren. Dabei ist eine<br />
spezifisch deutsche Kultur nicht identifizierbar.»<br />
(Tagesspiegel Online, 1.5.<strong>2017</strong>)<br />
Kulturleugner II<br />
«Lieber Thomas de Maizière, ich finde Ihren<br />
Zehn-Punkte-Katalog für eine deutsche<br />
Leitkultur, Verzeihung, altmodisch. In unserer<br />
globalen Welt geht es nicht mehr darum,<br />
wer Sauerkraut isst oder ob man sich die<br />
Hand gibt. Lieber Thomas de Maizière, wir<br />
brauchen keine deutsche Leitkultur, wir brauchen<br />
eine menschliche Weltkultur.» (Kolumnist<br />
F. J. Wagner, Bild, 1.5.<strong>2017</strong>)<br />
8<br />
Die Aktion Flüchtlinge mitnehmen fordert Inhaber<br />
von Fahrkarten öffentlicher Verkehrsmittel auf, sogenannte<br />
Schutzsuchende abends und am Wochenende<br />
auf dem eigenen Ticket mitfahren zu lassen. Das wird<br />
sich mancher Rapefugee nicht zwei Mal sagen lassen.<br />
Foto: Screenshot youngcaritas.ruhr
<strong>COMPACT</strong> Leserbriefe<br />
Zum Titelbild<br />
Das Titelbild der neuen <strong>COMPACT</strong> ist wunderschön.<br />
Ich hoffe, dass allein wegen dieses<br />
schönen Gesichtes viele Hände zum<br />
Kauf der Zeitung greifen. Und NRW hat eine<br />
schwarz verhüllte Frau als Titelbild bekommen?<br />
Na, ob das noch auffällt dort… Ist vielleicht<br />
schon deren halbe Identität. Nicht die<br />
Ausländer haben sich assimiliert, sondern<br />
weite Teile der Deutschen.<br />
Eveline, per Website-Kommentar<br />
Endlich einmal ein Titelbild, mit dem man<br />
Staat machen kann, anstatt immer nur diese<br />
eher abstoßenden und negativ wirkenden<br />
Covers.<br />
Alexander Windisch, per Youtube-Kommentar<br />
Zum Titelthema<br />
«Der Osten leuchtet»<br />
Als ehemaliger Thälmannpionier<br />
folgende<br />
Punkte, warum die<br />
Mitteldeutschen überwiegend unverkrampft<br />
mit der deutschen Identität umgehen: Man<br />
hat die Armee zwar «entnazifiziert», aber ihr<br />
nicht das Gesicht und ihre Natur genommen;<br />
preußischer Drill, Stechschritt und feldgrauer<br />
Waffenrock gehörten dazu wie die Verleihung<br />
des Scharnhorst-Ordens oder die große<br />
Wachablösung. Die sozialistischen Feiertage<br />
(1. Mai, 7. Oktober) waren zugleich auch<br />
Tage nationaler Manifestation; neben den roten<br />
Kommifahnen wehte auch Schwarz-Rot-<br />
Gold, nur eben mit dem DDR-Emblem darin.<br />
Trotz Gräuelpropaganda (siehe Katyn-Lüge)<br />
wurde zu keinem Zeitpunkt die deutsche<br />
Identität verachtet; es war politischer Marxismus<br />
in der DDR – und nicht gesellschaftlicher<br />
Kulturmarxismus wie in der Trizonen-<br />
BRD mit der Rückkehr der Frankfurter Schule.<br />
Mike Forester, per Youtube-Kommentar<br />
Nur der Osten Deutschlands garantiert zur<br />
Zeit eine deutsche Leitkultur und aktiven<br />
und demokratischen Widerstand gegen die<br />
schleichende Muslimisierung und Islamisierung<br />
Deutschlands. <strong>COMPACT</strong> hat das mit<br />
Fakten in der Mai-Ausgabe auf den Punkt<br />
gebracht. Dankeschön!<br />
Brokendriver, per Website-Kommentar<br />
Dass der Westen «dekadent» ist, haben wir<br />
Wessis wohl den Linken zu verdanken, die<br />
vom Osten zur Zersetzung unserer Gesellschaft<br />
angestiftet wurden. Wenn Ihr Euch<br />
abspaltet, dann sind alle Patrioten auf einem<br />
Fleck, und ein Enthauptungsschlag reichte<br />
aus, um unser Volk für immer auszuradieren<br />
– das ist eine Falle!<br />
Puten Schnatter, per Youtube-Kommentar<br />
Sorry, ich bin gelernter DDR-Bürger, und ich<br />
habe die DDR als winselndes, angepasstes<br />
und treu ergebenes Ersatzrussensystem<br />
kennen- und ablehnen gelernt. Die überwiegende<br />
Mehrheit der DDR-Wahlschafe haben,<br />
selbst noch im Frühjahr ‘89, diesem System<br />
die Treue geschworen! Diesen Wahl-Deppen<br />
war selbst der preiswerteste Widerstand<br />
noch zu viel. Darum war das, was ab<br />
Herbst ‘89 passierte, auch keine «Revolution»!<br />
Wäre es eine echte Revolution gewesen,<br />
dann hätten diese «Revolutionäre» es<br />
nie zugelassen, sich anschließend so dermaßen<br />
von den Wessis demütigen und ausplündern<br />
zu lassen! Deus ex Machina aus<br />
Deutschland, per Youtube-Kommentar<br />
Der Osten leuchtet auch in Polen, Ungarn,<br />
Tschechien… Nicht nur in der ehemaligen<br />
DDR. Die Menschen mussten 40 Jahre ohne<br />
Freiheit leben und tun, was die UdSSR wollte.<br />
Heute wird diese Freiheit vom Islam und<br />
Brüssel bedroht.<br />
Ralph Wilk, per Youtube-Kommentar<br />
Es ist kaum zu glauben, wenn man hier erfährt,<br />
dass ausgerechnet die alte kommunistische<br />
DDR bei der Beurteilung der deutschen<br />
Geschichte offensichtlich viel vernünftiger<br />
und anständiger als der «Standort»,<br />
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<strong>COMPACT</strong> Leserbriefe<br />
Soros-world-empire, vorgegangen ist. Die<br />
Sachsen hatten überhaupt ein faszinierendes<br />
dialektisches Verhältnis zur Revolution:<br />
Richard Wagner war 1848 voll dabei, musste<br />
aus Dresden fliehen, nahm aber später<br />
eine konservative, religiös-mystische Position<br />
ein (Parzival). Karl May wiederum entwickelte<br />
sich vom fast Genetschen Asozialen<br />
zu einem Meisterschriftsteller, der aufs<br />
Selbstverständlichste einen heftigen deutschen<br />
Chauvinismus mit größtem Respekt<br />
für Menschen fremder Kulturen und leidenschaftlichem<br />
Pazifismus (Mitstreiter Bertha<br />
von Suttners) zu verbinden wusste. COM-<br />
PACT war wieder mal jeden Cent wert…<br />
Katzenellebogen, per Website-Kommentar<br />
Bei der deutschen Geschichte gibt es offenbar<br />
nur die Entscheidung zwischen Pest<br />
und Cholera: Die einen pflegen den Schuldkult<br />
und reduzieren deutsche Geschichte auf<br />
zwölf Jahre Nazi-Deutschland – die anderen<br />
wünschen sich offenbar wieder alte Zeiten<br />
(«Sachsens Glanz und Preußens Gloria») herbei.<br />
Hallo <strong>COMPACT</strong>, wir leben im 21. Jahrhundert,<br />
und wenn das Stilmittel Pathos eingesetzt<br />
wird, dann ist es damals wie heute<br />
nicht weit zur Aufhetzung und Verführung.<br />
Wie wäre es mit einem gesunden Mittelmaß<br />
– oder, um es mit den Worten im aktuellen de-<br />
Maizière-Vorschlag zu sagen: Wir sind aufgeklärte<br />
Patrioten.Nick, per Website-Kommentar<br />
Loslösen vom Westen, eigenständiges<br />
Deutschland aufbauen, der Westen ist versaut<br />
und nicht mehr zu reparieren.<br />
Talus Pellias, per Youtube-Kommentar<br />
25 Jahre Wiedervereinigung haben nicht<br />
auf die Schnelle nachholen können, was 40<br />
Jahre «Westen» verdorben haben! Ganz entscheidend<br />
war, dass die SU als Besatzungsmacht,<br />
das heißt Russland, nie hingegangen<br />
ist und versucht hat, russische Bräuche,<br />
Schlager und Produkte in Massen in der DDR<br />
einzuführen. Vor allem sind sie nicht hingegangen<br />
und haben das Deutsche mit russischen<br />
Lehnwörtern überfrachtet, während<br />
man im «Westen» unter dem Englischen zu<br />
leiden hat. Das rechne ich den Russen als<br />
Zeichen von Achtung und Toleranz gegenüber<br />
den Besiegten hoch an! Dagegen sind die<br />
USA von Anfang an daran gegangen, alle ab<br />
etwa 1900 Geborenen in ihrem Sinne umzuerziehen.<br />
Livia, per Website-Kommentar<br />
Zum Dossier «Familie<br />
und Dschihad»<br />
An die Frauen: Verwechselt<br />
Frechheit<br />
nicht mit Selbstbewusstsein.<br />
Oft ist es keine innere Stärke bei<br />
den Mohammedanern, sondern Respektlosigkeit<br />
Euch gegenüber und die Hoffnung auf<br />
eine schnelle Triebbefriedigung.<br />
Max von Musterberg, per Youtube-Kommentar<br />
Zu den Jammerweibern, die sich mit Moslems<br />
eingelassen haben und dann «total<br />
überraschend» feststellen dürfen, welche<br />
Herrlichkeiten der Islam so zu bieten hat:<br />
Angeblich sind auch diese Weiber fähig zu<br />
denken und eigenverantwortlich. Das Sprichwort<br />
lautet halt: Wer sich mit Hunden schlafen<br />
legt, soll sich über die Flöhe nicht wundern<br />
/ Dummheit gehört bestraft.<br />
Marcus Junge, per Website-Kommentar<br />
Meiner Meinung nach spielt die gesamte<br />
Propaganda bei dem Verhalten der Frauen,<br />
die solche Männer wählen, elementar eine<br />
ganz wesentliche Rolle. Ständig wird in der<br />
Schule und anderen Bildungseinrichtungen<br />
eingetrichtert, wie schlecht doch die Deutschen<br />
beziehungsweise eben der weiße<br />
Mann sind beziehungsweise ist, das hinterlässt<br />
bei Vielen seine Spuren. Da jetzt insbesondere<br />
Frauen meistens ja doch gute Menschen<br />
sein wollen und der Zwang zur Wiedergutmachung<br />
einem quasi in die Wiege<br />
gelegt wird, fühlen die sich in solchen Beziehungen<br />
oftmals moralisch erhaben. Nach<br />
dem Motto: Schaut her, ich bin keine Rassistin<br />
wie Ihr! Mein Mann ist ein Moslem<br />
(oder Afrikaner).<br />
Inselkind, per Youtube-Kommentar<br />
Zu «Mutti aus Mühlheim»<br />
NRW ist ein Musterbeispiel dafür, dass gerade<br />
die Rentner weiter fleißig CDU und<br />
SPD wählen, genau wie in Schleswig-Holstein,<br />
denn diese Generation interessiert nur<br />
die durchaus noch fette Rente für lockere Arbeitsjahre<br />
von den 60ern bis frühen 90ern.<br />
Diese Leute richten viel mehr Schaden an<br />
als die vor Selbsthass und Lethargie zerfressene<br />
Gender-Jugend. Immerhin gehen diese<br />
Freaks nicht zur Wahl und richten somit nicht<br />
ganz so viel Schaden an.<br />
Ute Holte, per Facebook-Kommentar<br />
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<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Jagd auf Xavier Naidoo<br />
_ von Federico Bischoff<br />
Die Marionetten schlagen zurück: Der berühmteste Sohn Mannheims wird als Nazi<br />
verleumdet – weil er die Frustration und die Wut, die viele empfinden, immer wieder<br />
zum Thema macht. Eine neue Art Rassismus stachelt die Hetzmeute an: Gerade dass<br />
ein Dunkelhäutiger sich der Politischen Korrektheit nicht beugt, provoziert den Hass<br />
der Etablierten.<br />
Um als rechtsradikal zu gelten, musste man früher<br />
Landser, die Zillertaler Türkenjäger oder wenigstens<br />
Laibach hören. Heutzutage genügt schon Xavier<br />
Naidoo. Sein neues Album MannHeim hat zu einem<br />
Aufschrei der Gutmenschen-Schickeria geführt,<br />
wie meistens angeführt von den Edelfedern der Bild-<br />
Zeitung. «Aus jeder Zeile tropft das Gift», eröffnete<br />
Nikolaus Blome am 5. Mai das Halali. «Wenn das<br />
Kunst ist, dann ist es ziemlich braune Kunst.» Der<br />
Journalist forderte die Politik zum Einschreiten auf:<br />
«Wenn in einer Bundeswehr-Kaserne ein Hakenkreuz<br />
an die Klotür gekritzelt wird, reist die Verteidigungsministerin<br />
zur Inspektion an. Und bei Naidoo?<br />
Schulterzucken in der ach so gesellschaftlich<br />
engagierten Musiker-Szene. Ein Armutszeugnis. Geschichtsvergessen.»<br />
Was soll das heißen? Muss man die Söhne Mannheims<br />
in Untersuchungshaft stecken wie Franco A.<br />
und seine terrorverdächtigen Kameraden? Immerhin<br />
hat die Grüne Jugend in Bayern den Marschbefehl<br />
der Bild aufgegriffen und trommelt nun für das Verbot<br />
der Naidoo-Konzerte im Freistaat. Radiosender<br />
wie BremenVier und WDR2 beendeten ihre Kooperation<br />
mit der Band.<br />
Zwei Tage später legte der Altachtundsechziger<br />
Reinhard Mohr in der Welt am Sonntag, wie<br />
Bild ein Blatt aus dem Hause Springer, nach: Naidoo<br />
habe sich entschieden, «zum Horst Mahler des<br />
Popgeschäftes zu werden», auch «der Völkische Beobachter<br />
hätte es nicht besser machen können».<br />
Mit Leonie auf der Couch<br />
Man reibt sich die Augen, putzt sich die Ohren:<br />
Hat der Sänger gegen Juden oder Ausländer gehetzt,<br />
einen Führerstaat gefordert, wenigstens für<br />
den Einmarsch in Polen oder in Russland getrommelt?<br />
Mohr kann keine einzige Belegstelle dafür zitieren,<br />
aber ist sich dennoch sicher: «Den ebenso<br />
verschwörungstheoretischen wie antisemitischen<br />
Ton kann niemand ignorieren, der noch alle Sinne<br />
beisammen hat.»<br />
Xavier Naidoo im Januar <strong>2017</strong><br />
während einer Pressekonferenz<br />
in München. Der 45-Jährige war<br />
1995 Mitgründer der Söhne Mannheims.<br />
Bereits 2011 stellte er Strafanzeige<br />
wegen Hochverrats gegen<br />
den damaligen Bundespräsidenten<br />
Horst Köhler und gegen Regierungsmitglieder<br />
wegen deren Verantwortung<br />
für die Finanzkrise.<br />
Foto: picture alliance / Peter Kneffel/dpa<br />
«Horst Mahler des<br />
Popgeschäftes».<br />
Springerpresse<br />
über Naidoo<br />
11
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
wieso Pegida-Sprech und damit O-Ton NSDAP. Vergehen<br />
an Unschuldigen – dass so etwas vorkommt,<br />
hat bisher noch kein Journalist auf der Welt bestritten,<br />
höchstens in der Schuldzuweisung unterscheidet<br />
man sich, je nach Kenntnisstand oder politischer<br />
Einstellung. Aber Frau Feuerbach zieht sich daran<br />
hoch… Klappe zu, Affe tot.<br />
Die Sache mit der Gewalt<br />
Naidoo und die deutsche Fußball-<br />
Nationalmannschaft 2006 beim<br />
Fan fest am Brandenburger Tor in<br />
Berlin. Seinen Hit «Dieser Weg»<br />
hatte er Bundestrainer Jürgen<br />
Kliensmann gewidmet. Foto: 360b,<br />
shutterstock.com<br />
2015 zog der NDR nach politisch<br />
motivierten Angriffen von Medien<br />
und eigenen Redakteuren Naidoo<br />
als Kandidaten des Eurovision Song<br />
Contest zurück. Foto: Bild<br />
Leonie Feuerbach, eine eifrige Jungpionierin<br />
bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, hat sich<br />
an einer Exegese von «Marionetten» versucht –<br />
dem Song auf MannHeim, der tutti quanti in heiligen<br />
antifaschistischen Zorn versetzt (siehe Infobox<br />
Seite 13). Ihr Artikel ist so typisch, dass er als<br />
abschreckendes Beispiel für verkommenen Journalismus<br />
ausführlich zitiert zu werden verdient: «Der<br />
manipulative ”Puppenspieler”, der im Hintergrund<br />
die Fäden zieht, ist ein uraltes antisemitisches Klischee.<br />
Und der Begriff des Sachverwalters erinnert<br />
stark an die Vorstellung der sogenannten Reichsbürger,<br />
nach dem die Bürger der Bundesrepublik nur<br />
Personal einer von Amerika oder dem Weltjudentum<br />
gelenkten GmbH sind – der Personalausweis<br />
dient den Anhängern dieser kruden Ideologie als<br />
Beweis dafür. (...) Das ”Tatsachen verdrehen” kann<br />
als eine Umschreibung des Lügenpresse-Vorwurfs<br />
gelesen werden. Das ”an Unschuldigen Vergehen”<br />
liest sich rätselhaft und wie ein Vorwurf des Kindesmissbrauchs.<br />
Ein beliebtes Thema im rechtsextremen<br />
Spektrum, wo seit Jahren die ”Todesstrafe für<br />
Kinderschänder” gefordert wird.»<br />
Der Wahn der Nazi-Jäger wird vor allem an der<br />
Stelle deutlich, wo sie auf den ersten Blick einen<br />
wunden Punkt getroffen haben – wenn Naidoo mit<br />
Gewalt kokettiert. Etwa hier: «Alles wird vergeben,<br />
wenn Ihr einsichtig seid; sonst sorgt der wütende<br />
Bauer mit der Forke dafür, dass Ihr einsichtig seid.»<br />
Wenn man das kritisiert, müsste man es allerdings<br />
bei einem beträchtlichen Teil der Popkultur ebenfalls<br />
tun. Sang nicht Slime «Deutschland muss sterben,<br />
damit wir leben können»? Rappte nicht Bushido,<br />
er «schieße auf Claudia Roth», diese «kriegt Löcher<br />
wie ein Golfplatz»? Und war nicht Frau Roth<br />
selbst Managerin von Ton Steine Scherben, die mit<br />
«Macht kaputt, was Euch kaputt macht» einen ihrer<br />
größten Erfolge hatten? Haben nicht die Toten Hosen<br />
mit «Hier kommt Alex» die Clockwerk-Orange-<br />
Gewaltorgie zum Mitgröhlen verewigt? Frontmann<br />
Campino trat übrigens im Februar <strong>2017</strong> bei einem –<br />
spärlich besuchten – Anti-Pegida-Protest in Dresden<br />
auf. Hinterher gab er zum Besten: «Keiner von uns ist<br />
rübergegangen und hat denen in die Fresse gehauen,<br />
wie es sich eigentlich gehört.» Kritik daran war nicht<br />
zu vernehmen. Der Anarcho darf das sagen, denn er<br />
ist auf seine alten Tage ein richtiger Merkel-Fan geworden,<br />
während Naidoo die ganze Bagage nach wie<br />
vor gerne «Raus aus dem Reichstag» – so sein Hit<br />
aus dem Jahre 2009 – schmeißen würde. Das aber<br />
ist kein Unterschied zwischen links und rechts, sondern<br />
zwischen angepasstem Spießer und ewigem<br />
Rebell. Der Mannheimer SPD-Oberbürgermeister<br />
brachte es auf den Punkt, als er Naidoo «antistaatliche<br />
Tendenzen» vorwarf: Wenn ein Künstler, wie<br />
etwa Jan Böhmermann, dem Staate huldigt, darf er<br />
dessen Gegner gerne als »Hurensöhne Mannheims»<br />
verleumden. Wenn die aber in der Elite «Volksverräter»<br />
ausmachen, stehen sie schnell vor dem Kadi.<br />
12<br />
Campino und Naidoo<br />
– angepasster<br />
Spießer versus<br />
ewiger Rebell.<br />
Die FAZ-Dame erinnert an den Patienten beim<br />
Psychiater auf der Couch, dem Rorschach-Kleckse<br />
gezeigt werden, und der dann entrüstet aufschreit:<br />
«Was zeigen Sie mir da für schweinische Bildchen!»<br />
Was sie aus den Texten Naidoos herausliest, hat<br />
nichts mit diesen Texten zu tun, sondern nur mit der<br />
verdrehten Wahrnehmung in ihrem Kopf. Wo er über<br />
Puppenspieler singt, hört sie Juden. Das harmlose<br />
Wörtchen «Sachverwalter» lässt bei ihr Reichsbürger<br />
aufmarschieren. Verdrehte Tatsachen gibt es bei<br />
der FAZ nicht, stattdessen halluziniert sie das gar<br />
nicht verwendete «Lügenpresse» – und das ist so-<br />
Klügere Kritiker erkennen das wohl. So schrieb<br />
Jens-Christian Rabe in der Süddeutschen Zeitung:<br />
«Er ist kein Nazi und ”Reichsbürger”-Meistersänger<br />
in dem Sinn, dass er Fremdenhass schürt und gegen<br />
Homosexuelle oder Juden hetzt, aber er fühlt sich<br />
von der Politik ”betrogen und belogen” und sympathisiert<br />
deshalb mit allen, die so fühlen wie er.»<br />
Genau das, dass er fühlt, wie viele fühlen, ganz unabhängig<br />
von weltanschaulichen Vorgaben, macht<br />
ihn zum Idol für das Volk – und zum Feind für das<br />
System. Dabei ist seine inhaltliche Schnittmenge<br />
mit den Linken in der aktuellen Situation sogar grö-
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
ßer als mit den Rechten: Den Islam hält er, ganz im<br />
Gegensatz zu Pegida, keineswegs für eine Bedrohung,<br />
und Moslems sieht er, in seinem Ende 2015<br />
zuerst bei Jürgen Todenhöfer veröffentlichen Song<br />
«Nie mehr Krieg», in Europa genauso verfolgt wie<br />
die Juden vor 80 Jahren. Warum hasst ihn das islamophile<br />
Establishment trotzdem so maßlos? Weil er<br />
sich nicht einspannen lässt in den staatlich verordneten<br />
Antifaschismus. Er trat zwar schon bei Rock<br />
gegen Rechts auf und kritisierte auch immer wieder<br />
Nazi-Gewalt. Aber er gab auch dem Libertären<br />
Oliver Janich ein langes Interview und sprach Anfang<br />
Oktober 2014 bei den Reichsbürgern auf der<br />
Wiese vor dem Bundestag. Auf die Frage, warum<br />
er dort war, sagte er: «Für mich sind das Mitbürger,<br />
die eine Meinung haben, die glauben, sie werden<br />
betrogen und belogen, und das Gefühl habe<br />
ich irgendwie auch.» Man könnte sagen, er bildet<br />
eine Brücke zwischen den Unzufriedenen links<br />
und rechts, aber auch das träfe es nicht. Er ist einfach<br />
ein Mensch, der mit allen anderen Menschen<br />
spricht. Diese Kommunikationsbereitschaft ist gefährlich<br />
für ein Regime, das auf die Spaltung des<br />
Volkes setzt – und auf die Verteufelung von allen,<br />
die irgendwie national denken.<br />
Ein Junge aus Mannheim<br />
Naidoos Offenheit mag mit seiner Herkunft zusammenhängen<br />
– seine Wurzeln sind deutsch,<br />
irisch, indisch und südafrikanisch –, aber auch<br />
mit christlicher Nächstenliebe. Die Bibel entdeckte<br />
er erst spät, als Zivildienstleistender, aber dann<br />
umso inniger: «Es ist nicht meine Botschaft, es ist<br />
die Botschaft Gottes. Ich bin nur der Knecht, der<br />
sie rausbringt.» Wenn er gegen Kinderschänder ansingt,<br />
spricht der Zorn Gottes aus ihm. In der Schule<br />
wurde er rassistisch drangsaliert – und trotzdem<br />
wurde ihm Deutschland zur Heimat. «Für mich<br />
war die Sprache der Schlüssel. Deutsch begeistert<br />
mich: diese Tiefe, dieser Reichtum, diese Deutlichkeit.<br />
Bildlich gesprochen: Ich knie nieder vor dieser<br />
Sprache. Sie ist ein Geschenk. Und das dazugehörige<br />
Land kann ja so schlecht nicht sein, im Gegenteil:<br />
Deutschland ist schön.»<br />
Dass er an der Amerikakritik festhält,<br />
die die Linke längst liquidiert<br />
hat, ärgert diese besonders.<br />
Man wird den Eindruck nicht los: Die heutige Linke,<br />
die das eigene Land und das eigene Volk hasst,<br />
verzeiht Naidoo vor allem diese Heimatliebe nicht.<br />
Dass er, der Dunkelhäutige, sich ihrem Nie-wieder-<br />
Deutschland-Kurs verweigert, finden sie unerhört.<br />
Und dann noch die Tatsache, dass er an der Amerikakritik,<br />
die die Achtundsechziger längst liquidiert<br />
haben, festhält! Auch das hat übrigens einen biographischen<br />
Hintergrund – in den Erfahrungen, «von<br />
denen ich denken kann, dass jemand, der in Mannheim<br />
aufgewachsen ist, sie auf jeden Fall belegen<br />
kann, weil man natürlich sieht: Die besten Grundstücke,<br />
mitten in Mannheim, gehören den Amerikanern.<br />
(...) Also Mannheim ist lange, lange schon besetzt.»<br />
Kein Wunder, dass er dann mit dem T-Shirt «Freiheit<br />
für Deutschland» in eine GEZ-Talkshow marschierte.<br />
Damit hat er die Parole populär gemacht,<br />
auf die sich alle vernünftigen Menschen einigen können<br />
– außer den Marionetten, die ihn jetzt jagen.<br />
«Marionetten»<br />
Der Text zum Song von Xavier<br />
Naidoo.<br />
«Wie lange noch wollt Ihr Marionetten<br />
sein? Seht Ihr nicht, Ihr<br />
seid nur Steigbügelhalter? Merkt<br />
Ihr nicht, Ihr steht bald ganz<br />
allein? Für Eure Puppenspieler<br />
seid Ihr nur Sachverwalter. (…)<br />
Und weil Ihr die Tatsachen schon<br />
wieder verdreht, werden wir einschreiten.<br />
Und weil Ihr Euch an<br />
Unschuldigen vergeht, werden<br />
wir unsere Schutzschirme ausbreiten.<br />
(…)<br />
Aufgereiht zum Scheitern wie<br />
Perlen an einer Perlenkette: Seid<br />
Ihr nicht eine Matroschka weiter<br />
im Kampf um Eure Ehrenrettung?<br />
Ihr seid blind für Nylon<br />
und Fäden an Euren Gliedern,<br />
und hat man Euch im Bundestag,<br />
Ihr zittert wie Eure Gliedmaßen.<br />
Alles nur peinlich, und so was<br />
nennt sich dann Volksvertreter!<br />
Teile Eures Volks nennen Euch<br />
schon Hoch- beziehungsweise<br />
Volksverräter. Alles wird vergeben,<br />
wenn Ihr einsichtig seid.<br />
Sonst sorgt der wütende Bauer<br />
mit der Forke dafür, dass Ihr einsichtig<br />
seid. Mit dem Zweiten<br />
sieht man besser. (…)<br />
Eure Parlamente erinnern mich<br />
stark an Puppentheater. Ihr wandelt<br />
an Fäden wie Marionetten<br />
– bis wir Euch mit scharfer<br />
Schere von der Nabelschnur<br />
Babylons trennen! (…) Als Volkin-die-Fresse-Treter<br />
stoßt Ihr<br />
an unsere Grenzen. Und etwas<br />
namens Pizza-Gate steht auch<br />
noch auf der Rechnung. Bei<br />
näherer Betrachtung steigert<br />
sich doch das Entsetzen. Und<br />
wenn ich nur einen in die Finger<br />
bekomme: Dann zerreiß ich<br />
ihn in Fetzen. Und da hilft auch<br />
kein Verstecken hinter Paragraphen<br />
und Gesetzen.» (Abschrift<br />
nach Gehör)<br />
Campino und die Toten Hosen heizen<br />
im März <strong>2017</strong> in Dresden Anti-<br />
Pegida-Demonstranten auf. Im<br />
Anschluss schwelgte der Alt-Punker<br />
in Gewaltphantasien gegen die<br />
Patrioten. Foto: picture alliance /<br />
Gregor Fischer/dpa<br />
13
Maasvoll: Zensur in Deutschland<br />
_ von Martin Müller-Mertens<br />
14<br />
Mit seinem neuen Internetgesetz will Heiko Maas die Zensur in<br />
Deutschland auch offiziell einführen – dagegen ist selbst die bisherige<br />
Löschpraxis von Facebook noch liberal. Für seine Pläne belügt<br />
der Justizminister sowohl die Öffentlichkeit als auch das Kabinett.<br />
«Das klappt richtig<br />
gut.» <br />
Maas über Zensur<br />
Der Minister wirkte unwirsch. «Am Schluss werden<br />
noch zu wenige Inhalte zu langsam gelöscht»,<br />
fauchte Heiko Maas im Herbst 2016 in die Kameras.<br />
Gerade hatte er den Zwischenbericht zum Stand der<br />
Gleichschaltung in sozialen Netzwerken zur Kenntnis<br />
genommen – weiterhin schlüpften demnach<br />
54 Prozent der als unliebsam denunzierten Inhalte<br />
durch das Netz der Zensoren. Nur eine Ausnahme<br />
goutierte der SPD-Politiker: Wenn sich der Sittenwächter<br />
jugendschutz.net an die Betreiber von Facebook<br />
und Co. wendet, entfernt der digitale Radiergummi<br />
bis zu 96 Prozent. «Das klappt richtig gut.»<br />
Nun soll die Staatsgewalt marschieren und endlich<br />
die gewünschten Erfolge erzwingen. Im April<br />
nickte das Bundeskabinett den Entwurf des Gesetzes<br />
zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen<br />
Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz)<br />
ab. Neben «Hasspropaganda» (Hate Speech) sollen<br />
künftig auch «strafbare Falschnachrichten» (Fake<br />
News) bekämpft werden. Noch vor der Sommerpause<br />
soll die Neuregelung den Bundestag passieren.<br />
Bis zu den Wahlen am 24. September wären<br />
damit Fakten geschaffen.<br />
Kern der Neuregelung: Künftig sollen Betreiber<br />
von Online-Angeboten gemeldete und «offensichtlich<br />
rechtswidrige» Inhalte innerhalb von 24 Stunden<br />
löschen. Bei unklaren Fällen dauert die Frist<br />
demnach sieben Tage. Das klingt auf den ersten<br />
Blick harmlos, denn diese Verpflichtung gilt bereits<br />
heute.<br />
Zensur und Selbstzensur<br />
Was das Maas-Gesetz aber fundamental von der<br />
bisherigen Rechtslage unterscheidet, sind die ruinösen<br />
Bußgelder von bis zu fünf Millionen Euro, sollte<br />
ein Online-Betreiber wie Facebook monierte Beiträge<br />
nicht innerhalb dieser Zeitspannen tilgen. Noch<br />
höhere Strafen von bis zu 50 Millionen Euro stehen<br />
zwar noch nicht im Gesetzentwurf, wohl aber bereits<br />
in der beigelegten Begründung. Das vermutliche<br />
Kalkül: Die drohenden Strafzahlungen führen<br />
zu einer umfassenden Selbstzensur. «Zwangsläufig<br />
erkennen wir bei starren Fristen die Gefahr ei-
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Knebel für das Volk: Mit seinen neuen Gummiparagraphen<br />
zur Regulierung von Online-Kommentaren dürfte der Justizminister<br />
vor allem die Selbstzensur im Auge haben. Foto: Kirill<br />
Shashkov/shutterstock.com, Montage <strong>COMPACT</strong><br />
ner Löschkultur des vorauseilenden Gehorsams. Es<br />
wird im Zweifel mehr gelöscht als notwendig wäre»,<br />
fürchtet der Vorstand des Verbandes der Internetwirtschaft<br />
eco Oliver Süme. Hinzu kommt, dass die<br />
vom Maas-Ministerium vorgelegten Kriterien klare<br />
rechtsstaatliche Überprüfungen praktisch unmöglich<br />
machen. Die Löschliste sei «kunterbunt und<br />
kaum nachvollziehbar», so der Berliner Juraprofessor<br />
Niko Härting. Insbesondere «Hate Speech» und<br />
«Fake News» seien als «politische Kampfbegriffe<br />
(…) kein tauglicher Ansatz für Regulierung».<br />
Dabei scheint es, als sei sich auch SPD-Mann<br />
Maas bewusst, wie weit er die Grenzen der Rechtsstaatlichkeit<br />
überschreitet. Für den Beschluss im<br />
Regierungskabinett griff der Justizminister daher<br />
zu einem Trick: Das Faktenblatt – die Information<br />
für die Ministerkollegen zum vorgelegten Entwurf –<br />
und der eigentliche Gesetzestext weichen an einer<br />
zentrale Stelle voneinander ab. So heißt es im Faktenblatt:<br />
«Außerdem wird Opfern von Persönlichkeitsrechtsverletzungen<br />
im Netz ermöglicht, aufgrund<br />
gerichtlicher Anordnung die Bestandsdaten<br />
der Verletzer von Diensteanbietern zu erhalten.»<br />
Dieser Richtervorbehalt fehlt jedoch im Gesetz. Die<br />
Konsequenz: Private Daten zum Beispiel von Facebook-Nutzern<br />
könnten künftig auch ohne juristische<br />
Überprüfung eingetrieben werden – etwa von gewaltbereiten<br />
Antifa-Aktivisten. Sogar in der eigenen<br />
Partei löst dieser Plan Empörung aus. «Ein so<br />
weit gefasster Auskunftsanspruch hätte einen Einschüchterungseffekt<br />
zur Folge, der die Kommunikationsfreiheit<br />
im Netz massiv in Frage stellen würde»,<br />
sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Klingbeil.<br />
Auch ein Positionspapier der sozialdemokratischen<br />
Bundestagsfraktion lehnt diese Aushebelung<br />
des Persönlichkeitsschutzes ab.<br />
Bertelsmann löscht, Soros zahlt<br />
Dabei hat die Treibjagd auf missliebige Meinungen<br />
im Internet schon längst begonnen. Bereits im<br />
Herbst 2015 vergatterte Maas Betreiber sozialer<br />
Netzwerke zu einer Verschärfung der Selbstzensur<br />
unter dem Vorwand angeblicher Hasskpropaganda.<br />
Seither folgen Facebook, Youtube und andere<br />
Plattformen bei Überprüfungen unter anderem<br />
Kriterien von jugendschutz.net sowie der umstrittenen<br />
Amadeu-Antonio-Stiftung der früheren Stasi-Zuträgerin<br />
Anetta Kahane. Technisch umgesetzt<br />
wird die Zensur von etwa 600 Mitarbeitern der Firma<br />
Arvato, einem Teil des Bertelsmann-Konzerns.<br />
Unglaublich, aber wahr: Ein Privatunternehmen übt<br />
sensible staatliche Aufgaben aus.<br />
Im Winter 2016 dehnte Facebook seine Löschaktivitäten<br />
auch auf wirkliche oder vermeintliche<br />
Fake News aus. Für Deutschland besorgte sich das<br />
Netzwerk einen illustren Partner. Die Firma Correctiv,<br />
finanziert unter anderem durch die Bundeszentrale<br />
für politische Bildung und laut Handelsblatt<br />
durch die Stiftung Open Society Foundation des US-<br />
Milliardärs George Soros, soll Meldungen prüfen<br />
und kennzeichnen. Zudem vergrößert der Internet-<br />
Löschen, löschen,<br />
löschen<br />
«Vor einem Monat erklärte der<br />
Facebook-Lobbyist Richard Allan<br />
bei einer Veranstaltung im Bundesjustizministerium,<br />
dass<br />
die US-Plattform im August<br />
in Deutschland rund 100.000<br />
Inhalte gelöscht habe. Seinerzeit<br />
war unklar, ob es sich dabei<br />
um strafbare Inhalte oder lediglich<br />
Fotos mit stillenden Müttern<br />
(und ihren Brüsten) gehandelt<br />
hat. Vor allem blieb unklar,<br />
wie viele der Posts zu einem<br />
Strafverfahren geführt haben,<br />
sofern es sich denn um strafbare<br />
Inhalte gehandelt hat.» (netzpolitik.org,<br />
26.10.2016)<br />
«Facebook will stärker gegen<br />
Falschmeldungen vorgehen und<br />
plant deshalb, auch verdächtige<br />
Nutzerkonten zu schließen.<br />
(…) Als Beispiel führte der<br />
Konzern Frankreich an. Hier sei<br />
man auf diese Weise bereits<br />
gegen 30.000 mögliche Fake-<br />
Konten vorgegangen.» (mdr.de,<br />
13.4.<strong>2017</strong>)<br />
Richard Allen (r.) von Facebook<br />
Europe gestikuliert am 15.12.2015<br />
in Berlin vor Bundesjustizminister<br />
Heiko Maas (SPD) bei der Vorstellung<br />
der Ergebnisse der Task<br />
Force zum Umgang mit rechtswidrigen<br />
Hassbotschaften im Internet.<br />
Foto: picture alliance / dpa<br />
15
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
[mit dem Werbeverbot] nahm uns Google die Möglichkeit<br />
der Monetarisierung unserer Videos, was<br />
zu Einnahmeverlusten führte und letztendlich die<br />
Existenz von zwei Mitarbeitern bedroht. Zum anderen<br />
aber werden dadurch unsere Videos auch immer<br />
weniger in den Empfehlungslisten auf Youtube angezeigt,<br />
was zu Zuschauerverlusten führt – trotz täglich<br />
anwachsender Youtube-Abonnenten.»<br />
Das Fake-News-Märchen<br />
16<br />
Wen diese Pegida-Demonstranten<br />
wohl meinen… Foto: picture alliance<br />
/ Jochen Eckel<br />
<strong>COMPACT</strong>-Spezial Nr. 9: Erhältlich<br />
unter compact-shop.de<br />
Foto: <strong>COMPACT</strong><br />
Das Justizministerium<br />
räumte im<br />
April ein, dass ihm<br />
kein einziger Fall<br />
von strafbaren<br />
Fake News bekannt<br />
sei.<br />
Riese seine eigene Zensurabteilung. Auf tausende<br />
Schnüffler, darunter mehrere hundert in Deutschland,<br />
verwies Facebooks europäischer Regulierungschef<br />
Richard Allan bereits im September 2016 während<br />
einer Veranstaltung des Bundesjustizministeriums.<br />
Im Mai <strong>2017</strong> kündigte das Unternehmen die Einstellung<br />
von 3.000 neuen Kontrolleuren an, um Profile<br />
und Kommentarspalten «von unerwünschten Inhalten<br />
zu säubern», wie es selbst die Süddeutsche<br />
Zeitung formulierte. Zur Begründung griff Facebook-<br />
Chef Mark Zuckerberg versiert zu einem Totschlagargument:<br />
Kriminelle hatten über die Videofunktion<br />
einen Mord und eine Gruppenvergewaltigung übertragen.<br />
Doch die neu angeheuerten Tugendwächter<br />
sollen eben nicht nur gegen Schwerverbrecher, sondern<br />
offenbar gegen alle möglichen unerwünschten<br />
Kommentatoren vorgehen.<br />
Auch die Google-Tochter Youtube zieht seit März<br />
<strong>2017</strong> die Zügel an. Probates Mittel ist dem Unternehmen<br />
dabei die Verweigerung von Werbeeinblendungen<br />
auf Videos, an denen auch die Ersteller der<br />
Filme verdienen. «Es war nie unsere Absicht, Werbung<br />
um Inhalte zu platzieren, die unangemessen<br />
sind», schwurbelte Youtube-Chefin Susan Wojcicki<br />
gegenüber der Wirtschaftswoche – natürlich ohne<br />
klar zu benennen, was ihrer Meinung nach «unangemessen»<br />
bedeutet. Vieles deutet darauf hin, dass<br />
ein bereits 2012 eingeführter Passus jetzt brachial<br />
durchgesetzt wird. So werden in den Richtlinien Inhalte,<br />
die keine Werbung bekommen dürfen, unter<br />
anderem folgendermaßen definiert: «Umstrittene<br />
oder heikle Themen und Ereignisse (zum Beispiel<br />
Krieg, politische Konflikte, Naturkatastrophen<br />
und tragische Vorfälle) – auch, wenn keine expliziten<br />
Bilder gezeigt werden.» Alternative Filmproduzenten<br />
sind dadurch in ihrer Arbeit bedroht. In einer<br />
Stellungnahme von nuoviso.tv heißt es: «Damit<br />
Schon seit Beginn der Zensurkampagne ist auffällig,<br />
dass sowohl Politik als auch Portalbetreiber<br />
mit emotionalisierenden, jedoch kaum fassbaren<br />
Begriffen wie Hate Speech und Fake News<br />
operieren. Der Grund dafür dürfte nicht nur in einer<br />
gedankenlosen Übernahme US-amerikanischer<br />
Sprachgewohnheiten liegen. Vor allem verschleiern<br />
derartige Vokabeln, dass die für Angriffe auf<br />
die Meinungsfreiheit vorgeschobenen Gründe in<br />
der Realität teilweise gar nicht existieren. So erkundigte<br />
sich das auf IT-Nachrichten spezialisierte<br />
Onlinemagazin golem.de im April beim Bundesjustizministerium,<br />
ob dort auch nur ein einziger Fall<br />
von strafbaren Fake News bekannt sei. Die entlarvende<br />
Antwort: Nein.<br />
Tatsächlich verdeutlichte die Berliner Staatsanwaltschaft<br />
im vergangenen Jahr, dass es eine<br />
Strafbarkeit von Falschberichterstattung auch gar<br />
nicht geben kann. Anlass war die Reportage des<br />
russischen Fernsehens über das missbrauchte russlanddeutsche<br />
Mädchen Lisa in der Hauptstadt. Ein<br />
Verfahren gegen den Korrespondenten des Moskauer<br />
Ersten Kanals stellte die Behörde mit einer<br />
unmissverständlichen Begründung ein: Die «bloße<br />
nicht den Tatsachen entsprechende Berichterstattung<br />
alleine ohne entsprechende Aussagen im Sinne<br />
des Paragraphen 130 Strafgesetzbuch erfüllt zudem<br />
auch vor dem Hintergrund der Pressefreiheit alleine<br />
noch nicht den Tatbestand der Volksverhetzung».<br />
Nicht nur im Netz könnte künftig das Aus für unliebsame<br />
Berichterstattung drohen, wie der Fall von<br />
Mega Radio SNA beweist. Das über DAB verbreitete<br />
Hörfunkprogramm füllt Teile seiner Sendezeit mit<br />
Inhalten der russischen Nachrichtenagentur SNA.<br />
«Der Sender habe auch sehr viel über das Treffen der<br />
europäischen Rechtspopulisten am vergangenen<br />
Wochenende in Koblenz berichtet», skandalisierte<br />
der Deutschlandfunk im Januar – gemeint war eine<br />
Konferenz mit Frauke Petry, Geert Wilders und Marine<br />
Le Pen. Obwohl Mega Radio über eine gültige<br />
Lizenz der hessischen Landesmedienanstalt verfügt,<br />
dürfen die SNA-Inhalte bereits jetzt in Bayern nicht<br />
mehr ausgestrahlt werden. Doch damit nicht genug.<br />
Die hessische Aufsichtsbehörde will den Sender<br />
nach DLF-Angaben nun beobachten. «Am Ende<br />
könne auch der Entzug der Lizenz stehen.»
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Aufmachen, Gesinnungspolizei!<br />
_ von Marc Dassen<br />
Haben Sie sich etwa zu einem zotigen Facebook-Kommentar hinreißen lassen<br />
oder Ihrem Lieblingspolitiker eine böse E-Mail geschrieben? Dann müssen Sie mit<br />
einer Razzia rechnen! Das Ende der Meinungsfreiheit naht, aber das wussten Sie ja<br />
sowieso schon. Also blättern Sie bitte weiter, hier gibt es nichts zu sehen!<br />
Wer sich im Internet polemisiert oder droht, ach<br />
was: wer nur die Wahrheit über muslimische Gewalttäter<br />
schreibt, wird ausgegrenzt, kann seinen<br />
Job verlieren oder Besuch vom SEK bekommen. Polizeibeamte<br />
werden auf «Online-Streife» geschickt,<br />
statt No-go-Areas, Drogenumschlagplätze und<br />
Angsträume in Großstädten aufzuräumen – weil<br />
man sich dabei weniger mit brutalen Migranten<br />
als mit muffligen Deutschen herumschlagen muss?<br />
Bei der Taskforce gegen Hasskriminalität – einem<br />
Joint Venture aus Bundesregierung, Privatunternehmen<br />
und sogenannten zivilgesellschaftlichen<br />
Organisationen – betont man, dass es «nur<br />
um solche Formen von Hate Speech» gehe, die «gegen<br />
Gesetze verstoßen, insbesondere gegen Paragraphen<br />
des Strafgesetzbuchs». Hier wird besonders<br />
auf Beleidigung, Bedrohung und den Paragraph<br />
130, also auf den Straftatbestand der Volksverhetzung<br />
Bezug genommen. Dazu muss man wissen:<br />
Die Aussage «Scheiß-Deutscher» wird nach herrschender<br />
Rechtsprechung lediglich als Beleidigung<br />
geahndet und muss von dem Betroffenen persönlich<br />
angezeigt werden; der Ausruf «Scheiß-Türke»<br />
hingegen gilt als Volksverhetzung – hier wird der<br />
Staatsanwalt von sich aus aktiv.<br />
Politiker sprechen besonders seit dem Aufblühen<br />
der Pegida-Bewegungen und dem Aufstieg der AfD<br />
gerne von der «Verrohung» der Gesellschaft. An die<br />
Ursachen dieser Wut will keiner unserer Regierenden<br />
so richtig heran, lieber gibt man sich moralisch<br />
entrüstet und verlegt sich darauf, den «Wutbürgern»<br />
– besonders im Internet, das immer noch zu große<br />
Redefreiheit gewährt – den Mund zu verbieten.<br />
Denunziation und Arbeitsplatzverlust<br />
Um mit dem «wütenden Mob» oder «rechtsgesinnten<br />
Trollen» fertig zu werden, gibt Die Zeit<br />
hilfreiche Tipps. Erste Möglichkeit: Den entsprechenden<br />
Kommentar bei Facebook anzeigen. «Schaden<br />
kann es nicht, anrüchige Inhalte zu melden», so<br />
der Autor. Das ist mit zwei Mausklicks erledigt und<br />
Facebook sperrte<br />
Imad Karim nicht<br />
nur, sondern löschte<br />
sein komplettes<br />
Profil mit fast 5.000<br />
Freunden.<br />
Zugegeben: Gedankenverbrechen,<br />
wie im Roman 1984, gibt es<br />
in Deutschland noch nicht. Doch<br />
dem Neusprech George Orwells<br />
kommt Politische Korrektheit und<br />
sogenannte angemessene Sprache<br />
bereits recht nahe. Foto: picture<br />
alliance / United Archives/IFTN<br />
17
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Auf dieser Karikatur des brandenburgischen<br />
AfD-Kreisvorsitzenden<br />
Jan-Ulrich Weiß wurde der Bankier<br />
Jacob Rothschild mit dem geldgierigen<br />
Mister Burns aus der Serie<br />
Die Simpsons verglichen. Foto:<br />
Screenshot Facebook<br />
«In Zukunft sollte<br />
sich jeder überlegen,<br />
(…) was er da<br />
im Internet absondert.»<br />
Maas<br />
Die Staatssicherheit konnte von<br />
den Möglichkeiten der digitalen<br />
Überwachung im Netz nur träumen.<br />
Filmszene aus Das Leben der Anderen.<br />
Foto: Buena Vista International<br />
Germany, DIF<br />
hat schon zu zahlreichen zeitweisen Sperren gegen<br />
oppositionelle Blogger geführt. Betroffen, zum Teil<br />
mehrfach, waren zum Beispiel die Journalisten Anabel<br />
Schunke und David Berger, der libertäre Vordenker<br />
Oliver Janich, der Sex-Berater und Asylkritiker<br />
Oliver Flesch, die Islam-Nichtversteher Cahit Kaya,<br />
Jürgen Fritz und Max Erdinger, die Rechtsanwälte<br />
Karoline Seibt und Joachim Steinhöfel, der ehemalige<br />
SEK-Polizist Tim Kellner, der Bestsellerautor<br />
Akif Pirincci, Pegida und wichtige Pegida-Aktivisten<br />
sowie <strong>COMPACT</strong>-Chefredakteur Jürgen Elsässer.<br />
Den deutsch-libanesischen Fernsehjournalisten<br />
Imad Karim erwischte es im April <strong>2017</strong> noch härter:<br />
Facebook sperrte ihn nicht nur, sondern löschte<br />
sein komplettes Profil mit fast 5.000 Freunden<br />
und 139 Gruppen sowie sein gesamtes Bilderarchiv.<br />
Allerdings waren die Proteste so massiv, dass die<br />
Maßnahme nach einigen Tagen wieder rückgängig<br />
gemacht wurde. Michael Mannheimer und Michael<br />
Stürzenberger, ebenfalls vorübergehend total im<br />
Facebook-Aus, sind auch wieder zurück.<br />
Die zweite Möglichkeit, die die Zeit gegen sogenannte<br />
Hasspropaganda im Netz empfiehlt, ist<br />
die Anzeige bei der Polizei. Das geht fast genauso<br />
leicht wie bei Facebook, nämlich online und anonym.<br />
Die dritte Möglichkeit: Die Verdächtigen öffentlich<br />
an den Pranger stellen. Das hat schon viele Male<br />
zur Existenzvernichtung geführt: Ein Azubi bei Porsche<br />
in Österreich verlor seine Lehrstelle, nachdem<br />
er Mitte 2015 bei Facebook wegen eines sicherlich<br />
indiskutablen Satzes in Richtung eines Flüchtlingskindes<br />
bei seinem Arbeitgeber angeschwärzt wurde.<br />
Seine prompt folgende Entschuldigung inklusive<br />
des Hinweises, dass er «so etwas sicher nicht<br />
ernst meint», half ihm nichts mehr.<br />
Es geht noch hinterfotziger: Als der SPD-Politiker<br />
Christopher Lauer Anfang <strong>2017</strong> Post eines Sparkassen-Angestellten<br />
mit Kritik an den Sozialdemokraten<br />
und einem Bekenntnis zur AfD erhielt, machte<br />
er das Schreiben auf Twitter mit vollem Namen und<br />
Mail-Adresse des Absenders öffentlich und denunzierte<br />
den Mann sogar bei dessen Arbeitgeber, der<br />
ihn daraufhin «freistellte».<br />
Ähnlich erging es einer Facebook-Nutzerin, die<br />
im Sommer 2015 von schwul-lesbischen Aktivisten<br />
der Gruppe Enough is Enough! angeschwärzt wurde,<br />
nachdem sie «mehrfach mit homophoben Entgleisungen<br />
aufgefallen» war. Auch sie wurde umgehend<br />
entlassen. «Diese Art der sozialen Kontrolle,<br />
eine Art digitale Nachbarschaftswache, kann wirken»,<br />
freute sich Die Zeit. George Orwell lässt grüßen.<br />
Angeklagt: Die Simpsons<br />
Unzählige ähnlich gelagerte Fälle stapeln sich,<br />
weshalb hier nur eine Auswahl vorgestellt werden<br />
kann: Im Herbst 2014 ging es dem Brandenburger<br />
AfD-Landtagsabgeordneten Jan-Ulrich Weiß wegen<br />
Volksverhetzung an den Kragen: Er hatte auf<br />
seiner Facebook-Timeline ein Bildchen des berühmten<br />
Investmentbankers Jacob Rothschild und des<br />
geldgierigen Atomkraft-Moguls Montgomery Burns<br />
aus der US-Zeichentrickserie Die Simpsons gepostet.<br />
Zwei Jahre wurde er in den Medien und zum<br />
Teil sogar in seiner eigenen Partei als Antisemit geschmäht<br />
– bis die Richter ihn freisprachen.<br />
Ende August 2015 wurde ein 34-jähriger Berliner<br />
wegen angeblich rassistischer Kommentare zu<br />
einer Geldbuße von sage und schreibe 4.800 Euro<br />
verurteilt. Wahlweise drohten ihm 120 Tage Haft.<br />
Die Strafe fiel auch deshalb so harsch aus, weil, wie<br />
man im Tagesspiegel erfahren konnte, eine politische<br />
Motivation die Hand des Scharfrichters führte:<br />
«Angesichts der Flüchtlingsdebatte wolle die Polizei<br />
mit diesem Urteil auch darauf hinweisen, dass Hetze<br />
im Netz ”ganz klar kein Kavaliersdelikt” sei, sondern<br />
sogar eine Haftstrafe nach sich ziehen könne.»<br />
18<br />
Dem Rechtsanwalt Dubravko Mandic aus Freiburg,<br />
Mitglied des baden-württembergischen AfD-<br />
Landesschiedsgerichts, wurde Ende 2015 eine Fotomontage<br />
zum Verhängnis, die er auf Facebook<br />
geteilt hatte: Sie zeigte den Nürnberger Kriegsverbrecherprozess,<br />
statt der NS-Größen saßen unter<br />
anderem Ralf Stegner, Heiko Maas, Claudia Roth<br />
und die Bundeskanzlerin auf der Anklagebank. Erst<br />
nach über einem Jahr erstatteten einige der betroffenen<br />
Politiker Anzeige, woraufhin die Polizei Mandics<br />
Wohnung und Büro durchsuchen ließ – rechtswidrig,<br />
wie das Landgericht Karlsruhe im März <strong>2017</strong><br />
feststellte.
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Facebook: AfD beliebteste Partei<br />
2013<br />
25<br />
2014<br />
26<br />
2015<br />
27<br />
2016<br />
28<br />
Der Volksverhetzungsparagraph<br />
130<br />
Ende August letzten Jahres wurde ein 41-jähriger<br />
Deutscher aus NRW zu einer Geldbuße von<br />
3.000 Euro verdonnert, weil er Claudia Roth in einer<br />
nicht-öffentlichen (!) E-Mail als «ekelhaft» bezeichnet<br />
hatte. Fast zur selben Zeit ging ein Türke<br />
in Hamburg straffrei aus dem Gerichtssaal, obwohl<br />
er die Deutschen als «Köterrasse» beschimpft hatte.<br />
Das Vorzeige-Beispiel für die Hasszensoren ist<br />
Pegida-Gründer Lutz Bachmann. Ende 2016 verurteilte<br />
ihn das Landgericht Dresden wegen Hasskommentaren<br />
gegen Asylanten – deren Urheberschaft<br />
er bestreitet – zu einer Geldstrafe in Höhe<br />
von 9.600 Euro. Wahlweise drohten ihm sieben Monate<br />
Haft, er bezahlte also lieber prompt.<br />
Anfang Mai <strong>2017</strong> wurde der Kölner AfD-Mann<br />
und Bundeswehr-Offizier Hendrik Rottmann wegen<br />
Volksverhetzung angezeigt. Auf Twitter hatte er einen<br />
Zeitungsartikel mit dem erkennbar satirischen<br />
Satz «OMG. Deutschland erwache…» kommentiert.<br />
Der Satz kommt von der SA, aber OMG bedeutet<br />
im Netz «Oh my God» und ist sarkastischer Teenager-Jargon.<br />
Wenn der Heiko zwei Mal klingelt<br />
Mitte November 2015 startete die Berliner Polizei<br />
eine Großrazzia, durchsuchte zehn Wohnungen<br />
von Facebook-Nutzern, beschlagnahmte Computer<br />
und Handys. Das Szenario wiederholte sich Anfang<br />
April 2016, als erneut neun Personen auf einen<br />
Schlag Besuch von der Polizei bekamen. Den bisherigen<br />
Höhepunkt erreichte die Verfolgung Mitte Juli<br />
letzten Jahres. Die Beamten schlugen gleich in 14<br />
Bundesländern zu und durchsuchten rund 60 Wohnungen.<br />
BKA-Präsident Holger Münch erklärte nach<br />
Abschluss der Aktion stramm: «Die Polizeibehörden<br />
312<br />
AfD<br />
2011<br />
16<br />
258<br />
Die<br />
Partei<br />
2012<br />
20<br />
170<br />
Die<br />
Linke<br />
150<br />
Quelle: <strong>COMPACT</strong>-Recherche<br />
Anzahl der Facebook-Nutzer<br />
in Deutschland in Millionen.<br />
Anzahl der Fans nach<br />
Parteien in Tausend.<br />
Stand <strong>2017</strong><br />
133 125 122<br />
Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />
des Bundes und der Länder gehen entschlossen gegen<br />
Hass und Hetze im Internet vor.» Lob kam auch<br />
von Bundesjustizminister Maas: «In Zukunft sollte<br />
sich jeder überlegen, bevor er sich an die Tastatur<br />
setzt, was er da im Internet absondert.» Sogar die<br />
Grünen, ansonsten polizeikritisch, lobten das harte<br />
Durchgreifen. Bei der Aktion sei «viel Symbolik im<br />
Spiel – aber genau die Symbolik, die man brauche»,<br />
fasste die Tagesschau zusammen.<br />
Weil er Claudia Roth in einer privaten<br />
E-Mail als «ekelhaft» bezeichnete,<br />
muss er 3.000 Euro zahlen.<br />
An dem letzten Fall besonders brisant: Die meisten<br />
Betroffenen der Razzia waren Mitglieder einer<br />
«nicht-öffentlichen Facebook-Gruppe», unterhielten<br />
sich also rein privat. Wie auf diese Weise der Tatbestand<br />
der Volksverhetzung erfüllt sein kann, der<br />
explizit auf Handlungen Bezug nimmt, «die geeignet<br />
sind, den öffentlichen Frieden zu stören», ist für den<br />
gesunden Menschenverstand nicht nachvollziehbar –<br />
allerdings nach der letzten Novellierung des Paragraphen<br />
130 für Regimejuristen möglich (siehe Infobox).<br />
Ob die in den jeweiligen Netzwerken gemachten<br />
Aussagen immer so ganz ernst gemeint sind, interessiert<br />
die Richter bei der Verhängung zum Teil drakonischer<br />
Strafen ohnedies nicht. Wenn eins klargeworden<br />
ist, dann das: Maas und sein Apparat<br />
verstehen keinen Spaß. Das sollten sich vor allem<br />
diejenigen merken, die immer noch allzu freizügig<br />
ihre Meinungen im Weltnetz kundtun. Die Devise<br />
lautet: Pssst, Merkel-Regime liest mit!<br />
58<br />
CSU Grüne CDU SPD FDP<br />
2011 trat, und zwar zum Zwecke<br />
der «strafrechtlichen Bekämpfung<br />
bestimmter Formen und<br />
Ausdrucksweisen von Rassismus<br />
und Fremdenfeindlichkeit»<br />
beziehungsweise zur «Kriminalisierung<br />
mittels Computersystemen<br />
begangener Handlungen<br />
rassistischer und fremdenfeindlicher<br />
Art» eine Neuregelung in<br />
Kraft, die bereits keine nationale<br />
Regelung mehr war, sondern<br />
auf der Basis von EU-Beschlüssen<br />
und Europaratsabkommen<br />
erfolgte. Von nun an war der Tatbestand<br />
der Volksverhetzung<br />
nicht mehr, wie bisher, erst dann<br />
erfüllt, wenn eine ganze Gruppe<br />
«beschimpft, böswillig verächtlich<br />
macht oder verleumdet»<br />
oder zum Gegenstand zu Hassund<br />
Gewaltaufrufen wird, es<br />
genügte bereits, wenn ein Einzelner<br />
wegen seiner Zugehörigkeit<br />
zu einer solchen Gruppe<br />
davon betroffen war. (…) Für<br />
die nächste – und bisher letzte –<br />
Verschärfung ließ man sich nur<br />
noch vier Jahre Zeit, sie erfolgte<br />
im Januar 2015. Nunmehr ist<br />
nicht erst die tatsächliche Verbreitung<br />
von Inhalten nach<br />
Absatz 2 Nummer 1 und 2 (bei<br />
denen es nicht einmal auf die<br />
«Störung des öffentlichen Friedens»<br />
ankommt) strafbar, sondern<br />
bereits der Versuch – der<br />
bis dahin straffrei gewesen war.<br />
(aus dem Artikel von Manfred<br />
Kleine-Hartlage in <strong>COMPACT</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong> 1/2016)<br />
Fast vergessen: das Grundgesetz.<br />
Foto: Marcito, fotolia.de<br />
Oben links: Freigesprochen: Weiß,<br />
der der AfD im Landkreis Uckermark<br />
vorsteht, am 29.6.2016 vor<br />
dem Amtsgericht Prenzlau. Seine<br />
Tätowierung ist ein Zitat aus dem<br />
Vaterlandslied von Ernst Moritz<br />
Arndt. Foto: picture alliance / dpa<br />
19
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Die rote Studi-SA marschiert<br />
_ von Tino Perlick<br />
20<br />
An den Universitäten lehren die Hohepriester der Politischen<br />
Korrektheit. Linksextreme Studenten verfolgen alle als rechts, die<br />
nicht ihrer Meinung sind – unter dem Beifall des Establishments.<br />
May-Day--Demonstration in Hamburg:<br />
Ihre Hände nehmen die<br />
Antifa-Krawallos meist nur aus den<br />
Taschen, um zuzuschlagen. Foto:<br />
picture alliance / dpa<br />
Die Bildungsreformen<br />
haben<br />
die Hochschulen zu<br />
uniformen Denkfabriken<br />
gemacht.<br />
Merseburg, 25. Januar 2016: Das Fraunhofer-<br />
Institut hat zu einer Festveranstaltung mit Angela<br />
Merkel geladen. Während die Rautenfrau Belanglosigkeiten<br />
von sich gibt, hält der Chemieprofessor<br />
Thomas Rödel ein Plakat mit dem alten CDU-Wahlspruch<br />
«Keine Experimente» hoch. Der Mann wartet<br />
das Ende von Merkels Ansprache ab. Dann erhebt<br />
er seine zittrige Stimme und spricht über die offenen<br />
Grenzen: «Ich habe Kinder, die sind zwei, vier<br />
und neun Jahre alt. Sie machen einen Versuch und<br />
wissen nicht, wie das Experiment ausgeht. Ich mache<br />
mir wirklich Sorgen. Von Ihnen als Physikerin<br />
erwarte ich eigentlich verantwortungsvollere Entscheidungen.»<br />
Sie werde «auf alles achten, so dass Deutschland<br />
eine gute Zukunft hat», antwortet Merkel gewohnt<br />
ungerührt. Dass der besorgte Vater von Ordnern<br />
wie ein Attentäter aus dem Saal geleitet wird,<br />
verhindert sie nicht. Rödel habe dem «Ansehen<br />
der Hochschule enorm geschadet», erklärt Rektor<br />
Jörg Kirbs am Folgetag. Man werde «dieses Verhalten<br />
aufarbeiten, wobei auch eventuelle juristische<br />
Schritte geprüft werden müssen», zitiert ihn<br />
die Mitteldeutsche Zeitung. An Deutschlands Bildungsinstituten<br />
bewegt man sich mit Kanzlerkritik<br />
schon am Rande des Rechtsbruchs. Die liberale Bürgergesellschaft<br />
wird dort am stärksten demontiert,<br />
wo sie am meisten hochgehalten werden müsste.<br />
Vielfalt und Einfalt<br />
Weil seine Jecken traditionell in Kolonialuniformen<br />
und mit schwarzer Farbe im Gesicht bemalt<br />
auftreten, durfte ein örtlicher Karnevalsverein in<br />
Fulda in diesem Jahr nur unter Polizeischutz am<br />
Rosenmontagsumzug teilnehmen. Das Risiko linksextremer<br />
Übergriffe auf die politisch unkorrekten<br />
Spaßvögel sei laut örtlicher Polizei nicht zu unterschätzen<br />
gewesen. Sozialwissenschaftler der dortigen<br />
Hochschule hatten zuvor eine Absage gefordert.«Dadurch<br />
wird Völkermord, Unterdrückung und<br />
Entrechtung verharmlost und gutgeheißen», hieß es<br />
in Bezug auf die Karnevalisten in einer Rundmail.<br />
Die blinde Hörigkeit zum Linksstaat zeigt sich<br />
auch am universitären Wettlauf um das Erreichen<br />
von allerlei sogenannten Diversity-Zielen. Die Universität<br />
Kassel hat, neben vier weiteren, im März<br />
2016 das Zertifikat «Vielfalt gestalten» des Stifterverbandes<br />
für die Deutsche Wissenschaft verliehen
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
bekommen – Schirmherr: der heutige Bundespräsident<br />
Frank-Walter Steinmeier. Die Kasseler hätten<br />
sich besonders vorbildlich für die Integration ausländischer<br />
Studenten oder die Schaffung von Barrierefreiheiten<br />
engagiert – und für Unisextoiletten.<br />
Man müsse den «fließenden Grenzen zwischen den<br />
Geschlechtern» gerecht werden, befand die Frauenbeauftragte.<br />
Die Kehrseite dieses als gesellschaftlichen<br />
Fortschritt verkauften Gleichschritts erleben regelmäßig<br />
jene, die sich weigern, dem staatlichen Konformismus<br />
nach der Pfeife zu tanzen. Anfang Mai<br />
<strong>2017</strong> erwischte es den Karikaturisten Götz Wiedenroth.<br />
Die Verantwortlichen des Instituts für Ästhetisch-Kulturelle<br />
Bildung der Europa-Universität<br />
Flensburg (EUF) wollten eine Vernissage des Künstlers<br />
mit dem Titel «Lügenpresse – Fake News» veranstalten.<br />
Das Universitätspräsidium sagte die Ausstellung<br />
jedoch ab. Ein paar Twitter-Kommentare<br />
pseudolinker Spinner, denen Wiedenroths Werke<br />
den Spiegel vorhalten, genügten, um die Kunstfreiheit<br />
an der EUF ins Reich der Mythen zu verabschieden.<br />
Die Hochschulleitung referierte in ihrer<br />
Stellungnahme die üblichen Standardfloskeln:<br />
«An der Europa-Universität, die sich in ihrem Leitbild<br />
auf ‚Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Vielfalt‘<br />
verpflichtet hat, gibt es keinen Raum für antisemitische,<br />
fremden-, frauen- und islamfeindliche Inhalte.»<br />
Man kann es auch mit dem Philosophen Karl<br />
Jaspers sehen. Der schrieb 1946 in Die Idee der Universität:<br />
«Wo totale Herrschaft sich stabilisiert, darf<br />
Wahrheit nicht unbeschränkt wirken, da sie den unwahrhaftigen<br />
Grund der Herrschaft und damit diese<br />
Herrschaft selbst zerstören würde.»<br />
Kleine Denunzianten<br />
In einem im Mai 2014 erschienenen Text hatte<br />
der Sicherheitsexperte Flüchtlingsströme als die<br />
«größte sicherheitspolitische Herausforderung des<br />
21. Jahrhunderts» bezeichnet. Für die Fachschaft<br />
Sozialwissenschaften goss Münkler damit «Öl in<br />
das Feuer eines rassistischen Diskurses über den<br />
Umgang mit nach Europa flüchtenden Menschen».<br />
Das Verrückte dabei: Münkler ist eigentlich Anhänger<br />
von Angela Merkels Asylpolitik. Doch die linken<br />
Hetzer stört selbst der kleinste Zwischenton.<br />
Anonyme Studenten entfesselten<br />
in der Humboldt-Universität Hetzkampagnen<br />
gegen Professoren.<br />
Dem Berliner Geschichtsprofessor Jörg Baberowski<br />
geht es nicht besser: Ein Vortrag von ihm<br />
musste im Oktober 2016 in Abstimmung mit Polizei<br />
und Staatsschutz aus Sicherheitsgründen von<br />
der Universität Bremen in Räume der Konrad-Adenauer-Stiftung<br />
verlegt werden. Der Allgemeine Studierendenausschuss<br />
(AStA) hatte zum Boykott aufgerufen,<br />
um zu «verhindern, dass rechtsextreme<br />
Ideologen ihre Lehren an dieser Universität propagieren».<br />
Baberowskis Verbrechen: In der Frankfurter<br />
Allgemeinen Zeitung hatte er die ungesteuerte Einwanderung<br />
kritisiert. «Die Stigmatisierung von Menschen<br />
stammt aus dem Einschüchterungsarsenal der<br />
Diktatur», kommentierte der 55-Jährige später. Mitte<br />
März <strong>2017</strong> stellte das Landgericht Köln fest, dass<br />
die Schmähung des AstAs, Baberowski sei «rechtsradikal»,<br />
von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.<br />
Linke schlagen<br />
öfter zu<br />
Linke Straftaten<br />
nach Delikten 2016.<br />
35,5<br />
Rechte Straftaten<br />
nach Delikten 2016.<br />
17,1<br />
18,1<br />
53,1<br />
Sachbeschädigungen<br />
Gewaltdelikte<br />
Sonstige<br />
Propagandadelikte<br />
Volksverhetzung<br />
Quelle: BKA<br />
44,8<br />
7,5 7,2<br />
15,1<br />
Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />
Diskussionen nach Antifa-Art. Im<br />
Januar sprengten rund 400 Krakeler<br />
einen Auftritt des sachsenanhaltinischen<br />
AfD-Landeschefs<br />
André Poggenburg an der Universität<br />
Magdeburg. Die Störer warfen<br />
dabei auch einen Knallkörper<br />
in Richtung des Politikers. Foto:<br />
Screenshot Youtube<br />
Falls die Hochschulleitung mal pennt und einen<br />
Freidenker walten lässt, sorgen halbwüchsige Zensoren<br />
aus der vermeintlich antifaschistischen Szene<br />
für einen Shitstorm, damit ihre Kommilitonen<br />
nicht auf falsche Gedanken kommen. So richteten<br />
anonyme Studenten der Humboldt-Universität Berlin<br />
im Sommersemester 2015 einen Internet-Pranger<br />
für den durch Talkshows bekannten Politologen<br />
Herfried Münkler ein. Der Blog Münkler-Watch berichtete<br />
Woche für Woche über die angeblich anstößigen<br />
Vorlesungen des Professors, man fotografierte<br />
ihn heimlich und störte seine Auftritte. Der<br />
Umstand, dass ein Ehemann in den 1970er Jahren<br />
seiner Frau untersagen durfte, eine Arbeit anzunehmen,<br />
hatte Münkler im Hörsaal als «eigentlich<br />
ungeheuerlich» bezeichnet. Alles ganz in Ordnung,<br />
sollte man meinen. Für die Stasi-Studis war<br />
das jedoch ein klarer Beleg für seine unterschwellige<br />
Frauenverachtung. Korrekt hätte es statt «eigentlich<br />
ungeheuerlich» nämlich nur «ungeheuerlich»<br />
heißen dürfen…<br />
21
<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Sprachzensur<br />
In den USA sprechen Dozenten<br />
seit einiger Zeit sogenannte Triggerwarnungen<br />
vor Texten aus,<br />
die ihre Studenten in irgendeiner<br />
Weise psychisch verletzen könnten.<br />
In Harvard forderten Studenten,<br />
dass ein Kurs über die<br />
juristischen Aspekte von Vergewaltigungen<br />
abgesagt wird.<br />
Das Wort «Vergewaltigung» sei<br />
gänzlich zu vermeiden. Am Oberlin<br />
College knöpften sie sich die<br />
Literatur vor: F. Scott Fitzgeralds<br />
Der große Gatsby enthalte frauenfeindliche<br />
Passagen, Chinua<br />
Achebes Roman Alles zerfällt<br />
zeige rassistische Gewalt. Kein<br />
Wunder: Das Buch schildert die<br />
Kolonialzeit in Nigeria. Sehen<br />
wir solcherlei politisch korrekte<br />
Säuberungen demnächst auch<br />
an deutschen Universitäten?<br />
«Eine Debatte darüber gibt es<br />
derzeit in den Gender Studies,<br />
der Amerikanistik und der Europäischen<br />
Ethnologie», zitierte<br />
die Taz die Professorin für Nordamerikanische<br />
Literatur- und<br />
Kulturwissenschaft Eva Boesenberg<br />
im Oktober 2016.<br />
Bild links: Auch der Berliner Professor<br />
Jörg Baberowski ist ins Visier<br />
der linksradikalen Tugendwächter<br />
geraten. Mit dem rechts abgebildeten<br />
Aufruf hetzte der AStA der Universität<br />
Bremen gegen eine Lesung<br />
des Historikers. Foto: picture alliance<br />
/ Sven Simon; Screenshot<br />
AStA Bremen<br />
Der Schritt von der Denunziation zur Gewalt gegen<br />
Andersdenkende ist klein: Am 12. Januar <strong>2017</strong><br />
lud die AfD-nahe Campus Alternative zu einem Vortrag<br />
an der Uni Magdeburg ein. Wie jeder anderen<br />
studentischen Vereinigung hatte die Universitätsleitung<br />
auch ihr dafür einen Hörsaal genehmigt. Doch<br />
die Veranstaltung konnte nicht stattfinden: 400<br />
selbsternannte Antifaschisten hatten den Raum<br />
besetzt. Die Magdeburger Volksstimme berichtete,<br />
dass auf den AfD-Landesvorsitzenden André Poggenburg<br />
ein Böller geworfen wurde. Bei der folgenden<br />
Rangelei wurde ein Parteimitglied verletzt.<br />
Schließlich erschienen 30 Polizeibeamte – allerdings<br />
nicht, um die Redefreiheit zu verteidigen, sondern<br />
nur, um die Bedrohten sicher hinauszueskortieren.<br />
«Als die AfD mit Polizeibegleitung abziehen<br />
muss, reißt Dekan Michael Dick jubelnd die Arme<br />
empor», berichtet die Mitteldeutsche Zeitung. «Unsere<br />
Studierenden zeigen Flagge und Haltung. Darauf<br />
bin ich stolz», verklärte er den Meinungsterror<br />
gegenüber dem Blatt.<br />
Bildungsziel Konformismus<br />
Die Mehrheit der Studenten ist während der Vorlesungen<br />
mehr mit dem eigenen Facebook-Profil beschäftigt<br />
als mit dem Erfassen angeblicher Nazi-<br />
Allüren der Dozenten. Doch dass die postmodernen<br />
Jungakademiker, im Gegensatz zu denen der<br />
frühen 1930er Jahre, den Extremisten nicht folgen,<br />
hilft nicht viel: Die spiegelverkehrten Faschisten von<br />
heute nutzen die Passivität ihrer Kommilitonen aus,<br />
um sich als deren Avantgarde zu inszenieren.<br />
Die Lethargie der Masse hat ihren Grund. Lange<br />
bevor die politisch korrekte Überdosis Universitäten<br />
endgültig in Sperrbezirke für kritisches Bewusstsein<br />
verwandelte, hatten die Fakultäten bereits jeden<br />
Anspruch auf ein aufklärerisches Bildungsideal<br />
im Kantschen Sinne aus dem Fenster geworfen. Hatte<br />
es in der Vergangenheit zu den Kernaufgaben des<br />
höheren Bildungssystems gehört, «die Studierenden<br />
nicht nur für ihr Funktionieren im Beschäftigungssystem<br />
zu qualifizieren, sondern auch ihr kritisches<br />
Analysevermögen zu fördern», so der Politikwissenschaftler<br />
Bodo Zeuner in seiner 2007 vorgetragenen<br />
Abschiedsvorlesung, werde heute mit aller<br />
Kraft versucht, «Geist zur Ware zu machen». Diese<br />
«Wissensdressur zur Unmündigkeit», wie es der Philosoph<br />
Reinhardt Brandt in seiner Abrechnung Wozu<br />
noch Universitäten? umschreibt, stellt für das BRD-<br />
Regime stets neues Wählerarsenal bereit. Schon<br />
1946 hatte Jaspers gewarnt: «Für die totale Herrschaft<br />
ist Wissenschaft, soweit sie brauchbar ist,<br />
ein Machtmittel.» Statt Institutionen der Wahrheitsfindung<br />
erlaube sie «nur Schulungsanstalten für gelernte<br />
Arbeiter (…) und für Funktionäre».<br />
Der Schritt von der Denunziation<br />
zur Gewalt gegen Andersdenkende<br />
ist kurz.<br />
Professoren waren schon immer dem Beamtenrecht,<br />
das Loyalität gegenüber dem Dienstherr vorsieht,<br />
unterworfen: Eine Hand wäscht die andere.<br />
Doch diese Loyalität war früher auf die Anerkennung<br />
der freiheitlich-demokratischen Ordnung gegründet.<br />
Nachdem die Regierenden aber diese Ordnung<br />
geschreddert haben und die marktkonforme<br />
Mutation den Studenten den kritischen Geist ausgetrieben<br />
hat, ist ein Meinungsklima entstanden,<br />
das auch die couragiertesten Dozenten in Reih und<br />
Glied zwingt. Dauerbefristete Arbeitsverhältnisse<br />
sind als Druckmittel besser geeignet als unkündbare<br />
Beamtenschaft. Die Devise lautet: Passe Dich<br />
dem Zeitgeist an – oder geh zum Jobcenter!<br />
22
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Die Erfindung einer Terrorzelle<br />
_ von Jürgen Elsässer<br />
Ist die Bundeswehr eine Art Braune Armee Fraktion? Verteidigungsministerin Ursula<br />
von der Leyen hat die ganze Truppe unter Generalverdacht gestellt und damit einen<br />
Proteststurm auch unter Offizieren provoziert. Der Anlass für die Kampagne ist<br />
hanebüchen.<br />
Jetzt geht es sogar einem sozialdemokratischen<br />
Bundeskanzler an den Kragen. Ein Jugendfoto, das<br />
Helmut Schmidt in Wehrmachtsuniform zeigt, musste<br />
Mitte Mai ausgerechnet in der nach ihm benannten<br />
Bundeswehruniversität Hamburg abgehängt<br />
werden. Dort hatte es seit Jahren den Flur eines<br />
Studentenwohnheims geziert. Nichts verdeutlicht<br />
die Radikalität, mit der Verteidigungsministerin Ursula<br />
von der Leyen seit Ende April eine Säuberung<br />
der Streitkräfte betreibt, besser als diese Bildzensur.<br />
Selbst dem SPD-Verteidigungsexperten Rainer Arnold<br />
ist die Sache unheimlich: «Dieses Beispiel beweist,<br />
dass die Ministerin Maß und Mitte verloren<br />
hat und die Truppe tief verunsichert.»<br />
Ganz hohl ist die Haselnuss<br />
Zeitgleich wurde auch das bisherige Bundeswehr-Liederbuch<br />
Kameraden singt! aus dem Verkehr<br />
gezogen, das bekannte Marschlieder wie «Schwarzbraun<br />
ist die Haselnuss», das «Panzerlied» oder das<br />
«Westerwaldlied» enthält – für das Leyen-Ministerium<br />
sind diese nämlich «als Ausdruck nationalsozialistischer<br />
Überhöhung missbraucht» worden. Mit<br />
diesem Argument könnte man auch den sofortigen<br />
Abriss des Berliner Olympiastadions fordern.<br />
Dass es der CDU-Frau ganz generell um eine Art<br />
Kulturrevolution in der deutschen Armee geht, zeigt<br />
eine ministerielle Rundmail an alle Offiziere, die den<br />
sorgfältigen Traditionserlass der Bundeswehr aus<br />
dem Jahr 1982, entstanden unter ihrem damaligen<br />
Amtsvorgänger Hans Apel (SPD), mit einem Mausklick<br />
außer Kraft setzte. In den letzten 35 Jahren<br />
galt zwar: «Nationalsozialistische Kennzeichen,<br />
insbesondere das Hakenkreuz, dürfen nicht gezeigt<br />
werden.» An anderer Stelle legte der Apel-Erlass<br />
jedoch auch fest: «Das Sammeln von Waffen, Modellen,<br />
Urkunden, Fahnen, Bildern, Orden und Ausrüstungsgegenständen<br />
ist erlaubt.» Mit dieser begründeten<br />
Differenzierung macht die erste Frau im<br />
Bendlerblock jetzt Schluss: «Wehrmachtsdevotionalien<br />
(vom Bajonett bis zum Wehrmachtsstahlhelm),<br />
Wehrmachtsbilder, Wehrmachtsattribute, Sinnsprüche<br />
mit Vergleichen/Beschreibungen oder Zitaten,<br />
sämtliche Gegenstände (jede Art von Darstellung),<br />
welche mit einer Sympathie/Verehrung der Wehrmacht<br />
in Verbindung gebracht werden könnten» –<br />
Nazi-Alarm vor dem Reichstag:<br />
Sieht doch schließlich fast so aus<br />
wie der Fackelzug am 30. Januar<br />
1933? Das Musikkorps der Bundeswehr<br />
am 11.11.2015 beim Festakt<br />
zum 60. Geburtstag der Truppe.<br />
Foto: Bundeswehr/photothek/Gottschalk<br />
«Die Bundeswehr<br />
hat ein Haltungsproblem,<br />
und sie<br />
hat offenbar eine<br />
Führungsschwäche…»<br />
Von der Leyen<br />
23
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
24<br />
Bild links: Auch die Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne<br />
in<br />
Nordrhein-Westfalen will von der<br />
Leyen umbenennen - gegen den<br />
Widerstand dortiger Offiziere. Bei<br />
der Namensgebung 1961 waren<br />
neben Angehörigen des von Hitler<br />
in den Selbstmord getriebenen<br />
Rommel auch der Generalmajor<br />
der Bundeswehr Richard Schimpf<br />
und Generalleutnant Sir Charles<br />
Jones von der britischen Rheinarmee<br />
anwesend. Foto: picture alliance<br />
/ UPI<br />
Bild rechts: Dieses Profilbild postete<br />
der frühere Entwicklungshilfeminister<br />
Dirk Niebel (FDP) im Mai<br />
bei Facebook. Der grüne Kampfschwule<br />
Volker Beck echauffierte<br />
sich über eine «absolute Fehlleistung»,<br />
auch die FDP distanzierte<br />
sich eilig. Niebel ist Reserveoffizier<br />
der Bundeswehr. Foto: Screenshot<br />
Facebook<br />
Von der Leyens<br />
große Säuberung<br />
zielt auf die verantwortungsbewussten<br />
Bürger in<br />
Uniform.<br />
man beachte die wachsweiche Konjunktivformulierung!<br />
–, all das muss jetzt raus aus den Kasernen.<br />
Man könnte den Eindruck bekommen, der Tabakmultimillionär<br />
Jan Philipp Reemtsma habe von der<br />
Leyen den Text diktiert: Er hatte mit der von ihm gesponserten<br />
Wehrmachtsausstellung in den 1990er<br />
Jahren die These verbreitet, die deutsche Armee –<br />
und nicht nur die SS – habe 1939 bis 1945 einen<br />
«Vernichtungskrieg» geführt.<br />
Aufstand der Offiziere<br />
Der «Säuberungs- und Reinigungsprozess» –<br />
so der entlarvende Wortlaut der Ministerin – war<br />
durch den Fall Franco A. ausgelöst worden. Dem<br />
Bundeswehrsoldat wird vorgeworfen, einen rechtsradikal<br />
motivierten Anschlag vorbereitet zu haben,<br />
den er aber angeblich unter seiner Tarnung als syrischer<br />
Asylbewerber begehen wollte, um dadurch<br />
die Flüchtlingspolitik der Merkel-Regierung zu diskreditieren.<br />
Die Ministerin hätte den Vorgang intern<br />
untersuchen lassen können, zog jedoch – wie man<br />
es von ihr gewohnt ist – eine bombastische Inszenierung<br />
in der Öffentlichkeit vor. Am 30. April nutzte<br />
sie ein ZDF-Interview zur generellen Abrechnung<br />
mit der Truppe: «Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem,<br />
und sie hat offenbar eine Führungsschwäche<br />
auf verschiedenen Ebenen.» Insbesondere rügte<br />
sie, dass Franco A. und sein «ganz klar völkisches,<br />
dumpfes Gedankengut» nicht früher aufgefallen sei,<br />
das liege an «falsch verstandenem Korpsgeist».<br />
Das Echo war gewaltig. «Der Widerspruch ist<br />
in seiner Heftigkeit einmalig in der jüngeren Geschichte<br />
der Bundeswehr», fasste die Frankfurter<br />
Allgemeine Zeitung zusammen. Es sei «unglaublich»,<br />
so Oberstleutnant André Wüstner, Chef des Bundeswehrverbandes,<br />
«wie sich die Ministerin jetzt sozusagen<br />
auf die Tribüne verabschiedet und über ihre<br />
Mannschaft urteilt». Besonders auf einer Versammlung<br />
in der Bundeswehrhochschule Hamburg am 3.<br />
Mai muss es hoch hergegangen sein. «Für Bundeswehrverhältnisse<br />
war das schon fast eine Art Rebellion»,<br />
gibt die Zeitung einen Teilnehmer wieder.<br />
Interessant ist vor allem, dass die Kritik auch die<br />
geostrategische Ausrichtung der Militärpolitik betrifft<br />
– «die aus Sicht vieler Soldaten sinnlosen Einsätze<br />
wie in Mali oder Afghanistan».<br />
Tatsächlich gibt es in den Sicherheitsbehörden<br />
einen verbreiteten Unmut über die Regierung, vor<br />
allem seit der Grenzöffnung im September 2015.<br />
Im Bundesinnenministerium zirkulierten schon im<br />
Oktober 2015 sogenannte Non-Papers, die offen<br />
zur Durchsetzung von Rechtsstaat und Souveränität<br />
auch gegen die Kanzlerin aufforderten. So hieß<br />
es etwa in einem der Expertisen, verfasst von einem<br />
«hochrangigen Sicherheitsmann aus dem Bundesapparat»<br />
(Welt), über die Notwendigkeit einer<br />
Schließung der Grenzen: «Die Bundespolizei ist<br />
hierzu nach dem Aufenthaltsrecht verpflichtet; gegenteilige<br />
Weisungen der Bundesregierung sind<br />
rechtswidrig.» Ein weiterer «hochrangiger Beamter»,<br />
dessen Namen Die Welt ebenfalls nicht preisgab,<br />
argumentierte ähnlich: «Entgegenstehende<br />
Weisungen sind rechtswidrig und führen zur Strafbarkeit<br />
(…) wegen Anstiftung oder Beihilfe zur illegalen<br />
Einreise von Ausländern (…).»<br />
«Diese Beamten sind im Herbst 2015 noch vor<br />
eigenmächtigem Handeln zurückgeschreckt – aber<br />
jetzt wollen sie sich nicht mehr zurückhalten», sag-
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
te ein Staatssekretär a.D. unter dem Siegel der Anonymität<br />
im April <strong>2017</strong> gegenüber <strong>COMPACT</strong>, als der<br />
türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit nicht<br />
genehmigten Auftritten in Deutschland drohte. Die<br />
Stimmung im Apparat, so gab der ehemals hochrangige<br />
Politiker wieder, sei folgendermaßen: «Wenn<br />
Erdogan mit dem Segen der Kanzlerin kommt, werden<br />
wir einen Vorwand finden, ihn festzuhalten –<br />
notfalls sagen wir: zu seinem eigenen Schutz.» Ein<br />
Beamter habe ihm gegenüber ergänzt: «Und wenn<br />
Erdogan gegen den Willen der Kanzlerin einfliegt,<br />
liegt eine Luftraumverletzung vor. Zur Gefahrenabwehr<br />
gibt es in einem solchen Fall die Alarmrotten<br />
unserer Luftwaffe, die Eurofighter können Erdogans<br />
Maschine zur Landung zwingen.»<br />
«Der Widerspruch ist in seiner<br />
Heftigkeit einmalig in der jüngeren<br />
Geschichte der Bundeswehr.» FAZ<br />
Von der Leyens große Säuberung scheint auf diese<br />
verantwortungsbewussten Bürger in Uniform zu<br />
zielen. Wie in der BRD mittlerweile üblich, stellt<br />
man sie unter Nazi-Verdacht – obwohl sie lediglich<br />
die Durchsetzung von Recht und Gesetz fordern und<br />
genau deswegen mit der Politik über Kreuz liegen.<br />
Die ominöse Terrorzelle<br />
Aber zurück zu Franco A.: Was von der Ministerin<br />
als Terrorfall hochgespielt wird, war zunächst eine<br />
Blamage für die Asylpolitik. Der Soldat hatte es fertiggebracht,<br />
sich nicht nur ohne Personaldokumente,<br />
sondern sogar ohne arabische Sprachkenntnisse als<br />
syrischer Flüchtling registrieren zu lassen. Im bayrischen<br />
Hammelburg, wo ihn das Bundesamt für Migration<br />
und Flüchtlinge (BAMF) untergebracht hatte,<br />
dürfte er trotz Residenzpflicht selten gewesen sein<br />
– er musste ja regelmäßig bei der deutsch-französischen<br />
Brigade im Elsass zum Appell erscheinen.<br />
Trotzdem schaffte er es, 16 Monate lang vom BAMF<br />
monatlich etwa 400 Euro an Unterstützungszahlung<br />
zu kassieren. Ein schlagenderes Beispiel, wie leicht<br />
man es als Asylbetrüger in Deutschland hat, dürfte<br />
sich schwer finden lassen.<br />
Ende Januar bei einem Besuch in Wien eine Waffe<br />
am Flughafen deponiert hatte. Er sagt, er habe sie<br />
gefunden und wollte sie nur nicht mit in den Flieger<br />
nehmen – die Generalbundesanwaltschaft geht hingegen<br />
von absichtlicher Beschaffung aus. Doch ausgerechnet<br />
diese Waffe scheint für ein False-Flag-<br />
Attentat ungeeignet: Es handelt sich um ein Uraltmodell<br />
des französischen Herstellers Manufacture<br />
d‘Armes des Pyrénées Francaises, das im Zweiten<br />
Weltkrieg auch an die Wehrmacht geliefert wurde<br />
– «bestimmte Typen dieser Pistolen (…) werden<br />
heute in Militariasammlerkreisen hoch bewertet»,<br />
schreibt die FAZ. Und so ein Museumsstück<br />
soll heute als Terrorwaffe taugen? Ausgerechnet<br />
mit einer Wehrmachtspistole wollte A. eine falsche<br />
Spur zu islamistischen Attentätern legen?<br />
Das zweite Beweisstück stammt von Franco A.s<br />
Kameraden Maximilian T. und wird in den Medien<br />
als «Todesliste» bezeichnet. Doch zunächst ist es<br />
nur eine Aufstellung mit Namen, auf der unter anderem<br />
der frühere Bundespräsident Joachim Gauck,<br />
Justizminister Heiko Mass und der Thüringer Ministerpräsident<br />
Bodo Ramelow stehen. Die Frankfurter<br />
Allgemeine Sonntagszeitung stellt den Sachverhalt<br />
richtig dar: «es gibt eine Namensliste, die<br />
an mögliche Mordopfer denken lässt». Erwiesen ist<br />
das also nicht.<br />
Und A.s «ganz klar völkisches, dumpfes Gedankengut»,<br />
das Frau von der Leyen in seiner Masterarbeit<br />
gefunden haben will? Um das beurteilen<br />
zu können, würde man gerne einmal Zitate aus dieser<br />
Arbeit lesen. Das kann man bisher nicht. Aber<br />
all das hindert Politik und Medien natürlich nicht<br />
daran, fleißig von einer «Terrorzelle» in der Armee<br />
zu schwadronieren.<br />
Wo man skandalisiert<br />
– und wo nicht<br />
«Die Zahl der Verdachtsfälle mit<br />
rechtsextremistischem Hintergrund,<br />
aufgelistet im Bericht des<br />
Wehrbeauftragten, ist recht konstant,<br />
sie liegt bei jährlich drei<br />
bis vier Vorfällen pro 10.000 Soldaten.<br />
Die Ministerin hätte seit<br />
ihrem Amtsantritt also schon<br />
Dutzende Fälle anprangern können.<br />
Aber erst jetzt ist es politisch<br />
opportun.» (Welt am Sonntag,<br />
7.5.<strong>2017</strong>)<br />
«Derzeit bearbeitet der<br />
Abschirmdienst 60 islamistische<br />
Verdachtsfälle. 24 Soldaten<br />
wurden in den vergangenen<br />
zehn Jahren als Islamisten<br />
eingestuft. (…) Die Bundeswehr<br />
hat sie entlassen. Zu groß ist<br />
das Risiko, das von einem einzigen<br />
Radikalisierten ausgeht.<br />
(…) Geschätzte 1.600 Moslems<br />
dienen in Uniform (…).» (Tagesspiegel,<br />
19.11.2016)<br />
Nur nicht den Hosenanzug schmutzig<br />
machen, Frau Ministerin. Ursula<br />
von der Leyen im Juni 2015 bei<br />
einem Kasernenbesuch in Hannover.Foto:<br />
picture alliance / dpa<br />
Wollte Franco A. sich schlicht bereichern? Oder<br />
wollte er irgendwann seinen Schwindel öffentlich<br />
machen und damit die Politik der offenen Grenzen<br />
bloßstellen? Der Generalbundesanwalt unterstellt<br />
die schlimmste Möglichkeit: Der Soldat plante einen<br />
Terroranschlag, der dann – da seine Fingerabdrücke<br />
auf sein syrisches Alias registriert waren<br />
– Flüchtlingen in die Schuhe geschoben worden<br />
wäre. Als wichtigster Beleg dafür dient, dass A.<br />
25
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Das Kaninchen und die Schlange<br />
_ von Marc Dassen<br />
Diesel-Skandal: Eine deutsche Spitzentechnologie soll verschrottet<br />
werden. Der sogenannte Abgasskandal hat den Grünen Auftrieb<br />
gegeben: Fahrverbote sind geplant, Rückrufaktionen laufen, Absatzzahlen<br />
brechen ein. Wem soll das nützen?<br />
Nach einem Urteil des bayrischen<br />
Verwaltungsgerichtshofes aus dem<br />
Frühjahr <strong>2017</strong> muss die Stadt München<br />
ein Fahrverbot für Dieselautos<br />
zumindest vorbereiten. Sehr zur<br />
Freude dieser Demonstranten.<br />
Foto: picture alliance / SZ Photo<br />
Das grün-regierte Baden-Württemberg macht<br />
den Anfang: Ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge<br />
soll ab Jahresbeginn 2018 die vermeintlichen Luftverpester<br />
aus Stuttgart verbannen. Auch andere<br />
Großstädte ziehen nach, Berlin und München wollen<br />
ähnliche Verordnungen durchwinken. Der Absatz<br />
von Diesel-Pkw ist auf Talfahrt, etwa 20 Prozent<br />
minus im laufenden Jahr. ADAC-Vizepräsident<br />
Ulrich Klaus Becker warnte Anfang März <strong>2017</strong>: «13<br />
Millionen Dieselautos aus Innenstädten auszusperren,<br />
wirkt wie eine Enteignung und ist gleichzeitig<br />
ein gigantisches Konjunkturprogramm für die Autoindustrie.»<br />
Er empfiehlt stattdessen, «längst vorhandene<br />
Abgastechnologien konsequent einzusetzen<br />
und durchdachte Verkehrskonzepte zu realisieren».<br />
«Verkaufen Sie Ihren Diesel, solange es noch<br />
geht», heulte man bei der Welt Anfang März. «Dieselantriebe»,<br />
so hieß es, seien «einfach nicht gut<br />
(…), weder für Mensch noch Tier». Auto-Bild betextete<br />
ein Foto von zahllosen unverkauften Fahrzeugen<br />
mit «Friedhof der Schummel-Diesel». Den Abgesang<br />
auf eine deutsche Erfolgsgeschichte brachte<br />
Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland<br />
(VCD) – der grünen Konkurrenz zum ADAC –<br />
Anfang Mai <strong>2017</strong> auf die Formel: «Der Diesel ist eigentlich<br />
nicht mehr zu retten.»<br />
Chronik einer Affäre<br />
Das erste Brodeln der Affäre vernimmt man Anfang<br />
2014. Da deckt das International Council on<br />
Clean Transportation (ICCT) – eine nach eigenen Angaben<br />
gemeinnützige Umweltbehörde mit Hauptsitz<br />
in Washington, die vor allem vom US-Großkonzern<br />
Hewlett Packard finanziert wird – erhöhte<br />
Abgaswerte bei VW-Modellen auf. Nach starkem<br />
Beschuss von allen Seiten wagt der damalige VW-<br />
Vorstandschef Martin Winterkorn Anfang 2015 die<br />
Flucht nach vorn und startet eine Rückrufaktion.<br />
Noch ist nicht von einem großen Skandal die Rede,<br />
doch es zeichnet sich ab, dass allein auf dem amerikanischen<br />
Markt fast eine halbe Million Fahrzeuge<br />
betroffen sind.<br />
«Der Diesel ist eigentlich nicht<br />
mehr zu retten.» VCD-Sprecher<br />
Die Untersuchungen laufen weiter, bis die US-<br />
Umweltbehörde EPA und das sogenannte Air Resources<br />
Board Mitte September 2015 ihre Anschuldigungen<br />
in einem dreiseitigen Schreiben an<br />
den VW-Vorstand in den USA öffentlich machen.<br />
Schon kurz darauf knickt Volkswagen ein. «Wir haben<br />
Mist gebaut», erklärt VWs Amerika-Chef plakativ.<br />
Der zerknirscht wirkende VW-Boss Winterkorn,<br />
der am 23. September 2015 seinen Posten räumen<br />
muss und durch den ehemaligen Porsche-Chef Matthias<br />
Müller ersetzt wird, erklärt der Welt: «Es tut<br />
mir unendlich leid.» Die VW-Aktie bricht innerhalb<br />
weniger Stunden um über 30 Prozent ein. Nach Gewinnwarnungen<br />
an alle Aktionäre ist im Vorstand<br />
Land unter.<br />
26<br />
Auch in der Schweiz, in Italien, Belgien und<br />
Frankreich stoppt man den Verkauf der betroffenen<br />
Motorentypen mit der Kennung EA 189, die nicht nur<br />
in VW-Modellen, sondern auch bei Skoda und Audi<br />
verbaut sind. Über sechs Milliarden Euro werden zur<br />
Krisenbewältigung zurückgelegt. Doch schon bald<br />
ist klar: Reichen wird das nicht. Mitte Oktober 2015
kommt es dann ganz dick. Als das Kraftfahrtbundesamt<br />
VW zum Rückruf von rund 2,5 Millionen Pkw<br />
zwingt, setzt man in Wolfsburg – freiwillig – noch<br />
einen drauf, weitet die Retour-Aktion europaweit<br />
auf über acht Millionen Fahrzeuge aus.<br />
Die Ankläger in den USA treten mehrfach kräftig<br />
nach. Den Anfang macht das renommierte Massachusetts<br />
Institute of Technology Ende Oktober 2015<br />
mit einer Studie: In den USA würden 59 Personen<br />
wegen der von VW verursachten erhöhten Schadstoffbelastungen<br />
vorzeitig sterben – keine Tatsache,<br />
sondern eine Prognose. Die zu erwartenden Rückstellungen<br />
schätzt man auf 450 Millionen US-Dollar.<br />
Bei VW werden Notmaßnahmen ergriffen, Leiharbeiter<br />
entlassen. Kurzarbeit soll Engpässe überbrücken.<br />
Zeitweise stehen die Bänder in manchen<br />
Werken komplett still. Das dicke Ende: «Volkswagen<br />
will in den kommenden neun Jahren Jobs streichen:<br />
Unter dem Druck des Dieselskandals und milliardenhoher<br />
Investitionen sollen laut dem Betriebsrat<br />
bis zu 23.000 Stellen bei seiner Kernmarke VW in<br />
Deutschland abgebaut werden», schreibt die Rheinische<br />
Post Ende November 2016.<br />
Die Massenmedien spielen bei der Skandalisierung<br />
der Affäre die Hauptrolle: Das Recherche-Konglomerat<br />
aus NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung<br />
produziert immer neue Berichte, die fragen, wer wie<br />
manipuliert und vertuscht, wer wann was gewusst<br />
hat oder haben könnte und warum von wem auch<br />
immer nicht früher und gründlicher aufgeklärt wurde.<br />
Kräftig mischt auch die Deutsche Umwelthilfe<br />
(DUH) mit. Auf der Webseite der Organisation heißt<br />
es reißerisch: «Ein Jahr Diesel-Gate: Autohersteller<br />
produzieren weiterhin Dieselstinker mit aktiven Abschalteinrichtungen.»<br />
DUH-Chef Jürgen Resch: «Der<br />
Diesel-Abgasskandal zeigt Züge einer organisierten<br />
Kriminalität.» Und weiter: «Die Autokonzernbosse<br />
betreiben vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge<br />
in vielen tausend Fällen.» So wird die Negativberichterstattung<br />
bis heute warmgehalten…<br />
Skandalisierung statt Problemlösung<br />
In der gesamten Affäre wird mit keiner Silbe erwähnt,<br />
dass Autos nur für einen Bruchteil der gesamten<br />
Abgasbelastungen verantwortlich sind (siehe<br />
Grafik) und der Diesel in puncto Feinstaub nicht<br />
den Schwarzen Peter hat. Auch VW hält sich mit<br />
diesen Argumenten zurück. Warum? Es drängt sich<br />
ein Verdacht auf: Die Entscheidung des VW-Vorstands<br />
Anfang 2015, die gesamte Schuld mit allen<br />
Konsequenzen auf sich zu nehmen, ist eine strategische<br />
und höchstwahrscheinlich eine kluge gewesen.<br />
Die Richtigstellung der Fakten, die mit der<br />
Vermittlung von technischem Fachchinesisch verbunden<br />
gewesen wäre, hätte von der in Umweltfragen<br />
leicht reizbaren Öffentlichkeit als weitere Vertuschung,<br />
als Salami- oder Vernebelungstaktik interpretiert<br />
werden können.<br />
Noch Anfang November 2015, nachdem die<br />
zweite Abmahnung der US-Umweltbehörde EPA bei<br />
VW eingegangen war, erklärte man, dass es sich bei<br />
der beanstandeten Vorrichtung «um ein gängiges<br />
und legales System zur Abgasregulierung» handele,<br />
das man aber anscheinend bei der Zulassung in<br />
Matthias Müller ist seit 25.9.2015<br />
Vorstandsvorsitzender der Volkswagen<br />
AG. Er soll den Wolfsburger<br />
Autobauer nach einem Rekordverlust<br />
von 4,1 Milliarden Euro aus<br />
den Roten Zahlen führen. Foto: picture<br />
alliance / Sven Simon<br />
Am 14.5.2016 blies der Spiegel zur<br />
Jagd auf die deutsche Autoindustrie.<br />
Foto: Der Spiegel<br />
«Der Diesel-Abgasskandal<br />
zeigt Züge<br />
einer organisierten<br />
Kriminalität.» <br />
<br />
DUH-Chef<br />
27
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Fahrverbote – ein<br />
Schwabenstreich<br />
Zu den ab Jahresbeginn 2018 in<br />
Baden-Württemberg geplanten<br />
Fahrverboten für Dieselautos in<br />
Innenstädten schreibt Die Zeit<br />
am 17. Februar <strong>2017</strong>:<br />
«Doch längst mehren sich Hinweise<br />
von Fachleuten, die den<br />
Sinn einer solchen drastischen<br />
Maßnahme bezweifeln – zumindest,<br />
wenn es um die Verringerung<br />
der Feinstaubemissionen<br />
geht. Neueste Messresultate<br />
der Landesanstalt für Umwelt,<br />
Messungen und Naturschutz<br />
Baden-Württemberg (LUBW)<br />
zeigen nämlich: Nicht die Dieselabgase<br />
sind der Hauptverursacher<br />
der hohen Feinstaubbelastung.<br />
Stattdessen hat die<br />
LUBW ”Aufwirbelungen und<br />
Abriebprozesse” ausgemacht,<br />
die ”eine wesentliche Rolle”<br />
spielen. (…) Mit anderen Worten:<br />
Selbst wenn nur abgasfreie<br />
Elektroautos durch die Stadt führen,<br />
änderte sich kaum etwas<br />
an der Feinstaubbelastung der<br />
Atemluft.»<br />
«Grüne Doppelmoral: erst mit dem<br />
dicken Audi A8 fahren und dann für<br />
den Wähler schnell umsteigen ins<br />
unweltfreundliche Hybrid-Auto»,<br />
schrieb der Bocholter CDU-Stadtrat<br />
Thomas Eusterfeldhaus unter dieses<br />
Twitter-Bild. Foto: Screenshot<br />
Twitter/@teusterfeldhaus<br />
den USA «nicht angegeben» habe. Geglaubt wurde<br />
das nicht, stattdessen Betrug unterstellt. Und tatsächlich:<br />
Was von Medien und Politik als großangelegtes<br />
Betrugsmanöver des Autobauers dargestellt<br />
wird, sehen Fachkundige als technisch sinnvolle<br />
Abgassteuerungselektronik, die die Katalysatoren<br />
zum Schutz des Motors an- und abschalten kann –<br />
etwa beim Kaltstart oder in bestimmten Temperaturbereichen.<br />
Möglicherweise wurde den Amerikanern<br />
die Funktionsweise der Motorsteuerung nicht<br />
gründlich genug erklärt, und vielleicht wurde sie<br />
unzureichend angemeldet – damit geriet die Abschaltanlage<br />
in eine juristische Grauzone und wurde<br />
in Kampagnen der Öko-Lobby als «Manipulationssoftware»<br />
bezeichnet. Doch das hätte sich regeln<br />
lassen, wenn alle Beteiligten, vor allem die Grünen<br />
hierzulande und die Scharfmacher in den USA, gewollt<br />
hätten. In der EU jedenfalls, argumentiert VW,<br />
sei die «illegale Manipulationssoftware» ordnungsgemäß<br />
angemeldet worden und damit ganz legal.<br />
«Dahinter steht die Ablehnung …<br />
des für persönliche Freiheit stehenden<br />
Individualverkehrs…». FAZ<br />
Peter Mock, Europachef des ICCT, dessen Kollegen<br />
in den USA den Skandal maßgeblich losgetreten<br />
hatten, erklärte im Gespräch mit dem Manager-<br />
<strong>Magazin</strong> schon Ende September 2015, was – guten<br />
Willen auf allen Seiten vorausgesetzt – an Problemlösung<br />
möglich gewesen wäre: «Technisch ist es<br />
kein Problem, die Emissionsstandards einzuhalten.»<br />
Und weiter: «Ein größerer Filter beim Jetta hätte<br />
kaum Zusatzkosten verursacht.» Als man bei VW –<br />
auf Drängen des Kraftfahrtbundesamtes – Ende November<br />
2015 endlich die vorgesehenen Maßnahmen<br />
zur Modifikation präsentiert, zeigt sich: Peter<br />
Mock hatte Recht. Die Mega-Krise wäre zu vermeiden<br />
gewesen, wenn man nur ab Werk ein kleines<br />
Luftgitter in den Ansaugtrakt gefriemelt und ein<br />
Software-Update gemacht hätte. Kostenpunkt: wenige<br />
Euro pro Fahrzeug.<br />
Verdeckte Motive<br />
Sündenbock Auto _ Geringer Anteil des Verkehrs am CO 2 -Ausstoß<br />
Entwicklung von PKW-Emissionen<br />
im Vergleich zu 1995 in Prozent<br />
Ein kluger Kommentator der Frankfurter Allgemeinen<br />
Zeitung schrieb Anfang März, dass sich die Autoindustrie<br />
«wie ein Kaninchen vor der Schlange»<br />
benimmt: «Sie erweist sich als unfähig, gegen Polemisierung<br />
der Autogegner – allen voran der sogenannten<br />
Deutschen Umwelthilfe, die ein von Abmahnungen<br />
lebender Interessenverein ist – vorzugehen.»<br />
Seine Theorie: Es gehe «nur vordergründig<br />
um den Diesel (…). Dahinter steht die Ablehnung<br />
des Autos, des für persönliche Freiheit stehenden<br />
Individualverkehrs als Ganzes.»<br />
Der Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung,<br />
Hans-Werner Sinn, skizziert die Motive<br />
der USA. Die dortigen Hersteller versuchten seit<br />
Jahrzehnten, «die kleinen und effizienten Dieselmotoren<br />
für Pkw durch immer weiter verschärfte<br />
Stickoxid-Grenzen vom Markt fernzuhalten, weil<br />
man selbst die Technologie nicht beherrschte». Für<br />
diese Theorie spricht, dass ausgerechnet die kalifornische<br />
Luftreinhaltungskommission 2016 das VW-<br />
Angebot ablehnte, zumindest die rund 15.000 betroffenen<br />
Wagen mit 3-Liter-Motor technisch umzurüsten.<br />
Lieber will man Geld sehen, den Konzern<br />
zum Rückkauf seiner Autos zwingen, die Dieselfahrzeuge<br />
vom Markt drängen, das Rückgrat der deutschen<br />
Autoindustrie brechen…<br />
Jährliche Emissionen Kohlendioxid<br />
nach Kategorie in Millionen Tonnen<br />
28<br />
Das wünschen sich die Grünen. Tatsächlich<br />
lag der Anteil von Elektroautos<br />
2016 in Deutschland bei nur<br />
0,75 Prozent. Foto: B90Die Grünen<br />
100<br />
87,1<br />
Kohlendioxid<br />
100 100 100 100<br />
39,6<br />
Stickstoffoxide<br />
28,3<br />
13,5<br />
1,9<br />
Feinstaub NMVOC* Schwefel<br />
1995 2014 *Flüchtige Organische Verbindungen<br />
Landwirtschaft<br />
Haushalte<br />
Verkehr *<br />
85<br />
160<br />
* Alle Verkehrsträger (Straße, Schiene, Luftfahrt, Schiffahrt)<br />
Quelle: Umweltbundesamt<br />
Gewerbe/Handel/Dienstleistungen<br />
Sonstige<br />
72 34 12<br />
181<br />
358<br />
Energie<br />
Industrie<br />
Grafik: <strong>COMPACT</strong>
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
«Wenn man den Gefährder<br />
an die Wand klatscht…»<br />
_ Marc Dassen im Gespräch mit Wilhelm Dietl<br />
Über zehn Jahre lang war er für den Bundesnachrichtendienst in aller Welt unterwegs,<br />
traf Terroristen und Waffenhändler, Diktatoren und Gotteskrieger. Die türkischen<br />
Agenten auf deutschem Boden sieht er als besonderes Problem – und unsere<br />
Sicherheitsbehörden nicht in besonders guter Verfassung.<br />
Herr Dietl, Sie blicken auf eine aufregende<br />
Agenten-Karriere zurück. Wie sind Sie zum<br />
BND gekommen?<br />
Mein Leben war sehr turbulent, in der Tat. Die ersten<br />
zehn Jahre arbeitete ich im Wesentlichen bei regionalen<br />
Blättern wie der Mittelbayerischen Zeitung in<br />
Regensburg. Dann wechselte ich zur Süddeutschen<br />
Zeitung, dann zur Quick. So hatte ich dann schlagartig<br />
die Möglichkeit, international zu arbeiten, Anfang<br />
der 1980er Jahre. Ayatollah Khomeini war im<br />
Iran an die Macht gekommen, die Sowjetunion in<br />
Afghanistan einmarschiert, der Bürgerkrieg im Libanon<br />
wollte nicht enden, Sadat wurde ermordet, Gaddafi<br />
bedrohte die Welt, Arafat griff Israel an und und<br />
und… Dann kam der BND, der bereits wusste, was<br />
ich an Beziehungen geknüpft hatte, und sah, dass<br />
das alles sehr erfolgreich lief. Es kam zu einem ersten<br />
Grundsatzgespräch, dann zu noch einem – und<br />
zu einem Angebot, das ich nicht ablehnen konnte.<br />
Das Konzept war simpel: Ich sollte für den BND im<br />
Nahen Osten arbeiten, mit dem Cover oder der Legende:<br />
Journalist. Ich war sehr schnell auch in geheimen<br />
BND-Projekten drin, habe beste Beurteilungen<br />
bekommen – nachzulesen in dem sogenannten<br />
Schäfer-Bericht des Bundestages von 2006. Ich war<br />
zwar offiziell als Journalist unterwegs, konnte aber<br />
beides in der Praxis nicht miteinander verbinden,<br />
weil der BND von mir völlig andere Dinge erwartete.<br />
Beispielsweise interessierte er sich für das Handbuch<br />
eines neuen sowjetischen Hubschraubers. Ein<br />
solches Begehren hat mit dem Alltagsgeschäft eines<br />
Journalisten sehr wenig zu tun.<br />
Der BND machte mir ein Angebot,<br />
das ich nicht ablehnen konnte.<br />
Wir hatten auch beste Kontakte in das Umfeld<br />
des damaligen syrischen Präsidenten Hafis al-Assad<br />
und beschafften so ziemlich alles, was wir haben<br />
wollten. Nehmen wir an, dass am Abend der<br />
iranische Außenminister zu Besuch kam. Am nächsten<br />
Morgen bekamen wir das Protokoll der Gespräche.<br />
Der Nervenkitzel war dann, dieses Protokoll im<br />
Koffer bei der Ausreise mitzunehmen. Es hat Gott<br />
sei Dank immer geklappt, hätte auch schief gehen<br />
können…<br />
Für den BND waren Sie bis 1993 tätig. Wie<br />
kam’s zum Bruch?<br />
Das Ende war nahe, als ich mich mit Bernd Schmidbauer<br />
verkracht hatte, der war von 1991 bis 1998<br />
Staatsminister im Bundeskanzleramt und somit<br />
praktisch der oberste Aufseher über den Bundesnachrichtendienst…<br />
Über fünf Jahre lang gehörte<br />
ich einer Mannschaft an, die sich um das Schicksal<br />
der deutschen Geiseln im Libanon gekümmert hat.<br />
Die letzten beiden kamen frei im Februar oder März<br />
1992. Und Schmidbauer flog hin und hat sie abgeholt,<br />
kam dann zurück und hat eine Riesenshow gemacht,<br />
in Köln am Flughafen.<br />
Die deutschen Entwicklungshelfer<br />
Heinrich Strübig (links) und Thomas<br />
Kemptner (rechts) nach ihrer<br />
Ankunft auf dem Flughafen Köln/<br />
Bonn am 17. Juni 1992. Sie waren<br />
die letzten von insgesamt 92 Geiseln,<br />
die drei Jahre im Libanon<br />
festgehalten wurden. Foto: picturealliance<br />
/ dpa<br />
29
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
30<br />
Bild links: Der frühere Geheimdienstkoordinator<br />
Bernd Schmidbauer1999<br />
bei Verhandlungen mit<br />
Rebellen in Kolumbien. Foto: picture<br />
alliance / ASSOCIATED PRESS<br />
Bild rechts: Wilhelm Dietl. Foto:<br />
Wilhelm Dietl<br />
Dietl im Gespräch mit <strong>COMPACT</strong>-<br />
Redakteur Marc Dassen.<br />
Foto: Marc Dassen<br />
Er wollte den Ruhm für die Freilassung einheimsen,<br />
aber Sie sind ihm in die Parade gefahren?<br />
Ja, mein Gott. Das musste er aushalten. Bei einer<br />
Anti-Terror-Konferenz in Budapest saß damals Illona<br />
– die Residentin des BND – im Publikum. Sie<br />
hat jedes Wort mitgeschrieben, und damit nahm<br />
das Verhängnis seinen Lauf… Dann bin ich zu Focus<br />
gegangen. Da war ich dann zwölf Jahre lang<br />
tätig. Dort habe ich dasselbe gemacht wie vorher,<br />
also weltweite Recherchen und Geschichten gebracht.<br />
Ich hatte natürlich den Vorteil, dass ich immer<br />
noch über meine Kontakte zu den Sicherheitsbehörden<br />
verfügte, und die konnte ich dort optimal<br />
einsetzen. Dazu gehörten natürlich auch Kontakte<br />
zu anderen Diensten – im BND-Sprech: zu einer anderen<br />
Feldpostnummer.<br />
Erdogans Schattenarmee<br />
Kommen wir auf ein Thema, dem Sie zuletzt<br />
ein ganzes Buch gewidmet haben – die Geheimdienste<br />
der islamischen Welt. Was<br />
macht deren Stärke aus?<br />
Sie sind in ihren Ländern sehr stark, weil sie sich<br />
an kein Gesetz halten müssen…<br />
Außer Allahs Gesetz?<br />
Auch das nicht, wenn man vielleicht mal vom Iran<br />
absieht. Syrien etwa war kein besonders religiöses<br />
Land, zumindest nach außen hin nicht. Libyen unter<br />
Gaddafi hat sich das ebenfalls so zurechtgebogen,<br />
wie es das gerade brauchte. Wenn Sie sich Syrien<br />
anschauen, da kam ja in letzter Zeit dieses Gefängnis<br />
in Saidnaya in die Schlagzeilen, weil da auf sehr<br />
brutale, bestialische Weise gefoltert wird. Da interessiert<br />
Allah am Ende nicht, obwohl die, die dort zu<br />
Tode gequält werden, auch Muslime sind.<br />
Die Türkei soll an die 6.000 Agenten in der Bundesrepublik<br />
laufen haben. Was treiben die hier?<br />
Die überwachen ihre Landsleute.<br />
Also insbesondere solche Türken, die vor dem<br />
Erdogan-Regime hierher geflohen sind?<br />
Nicht nur die. Auch solche, die seit 30 Jahren unauffällig<br />
hier leben, sind im Visier. Die Türkei ist<br />
einfach ein autokratischer Staat geworden, und der<br />
will wissen, was jeder denkt und tut. Und wenn jemand<br />
die Opposition verteidigt oder gar aktiv unterstützt,<br />
dann wird man gegen ihn mit allen Mitteln<br />
vorgehen.<br />
Deniz Yücel könnten wir zurück<br />
bekommen – im Austausch gegen<br />
zehn Gülen-Anhänger.<br />
Erdogan hätte wohl am liebsten noch Jan Böhmermann<br />
per Einschreiben zugestellt bekommen.<br />
Ja gut, der Mann wäre jetzt kein so großer Verlust,<br />
meines Erachtens. [lacht]<br />
Der Fall Deniz Yücel sorgt aktuell für Schlagzeilen.<br />
Ich denke, dass wir ihn zurückbekommen könnten,<br />
wenn wir Erdogan, sagen wir mal, zehn Gülen-Anhänger<br />
ausliefern würden. Die Türkei versteht offenbar<br />
nicht, dass das in der zivilisierten Welt so nicht<br />
funktioniert. Merkel kann nicht handeln wie ein Erdogan.<br />
Er ist ein Autokrat, dem der Umgang mit demokratischen<br />
Spielregeln und Werten völlig fremd ist.
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Die Skandale des BND<br />
Wie kann es eigentlich sein, dass Europa jetzt<br />
am laufenden Band Terroranschläge erlebt<br />
und die Dienste trotz ihres technischen Vorsprungs<br />
machtlos wirken?<br />
Unser Rechtsstaat ist Teil des Problems. Das heißt:<br />
Unsere Sicherheitsbehörden haben unheimlich viele<br />
Auflagen zu erfüllen, bevor sie überhaupt agieren<br />
dürfen. Das beginnt damit, dass viele Maßnahmen<br />
zuerst von einem Richter oder Staatsanwalt unterschrieben<br />
werden müssen. Ganz zu schweigen von<br />
der eigenen Hierarchie, bei der alle Angst haben, irgendetwas<br />
falsch zu machen – also etwa, dass man<br />
den Falschen festnimmt oder dem Falschen Gewalt<br />
antut oder den Falschen verfolgt.<br />
Die Strategie ist also, Skandale unbedingt<br />
zu vermeiden, auch wenn dadurch eine mögliche<br />
Gefahr für die Bevölkerung in Kauf genommen<br />
wird?<br />
Ja, so kann man es sagen. Und auf diese Weise hat<br />
der BND überhaupt erst viele Skandale erzeugt: Sie<br />
entstanden, weil man sie vermeiden wollte. Das hat<br />
vor allem mit der Geschichte der deutschen Dienste<br />
zu tun. In Stresssituationen hat die deutsche Amtsperson<br />
die Gestapo oder die Stasi vor dem geistigen<br />
Auge. Aktuell handelt es sich aber um BND oder BKA<br />
oder Verfassungsschutz. Bei den Gegnern heißt es<br />
dann, die von früher und die heutigen, die sind doch<br />
alle gleich – alles eine Mischpoke. Eine derart negative<br />
Haltung gibt es woanders nicht – in England,<br />
in Frankreich, in den USA, in Israel sind Leute hoch<br />
angesehen, die für Sicherheitsbehörden arbeiten.<br />
Anzeige<br />
Dort haben sie aber auch wesentlich mehr<br />
Rechte. Der deutsche Geheimdienstler darf<br />
nur lauschen und Akten stapeln?<br />
Naja. Aus guten Gründen guckt und sammelt er<br />
nur. Zugreifen müssen das BKA oder eine andere<br />
Polizeibehörde. Da haben wir eine ganz eindeutige<br />
Aufgabenteilung, ganz anders als beim Reichssicherheitshauptamt<br />
im Nationalsozialismus. Nur<br />
die durften alles selbst machen.<br />
Also wäre ein härteres, gezielteres Durchgreifen<br />
von Nöten – und die Erinnerung an dunkle<br />
Zeiten der deutschen Geschichte steht dem<br />
im Wege?<br />
Ein bisschen was ist da dran. Man muss die Praxis<br />
wieder den Gegebenheiten anpassen, ohne dabei<br />
die Ideologie des alten Nazi-Reichsamtes wiederzubeleben.<br />
Die funktionierende Polizei- oder<br />
Geheimdienstarbeit sollte der Maßstab sein. Die<br />
Politik agiert doch derzeit nach dem Motto: Bloß<br />
nicht unangenehm auffallen.<br />
Frontbericht aus Paris<br />
In unseren «Qualitätsmedien» wird strikt darauf<br />
geachtet, die Themen Terrorismus und Islam<br />
nicht miteinander zu vermischen. Was sagen<br />
Sie dazu?<br />
Da gibt es ja den alten Spruch, wonach derzeit alle<br />
Terroristen Muslime sind, doch keinesfalls alle Muslime<br />
Terroristen. Die Gefahr, dass Terroristen auch<br />
im Strom der Zuwanderer zu uns kommen, ist sehr<br />
sehr groß, gerade bei der heutigen Weltlage. Die<br />
Gefahr war bei null, als die Sudetendeutschen kamen<br />
oder die Schlesier, oder bei der Wiedervereinigung.<br />
Ich kann mich an keinen Ostdeutschen<br />
erinnern, der hier als Terrorist eingewandert ist.<br />
Die Skandale entstanden, weil der<br />
BND sie vermeiden wollte.<br />
Welche Geheimdienste sind für Sie derzeit die<br />
effektivsten?<br />
Die Engländer und die Franzosen sind die besten.<br />
Von denen hört man nichts, kaum Skandale. Und sie<br />
sind sehr schlagkräftig und irgendwo an der Grenze<br />
zur Skrupellosigkeit. Bei denen würde auch keiner<br />
kommen und sagen, das dürft Ihr nicht. Da müssten<br />
die schon ganz was Böses tun. Ich hatte mal einen<br />
Freund, der heute im Ruhestand lebt, der war Kommissar<br />
in einem Bezirk in Paris, wo 95 Prozent Marokkaner,<br />
Tunesier und Algerier wohnen. Da ging’s<br />
zu! Die konnten gegenüber diesen Leuten gar nicht<br />
hart genug durchgreifen, die konnten nichts falsch<br />
machen, nach Ansicht des allgemeinen Volksempfindens.<br />
Wenn die Polizei bei uns irgendeinen möglichen<br />
Gefährder an die Wand klatscht, dann steht<br />
das am Montag mit vielen Vorwürfen in der Zeitung,<br />
und dann werden parlamentarische Untersuchungsausschüsse<br />
gegründet. Ich sage nicht, dass die deutschen<br />
Sicherheitsbehörden so arbeiten sollten, und<br />
noch haben wir auch keine Viertel wie die in Paris…<br />
Deckname Dali<br />
Wilhelm Dietl, geboren 1955,<br />
arbeitete seit 1971 für bayerische<br />
Lokalzeitungen, dann für<br />
die Süddeutsche, von 1979 bis<br />
1990 für die Illustrierte Quick.<br />
1982 bis 1993 war er unter dem<br />
Decknamen Dali Agent des BND<br />
im Nahen Osten und in Zentralasien.<br />
Nach seinem Ausscheiden<br />
arbeitete er bis 2004 für<br />
den Focus.<br />
Später warfen ihm Medien vor,<br />
Journalisten an den BND verraten<br />
zu haben. Dietl sprach in<br />
diesem Zusammenhang von<br />
einer Racheaktion des BND<br />
– sein ehemaliger Arbeitgeber<br />
habe wahrheitsgemäße,<br />
geheime Informationen zusammen<br />
mit bewussten Falschinformationen<br />
durchgestochen, um<br />
ihn zu diskreditieren und seine<br />
Existenz zu vernichten. Gegen<br />
die Veröffentlichungen ging er<br />
juristisch vor und bewirkte teilweise<br />
Unterlassungserklärungen<br />
oder Richtigstellungen.<br />
Dietl hat über ein Dutzend<br />
Bücher geschrieben. Zuletzt<br />
erschien: Schattenarmeen. Die<br />
Geheimdienste der islamischen<br />
Welt, Residenz-Verlag, St. Pölten<br />
2010, 304 Seiten, 21,90<br />
Euro.<br />
Wilhelm Dietl wurde zeitweise<br />
selbst vom BND observiert.<br />
Foto: Residenz Verlag<br />
31
Rothschilds Präsident<br />
_ von Viktoria Nikiforowa<br />
32<br />
Emmanuel Macron ist die Verkörperung des internationalen Finanzkapitals<br />
und macht daraus auch keinen Hehl. Seinen Aufstieg<br />
verdankt er der Verschmelzung von Börsenspekulanten und Champagnersozialisten<br />
– und dass er bei älteren Damen gut ankommt.<br />
Macron und seine Ehefrau Brigitte<br />
Trogneux am Wahlabend während<br />
der pompösen Siegesfeier im<br />
Innenhof des Pariser Louvre. Foto:<br />
Frederic Legrand, COMEO, shutterstock.com<br />
_ Viktoria Nikiforowa veröffentlichte<br />
den Artikel im russischen<br />
Portal vz.ru. Übersetzung: Southfront/Amin<br />
Attali kann die<br />
Pläne der Banker<br />
geschickt in linke<br />
Slogans verpacken.<br />
Emmanuel Macron kann man den ungewöhnlichsten<br />
Kandidaten für das Amt des französischen<br />
Präsidenten nennen. Er hat keine wirkliche politische<br />
Erfahrung. Er ist niemals für irgendetwas gewählt<br />
worden. Er ist kein Mitglied einer der etablieten<br />
Parteien. Und die drei Jahre von 2006 bis 2009,<br />
als er Mitglied der Sozialisten (PS) war, kann man<br />
als reine Formalität ansehen: Macron trat der PS<br />
zwar offiziell bei, bezahlte aber keine Mitgliedsbeiträge<br />
und nahm nie an Parteiveranstaltungen teil.<br />
Von Beruf ist er Investmentbanker mit Schwerpunkt<br />
Unternehmensfusionen und -aufkäufe – ein<br />
Job, indem er erfolgreich war. Er promovierte in der<br />
nationalen Verwaltungshochschule ENA, der Kaderschmiede<br />
der französischen Elite. Danach arbeitete<br />
er einige Jahre als Inspekteur im Wirtschaftsministerium.<br />
Im Jahr 2007, dem entscheidenden<br />
Jahr seiner Karriere, wurde der erfolgversprechende<br />
29-jährige Ökonom von Jacques Attali in die vom<br />
Präsidenten berufene Kommission zur Stimulierung<br />
des wirtschaftlichen Wachstums eingeladen.<br />
Strippenzieher Attali<br />
Attali ist eine sehr interessante Person. Im Grunde<br />
ist er ein globalistischer Philosoph, ein Autor farbiger<br />
Utopien, in denen alle Nationen und Staaten<br />
nach blutigen Auseinandersetzungen vom Angesicht<br />
der Erde verschwinden und die Überlebenden sich<br />
daraufhin unter dem Banner der Demokratie und unter<br />
der Kontrolle einer Weltregierung vereinen. Darüber<br />
hinaus ist er seit vielen Jahren gern gesehener<br />
Gast im Élysée-Palast und einer der einflussreichsten<br />
Berater ganzer Generationen französischer Präsidenten,<br />
von Mitterrand bis zu Hollande. Dass die<br />
Medien ihn «den wahren Präsidenten Frankreichs»<br />
nennen, ist kaum übertrieben.<br />
Er war es, der die Verbindung zwischen dem Finanzkapital<br />
und der Elite der herrschenden sozialistischen<br />
Partei schuf, denn er hat die außergewöhnliche<br />
Fähigkeit, die räuberischen Pläne der Banker<br />
geschickt in schöne linke Slogans zu verpacken.<br />
Im Jahr 2008 präsentierte die Attali-Kommission<br />
Präsident Nicolas Sarkozy «300 Vorschläge zur Veränderung<br />
Frankreichs» – einen Plan zur Modernisierung<br />
der Wirtschaft. Die Grundidee kann folgendermaßen<br />
formuliert werden: Um auf dem Weltmarkt<br />
wettbewerbsfähig zu bleiben, müssten die Arbeits-
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
kosten drastisch reduziert werden. Eine Strategie<br />
dafür ist, die Einwanderung nach Frankreich zu erhöhen;<br />
niedrig bezahlte Einwanderer, die nicht in der<br />
Lage sind, sich in Gewerkschaften zu organisieren,<br />
verdrängen die einheimischen Arbeiter. Verstörend<br />
ist auch der Vorschlag, die Staatsausgaben für Gesundheit,<br />
Bildung und Altersvorsorge drastisch zu<br />
reduzieren. Sarkozy hat sich nicht getraut, diesen<br />
radikalen Plan zu akzeptieren…<br />
Aber zurück zu Macron. Während seiner Tätigkeit<br />
in der Kommission gelang es ihm, die Sympathie<br />
von Attali zu gewinnen, der ihm seinem<br />
Freund François Enron vorstellte. Enron ist wiederum<br />
der beste Freund und Hauptpartner von David<br />
de Rothschild. Im selben Jahr 2008 wurde Macron<br />
von der Rothschild-Bank angeheuert, wo er schnell<br />
Karriere machte und in nur vier Jahren vom Analysten<br />
zum Partner aufstieg. Seine Provisionen überstiegen<br />
mehr als eine Million Euro pro Jahr, aber<br />
viel wertvoller waren die neuen Verbindungen in<br />
der Geschäftswelt und der neu erworbene Ruf eines<br />
«finanziellen Mozarts».<br />
Macrons größter Deal bei Rothschild war, dass<br />
er den Kauf der Sparte Babynahrung des US-Pharmakonzerns<br />
Pfizer durch Nestlé (für 11,9 Milliarden<br />
US-Dollar) eingefädelt hatte. Zu dieser Zeit traf er<br />
zum ersten Mal auf Matthieu Pigasse, den Direktor<br />
der französischen Niederlassung der Lazard-Bank,<br />
der denselben Kauf für seinen Kunden Danone tätigen<br />
wollte, aber scheiterte. Seither ist Pigasse sein<br />
größter Feind.<br />
Vorwärts – aber wohin?<br />
Im Jahr 2010 sollte Pigasse Wirtschaftsberater<br />
für Hollande werden, aber der allgegenwärtige Attali<br />
empfahl stattdessen – erfolgreich – Macron. In<br />
der Folge vermittelte dieser Herr, der fließend Englisch<br />
und Deutsch spricht, zwischen dem obersten<br />
Sozialisten Frankreichs und ausländischen Finanzkreisen.<br />
Wie der Guardian böswillig kolportierte,<br />
rief Hollande bei Kundgebungen: «Mein Hauptfeind<br />
ist das Finanzkapital!», während gleichzeitig Rothschilds<br />
Bankoffizier Macron in die City of London<br />
flog, um den dortigen Bankern zu versichern, dass<br />
unter Präsident Hollande alles beim Alten bliebe.<br />
2012 wurde Hollande Präsident, Macron verließ<br />
die Bank von Rothschild und wurde stellvertretender<br />
Generalsekretär des Élysée-Palastes. Im Jahr<br />
2014 übernahm er als «junger Reformator» das Wirtschaftsministerium<br />
– er trat an die Stelle des langjährigen<br />
Freundes und Geschäftspartners von Pigasse,<br />
Arnaud Montebourg. Hollande gab ihm Carte<br />
blanche für die Modernisierung, und Macron präsentierte<br />
einen Gesetzentwurf mit mehr als 300 Abschnitten<br />
zur Marktliberalisierung – nach Expertenmeinung<br />
im Kern von der Attali-Kommission des<br />
Jahres 2008 übernommen: Förderung von Einwanderung,<br />
Zerstörung des Kündigungsschutzes, Ausdehnung<br />
der Arbeitszeit auch durch Wochenendund<br />
Nachtschichten, Öffnung für Billigkonkurrenz<br />
im Dienstleistungssektor.<br />
Die Arbeiter lehnten diesen Vorstoß vehement<br />
ab, es gab massive Proteste. Im Parlament hatte<br />
der Gesetzentwurf keinerlei Chance auf Verabschiedung.<br />
Hollande hat dann sein Privileg ausgenutzt,<br />
bestimmte Gesetze ohne Zustimmung des Parlaments<br />
zu erlassen und das Lex Macron im August<br />
2015 in Kraft gesetzt.<br />
Im Jahr 2016, als Hollande in Umfragen immer<br />
schlechter abschnitt, passierte etwas Ungewöhnliches:<br />
Aus dem Nichts entstand die Bewegung Jugend<br />
für Macron. Es ist schwer vorstellbar, dass<br />
sich die Jugend in einem Land mit rückläufiger<br />
Wirtschaft plötzlich hinter den unpopulären Wirtschaftsminister<br />
stellt. Doch mehrere tausend Menschen<br />
wurden Teil der neuen Bewegung… Daraufhin<br />
gründete Macron seine eigene Partei mit dem<br />
diffusen Namen Vorwärts (En marche). Zu den Kundgebungen<br />
strömten riesige Massen – und dies zu<br />
einer Zeit, als die Sozialisten mit großer Anstrengung<br />
gerade ein paar hundert Menschen zu ihren<br />
Veranstaltungen locken konnten.<br />
Das Programm von Macron bleibt ungenau. Er<br />
verurteilt die Terroranschläge, aber hat nicht die<br />
Absicht, die Grenzen zu schließen oder die Einwanderung<br />
zu beschränken; er verspricht, die militärischen<br />
Ausgaben zu erhöhen, [aber anders als<br />
Charles De Gaulle, der das auch gemacht hat] ohne<br />
dass Frankreich aus der NATO-Militärstruktur aus-<br />
Sieg des Systems<br />
Ergebnis der Präsidentschaftswahl<br />
(2. Wahlgang) in Frankreich<br />
<strong>2017</strong><br />
33,94<br />
Emmanuel Macron<br />
(En Marche!)<br />
Marine Le Pen<br />
(Front National)<br />
Quelle: Statista<br />
Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />
66,06<br />
Macron verdiente<br />
bei Rothschild<br />
mehr als eine Million<br />
Euro pro Jahr.<br />
Für sie ist Macron der Präsident der<br />
Konzerne: Protestdemonstration in<br />
Paris am 9. Mai gegen den neuen<br />
französischen Staatschef. Foto: picture<br />
alliance / abaca<br />
33
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Der große Bruder<br />
Auch einer etablierten Zeitung<br />
wie der FAZ ist der neue französische<br />
Präsident nicht ganz<br />
geheuer. Einen Tag vor der Stichwahl<br />
um den Élysée-Palast veröffentlichte<br />
das Blatt ein Portrait,<br />
das sich unter anderem auf<br />
das neue Buch von Anne Fulda<br />
Emmanuel Macron – Un jeune<br />
homme si parfait (etwa: Ein allzu<br />
perfekter junger Mann) stützte.<br />
Auszüge:<br />
«Eine besonders schillernde<br />
Gestalt in der Galerie der<br />
Macron-Förderer ist David de<br />
Rothschild. ”Einen großen Bruder”<br />
soll Macron ihn einmal<br />
genannt haben. Der Mann (…)<br />
hält nicht nur große Stücke auf<br />
Macron. ”Ich bin ihm tief verbunden”,<br />
wird Rothschild von Fulda<br />
zitiert. (…) Am Wahlabend in<br />
der Messehalle an der Porte de<br />
Versailles jubelten ihm einige<br />
Rothschild-Banker begeistert<br />
zu. (…)<br />
Die Beziehung ihres Sohnes zu<br />
seiner Frau beschreibt die Mutter<br />
[Macrons] als rein symbolisch:<br />
”Man könnte Laetitia<br />
Casta vor ihm entkleiden, das<br />
würde ihm nichts anhaben.”(…)<br />
”Emmanuel Macron? Er wirkt ein<br />
wenig wie ein Mutant”, sagte<br />
der Schriftsteller Michel Houellebecq<br />
im Januar im staatlichen<br />
Sender France 2. (…) Fulda<br />
bezeichnet ihn [Macron] als<br />
”asexuellen Don Juan”.»<br />
Anzeige<br />
tritt. In der Tat bleibt Macron der immergleiche Globalist,<br />
der beispielhafte Schüler von Attali, der sich<br />
auf die Slogans der europäischen Einheit fokussiert.<br />
Er kritisiert sowohl Links als auch Rechts und versuchte,<br />
Wähler zu gewinnen, die traditionell für die<br />
Sozialisten stimmen, und auch diejenigen, denen<br />
der Front National von Marine Le Pen zu radikal ist.<br />
Der Charmeur<br />
Mit seinem plötzlichen Erscheinen in der Politik<br />
startete Macron unglaublich durch. Journalisten<br />
tragen ihn buchstäblich auf Händen. Frauenmagazine<br />
nennen ihn ein neues Sex-Symbol und<br />
einen Traum für jede französische Frau. Einflussreiche<br />
Zeitungen stellen die Vorteile seiner zentristischen<br />
Position heraus. Soziologen prognostizieren<br />
seinen Sieg. Und niemand publiziert irgendetwas,<br />
das ihn ernsthaft diskreditieren könnte. Im Frühjahr<br />
<strong>2017</strong>, als umfangreiche Medienkritik die Chancen<br />
seiner Hauptkonkurrenten Marine Le Pen und François<br />
Fillon dezimierte, blieb Macron von allen Skandalen<br />
verschont.<br />
Macrons Gesetz war so verhasst,<br />
dass es der Präsident am Parlament<br />
vorbei in Kraft setzen musste.<br />
Dabei ist das Privatleben von Macron potentiell<br />
tödlich für einen Politiker, aber die Medien haben<br />
daraus eine zutiefst romantische Geschichte gemacht.<br />
Immerhin ist seine Frau, Brigitte Trogneux,<br />
24 Jahre älter als er. An ihrem Hochzeitstag im Jahr<br />
2007 waren er 29 und sie 53 Jahre alt. Macron erzählte<br />
Reportern, dass er sich im Alter von 15 Jahren<br />
in seine zukünftige Frau verliebt hat, als sie Französisch<br />
in seiner Schule unterrichtete. Danach absolvierte<br />
er Gymnasium und Universität, reiste um<br />
die Welt, machte Karriere – blieb aber während dieser<br />
14 Jahre seiner ersten Liebe treu.<br />
Trotz ihrer fehlenden Plausibilität spricht die Geschichte<br />
Journalisten an. Bilder von Macron, Hand<br />
in Hand mit seiner Frau, oder von Macron mit einer<br />
Flasche Babynahrung beim Füttern ihrer Enkelkinder<br />
wurden von allen Zeitungen im Land veröffentlicht.<br />
Modezeitschriften kürten Brigitte Trogneux zur «Stilikone».<br />
Eine clevere politische Strategie: Frankreich<br />
altert, unter den Wählern sind immer mehr Frauen<br />
im Ruhestand. Für sie gibt es jetzt eine Fülle von Filmen,<br />
in denen sich junge hübsche Männer in eine<br />
alternde Frau verlieben. Die Familienidylle von Macron<br />
wurde für sie entworfen und ist auf sie abgestimmt.<br />
Allerdings werden in den Boulevardzeitungen<br />
auch regelmäßig Gerüchte veröffentlicht, dass<br />
Macron der Liebhaber von Mathieu Gallet, dem Präsidenten<br />
von Radio France, sei – aber hierfür gibt<br />
es keine Beweise.<br />
Nachdem Macron ankündigte, am Rennen um<br />
die Präsidentschaft teilzunehmen, gaben ihm die<br />
Franzosen den Spitznamen «Kandidat von Rothschild».<br />
Darin liegt keine Verschwörung: Die berühmte<br />
Familie unterhält seit Generationen freundschaftliche<br />
und geschäftliche Beziehungen zu französischen<br />
Politikern, von Charles de Gaulle über<br />
Georges Pompidou bis hin zu Nicolas Sarkozy. Der<br />
ehemalige Generalsekretär des Élysée-Palastes,<br />
François Perol, sowie der Kabinettschef von Ministerpräsident<br />
Pierre Bérégovoy, Nicolas Bazire, haben<br />
ganz offiziell für die Bank von Rothschild gearbeitet.<br />
Unser kleines Schwarzes<br />
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*
Tillersons Rache<br />
_ von Bernhard Tomaschitz<br />
Venezuela droht, im Chaos zu versinken, die Vereinigten Staaten trommeln für einen<br />
Regimewechsel. Der neue US-Außenminister heizt die Stimmung an – kein Wunder,<br />
denn als Chef von Exxon Mobil musste er zusehen, wie die Linksregierung in Caracas<br />
dessen Ölanlagen enteignete.<br />
Straßenschlachten, Streiks, Anschläge, Razzien:<br />
Venezuela steckt seit Monaten in einer tiefen politischen<br />
Krise. Als das Land vollständig im Bürgerkrieg<br />
zu versinken drohte, berief Präsident Nicolas Maduro<br />
am 1. Mai eine verfassunggebende Versammlung<br />
von «Bürgern ohne Politiker» ein. Der Plan des<br />
sozialistischen Staatschefs wurde, wie erwartet,<br />
von der bürgerlichen Opposition, die bei der Parlamentswahl<br />
im Dezember 2015 eine klare Mehrheit<br />
erreichen konnte, abgelehnt. «Die Venezolaner<br />
wollen keine neue Verfassung, sondern einen neuen<br />
Präsidenten. Es ist absurd, dass Maduro eine verfassunggebende<br />
Versammlung einberuft, wenn das<br />
Volk auf der Straße seinen Abschied fordert», sagte<br />
etwa der Abgeordnete Juan Matheus.<br />
Tatsächlich sind in Venezuela Massendemonstrationen<br />
der Opposition an der Tagesordnung – genau<br />
wie Ausschreitungen, bei denen im April rund<br />
30 Menschen ums Leben kamen. Und anders als<br />
von westlichen Mainstream-Medien dargestellt,<br />
handelt es sich bei den Opfern nicht ausschließlich<br />
um Regierungsgegner. Einmal wurde ein 14-Jähriger<br />
von einer Gruppe Maskierter erschossen, die in<br />
einem Wohnviertel wahllos auf Menschen feuerten,<br />
ein anderes Mal starb ein Polizist direkt vor einer Oppositionskundgebung<br />
durch eine Kugel in die Brust.<br />
Auch gibt es zahlreiche Berichte von Plünderungen.<br />
Finanzierte Subversion<br />
Teilen der Opposition geht es offensichtlich darum,<br />
ein Klima der Angst und Gewalt zu schaffen, um<br />
den von den USA gewünschten Regimewechsel in<br />
Caracas zu beschleunigen. So hat Maduro wiederholt<br />
Washington für die explosive Lage verantwortlich<br />
gemacht. In der Tat sind der Supermacht die<br />
seit 1999 regierenden linkssozialistischen Chavistas<br />
– zuerst der charismatische Hugo Chavez, nach<br />
dessen Tod 2013 der glücklose Maduro – ein Dorn<br />
im Auge, zumal sie enge Beziehungen zu Russland<br />
und China pflegen. Und weil Chavez und Maduro in<br />
Lateinamerika, dem Hinterhof von Uncle Sam, für<br />
Unruhe sorgen, wird ihnen autoritäres Gehabe un-<br />
Mit Helmen und Gasmasken lieferten<br />
sich diese Demonstranten<br />
am 8. Mai vor dem Bildungsministerium<br />
in Caracas eine Straßenschlacht<br />
mit der Polizei. Foto: picture<br />
alliance / abaca<br />
Exxon Mobil verlor<br />
durch die Enteignung<br />
fast 16 Milliarden<br />
Dollar.<br />
35
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Auch China<br />
mischt mit<br />
36<br />
«Von Beginn der Bolivarischen<br />
Revolution [von Hugo Chavez]<br />
an hat sich ein starker US-Interventionismus<br />
gegenüber Venezuela<br />
entwickelt. (…) Aktuell<br />
kommt zu den aktuellen Drohungen<br />
von Admiral Kurt W.<br />
Tidd, Befehlshaber des Südkommandos<br />
der US-Streitkräfte,<br />
am 6. April <strong>2017</strong>, wonach die<br />
”humanitäre Krise” in Venezuela<br />
eine regionale Antwort erforderlich<br />
machen könnte, und der<br />
durch die jüngsten Luftangriffe<br />
auf Syrien offensichtlich gewordenen<br />
aggressiven Außenpolitik<br />
Donald Trumps der Versuch Luis<br />
Almagros, des Generalsekretärs<br />
der Organisation Amerikanischer<br />
Staaten (OAS), (…) einen Prozess<br />
zur ”Wiederherstellung<br />
der Demokratie” im Land einzuleiten.<br />
Wenn wir von Intervention sprechen,<br />
können wir nicht nur die<br />
USA erwähnen. In Venezuela<br />
nehmen die chinesischen Eingriffe<br />
in die Politik und die wirtschaftlichen<br />
Maßnahmen stetig<br />
zu. Dies führt zum Verlust der<br />
Souveränität, zu einer Zunahme<br />
der Abhängigkeit von der asiatischen<br />
Macht und der wirtschaftlichen<br />
Flexibilisierung. Ein Teil<br />
der Linken hat es vorgezogen,<br />
über diese Entwicklungen zu<br />
schweigen, da die einzig erwähnenswerte<br />
Einmischung jene der<br />
USA zu sein scheint. Diese Interventionen<br />
von außen entwickeln<br />
sich jedoch gleichermaßen, um<br />
eine transnationale Kapitalakkumulation<br />
und die Aneignung der<br />
Bodenschätze zu begünstigen,<br />
und sie haben überhaupt nichts<br />
mit den Forderungen des Volkes<br />
zu tun.» (Emiliano Teran Mantovani,<br />
venezolanischer Mitarbeiter<br />
der linken Rosa-Luxemburg-<br />
Stiftung, auf amerika21.de)<br />
Tillerson und sein saudischer Amtskollege<br />
Adel al-Dschubeir im März<br />
in Washington. Foto: U.S. Department<br />
of State<br />
Nicolas Maduro wurde nach dem Tod von Hugo Chavez 2013<br />
Präsident Venezuelas. Zuvor war der 1962 geborene Politiker<br />
Außenminister und Vizepräsident. Über das Charisma seines<br />
Vorgängers verfügt der 1,90 Meter große Mann jedoch nicht.<br />
Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com<br />
terstellt. Das wiederum liefert den Vorwand für eine<br />
Einmischung Washingtons, die angeblich der Demokratieförderung<br />
dient.<br />
Im Jahr 2014 etwa hatte der damalige Präsident<br />
Barack Obama im Budget der Entwicklungshilfebehörde<br />
USAID fünf Millionen Dollar eingeplant, «um<br />
zu helfen, die venezolanische Zivilgesellschaft und<br />
die demokratischen Institutionen zu stärken». Rege<br />
tätig ist auch das National Endowment for Democracy,<br />
das als «ziviler Arm der CIA» gilt. Die Nationale<br />
Demokratiestiftung wird im Wesentlichen aus<br />
US-Steuergeldern finanziert und unterstützt in Caracas<br />
Programme, die unter anderem der Förderung<br />
von «Menschenrechten», «Meinungsfreiheit» oder<br />
«unabhängigen Medien» dienen.<br />
Die Inflationsrate explodierte auf<br />
275 Prozent.<br />
Das Motiv der Einmischung dürften allerdings<br />
weniger die Menschenrechte als die Bohrrechte<br />
sein: Laut dem Factbook der CIA verfügt Venezuela<br />
mit geschätzten 300 Milliarden Fass über die<br />
weltweit größten Erdölreserven. Dieser schier unermessliche<br />
Schatz ist jedoch den US-Multis verschlossen,<br />
zumal Chavez 2007 deren venezolanische<br />
Tochterfirmen verstaatlichen ließ. Besonders<br />
betroffen war der Megamulti Exxon Mobil, der fast<br />
16 Milliarden Dollar verlor. Zwar klagte der Gigant<br />
dagegen, doch entschied 2014 ein Schiedsgericht,<br />
dass Venezuela nur 1,6 Milliarden Dollar an Entschädigung<br />
zahlen muss. Chef von Exxon Mobil war<br />
in diesen Jahren Rex Tillerson, der seit 1. Februar<br />
Außenminister der USA ist.<br />
Weil also Tillerson mit den Chavistas eine Rechnung<br />
offen hat, ist davon auszugehen, dass Maduro<br />
unter Präsident Donald Trump noch mehr im Visier<br />
der USA stehen wird als unter Obama. Ende Januar<br />
ließ der neue Mann im State Department bei seiner<br />
Anhörung im Kongress wissen: «Wenn ich [als Außenminister]<br />
bestätigt werde, würde ich eine enge<br />
Zusammenarbeit mit unseren Freunden in der [westlichen]<br />
Hemisphäre, insbesondere mit Venezuelas<br />
Nachbarn Brasilien und Kolumbien, aber auch mit<br />
internationalen Organisation wie der OAS [Organisation<br />
Amerikanischer Staaten] vorantreiben, um einen<br />
auf Verhandlungen beruhenden Übergang zu einer<br />
demokratischen Herrschaft in Venezuela zu erreichen.»<br />
Dass die Vereinigten Staaten die OAS für<br />
ihre Zwecke einspannen, hat Maduro übrigens erkannt<br />
und daraus die Konsequenzen gezogen: Am<br />
26. April kündigte er den Austritt Venezuelas aus<br />
dem Dachverband an, nachdem dieser seine Regierung<br />
wiederholt wegen angeblicher Verletzung demokratischer<br />
Normen kritisiert hatte.<br />
Zwar finden die Präsidentenwahlen in Venezuela<br />
turnusmäßig schon 2019 statt, aber so lange wol-
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
len die USA nicht warten. Maduro ist schwer angeschlagen,<br />
die katastrophale Wirtschaftslage wird<br />
ihm angelastet: In den letzten Jahren ist das Bruttoinlandsprodukt<br />
um fast ein Drittel geschrumpft, die<br />
Landeswährung Bolivar befindet sich im freien Fall,<br />
die Inflationsrate explodierte auf 275 Prozent – eine<br />
der höchsten weltweit. Zwar kann die Regierung zur<br />
Erklärung der Misere auf den anhaltend niedrigen<br />
Erdölpreis und damit auf die zusammengebrochenen<br />
Exporterlöse verweisen – aber die eigene Unfähigkeit<br />
wird sie damit nicht wegdiskutieren können.<br />
Hinzu kommt eine den gesamten Staatsapparat<br />
durchdringende Korruption, die es wohl auch bei<br />
einer konservativen Regierung gäbe, aber eine sozialistische<br />
Kraft besonders blamiert.<br />
Bürgerkrieg eingeplant<br />
Unabhängige Medien wie die ecuadorianische<br />
Zeitung El Telegrafo berichten indessen von einem<br />
«Wirtschaftskrieg» der USA gegen Maduro. So wurde<br />
bekannt, dass private Verteilerfirmen tonnenweise<br />
Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs,<br />
insbesondere Windeln und Klopapier, in Lagerhallen<br />
zurückhalten und so die Krise und in weiterer Folge<br />
den Unmut der Bevölkerung verstärken. Nach Angaben<br />
des Blatts wandten die USA dieselben Praktiken<br />
vor dem Sturz des chilenischen Präsidenten<br />
Salvador Allende 1973 an. Jedenfalls deckt sich das<br />
mit der Einschätzung des russischen Lateinamerikaexperten<br />
Nil Nikandrov aus dem Jahr 2015: «Die CIA<br />
führt einen geheimen Krieg, um ein negatives Image<br />
von Maduro in Venezuela sowie in gesamt Zentralamerika<br />
zu verbreiten.»<br />
Interessant ist auch, was Anfang März Shannon<br />
O’Neill von der einflussreichen Denkfabrik Council<br />
on Foreign Relations bei einer Anhörung des außenpolitischen<br />
Ausschusses des US-Senats sagte:<br />
«Venezuelas autoritäre Wende untergräbt die Ideale<br />
und die außenpolitischen Ziele der USA.» Der<br />
deshalb notwendige Regimewechsel werde wahrscheinlich<br />
zwar durch die Venezolaner selbst kommen,<br />
jedoch müssten Vorbereitungen unternommen<br />
werden, um einer künftigen, den USA aufgeschlossenen<br />
Regierung zu helfen. O‘Neill rechnet offensichtlich<br />
mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen,<br />
denn er sprach sich dafür aus, dass die USA zusammen<br />
mit Kolumbien, Brasilien, Guyana und den<br />
Karibikstaaten Vorkehrungen für einen möglichen<br />
«Flüchtlingsanstieg» treffen und entsprechende Mittel<br />
an verschiedene Hilfsorganisationen und UN-<br />
Einrichtungen bereitstellen. Wörtlich war die Rede<br />
von «Zehntausenden Venezolanern, die auf der Suche<br />
nach Nahrung, medizinischer Versorgung und<br />
einem Neustart die Grenzen überschreiten».<br />
Energiegigant<br />
Venezuela<br />
Die größten Ölreserven der<br />
OPEC-Länder 2013 in Milliarden<br />
Barrel.<br />
Venezuela<br />
Saudi-Arabien<br />
Iran<br />
Irak<br />
Kuwait<br />
101,5<br />
157,8<br />
144,2<br />
265,8<br />
298,4<br />
Vereinigte Arabische Emirate<br />
97,8<br />
Quelle: Statista<br />
Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />
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«Wir müssen raus aus dem Euro»<br />
_ Joshua Tartakovsky im Gespräch mit Dimitris Kazakis<br />
38<br />
Griechenland taumelt in die nächste Krise – im Sommer ist Zahltag<br />
für den Schuldnerstaat, und die Kassen sind leer. Der linke Premier<br />
Alexis Tsipras ist mittlerweile so unbeliebt wie seine Vorgänger<br />
und sieht sich einer wachsenden Opposition gegenüber, angeführt<br />
unter anderem von der sozialpatriotischen Vereinigten Volksfront<br />
(EPAM). Wir baten ihren Vorsitzenden um ein Interview.<br />
Die griechische Ein-Euro-Münze<br />
zeigt die Abbildung einer athenischen<br />
4-Drachmen-Münze aus dem<br />
5. Jahrhundert vor Christi. Foto:<br />
Bildagentur Zoonar GmbH, shutterstock.com<br />
_ Dimitris Kazakis (* 1962)<br />
arbeitete lange im Management<br />
internationaler Firmen und gehörte<br />
von 1980 bis 1996 der Kommunistischen<br />
Partei an. Außerdem war<br />
er Kommentator der Zeitung<br />
Pontiki und des <strong>Magazin</strong>s Hellenic<br />
Nexus und gab das Buch Das<br />
griechische Pompeji – Chronik<br />
eines angekündigten Bankrotts<br />
heraus. – Joshua Tartakovsky ist<br />
ein israelisch-amerikanischer<br />
Journalist. – Übersetzung: Tobias<br />
Pfennig. Das Interview wurde für<br />
den Abdruck stark gekürzt.<br />
Die Europäische Union und der Internationale<br />
Währungsfonds kontrollieren Griechenland<br />
und vor allem dessen Finanzen. Wie ist die aktuelle<br />
Lage?<br />
Zur Zeit kommen mehr Menschen von rechts zu unserer<br />
Partei. Sie suchen nach einer patriotischen Organisation,<br />
die gegen das Besatzungsregime dieses<br />
Landes kämpft. Heutzutage spürt das jeder. Natürlich<br />
sind wir nicht unter militärischer Besatzung, aber<br />
wir sind unter Besatzung. Unser Staat ist nicht unser<br />
Staat, noch nicht einmal formell. Wir haben Fremde,<br />
die alles kontrollieren. Es gibt keine Möglichkeit,<br />
dass griechische Staatsbürger Schutz und Gerechtigkeit<br />
von einer dieser Institutionen erwarten dürfen.<br />
Wie ist die gegenwärtige Situation mit den<br />
Migranten? In Griechenland sind mehr als<br />
65.000, oder?<br />
Ja. Sie sind im ganzen Land verteilt. Natürlich sind<br />
sie auch auf den Inseln. Wir haben um die 35 Hotspots<br />
[Aufnahmelager]. Die meisten Migranten<br />
kommen derzeit aus Algerien und Marokko, nicht<br />
aus [den Kriegsgebieten in] Syrien, Irak, Afghanistan<br />
oder Pakistan. Es kommen etwa 100 am Tag –<br />
was lange nicht so schlimm ist wie im Jahr 2015,<br />
als täglich etwa 3.000 kamen. Das größte Problem<br />
ist aktuell, dass wir es mit einer Eskalation in der<br />
Ägäis zu tun haben – aufgrund der Provokationen,<br />
die von der Türkei ausgehen. Sie suchen nach einer<br />
Art Kriegskonfrontation, die vielleicht in den nächsten<br />
Monaten zustande kommen könnte. Denn Erdogan<br />
braucht Unterstützung, um seine Position während<br />
der gegenwärtigen Umwälzungen zu stärken.<br />
Soros will die nationale Identität<br />
der Völker zerstören.<br />
Zur Zeit mieten die NGOs und die Vereinten Nationen<br />
Häuser, um die Migranten aus den Hotspots<br />
zu holen und um ihnen einen permanenten Aufenthalt<br />
zu ermöglichen, ohne irgendwelche legalen Papiere.<br />
Die Syrer, das sind keine Flüchtlinge. Entweder<br />
haben sie ihr Land verlassen, um nicht in der<br />
eigenen Armee zu dienen, oder sie haben für die andere<br />
Seite gekämpft. Die Logik gebietet, dass man<br />
sich mit der syrischen Regierung in Verbindung setzen<br />
und diese Menschen zurückschicken sollte.
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Der ungarische Premierminister Viktor Orban<br />
hat den US-Megaspekulanten George Soros<br />
als einen der Drahtzieher der Flüchtlingsströme<br />
beschuldigt…<br />
Ja. Viele der NGOs sind auf der Gehaltsliste von<br />
Soros.<br />
Was ist seine Agenda?<br />
Sie besteht darin, die nationale Identität der Völker<br />
zu zerstören. Denn wenn Du glaubst, dass dieses<br />
Land Dir gehört, wirst Du für Dein Land kämpfen.<br />
Kein Migrant und kein Flüchtling wird aber für<br />
dieses Land kämpfen. Indem man die Grenzen öffnet,<br />
zerstört man die Rechtmäßigkeit, die Rechtsordnung<br />
oder die Bedeutung der Gesetze innerhalb<br />
des Landes und natürlich das Völkerrecht. Und ohne<br />
Rechtsstaatlichkeit sind wir verloren, vor allem die<br />
weniger mächtigen Länder und die weniger mächtigen<br />
Völker.<br />
Viele linke Parteien sind absolut blind, was<br />
die Migranten angeht, sie pochen auf deren<br />
Unschuld. Es scheint ganz so, als unterstützen<br />
sie die Flüchtlinge mehr als ihr eigenes<br />
Volk. Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz?<br />
Die meisten der Euro-linken Organisationen sind<br />
auf der Gehaltsliste von Soros. Ich nenne sie «Soros‘<br />
linken Flügel». Gehen Sie auf die offizielle Website<br />
von Open Society [eine der Soros-Stiftungen].<br />
Sie werden sehen, dass die meisten von ihnen für<br />
NGOs arbeiten oder mit Open Society zusammenarbeiten.<br />
Sie haben Geld, und sie haben eine Menge<br />
Leute, die für sie arbeiten. In einem Land mit<br />
mehr als 30 Prozent Arbeitslosigkeit die Möglichkeit<br />
zu haben, ohne substanzielle Kosten ein linker<br />
Revolutionär zu werden, ist einfach – und deshalb<br />
fällt es vielen schwer, auf das Geld von Soros<br />
zu verzichten.<br />
Die meisten Griechen sind mittlerweile der<br />
Meinung, dass es ein Fehler war, der EU beizutreten<br />
– und viele Deutsche wollen auch,<br />
dass Griechenland geht.<br />
Gerhard Schröders Regierung [1998 bis 2002] wollte<br />
Griechenland in der Eurozone. Um das zu durchzusetzen,<br />
haben sie alle verfälschten Wirtschaftsdaten<br />
der griechischen Regierung in Kauf genommen.<br />
Also würde es Sie nicht traurig stimmen,<br />
wenn Deutschland Griechenland aus dem<br />
Euro schmeißt?<br />
Nein, natürlich nicht. Die Sache ist die, dass wir<br />
nicht zu den Konditionen von Wolfgang Schäuble<br />
gehen wollen – wir wollen es auf eigene Faust tun.<br />
Wir berufen uns auf den 50. Artikel des Lissaboner<br />
Vertrages und kündigen an, dass wir die EU und<br />
die Eurozone verlassen wollen und dass wir nicht<br />
für irgendwelche Schäden zahlen werden. Denn die<br />
Eurokraken unter sich: Martin<br />
Schulz und George Soros 2012<br />
in Brüssel. Foto: European Union<br />
2012 – EP<br />
Wir wollen nicht zu<br />
den Konditionen<br />
von Schäuble raus.<br />
Dimitris Kazakis. Foto: Kazakis<br />
Euro-Opfer Griechenland<br />
Acht Jahre nach dem offenen Ausbruch der Krise<br />
bleiben Schuldenstand und Arbeitslosigkeit hoch.<br />
Staatsverschuldung in Milliarden Euro<br />
264<br />
330<br />
305<br />
322 318<br />
2008<br />
2010<br />
2012<br />
2014<br />
2016<br />
Arbeitslosenqoute<br />
24,4<br />
26,5<br />
23,8<br />
12,7<br />
7,7<br />
2008<br />
2010<br />
2012<br />
2014<br />
2016<br />
Quelle: Statista<br />
Grafik: <strong>COMPACT</strong><br />
39
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Arme sollen zahlen<br />
Widerstand gegen das Austeritäts-Diktat?<br />
Den hat Griechenlands<br />
Syriza-geführte Regierung<br />
schon lange aufgegeben. Nun<br />
stehen neue Zumutungen für das<br />
Volk bevor. So sollen ab 2019<br />
die Renten um bis zu 18 Prozent<br />
gekürzt und 2020 die Steuerfreibeträge<br />
für geringe Einkommen<br />
abgesenkt werden. Ziel sind Einsparungen<br />
in Höhe von zwei Prozent<br />
des Bruttoinlandsprodukts.<br />
Zudem wird das Arbeitsrecht<br />
reformiert, um Entlassungen zu<br />
erleichtern. Auch weitere Privatisierungen<br />
von Staatseigentum<br />
sind geplant. Dies sieht die Einigung<br />
zwischen Athen sowie der<br />
Europäischen Zentralbank, dem<br />
Euro-Rettungsfonds und dem<br />
Internationalen Währungsfonds<br />
vor. Im Gegenzug dürfte die EU<br />
weitere sogenannte Hilfsgelder<br />
für Griechenland freigeben,<br />
über deren Höhe die EU-Finanzminister<br />
nach Redaktionsschluss<br />
beraten wollten.<br />
Anzeige<br />
Schäden, die unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft<br />
im Euro erlitten hat, sind abgrundtief. Und in<br />
der Folge werden wir unsere eigene nationale Währung<br />
einführen und unserem eigenen Weg folgen.<br />
Wir wollen keine multikulturellen<br />
Gesellschaften.<br />
Viele Griechen haben Angst, dass, wenn sie<br />
wieder zur Drachme zurückkehren, es wie in<br />
Nordkorea sein könnte: Das Land wird total<br />
isoliert, alles wird sehr teuer. Sie werden kein<br />
Geld haben, um sich irgendwas zu kaufen.<br />
Wenn man isoliert ist, dann nur, wenn man es selbst<br />
will. Nordkorea ist isoliert, weil sie selbst beschlossen<br />
haben, isoliert zu sein – und nicht, weil die internationale<br />
Gemeinschaft das so beschlossen hat.<br />
Selbst mit Kuba gibt es jetzt eine Annäherung, weil<br />
auch die USA eingesehen haben, dass ein Embargo<br />
nicht zielführend ist. Es ist noch viel komplizierter,<br />
ein Embargo gegen Griechenland zu machen.<br />
Denn 60 Prozent des Außenhandels der Eurozone<br />
wird mit dem Osten abgewickelt, durch unsere Gewässer<br />
und unsere Häfen. Wir sind also in einer<br />
geostrategisch sehr wichtigen Position. Russland<br />
würde gerne Zugang zur Ägäis haben. Zur Zeit geht<br />
das nicht, da die NATO die Ägäis kontrolliert. Sobald<br />
wir die EU verlassen, wird vieles leichter, auch<br />
für Russland.<br />
Also würde das bedeuten, Ihr müsst auch aus<br />
der NATO raus…<br />
Zumindest werden wir mit der NATO neu verhandeln,<br />
und dann werden wir sehen. Natürlich sind<br />
wir gegen die NATO.<br />
Was sagen Sie über Geert Wilders’ Kritik am<br />
Islam und darüber, dass man jegliche politische<br />
Korrektheit vergessen soll, wenn es um<br />
das Migrantenproblem geht?<br />
Das ist wahr. Es ist eine ähnliche Position, die wir<br />
hier in Griechenland eingenommen haben. Aber wir<br />
haben kein Problem mit dem Islam. Wir waren 400<br />
Jahre unter der Besetzung des Islams, und trotzdem<br />
haben wir unsere nationale Identität oder Kultur<br />
nicht verloren. Das Problem ist nicht der Islam,<br />
das Problem ist der Imperialismus. Der Imperialismus<br />
spielt den Islam gegen das Christentum aus<br />
und umgekehrt. Wir wollen keine multikulturellen<br />
Gesellschaften. Wir wollen nationale Gesellschaften<br />
mit dem Recht des Volkes auf sein eigenes Erbe,<br />
seine eigene Religion und seine eigenen Überzeugungen.<br />
Das ist ein Menschenrecht.<br />
*Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Nur solange der Vorrat reicht!<br />
Unverschämt!<br />
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<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Putsch in Mazedonien<br />
_ von Jürgen Elsässer<br />
Ganz nach der Blaupause der Neuen Weltordnung: Moslems und Linke zerstören mit<br />
Unterstützung von USA und Europäischer Union einen christlichen Staat und ebnen<br />
den Weg für ein Großalbanien.<br />
Es war wie auf einem Gemälde von Eugène Delacroix,<br />
wie in einem Film von Emir Kusturica: Eine<br />
riesige Menschenmenge stürmt das Parlament in<br />
Skopje und verprügelt Abgeordnete. Man sieht Muskelprotze<br />
mit nacktem Oberkörper, bei den Omas<br />
blitzen die Goldzähne, über den leeren Parlamentsbänken<br />
werden Nationalfahnen geschwenkt, auf<br />
den billigen Plätzen haben Marktweiber ihren Spaß,<br />
Teenager knutschen. Schließlich singen alle zusammen<br />
die Nationalhymne. Gibt es einen schöneren<br />
Anblick als diesen, wenn das Volk die angeblichen<br />
Volksvertreter zur Seite schiebt und selbst wieder,<br />
wenigstens für einige Stunden, als politisches Subjekt<br />
im Zentrum der Macht sichtbar wird?<br />
Unsere Medien hielten die Berichte über diesen<br />
27. April <strong>2017</strong> kurz – vielleicht, damit die Leser in<br />
Bezug auf den Reichstag nicht auf dumme Gedanken<br />
kommen. Besonders engagierte Westmedien<br />
schimpften auf die «Nationalisten», die mit gewalttätigen<br />
Methoden die Demokratie gefährdet hätten.<br />
Das ist auf den ersten Blick verwunderlich, denn<br />
beim letzten Parlamentssturm in Europa, in den Oktobertagen<br />
des Jahres 2000 in Belgrad, war dieselbe<br />
Journaille hellauf entzückt gewesen und hatte<br />
die militanten Demonstranten als Freiheitskämpfer<br />
bejubelt. Woher der doppelte Maßstab bei der Bewertung<br />
gleichartiger Ereignisse kommt, ist allerdings<br />
klar: Vor 17 Jahren ging es in Serbien um einen<br />
Aufstand zur Beseitigung des gewählten Präsidenten<br />
Slobodan Milosevic, der sich seit zehn Jahren<br />
recht erfolgreich gegen das Vordringen der NATO<br />
und des Islams auf dem Balkan wehrte. Die aktuelle<br />
Situation in Mazedonien ist spiegelverkehrt: Dort<br />
kämpfen die Demonstranten nicht für den Sturz, sondern<br />
für den Erhalt der bisherigen Regierung. Diese<br />
ist den Propagandisten einer neuen Weltordnung<br />
ähnlich verhasst wie damals die serbische: Weil sie<br />
sich dem Machtanspruch aus Brüssel nicht beugen<br />
und vor den Mohammedanern nicht kapitulieren will.<br />
Wie aber kamen Demonstranten, die den Staat<br />
verteidigen wollen, auf den anarchistischen Einfall,<br />
das Parlament zu stürmen? Das hing damit zusammen,<br />
dass sich genau dort das Zentrum einer staatsfeindlichen<br />
Verschwörung entwickelt hatte und an<br />
jenem 27. April zur Aktion schritt: Zum Präsidenten<br />
des Parlaments wurde nämlich ein Mann gewählt,<br />
der Mazedonien mit der Waffe in der Hand bekämpft<br />
hatte – der Moslem Talat Xhaferi. Er war unter<br />
dem Decknamen «Kommandant Forina» im Jahr<br />
2001 einer der Befehlshaber der albanischen Untergrundarmee<br />
UCK gewesen, ihm wird die Verantwortung<br />
für ein aus dem Hinterhalt verübtes Massaker<br />
der Terroristen an acht Polizisten und Armeeangehörigen<br />
zugeschrieben. Und seine Ernennung<br />
zum Parlamentspräsidenten war «klar rechtswidrig»,<br />
wie der frühere österreichische Botschafter Harald<br />
W. Kotschy in der Wiener Zeitung feststellte. Kotschy<br />
weiter: «Der Wahlvorgang am 27. April durch<br />
Abgeordnete der Sozialisten und albanischer Parteien<br />
erfolgte nämlich nach Schluss der regulären<br />
Parlamentssitzung außerhalb des Plenarsaales und<br />
auch nur mit 59 der erforderlichen 61 Stimmen. Von<br />
den USA und der EU wurde Xhaferi dennoch als neuer<br />
Parlamentspräsident akklamiert, ein (albanischstämmiger)<br />
Mitarbeiter des Präsidiumssekretariates<br />
stellte – ebenfalls rechtswidrig – die für das<br />
Amtsblatt erforderliche Urkunde über die ”gesetzesmäßige<br />
Wahl” mit Siegel und Unterschrift aus.»<br />
Das Volk erobert das Parlament:<br />
Am 27. April stürmten Hunderte<br />
das 1938 errichtete Gebäude in<br />
Skopje. Foto: picture alliance/AP<br />
Photo<br />
Der neue Parlamentspräsident<br />
war einst Terrorist<br />
der albanischen<br />
Untergrundarmee<br />
UCK.<br />
41
<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Explosiver Cocktail<br />
Den meisten Lesern dürfte<br />
der mazedonische Fruchtsalat<br />
bekannter sein als das Land<br />
selbst. Die Wortschöpfung verweist<br />
auf die bunte Vermischung<br />
Mazedoniens mit den Nachbarstaaten:<br />
Die Sprache gleicht<br />
dem Bulgarischen, viele Bürger<br />
begreifen sich als Serben – und<br />
mit Griechenland, in dem es eine<br />
Provinz namens Makedonien<br />
gibt, streitet man sich um das<br />
Erbe Alexanders des Großen.<br />
Am gefährlichsten ist freilich der<br />
albanische Bevölkerungsteil: Im<br />
Unterschied zu den christlichen<br />
Slawen handelt es sich um Moslems.<br />
In den Jahrhunderten der<br />
osmanischen Besetzung stellten<br />
sie das Herrenvolk, das die<br />
Ungläubigen schikanieren und<br />
ausbeuten konnte.<br />
In seinen aktuellen Grenzen entstand<br />
Mazedonien als Teilrepublik<br />
von Tito-Jugoslawien. Nach<br />
der Abspaltung 1991 hielt es<br />
sich aus den Kriegen der Milosevic-Ära<br />
vollständig heraus.<br />
Obwohl die albanische Minderheit<br />
niemals unterdrückt wurde,<br />
begann sie 2001 einen blutigen<br />
Aufstand. Der deutsche Außenminister<br />
Joschka Fischer schwadronierte:<br />
«Die albanische Frage<br />
ist wieder offen».<br />
Skopje schützt Europa: Afghanen<br />
vor der geschlossenen griechischmazedonischen<br />
Grenze im Februar<br />
2016 bei Idomeni. Foto: picture alliance<br />
/ AP Photo<br />
Der Pakt von Tirana<br />
Um was geht es? Mazedonien ist ein christlichslawischer<br />
Staat mit einer gefährlichen Minderheit<br />
islamischer Albaner, etwa 25 Prozent der Bevölkerung.<br />
Diese machten 2001 einen Aufstand (ähnlich<br />
wie im benachbarten Kosovo), der von der EU auf typische<br />
Weise befriedet wurde: Die Guerilla musste<br />
die Waffen niederlegen – durfte aber politische Parteien<br />
bilden und wurde mit Ministerposten belohnt.<br />
Seither regiert in Skopje immer eine größere Slawenpartei<br />
mit einem kleineren albanischen Koalitionspartner.<br />
Das wackelige Konstrukt hielt, solange<br />
sich die Minderheitenparteien dem Staatswohl zumindest<br />
auf dem Papier verpflichtet fühlten.<br />
Doch diese Verpflichtung haben sie Ende 2016<br />
aufgekündigt. In einer gemeinsamen Erklärung forderten<br />
die Skipetarenvertreter umfangreiche Sonderrechte<br />
als Vorbedingung für jede künftige Regierungsbeteiligung:<br />
Albanisch müsse zur gleichberechtigten<br />
zweiten Staatssprache werden; deswegen<br />
müssten alle Banknoten sowie auch Hymne und<br />
Flagge des Landes ersetzt werden; alle Gerichtsverfahren,<br />
an denen Bürger ihrer Volksgruppe beteiligt<br />
sind, seien durch internationale Beobachter zu<br />
überwachen. Das ist besonders dreist vor dem Hintergrund,<br />
dass die Minderheitenrechte in Mazedonien<br />
ohnedies großzügiger sind als irgendwo sonst<br />
in Europa. Besonders pikant: Der Forderungskatalog<br />
wurde in Tirana, der Hauptstadt des benachbarten<br />
Albanien, beschlossen, wohin dessen Ministerpräsident<br />
Edi Rama seine mazedonischen Glaubensbrüder<br />
eingeladen hatte. Rama fordert, dass<br />
sich die slawische Republik umwandelt in eine Art<br />
Föderation, die «von zwei gleichberechtigten Entitäten<br />
gebildet wird, Mazedoniern und Albanern» –<br />
ein Aufruf zur Spaltung des Landes. Kotschy sieht<br />
dahinter weitergehende Ziele der Skipetaren: «Ihr<br />
Endziel ist und bleibt seit Jahrzehnten gleich: eine<br />
Sezession in Richtung Großalbanien.» Dazu passt,<br />
dass der durchgetrickste Parlamentspräsident Xhaferi<br />
als eine seiner ersten Amtshandlungen die Flagge<br />
mit dem schwarzen Adler auf rotem Grund auf<br />
seinen Schreibtisch stellte.<br />
Der Verrat der Sozialisten<br />
Ebenfalls zu Jahresende 2016 gab es Parlamentswahlen<br />
im Land. Die konservative Partei VMRO wurde<br />
wieder stärkste Kraft, musste aber Prozentpunkte<br />
an die sozialdemokratische SDSM abgeben. Wie<br />
in früheren Jahren hätte die VMRO dennoch wieder<br />
eine Koalition mit der albanischen DUI bilden können<br />
– doch die forderte die Erfüllung des Tirana-Paktes,<br />
was die VMRO ablehnte. Die Sozis hatten solche<br />
patriotischen Skrupel nicht und unterschrieben<br />
eine Regierungsvereinbarung mit den Separatisten.<br />
«Ihr Endziel ist und bleibt seit<br />
Jahrzehnten gleich: eine Sezession<br />
in Richtung Großalbanien.»<br />
<br />
Kotschy<br />
Der VMRO-nahe Staatspräsident Gjorge Ivanov<br />
weigert sich, ein solches Kabinett zu vereidigen,<br />
im Parlament schob die VMRO die Abstimmungen<br />
zur Regierungsbildung mit Geschäftsordnungstricks<br />
immer wieder hinaus. In dieser Situation beschlossen<br />
die neuen Partner, sich am Gesetz vorbei an die<br />
Macht zu putschen – und der erste Schritt war die<br />
illegale Wahl des albanischen Parlamentspräsidenten,<br />
worauf es zum eingangs geschilderten Sturm<br />
auf das Hohe Haus kam.<br />
EU und USA sind empört, denn tatsächlich hätte<br />
die neue Koalition im Parlament eine rechnerische<br />
Mehrheit. Zurecht aber fragen Präsident Ivanov,<br />
die VMRO und die große Mehrheit der Slawen:<br />
Wie können Kräfte eine Regierung bilden, die die<br />
Verfassung zerstören und die Hälfte des Landes den<br />
Albanern schenken wollen? Und wir übrigen Europäer<br />
sollten uns fragen: Zeigt uns Mazedonien, wie<br />
auch bei uns die islamischen Minderheiten mit Unterstützung<br />
der Linksparteien an die Macht kommen<br />
und die Sprache, Flagge, Hymne, ja die ganze<br />
freiheitliche Grundordnung abschaffen könnten?<br />
42<br />
Bei Redaktionsschluss war die Machtfrage in<br />
Mazedonien noch nicht geklärt, aber der Druck von<br />
USA und EU ist übermächtig.
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Dossier _ Seite 43–51<br />
Nordkorea in Angst<br />
Die USA drohen mit dem Weltkrieg: Präsident Trump<br />
hat Panzerschiffe vor der Küste des geteilten Landes<br />
zusammengezogen und die neuen Raketen im Süden<br />
scharf gemacht – doch Kim Jong-un will auf seine<br />
Atomwaffen nicht verzichten.<br />
Foto: Attila JANDI,<br />
shutterstock.com<br />
43
«Wir müssen uns schützen»<br />
_ von Peter Wiegrefe<br />
44<br />
Für den Mainstream ist der Fall ganz klar: Nordkorea gefährdet den<br />
Weltfrieden. Der irre Kim Jong-un schmeißt mit Atomraketen um<br />
sich, verletzt Menschenrechte, droht mit Krieg und Vernichtung.<br />
Aber ist das schon die ganze Wahrheit?<br />
Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang –<br />
zu Deutsch: Gemütvolle Umgebung<br />
– soll bereits vor rund 4.300 Jahren<br />
gegründet worden sein. Hier zu<br />
sehen: Der 1982 errichtete Juche-<br />
Turm am Ufer des Flusses Taedong.<br />
Foto: Patrick Berger<br />
Auf Nordkorea<br />
warfen die USA<br />
mehr Bomben als<br />
auf Japan.<br />
Der Paektusan steht über allen Dingen. Majestätisch<br />
erhebt sich der heilige Berg der Koreaner<br />
über die irdischen Verwerfungen, die zu seinen Füßen<br />
die Menschen umtreiben. 2.750 Meter sind es<br />
bis zum Gipfel des schlafenden Vulkans, dessen<br />
Name auf Deutsch «weißköpfiger Berg» bedeutet.<br />
Eine Referenz auf die pulvrig-hellgraue Lavaasche,<br />
die sich wie Puderzucker auf die braunen Felsen<br />
legt. Ganz oben, auf dem höchsten Punkt der koreanischen<br />
Halbinsel, gibt der Paektusan den Blick<br />
frei auf seinen schönsten Schatz: Der riesige, tiefblaue<br />
Kratersee, um das Jahr 969 beim bisher heftigsten<br />
Ausbruch entstanden, lädt ein zum Träumen.<br />
Kein Wunder, dass die Koreaner diesen See Ch‘onji<br />
nennen – den Himmelssee.<br />
Die Luft ist sauber, frisch und klar. Trotz der<br />
Grenzsoldaten, die hier oben, in Sichtweite zu<br />
China, ihren Dienst schieben, strahlt die Szenerie<br />
eine fast magische Ruhe aus. Alles so sanft –<br />
so friedlich! Kaum zu glauben, mitten in einem<br />
Land, das vom Rest der Welt fast unisono als Bedrohung<br />
empfunden wird und mit seiner bissigen<br />
Kriegsrhetorik auch selbst dazu beiträgt, dass dieses<br />
Empfinden ständig neuen Nährboden erhält.<br />
Allerdings habe ich schon als Kind gelernt, dass zu<br />
jedem Streit mindestens zwei gehören. Was also<br />
haben die Nordkoreaner zu ihrer Verteidigung zu<br />
sagen? Das wollte ich genauer wissen und machte<br />
mich auf die Reise. Nun stehe ich auf dem Gipfel<br />
des Paektusan, blicke gebannt hinab in den Himmelssee<br />
– und frage meinen Reiseleiter Kim, der<br />
sich unauffällig neben mich gesellt hat, wie er denn<br />
die Sache sieht. Er ist Mitte Vierzig, spricht gutes<br />
Deutsch und weiß seine Worte auch in der fremden<br />
Sprache klug zu wählen. Er freut sich sichtlich<br />
über mein Interesse. «Ihr Europäer seht immer nur<br />
die eine Seite», beginnt er. «Eure Medien erzählen<br />
ständig Horrorgeschichten über uns. ”Achse des Bösen”,<br />
”dunkles Land”, ”böse Leute”. Aber das ist<br />
Blödsinn. Du kannst in Korea jeden Menschen fragen.<br />
Keiner hier will Krieg. Wir wollen dasselbe,<br />
was alle Menschen möchten: Frieden, Sicherheit<br />
und Wohlstand.»<br />
Schön und gut, denke ich mir. Aber wie passt das<br />
mit der Wirklichkeit zusammen? Den Raketentests?<br />
Den Provokationen? «Der Westen provoziert uns<br />
doch auch ständig!» entgegnet Kim. «Die Amerikaner<br />
machen seit Jahren Manöver vor unserer Haus-
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
tür, spielen zusammen mit Südkorea Krieg gegen<br />
uns und wundern sich dann, wenn wir uns verteidigen.<br />
Wir wissen nie genau, ob sie nur eine Übung<br />
abhalten oder uns tatsächlich angreifen. Es gibt immer<br />
noch keinen Friedensvertrag zwischen Süd- und<br />
Nordkorea – nur den Waffenstillstand von 1953!»<br />
Das mag ja sein, erwidere ich. Aber muss man denn<br />
trotzdem auf Biegen und Brechen an dem Atomwaffenprogramm<br />
festhalten? Das führt doch nur zu neuen<br />
Spannungen! Nun läuft Kim zur Hochform auf.<br />
Seine Stimme bleibt ruhig und sachlich – doch seine<br />
Augen leuchten: «Wir wollen so leben, wie wir<br />
es für richtig halten, nicht wie andere es gerne hätten.<br />
Wir wollen keine Einmischung. Was ist denn<br />
mit Irak? Mit Libyen? Saddam und Gaddafi haben<br />
dem Westen vertraut, haben auf Massenvernichtungswaffen<br />
verzichtet. Und dann hat man sie ausradiert.<br />
Das zeigt uns: Wir dürfen den Amerikanern<br />
nicht trauen. Wir müssen uns schützen. Deshalb<br />
brauchen wir Atomwaffen.»<br />
Trauma Koreakrieg<br />
Man kann das tiefe Misstrauen gegenüber den<br />
USA und dem Westen, das aus Kims Worten spricht,<br />
nicht losgelöst von der jüngeren Geschichte dieses<br />
geheimnisvollen Landes betrachten: zum Beispiel<br />
davon, dass die Amerikaner im Koreakrieg zwischen<br />
1950 und 1953 mehr Bomben auf Nordkorea abwarfen<br />
als während des gesamten Zweiten Weltkriegs<br />
im Pazifikraum. Und dass dazu auch 32.000 Tonnen<br />
Napalm gehörten – mehr als später in Vietnam. US-<br />
Militärs urteilten anschließend, dass das Land proportional<br />
einen höheren Zerstörungsgrad aufwies<br />
als Japan Ende August 1945. Man schoss auf alles,<br />
was sich bewegte, und bombardierte nicht nur Städte,<br />
sondern auch Dämme, um landwirtschaftliche<br />
Flächen zu fluten und so die Lebensmittelversorgung<br />
der Bevölkerung zu kappen. «Allein auf Pjöngjang<br />
warfen die USA mehr als 420.000 Bomben ab», erklärt<br />
Kim. «Die Stadt war eine einzige Trümmerwüste,<br />
fast vollständig zerstört.»<br />
Nach dem Waffenstillstand 1953 gesellte sich<br />
zum Trauma der Trotz: In beeindruckendem Tempo<br />
bauten die Nordkoreaner ihre Städte und Dörfer<br />
wieder auf – nach sozialistischen Bauplänen, aber<br />
großteils ohne fremde Hilfe. Darauf sind sie noch<br />
heute stolz. Im Herzen Pjöngjangs erinnert die 46<br />
Meter hohe Ch’ollima-Statue an diese Kollektivleistung.<br />
Ch’ollima, das geflügelte Pferd aus der koreanischen<br />
Mythologie, soll die enorme Geschwindigkeit<br />
symbolisieren, mit der das Volk unter der Regie<br />
des Großen Führers Kim Il-sung den Neubeginn<br />
des Landes in die Hand nahm. Ein Denkmal für die<br />
eigene Schaffenskraft, das trotzig-stolz verkündet:<br />
Wir sind auch alleine stark!<br />
Im Zeichen der Kim-Dynastie<br />
Kim Il-sung, der «Ewige Präsident», hat die Demokratische<br />
Volksrepublik Korea geprägt wie niemand<br />
sonst. Als verfassungsmäßiges Staatsoberhaupt<br />
und Großvater des aktuellen Herrschers Kim<br />
Jong-un tut er das auch heute noch – obwohl er bereits<br />
1994 einem Herzinfarkt erlegen ist. Sein freundlich<br />
lächelndes Gesicht ist omnipräsent, der Kult um<br />
seine Person trägt religiöse Züge. Seit Kim Il-sungs<br />
Sohn und Nachfolger Kim Jong-il ebenfalls nicht<br />
mehr unter den Lebenden weilt, wird auch er geradezu<br />
gottgleich verehrt. Vor den zahllosen Statuen der<br />
beiden spielen sich kuriose Szenen ab. Verneigen<br />
ist Pflicht. Bücken, Hinknien, den Rücken krumm machen<br />
oder andere «respektlose» Posen sind dagegen<br />
verboten. Für Nordkoreaner ist das Alltag. Für Außenstehende<br />
ist der skurrile Kult kaum zu begreifen.<br />
Der freundliche Blick des Godfather of Korea<br />
trügt: Mit harter Hand formte Kim Il-sung das Land<br />
zu einer kompromisslos kollektivistischen Gesellschaft,<br />
in der der Einzelne nichts, die Gemeinschaft<br />
jedoch alles ist. Bis heute hat sich daran nicht allzu<br />
viel geändert. An den Fassaden Pjöngjangs hängen<br />
Bauarbeiter auf wackeligen Plattformen, während<br />
unter ihnen die Brigaden in einheitlichem<br />
Braun mit Schutzhelm und Spaten zum nächsten<br />
Einsatz marschieren. Ein paar Straßenecken weiter<br />
Eines der Mysterien Nordkoreas<br />
sind die allgegenwärtigen Verkehrspolizistinnen,<br />
wie diese unbekannte<br />
Ordnungshüterin. Ihre tatsächliche<br />
Aufgabe ist unklar, denn<br />
der Kraftverkehr ist selbst in Pjöngjang<br />
überschaubar. Kurz nach seinem<br />
Amtsantritt zeichnete Kim<br />
Jong-un 2013 eine der Polizistinnen,<br />
die damals 22-jährige Ri<br />
Kyong-sim, sogar als Heldin der<br />
Republik aus. Der Grund wurde<br />
nicht mitgeteilt. Foto: nndrln / Shutterstock.com<br />
Nordkoreas Soldatinnen gehören<br />
zu den beliebten Fotomotiven für<br />
Touristen. Insgesamt soll das Land<br />
über 1,2 Millionen aktive Militärangehörige<br />
und angeblich 4,7 Millionen<br />
Reservisten verfügen. Foto:<br />
Astrelok, shutterstock.com<br />
Jeder, der vor einem Kim-Denkmal<br />
vorbeigeht, muss sich verbeugen.<br />
45
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Tauwetter<br />
in Südkorea<br />
Die Präsidentschaftswahlen<br />
in Südkorea wecken Hoffnung<br />
auf eine Entspannung. Bei dem<br />
Urnengang am 9. Mai setzte<br />
sich Moon Jae-in, der Kandidat<br />
der Demokraten, mit 41,4 Prozent<br />
der Stimmen durch. Die<br />
Frankfurter Allgemeine Zeitung<br />
kommentierte: «Der Wahlsieg<br />
Moons könnte nun eine Kursänderung<br />
Seouls sowohl gegenüber<br />
Nordkorea als auch den<br />
Vereinigten Staaten zur Folge<br />
haben. Moon befürwortet einen<br />
Dialog mit Pjöngjang und will<br />
eine größere Unabhängigkeit<br />
von Amerika, die mit zehntausenden<br />
in Südkorea stationierten<br />
Soldaten zu den engsten Verbündeten<br />
des Landes zählen.»<br />
Eine Bruchstelle ist das gerade<br />
fertiggestellte Thaad-Raketenabwehrprogramm<br />
der Amerikaner,<br />
für das die Südkoreaner<br />
bezahlen sollen. Wie ein ähnlicher<br />
Raketenschirm, der an der<br />
Ostgrenze des NATO-Bündnisses<br />
bereits teilweise fertiggestellt<br />
ist, erhöht er die Kriegsgefahr.<br />
Der unterlegene Bewerber der<br />
konservativen Koreanischen<br />
Freiheitspartei Hong Joon-pyo<br />
(26,5 Prozent) hatte für Thaad<br />
und zusätzlich für die Wiedereinführung<br />
taktischer Atomwaffen<br />
auf der Halbinsel plädiert.<br />
begrüßt ein Hausfrauenkollektiv mit wehenden roten<br />
Fahnen den neuen Tag. Alle Koreaner ab dem<br />
14. Lebensjahr sind außerdem angehalten, sich in<br />
der Öffentlichkeit rote Broschen mit dem Konterfei<br />
der verstorbenen Führer an die Brust zu heften.<br />
Die kollektivierte Gesellschaft marschiert allerdings<br />
nicht mehr ständig in Uniform: Die blaugrauen Einheitskostüme<br />
vergangener Tage bestimmen immer<br />
weniger das Bild. Der Koreaner von Welt zeigt sich<br />
stattdessen in hellem Hemd und Stoffhose, Frauen<br />
tragen Rock und Bluse. Ein Symbol für den Fortschritt?<br />
Manches deutet darauf hin.<br />
Unter Kim Jong-un scheinen sich verkrustete<br />
Strukturen langsam zu lockern. Zarte Pflänzchen privatwirtschaftlicher<br />
Initiative sprießen aus den grauen<br />
Mauern der Städte: kleine, handbemalte Kioske<br />
und Imbissbuden, die Snacks, Eis und Getränke<br />
verkaufen. Auf dem Land dürfen Bauern seit einiger<br />
Zeit einen Teil ihrer Ernte auf eigene Rechnung verkaufen.<br />
Das bringt Leben ins soziale Gefüge. Schon<br />
beginnt man, von einer «nordkoreanischen Mittelschicht»<br />
zu sprechen. Der deutsche Korea-Experte<br />
Rüdiger Frank sieht gar das Potential eines asiatischen<br />
Tigerstaates.<br />
Juche und Songun<br />
Bis dahin ist der Weg allerdings noch weit.<br />
Noch bestimmen andere Parameter die Politik –<br />
die Staatsideologie Juche zum Beispiel. Von Kim<br />
Il-sung höchstpersönlich erdacht, löste sie bereits<br />
Ende der 1970er Jahre den Marxismus-Leninismus<br />
als offiziell gültige Doktrin ab. Verkürzt formuliert,<br />
bedeutet der Begriff so viel wie Autarkie und Eigenständigkeit.<br />
In dem Büchlein Die Juche-Idee – Antworten<br />
auf 100 Fragen heißt es dazu: «Chu‘che ist<br />
eine Ideologie, die besagt, dass die Volksmassen<br />
Lenker der Revolution sind, (…) dass der Mensch<br />
Herr über sein Schicksal ist und dass er die Macht<br />
hat, dieses Schicksal selbst zu gestalten.» Reiseleiter<br />
Kim nennt als weitere Merkmale «Souveränität<br />
in der Politik, Selbständigkeit in der Ökonomie,<br />
Selbstverteidigung im Militär und gute Freundschaft<br />
mit anderen Ländern – aber auf Augenhöhe, nicht<br />
als ungleiche Partner.» Auf diese Weise könnten<br />
kleinere Länder wie Korea gegenüber Großmächten<br />
wie den USA oder China ihr Recht auf Eigenständigkeit<br />
betonen. «Wir sind der Meinung, dass<br />
alle Länder in diese Richtung gehen sollten. Jeder<br />
sollte Juche werden.»<br />
Reformen erleichtern Kleinhandel<br />
und das Entstehen einer neuen<br />
Mittelschicht.<br />
Nach außen und innen verteidigt werden die<br />
Volksmassen durch den zweiten Grundpfeiler nordkoreanischer<br />
Staatsphilosophie: die Songun-Politik.<br />
Songun räumt dem Militär die primäre Stellung<br />
im Staat ein. Von Kim Il-sung erdacht, von Kim<br />
Jong-il realisiert und von Kim Jong-un vorangetrieben,<br />
begründet Songun neben der Tatsache, dass<br />
in Nordkorea fast zwei Millionen Mann unter Waffen<br />
stehen, auch die Forcierung des Nuklearwaffenprogramms.<br />
«Songun sichert unser Überleben»,<br />
unterstreicht mein Reiseleiter. «Wir sind ein kleines<br />
Land, und wir waren in der Vergangenheit oft<br />
ein Spielball größerer Mächte wie Japan oder Amerika.<br />
Aber diese Zeit ist endlich vorbei. Wenn es zum<br />
Krieg kommt, dann ist das nicht mehr ein Krieg zwischen<br />
Pistole und Atombombe wie 1950. Sondern<br />
ein Krieg mit Atomwaffen auf beiden Seiten. Kein<br />
Spiel mehr für die Amerikaner!»<br />
Südkoreas neuer Präsident Moon<br />
Jae-in. Foto: Korea.net, Jeon Han,<br />
via flickr.com<br />
Um beim Arirang-Festival – der<br />
jährlichen Massen-Choreografie für<br />
Fahnenbilder – teilzunehmen, müssen<br />
diese Nordkoreanerinnen wohl<br />
noch etwas üben.<br />
Foto: Patrick Berger<br />
46<br />
_ Peter Wiegrefe veröffentlichte<br />
in <strong>COMPACT</strong> im April und Mai 2016<br />
seinen zweiteiligen Reisebericht<br />
über Nordkorea.
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Washington ist der Kriegstreiber<br />
_ von Mike Whitney<br />
Nordkorea wäre schon längst von den USA angegriffen worden, wenn es sich keine<br />
Atomwaffen zugelegt hätte. Dabei wäre der Konflikt so leicht zu lösen: Die Amerikaner<br />
müssten nur endlich ein Abkommen erfüllen, das sie mit dem angeblichen<br />
Schurkenstaat schon 1994 geschlossen haben.<br />
Washington hat sich noch nie besondere Mühe<br />
gegeben, seine Verachtung gegenüber Nordkorea<br />
zu verbergen. In den 64 Jahren seit Ende des Krieges<br />
haben die USA alles in ihrer Macht Stehende<br />
getan, um das kommunistische Land zu bestrafen,<br />
es zu demütigen und ihm Schmerz zuzufügen. Washington<br />
hat die Demokratische Volksrepublik Korea<br />
(DPRK, so der offizielle Name) dem Hungertod ausgesetzt<br />
und ihre Regierung daran gehindert, auf ausländisches<br />
Kapital und Märkte zuzugreifen. Es hat<br />
ihre Wirtschaft mit lähmenden Wirtschaftssanktionen<br />
stranguliert und tödliche Raketensysteme und<br />
Militärbasen vor ihrer Türschwelle errichtet. Weil<br />
Washington sich weigert, mit einem Land zu reden,<br />
das es als minderwertig betrachtet, sind Verhandlungen<br />
unmöglich. Dahinter steht natürlich die Hoffnung,<br />
dass Pjöngjang unter Uncle Sams Mobbing<br />
klein beigibt und tut, was man ihm sagt.<br />
Doch der Norden hat den Einschüchterungsversuchen<br />
der Amerikaner noch nie nachgegeben, und<br />
es gibt keine Anzeichen dafür, dass er dies in Zukunft<br />
tun wird. Für den Fall, dass die USA versuchen<br />
sollten, ihre Dominanz durch einen weiteren Krieg<br />
durchzusetzen, hat die Kim-Dynastie vielmehr zum<br />
Schutz ein kleines Nuklearwaffenarsenal aufgebaut.<br />
Kein Land der Welt braucht Nuklearwaffen dringender<br />
als Nordkorea. Hirngewaschene Amerikaner,<br />
die ihre Nachrichten von Fox oder CNN beziehen,<br />
mögen anderer Meinung sein. Sollte eine feindselige<br />
Nation vor der kalifornischen Küste Flugzeugträgergeschwader<br />
stationieren und vor der mexikanischen<br />
Grenze gewaltige Manöver durchführen<br />
(mit der ausdrücklichen Absicht, den Leuten<br />
eine Scheißangst zu machen), dann würden sie die<br />
Lage vielleicht anders betrachten. Eventuell sähen<br />
sie dann, welchen Nutzen ein paar Atomwaffen haben,<br />
um andere davon abzuschrecken, etwas richtig<br />
Dummes anzustellen.<br />
Und seien wir ehrlich: Der einzige Grund, weswegen<br />
Kim Jong-un Saddam und Gaddafi noch nicht<br />
im Jenseits die Hand schüttelt, ist a) weil der Norden<br />
nicht auf einem Ozean von Öl sitzt, und b) weil<br />
der Norden die Möglichkeit hat, Seoul, Okinawa<br />
und Tokio in schwelende Trümmerfelder zu verwandeln.<br />
Ohne Kims Massenvernichtungswaffen hätte<br />
Pjöngjang schon vor langer Zeit einen Präventivschlag<br />
einstecken müssen. Nuklearwaffen sind das<br />
einzig bekannte Gegengift zum US-Abenteuertum.<br />
US-Kriegsverbrechen in Korea<br />
Das amerikanische Volk – dessen Geschichtsverständnis<br />
nur bis 9/11 zurückreicht – hat keine Ahnung,<br />
wie die USA ihre Kriege führen. Sie wissen<br />
nicht, was für ein schreckliches Blutbad und welche<br />
Zerstörung sie in Nordkorea angerichtet haben.<br />
Hier ist eine kleine Erinnerung, die klarstellt, weswegen<br />
der Norden die USA mehr als 60 Jahre nach<br />
Unterzeichnung des Waffenstillstands noch immer<br />
mit Argwohn betrachtet.<br />
In dem Vox-World-Artikel «Amerikaner haben<br />
vergessen, was wir Nordkorea angetan haben»<br />
heißt es: «In den frühen 1950er Jahren warfen die<br />
USA im Koreakrieg mehr Bomben auf Nordkorea<br />
ab, als sie während des Zweiten Weltkriegs über<br />
F-16-Jäger der US-Luftwaffe auf<br />
dem Flughafen Kunsan im Jahre<br />
2012. Die 30.000 US-Soldaten im<br />
Land dienen nach offiziellen Angaben<br />
als mögliche erste Verteidigungslinie<br />
im Falle eines Krieges.<br />
Foto: Brittany Y. Auld, Public<br />
domain, Wikimedia Commons<br />
Kein Land der Welt<br />
braucht Nuklearwaffen<br />
dringender<br />
als Nordkorea.<br />
47
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Trump: «Verhandeln?<br />
Ja, nein, vielleicht.»<br />
48<br />
Den ganzen April über hatte der<br />
US-Präsident gegenüber Nordkorea<br />
mit dem Säbel gerasselt.<br />
«Trump drohte mehrfach<br />
mit Alleingängen und schloss<br />
auch einen Militärschlag nicht<br />
aus», fasste die Frankfurter Allgemeine<br />
Zeitung am 1. Mai<br />
<strong>2017</strong> zusammen.<br />
Am selben Tag gab es eine überraschende<br />
Wende. Der US-Präsident<br />
erklärte plötzlich, er wolle<br />
seinen nordkoreanischen Amtskollegen<br />
Kim Jung-un treffen.<br />
«Wenn es angebracht wäre,<br />
mich mit ihm zu treffen, würde<br />
ich das absolut tun, ich würde<br />
mich geehrt fühlen, es zu tun.»<br />
Ähnlich hatte er sich bereits ein<br />
knappes Jahr zuvor, am 17. Mai<br />
2016, geäußert: «Ich hätte kein<br />
Problem damit, mit ihm zu sprechen.»<br />
Im Dialog würde er versuchen,<br />
Nordkoreas Anführer<br />
«zur Vernunft zu bringen».<br />
Der damalige Vorwahlkämpfer<br />
erklärte außerdem: «Ich würde<br />
jede Menge Druck auf China<br />
ausüben, weil wir eine gehörige<br />
wirtschaftliche Macht über<br />
China haben.» Peking könne das<br />
Problem «durch einen Telefonanruf<br />
lösen».<br />
Während seines gescheiterten<br />
Anlaufs zur Präsidentschaftswahl<br />
im Jahr 2000 hatte Trump<br />
andere Prioritäten gesetzt und<br />
gedroht, Nordkorea anzugreifen.<br />
Zeitgleich hatte er aber gesagt,<br />
dass eine langfristige Lösung nur<br />
über Verhandlungen möglich sei.<br />
«Ich bin kein Kriegstreiber.»<br />
Donald Trump und sein Vize Mike<br />
Pence. Foto: President of the United<br />
States<br />
Bild oben rechts: Der Oberkommandierende<br />
Douglas MacArthur, hier<br />
mit Offizieren am 15.9.1950, wollte<br />
den Krieg auf China ausweiten.<br />
Im April des darauffolgenden Jahres<br />
wurde er abgelöst. Foto: Nutter<br />
(Army), Public domain, via Wikimedia<br />
Commons<br />
den gesamten pazifischen Kriegsschauplatz abgeworfen<br />
hatten.» General Curtis LeMay, der damals<br />
das Strategische Luftwaffenkommando leitete,<br />
sagte dem Büro für Luftwaffengeschichte im Jahr<br />
1984: «Im Zeitraum von drei Jahren oder so töteten<br />
wir – was? – 20 Prozent der Bevölkerung?» Dean<br />
Rusk, ein Kriegsbefürworter und späterer Außenminister,<br />
sagte, die Vereinigten Staaten zerbombten<br />
«in Nordkorea alles, was sich bewegt hat, jeden<br />
Stein, der auf einem anderen lag». Nachdem<br />
ihnen städtische Ziele ausgegangen waren, zerstörten<br />
die US-Bomber Dämme und Bewässerungswehre,<br />
um Farmland zu fluten und Ernten zu zerstören.<br />
«Im Zeitraum von drei Jahren<br />
oder so töteten wir – was? –<br />
20 Prozent der Bevölkerung?» <br />
<br />
US-General LeMay<br />
In einer alarmierenden Botschaft an die Vereinten<br />
Nationen schrieb Nordkoreas Außenminister im<br />
Januar 1951: «Am 3. Januar um 10:30 Uhr entlud<br />
eine Armada von 82 fliegenden Festungen ihre tödliche<br />
Ladung auf Pjöngjang. (…) Hunderttausende<br />
Tonnen Bomben und Brandsätze wurden zeitgleich<br />
auf die Stadt abgeworfen, was vernichtende Feuer<br />
auslöste. Die transatlantischen Barbaren bombardierten<br />
die Stadt mit hochexplosiven, zeitversetzt<br />
zündenden Bomben, die einen ganzen Tag lang in Intervallen<br />
explodierten, so dass es den Menschen unmöglich<br />
war, auf die Straßen zu gehen. Die gesamte<br />
Stadt brennt nun, in Flammen gehüllt, seit zwei Tagen.<br />
Am zweiten Tag waren 7.812 bewohnte Häuser<br />
abgebrannt. Den Amerikanern war bestens bekannt,<br />
dass es in Pjöngjang keine militärischen Ziele<br />
mehr gab. (…) Wie viele Einwohner Pjöngjangs<br />
durch Bombensplitter getötet wurden, lebendig<br />
verbrannten oder am Rauch erstickten, ist unüberschaubar.<br />
(…) Es sind noch ungefähr 50.000 Einwohner<br />
in der Stadt. Vor dem Krieg waren es 500.000.»<br />
Pjöngjang ist zu Gesprächen bereit<br />
Die Grausamkeit des amerikanischen Krieges<br />
gegen Nordkorea hinterließ eine Spur in der Psyche<br />
des Volkes, die man nie mehr wegwischen kann.<br />
Was es auch koste: Der Norden kann niemals erlauben,<br />
dass sich so ein Szenario in Zukunft wiederholt.<br />
Was es auch koste, sie müssen darauf vorbereitet<br />
sein, sich zu verteidigen. Falls das den Einsatz von<br />
Atomwaffen bedeutet, dann sei es so. Selbsterhaltung<br />
ist die oberste Priorität.<br />
Gibt es eine Möglichkeit, diese sinnlose Pattsituation<br />
zwischen Pjöngjang und Washington zu<br />
beenden und Vertrauen aufzubauen? Natürlich. Die<br />
USA müssen die DPRK nur endlich mit Respekt behandeln<br />
und anfangen, ihre eigenen Versprechen<br />
einzulösen. Welche Versprechen? Das Versprechen,<br />
dem Norden beim Bau von zwei Leichtwasserreaktoren<br />
zu helfen, damit das Volk mit Heizwärme und<br />
Licht versorgt werden kann. Im Gegenzug würde die<br />
Regierung ihr Nuklearprogramm stoppen. Über dieses<br />
Abkommen, geschlossen im Jahr 1994, werden<br />
Sie in den Medien nichts lesen. Die sind nichts weiter<br />
als der Propagandaflügel des Pentagons.<br />
Der Norden will, dass die Vereinigten Staaten ihrer<br />
Verpflichtung aus dem 1994 beschlossenen Rahmenplan<br />
nachkommen. Das ist alles. Haltet Euch einfach<br />
an den verdammten Deal. Wie schwierig kann<br />
das sein? Der ehemalige Präsident Jimmy Carter<br />
hat es 2010 in der Washington Post so zusammengefasst:<br />
«Die Vereinbarung beinhaltet die Denuklearisierung<br />
der nordkoreanischen Halbinsel, den Verzicht<br />
auf einen Angriff seitens der Vereinigten Staaten<br />
und Schritte zur Entwicklung eines dauerhaften
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Friedensvertrags, der den im Juli 1953 in Kraft getretenen<br />
Waffenstillstand zwischen den USA, Nordkorea<br />
und China ablösen soll. Leider ist seit 2005<br />
kein substantieller Fortschritt mehr erzielt worden.»<br />
Carter erzählt auch von seinen persönlichen Erfahrungen<br />
mit Nordkoreas Führungsriege: «Im vergangenen<br />
Juli bin ich nach Pjöngjang eingeladen<br />
worden, um die Freilassung eines Amerikaners, Aijalon<br />
Gomes, sicherzustellen. Dabei gab es eine<br />
Klausel, die gewährleistete, dass mein Besuch lang<br />
genug sein würde, um bedeutende Gespräche mit<br />
hochrangigen Beamten führen zu können. Sie buchstabierten<br />
praktisch ihren Wunsch nach einer denuklearisierten<br />
koreanischen Halbinsel und einem<br />
auf dem Abkommen von 1994 (…) beruhenden, permanenten<br />
Waffenstillstand im Detail aus.»<br />
«Wir sollten uns überlegen, Nordkoreas<br />
Angebot anzunehmen.» <br />
<br />
Jimmy Carter<br />
Laut Carter ist Pjöngjangs Botschaft stets dieselbe<br />
gewesen: «In direkten Gesprächen mit den Vereinigten<br />
Staaten wären sie bereit, ein Abkommen<br />
zum Abschluss zu bringen, das ihr Nuklearprogramm<br />
unter Aufsicht der Internationalen Atomenergie-Organisation<br />
beendet, und einen dauerhaften Friedensvertrag<br />
abzuschließen, um die ”vorübergehende”<br />
Waffenruhe von 1953 zu ersetzen. Wir sollten<br />
uns überlegen, dieses Angebot anzunehmen. Für<br />
Nordkorea bedeutet die unglückliche Alternative,<br />
jedwede als notwendig erachtete Maßnahme zu ergreifen,<br />
um sich vor dem zu verteidigen, was sie am<br />
meisten fürchten: einen von den Vereinigten Staaten<br />
unterstützten militärischen Angriff und alle Versuche<br />
zu einem Regime Change.»<br />
Blindlings in die Katastrophe<br />
Die meisten Menschen denken, Nordkorea sei<br />
das Problem. Aber das stimmt nicht. Das Problem<br />
liegt bei den Vereinigten Staaten: ihrem Widerwillen,<br />
ein Kriegsende zu verhandeln; ihrem Widerwillen,<br />
dem Norden grundlegende Sicherheitsgarantien<br />
anzubieten; ihrem Widerwillen, sich mit den<br />
Menschen an einen Tisch zu setzen, die – durch<br />
Washingtons eigene unbeugsame Ignoranz – jetzt<br />
dabei sind, ballistische Langstreckenraketen zu entwickeln,<br />
die in der Lage sein werden, amerikanische<br />
Städte zu treffen. Wie dumm kann man sein?<br />
Donald Trump und sein Team verfolgen eine Strategie<br />
weiter, die seit 64 Jahren scheitert und eindeutig<br />
die nationale Sicherheit der USA untergräbt, indem<br />
sie amerikanische Bürger direkt in Gefahr bringt.<br />
Und wofür? Um das Image eines «taffen Typen» aufrechtzuerhalten?<br />
Um die Leute davon zu überzeugen,<br />
dass die USA nicht mit schwächeren Ländern verhandeln?<br />
Um der Welt zu beweisen, dass die USA den<br />
Ton angeben? Geht es darum? Ist das Image wichtiger<br />
als die Verhinderung eines nuklearen Desasters?<br />
Die Beziehungen mit dem Norden können normalisiert<br />
werden: Wirtschaftliche Verbindungen können<br />
verstärkt, Vertrauen wiederhergestellt und die<br />
nukleare Bedrohung entschärft werden. Die Situation<br />
in Korea muss keine Dauerkrise sein. Sie kann<br />
gelöst werden. Man braucht nur einen Politikwechsel,<br />
ein bisschen gegenseitige Kompromissbereitschaft<br />
und Anführer, die sich aufrichtig Frieden mehr<br />
wünschen als Krieg.<br />
So eng beieinander sind die USA<br />
und Nordkorea nur auf Fotomontagen.<br />
Foto: Creative Lab, shutterstock.com<br />
Kim Jong-un soll zwischen 1982<br />
und 1984 geboren worden sein. Es<br />
wird kolportiert, dass er teilweise<br />
in der Schweiz aufwuchs. Foto:<br />
Zennie Abraham, CC BY-ND 2.0,<br />
flickr.com<br />
_ Mike Whitney lebt im US-<br />
Bundesstaat Washington. Der Text<br />
wurde behutsam gekürzt und<br />
erschien zuerst auf counterpunch.<br />
org. Übersetzung: Tino Perlick.<br />
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<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Geschichten von King Kong Un<br />
_ von Jonas Glaser<br />
Über das Alltagsleben in Nordkorea lässt sich nur wenig erfahren.<br />
Den Medien ist das Filmen und Fotografieren nur mit großen Einschränkungen<br />
erlaubt. Die Leerstellen füllt der Comic-Journalismus.<br />
Es ist gleich, ob Kim Jong-uns Propagandabüros<br />
Meldungen über dessen Omnipotenz oder über<br />
die Sichtung eines Einhorns (kein Scherz!) loslassen,<br />
oder ob Westmedien versichern, der Lieblingsfilm<br />
von Kim Jong-il sei Freitag der 13. (1980) gewesen<br />
(in dem eine verwirrte Mutti reihenweise sexbedürftige<br />
Teenager zermetzgert). Es ist ebenso egal, ob<br />
aufreizende Uniformen aus Pjönjangs Verkehrspolizistinnen<br />
heimliche Sexidole machen. Oder ob Kim<br />
Jong-un (laut Fake-Meldung) seine Ex-Freundin, die<br />
Sängerin Hyon Song-wol, wegen Mitwirkens in einem<br />
Pornofilm und dem Besitz einer Bibel exekutieren<br />
ließ – die tibetanischen Gebetsmühlen im Westen<br />
verkünden nur eins: In Nordkorea ist westliche<br />
Ratio aufgehoben, es erscheint als finsteres Traumund<br />
Märchenland. Wem die Flucht ins benachbarte<br />
China gelingt, der flüstert Fürchterliches: Von Schinderei,<br />
Hungersnöten, Tod und Verschwinden in Arbeitslagern.<br />
Also doch ein Horrorfilm?<br />
Ein Glühwürmchen erzählt<br />
Aktuell sorgt der Kurzgeschichtenband Denunziation<br />
(<strong>2017</strong>) für Aufsehen. Den hat angeblich ein<br />
Beamter aus dem nordkoreanischen Propagandaministerium<br />
unter dem Pseudonym «Bandi» (Glühwürmchen)<br />
verfasst und über die Grenze schmuggeln<br />
lassen. Bis heute schreibt er Texte für den «geliebten<br />
Führer» Kim Jong-un, heißt es. Würde er als<br />
Autor dieses Buches enttarnt, es wäre sein Tod. Denunziation<br />
enthält sieben Erzählungen voller Hunger,<br />
Armut und ständiger Überwachung. Erste Story:<br />
Eine Mutter, die den Schlafraum ihres kranken<br />
Kindes mittels Vorhang abdunkelt, wird verhaftet.<br />
Denn vor dem Fenster steht eine Karl Marx-Statue.<br />
Deren Anblick durch einen Vorhang zu behindern –<br />
das kann doch nur Widerstand bedeuten…<br />
50<br />
Das Ryugyong-Hotel befindet sich<br />
seit 1987 im Bau und war das erste<br />
Gebäude außerhalb der USA mit<br />
mehr als 100 Etagen. Foto: Guy<br />
Delisle/Pjöngjang<br />
Wer Mauern baut, schafft Mythen: Man vermutet<br />
Monströses dahinter. Egal, ob King Kong oder<br />
Kim Jong-un. So wird jede Mauer zum Schutzwall –<br />
für beide Seiten. Das gilt auch für die Umzäunung<br />
Nordkoreas. Kein anderes Land verfügt über soviel<br />
Exotik, Surrealismus und Gruselfaszination wie dieser<br />
Megaknast einer post-stalinistischen Erbmonarchie,<br />
die nur wenige Menschen rein-, und noch weniger<br />
rauslässt. Auch im virtuellen Bereich hält das<br />
Land dicht: Der Normalbürger kann nur nationale<br />
Websiten aufrufen.<br />
Aufreizende Uniformen machen<br />
aus Pjöngjangs Verkehrspolizistinnen<br />
heimliche Sexidole.<br />
Das Gros des Foto- und Filmmaterials aus Nordkorea<br />
zeigt meist nur jene Straßen und Plätze, die für<br />
Besucher freigegeben, also unspektakulär sind: Sozialistische<br />
Nachkriegsarchitektur, gewürzt mit trashigen<br />
Monumenten. Deshalb gehört die Comic-Reportage<br />
Pjöngjang (2003) zu den interessantesten<br />
Berichten über dieses geheimnisvolle Land. Entstanden<br />
ist das Genre zwischen den 1970ern und 1990er
<strong>COMPACT</strong> Dossier<br />
Jahren. Comic-Journalisten bereisen Krisengebiete<br />
und berichten das Erlebte, allerdings nicht mit Fotound<br />
Filmkamera. Sie übersetzen die Ereignisse auch<br />
nicht (nur) in Worte – sondern malen sie mit Bildern,<br />
Sprech- und Kommentarblasen aus. So kann der Autor<br />
Ereignisse visualisieren, die nicht gefilmt werden<br />
konnten oder durften. Der Nachteil: Niemand kann<br />
den Wahrheitsgehalt der Darstellungen überprüfen.<br />
Es gibt kaum Privatleben, man<br />
widmet seine Zeit fast gänzlich<br />
dem Staat.<br />
Als Pionier gilt der Japaner Keiji Nakazawa. In<br />
Barfuß durch Hiroshima (1972) schilderte er seine<br />
eigenen Erlebnisse beim Abwurf der Atombombe.<br />
Einen bedeutenden Beitrag zum Genre lieferte Joe<br />
Sacco mit der Graphic-Novel-Reportage Palästina<br />
(1993). Inzwischen ist die Zahl der Nachahmer kaum<br />
mehr überschaubar. Einer ihrer berühmtesten Vertreter<br />
ist der Kanadier Guy Delisle, hauptberuflich<br />
Cartoon-Zeichner. Inzwischen haben westliche Hersteller<br />
von Zeichentrickfilmen ganze Abschnitte der<br />
Produktionsprozesse in Billiglohnländer ausgelagert,<br />
nach China, Burma – und auch Nordkorea. Delisle<br />
wurde beauftragt, die Produktionen dort zu überwachen<br />
und hielt seine Eindrücke in Comic-Reportagen<br />
fest. So entstanden Shenzhen (2000, über China)<br />
und der erwähnte Band Pjöngjang (2003). Später<br />
begleitete er seine Frau bei einem medizinischen<br />
Einsatz in Südostasien, was er in den Aufzeichnungen<br />
aus Birma (2007) dokumentierte.<br />
Der blinde Fleck<br />
Die Faszination des Pjöngjang-Comics liegt besonders<br />
in Aussagen und Reaktionen der Einwohner,<br />
die Delisle mit seinem Malstift verewigt hat. So<br />
zeigt jede gewöhnliche Dokumentation über Nordkoreas<br />
Hauptstadt die Auto- und Fußgängerströme<br />
im Stadtzentrum, aber dem Künstler fiel zusätzlich<br />
auf: Alle Bewohner bewegen sich zügig auf irgendein<br />
Ziel zu. Niemand flaniert, schlendert oder pausiert.<br />
Das aber ist kein Wunder in einem Land, dessen<br />
Bürger meist eine sechs-Tage-Woche abarbeiten<br />
– um am siebten Tag «freiwillige Arbeit» in den<br />
Stadtparks oder beim Streichen verrosteter Autobahnbrücken<br />
verrichten zu dürfen. Und abends erwartet<br />
den erschöpften Bürger im TV erholsame Regierungspropaganda.<br />
an seiner Beklemmung, wenn er sich als alleiniger<br />
Gast eines riesigen, aber menschenleeren Restaurants<br />
portraitiert. Nach endloser Rolltreppenfahrt in<br />
die 90 Meter tief gelegene Metro-Station fragt er<br />
sich, warum eine Stadt, die nicht mal über ausreichend<br />
Strom für all ihre Ampeln verfügt, sich in den<br />
U-Bahnstationen architektonischen Prunk mit verschwenderischem<br />
Kronleuchterlicht leistet.<br />
Besonders packend: Bürger bei unterschwelliger<br />
Verarbeitung ihrer misslichen Lage. Wenn beispielsweise<br />
Zimmermädchen im Hotel Insekten fangen,<br />
um sie dann langsam und genießerisch mit ihren<br />
Schuhabsätzen zu zertreten – dann ahnt der Leser,<br />
wie viel Frustration in diesem Sadismus kompensiert<br />
wird… Schlimmer noch als im westlichen<br />
Kapitalismus gilt Misserfolg in nordkoreanischer<br />
Chu‘che-Ideologie als Tabu. Delisle zeigt auf ein riesiges<br />
Gebäude, dessen Pyramidenform die gesamte<br />
Hauptstadt überragt, und fragt seinen staatlich verordneten<br />
Begleiter nach dessen Funktion. Aber für<br />
den ist es unsichtbar! «Wo denn?» fragt der zurück –<br />
als ob er es nicht sähe. Hintergrund: Es ist das Betonskelett<br />
eines 105-Etagen-Prachtbaus. In ihm sollten<br />
die Teilnehmer der Weltfestspiele 1989 Unterkunft<br />
finden. Zwischenzeitlich wurde der Bau eingestellt,<br />
als Delisle dort war, rottete es vor sich hin. Dieses<br />
Desaster aber einzugestehen, scheint unmöglich.<br />
Weniger lustig wird dieses Tabu, wenn es um<br />
Menschen geht: Delisle bemerkt auf den supersauberen<br />
Straßen Pjöngjangs die völlige Abwesenheit<br />
von Behinderten. Der Begleiter «erklärt» ihm: «Es<br />
gibt keine… Wir sind eine sehr homogene Nation<br />
und alle Nordkoreaner kommen stark, intelligent<br />
und gesund zur Welt.» Wieder einmal fragt sich<br />
der Autor, ob sein Gegenüber solche Sätze selbst<br />
glaubt. Der Leser ebenso – auch noch lange nach<br />
der Lektüre…<br />
Marx muss weichen<br />
«Die nordkoreanischen Behörden<br />
haben Bilder von Wladimir<br />
Lenin und Karl Marx vom Pjöngjanger<br />
Hauptplatz weggeschafft<br />
(…). Die Demontage der Bilder<br />
wurde im Sommer ohne ersichtlichen<br />
Grund durchgeführt.<br />
Man kann vermuten, dass es<br />
mit dem politischen Kurswechsel<br />
in Nordkorea verbunden sein<br />
könnte. (…)<br />
Große Abbildungen der Kommunismus-Anführer<br />
befanden<br />
sich auf dem Kim-Il-sung-Platz<br />
im Laufe von Jahrzehnten, auch<br />
nachdem die Doktrin des Marxismus-Leninismus<br />
im Rahmen<br />
der nordkoreanischen Chu’che-<br />
Ideologie korrigiert wurde.»<br />
(sputniknews, 15.10.2012)<br />
Zentrale der Partei der Arbeit<br />
Koreas auf dem Kim-Il-sung-Platz.<br />
Foto: Mark Fahey, CC BY 2.0, flickr.<br />
com<br />
Ausländische Beobachter schätzen<br />
die Zahl der Kim-Il-sung-Denkmäler<br />
in Nordkorea auf rund 40.000. Foto:<br />
Guy Delisle/Pjöngjang<br />
In diesem Pjöngjang hat das Individuum kaum<br />
Privatleben, sondern widmet die Lebenszeit fast<br />
gänzlich dem Staat und seinem «geliebten Führer».<br />
Der Zeichner lässt den Leser Anteil nehmen<br />
51
Das sind Fakten, keine Hetze!<br />
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Der rote<br />
Raffzahn<br />
Die Agenda 2010 – ausgearbeitet vom jetzigen Bundespräsidenten<br />
Steinmeier, des Ex-Kanzlers Schröder<br />
Bürochef – will er auf den Kopf stellen. Am liebsten ganz<br />
abschaffen. Ohne diese Agenda ginge es Deutschland<br />
heute wirtschaftlich nicht so gut. Abschaffung? Das<br />
fordert die LINKE mit Teilen der SPD. Kandidat Schulz<br />
demütigt unseren Bundespräsidenten. Nachtigall ick hör<br />
Dir trapsen ... Rot-<br />
Will Bundespräsident<br />
Frank-Walter<br />
Steinmeiers<br />
Agenda 2010<br />
abschaffen<br />
und damit<br />
Deutschlands<br />
wirtschaftlichen<br />
Erfolg. Eine<br />
Demütigung<br />
des neuen<br />
Bundespräsidenten.<br />
Dunkelrot-Grün ist<br />
das Ziel. Kandidat<br />
Martin Schulz und<br />
seine erste innenpolitische<br />
Forderung!<br />
Von wegen leben wie ein „kleiner Mann“<br />
Er sagt Einer von uns, verzichtet großzügig<br />
auf EU-Geld, kassiert aber monatlich rund<br />
18.000 Euro aus anderer Quelle. Keiner von<br />
uns. Hat er noch weitere „Nebeneinkünfte“?<br />
So war Schulz in einem Film-Dokument zu<br />
sehen: Er unterschreibt im EU-Parlament die<br />
Anwesenheitsliste, doch reist sofort ab .......<br />
aber kassiert für seine Unterschrift 262 Euro<br />
steuerfreies Sitzungsgeld. Das machte auch<br />
ein österreichischer Sozi. Der wurde gefeuert,<br />
Schulz „geadelt“: Krone des EU-Parlamentspräsidenten.<br />
Die Liste der Schulz-„Nebeneinkommen“ ist<br />
üppig. Von wegen Einer von uns.<br />
Peter Helmes (CDU), konservativer<br />
Autor, hat zu<br />
diesem Thema jetzt eine<br />
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Titel: „Der rote Raffzahn.”<br />
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Helmes zeigt den Kandidaten<br />
Schulz – wie er<br />
wirklich ist.<br />
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Genosse M. Schulz<br />
Der rote Raffzahn<br />
Name:<br />
Vorname:<br />
Straße:<br />
Plz und Ort:<br />
Seine Zeit als Bürgermeister, sein<br />
Stolz, daß er die Schule „geschmissen“<br />
hat, sein Kampf gegen den<br />
Alkohol. Seine Eitelkeit. Seine Komplexe.<br />
Alles über den SPD-Kandidaten<br />
Schulz lesen Sie in dieser<br />
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CO
Flucht aus der BRD<br />
_ von Oliver Flesch<br />
Vor knapp 20 Jahren habe ich mich verliebt in Berlin, damals eine aufregende Metropole.<br />
Doch unser Stadtteil Neukölln ist in die Hände von jener Sorte Ausländer<br />
gefallen, die uns Deutschen das Leben schwer machen. Meine Freundin ist daran fast<br />
kaputtgegangen. Heute leben wir auf Mallorca und sind wieder glücklich.<br />
Erst einmal tief durchatmen. Hab gerade wieder<br />
eine dieser unsäglichen Diskussionen auf Facebook<br />
hinter mir, in der mir ein selbsternannter Experte<br />
weismachen wollte: «Die Behauptung, Frauen würden<br />
sich in Deutschland nicht mehr sicher fühlen, ist<br />
gelogen. Purer Rechtspopulismus.» Habe den Kerl<br />
direkt geblockt. Dem ist nicht mehr zu helfen.<br />
Dass sich unsere Frauen in unserem Land vor Belästigung,<br />
Vergewaltigung und Mord fürchten, ist<br />
eine unwiderlegbare Tatsache, für deren Nachweis<br />
wir noch nicht einmal Zahlen bemühen müssen. Ein<br />
wacher Blick in die Straßen unserer Großstädte<br />
langt völlig. Beispielsweise nach Berlin-Neukölln.<br />
Verführung und Enttäuschung<br />
Wir – meine Clique und ich – wollten nicht normal<br />
sein, damals in den Nullerjahren. Normalität<br />
paart sich ja meist mit Langeweile, uns gierte dagegen<br />
nach einem aufregendem Leben. Unbedingt<br />
wollten wir in die Stadt, die zwar arm, aber eben<br />
auch sexy war und damit unserem Selbstbildnis am<br />
nächsten kam. Unser Credo waren zwei Schlagerzeilen<br />
aus dem Filmklassiker Der eiserne Gustav:<br />
«Du bist verrückt mein Kind, Du musst nach Berlin.<br />
Wo die Verrückten sind, da jehörste hin!»<br />
In meinen ersten drei Jahren hielt unsere Hauptstadt<br />
ihr Versprechen: Berlin ist tatsächlich eine<br />
elektrisierende Stadt, die Dich nicht mehr loslässt,<br />
sobald sie Dich erst einmal in ihren Klauen hat. Also<br />
alles schick in Berlin? Mitnichten. Berlin ist längst<br />
nicht mehr von Sommersprossen übersät, wie in<br />
dem Chanson von Hilde Knef so schön besungen.<br />
Gibt immer noch herrliche Ecken, klar – dort zum<br />
Beispiel, wo die Politiker leben, die aus Berlin die<br />
Stadt mit den meisten türkischen Einwohnern außerhalb<br />
der Türkei gemacht haben.<br />
Möglicherweise würde ich heute noch in Berlin<br />
leben, doch das Schicksal wollte es, dass ich 2012<br />
ein Mädchen aus Neukölln mit dem schönen Namen<br />
Odette kennenlernte. Ich wohnte zu der Zeit<br />
in Kreuzberg 61 und fühlte mich im gentrifizierten<br />
Bergmannkiez sauwohl, doch Odettes Wohnung war<br />
schöner und größer – also zog ich zu ihr. Und damit<br />
begann die Entfremdung zwischen Berlin und mir.<br />
Burka-Dominanz: Straßenszene<br />
aus Neukölln. Foto: picture alliance<br />
/ dpa<br />
«Du bist verrückt<br />
mein Kind, Du<br />
musst nach Berlin.<br />
Wo die Verrückten<br />
sind, da jehörste<br />
hin!»<br />
53
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Gierige Blicke, eklige Sprüche<br />
Wir wohnten in der schönsten Ecke Neuköllns, in<br />
Rixdorf. Hier scheint die Zeit seit zweihundert Jahren<br />
stehen geblieben. Als hätten die Bombenhagel<br />
des Zweiten Weltkriegs einen Bogen um dieses beschauliche<br />
Dorf gemacht. Eine Wohlfühloase also?<br />
Nee, doch nicht so ganz. Rixdorf grenzt an die Sonnenallee<br />
und an die Karl-Marx-Straße, Ecken also,<br />
wo Biodeutsche längst in der Minderheit sind.<br />
Kurz nachdem ich bei Odette eingezogen bin,<br />
sagt sie: «Ich möchte hier lieber heute als morgen<br />
wegziehen.» Neukölln sei eine Art Gefängnis mit<br />
fundamentalistischen Migranten als Wärter.<br />
54<br />
Palme im Hintergrund: Oliver Flesch<br />
mit Fluppe. Foto: Facebook OF<br />
«Es sind vor allem<br />
die türkisch- und<br />
arabischstämmigen<br />
Jugendlichen,<br />
die vermehrt Gewaltdelikte<br />
begehen.»<br />
Kirsten Heisig<br />
_ Oliver Flesch begann seine<br />
Laufbahn in den 1990er Jahren<br />
als Gesellschaftsreporter bei Bild.<br />
Er schrieb ein paar Promi-Biographien<br />
(unter anderem über<br />
Harald Schmidt und Gunter<br />
Gabriel), von denen es Let The<br />
Good Times Roll auf die Spiegel-<br />
Bestsellerliste schaffte.<br />
Der Schauspieler Horst Buchholz stammt aus<br />
Neukölln – und die frühere Mutter der Nation Inge<br />
Meysel, die Sängerin Marianne Rosenberg, der<br />
Sänger Frank Zander und der Fußballer Carsten Ramelow,<br />
ach ja, und der Kabarettist Kurt Krömer; Detlev<br />
Bucks Film Knallhart spielt im Berlins Problemviertel<br />
Nummer 1, und David Bowie benannte einen<br />
Song seines Albums Heroes nach Neukölln. In den<br />
vielen Moscheen erfährt man, dass der Islam dem<br />
Christentum haushoch überlegen ist, und kann lernen,<br />
wie man korangerecht seine Frau verprügelt.<br />
Neukölln hat auf 45 Quadratkilometern mehr Einwohner<br />
(328.045) als die meisten Großstädte unseres<br />
Landes. Hier leben im Verhältnis mehr Ausländer<br />
und «Leute mit Migrationshintergrund» (circa<br />
50 Prozent), mehr Arme (36 Prozent Arbeitslose),<br />
mehr Ungebildete (41 Prozent ohne Ausbildung)<br />
und mehr Verbrecher (etwa 60 Prozent aller Berliner<br />
Straftaten) als irgendwo sonst in Deutschland.<br />
Kurz und gut: Der Stadtteil steht wie kein zweiter<br />
für das, was doch spätestens seit Angela Merkels<br />
Ausspruch von 2009 «Multikulti ist gescheitert» bekannt<br />
ist… Dabei ist Multikulturelles ja nun nichts<br />
Schlechtes per se. Ganz im Gegenteil. Ist doch großartig,<br />
wenn wir Menschen unsere kulturellen Errungenschaften<br />
bündeln, sodass wir vom Besten des<br />
jeweils anderen profitieren können. Nur: Was sind<br />
die kulturellen Errungenschaften, die uns die türkischen<br />
Einwanderer gebracht haben? Dönerbuden?<br />
Schischa-Bars? Wettbüros? Brautmodeläden? Moscheen?<br />
Viel mehr gibt es in Neukölln nämlich nicht.<br />
Und dann wird uns «Multikulti» ja auch noch als<br />
ach so bunt und weltoffen verkauft. Ah ja? So offen<br />
wie die Sehschlitze der Niqabs, von denen man<br />
in Neukölln täglich mehr sieht? Und so bunt wie die<br />
schwarzen Kopftücher und Gewänder, in denen die<br />
Muslimas durchs Viertel laufen?<br />
Oha. Doch so ernst? «Wie man’s nimmt. Ich würde<br />
hier nicht im Minirock rausgehen. Ich würde Dich<br />
auf der Straße nicht leidenschaftlich küssen. Und,<br />
ganz wichtig, ich käme niemals auf die Idee, ohne<br />
Kopfhörer auf den Ohren auch nur einen Schritt vor<br />
die Tür zu machen.»<br />
Ohne Kopfhörer? «Ja. Sie sind mein Schutz.<br />
Habe ich sie auf, versinke ich in meiner Musik, kann<br />
wenigstens so tun, als würde ich die gierigen Blicke<br />
und die ekligen Sprüche der Migranten nicht<br />
bemerken.»<br />
Wie oft kommen gierige Blicke und eklige Sprüche<br />
vor? «Wann kommen sie nicht vor? Sie kommen<br />
immer vor. Und springt man nicht drauf an, rufen<br />
sie einem ”Schlampe”, ”Fotze” oder ”Hure” hinterher.<br />
Am schlimmsten ist es, wenn es mehrere<br />
Jungs sind. Dann wird sich gegenseitig hochgestachelt.<br />
Mich überkommt jedes Mal ein beklemmendes,<br />
ein beängstigendes Gefühl. So ähnlich wie früher<br />
in der Schule, als ich gemobbt wurde und befürchtete,<br />
gleich eine Ohrfeige zu kassieren.»<br />
Das klingt nicht gut. Das klingt nicht richtig. Eine<br />
Frau sollte in ihrer eigenen Stadt, in ihrem eigenen<br />
Land keine Angst haben müssen. Warum sind diese<br />
Männer nur so? Heinz Buschkowsky, zwischen 2001<br />
und 2015 Bezirksbürgermeister in Neukölln, meint<br />
dazu: «Weil es mittlerweile immer mehr gut ausgebildete<br />
Frauen gibt, die sich für den klassischen<br />
Macho-Muslim-Mann nicht mehr interessieren; dieser<br />
Typ Mann holt sich dann ein Mädchen aus der<br />
Türkei und gründet die nächste Großfamilie. Die Kinder<br />
werden wieder nach den Mittelaltermethoden<br />
erzogen; der Höllen-Kreislauf beginnt von vorn.»<br />
Die verstorbene Jugendrichterin Kirsten Heisig<br />
ergänzte in einem Interview mit dem Tagesspiegel<br />
2006: «Es sind vor allem die türkisch- und arabischstämmigen<br />
Jugendlichen, die vermehrt Gewaltdelikte<br />
begehen. Die jugendlichen Opfer, überwiegend<br />
Deutsche, haben inzwischen schon so eine Art
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Resignation entwickelt und sagen: ”Dagegen können<br />
wir nichts machen. Die Gewalt gehört zu unserem<br />
Alltag dazu.” Das ist eine Dimension, die wir<br />
bislang nicht hatten. Und in den letzten zwei Jahren<br />
hat sich die Situation weiter verschärft. Wir stellen<br />
bei den Gewalttätern seit einiger Zeit eine unverblümte<br />
Deutschenfeindlichkeit fest.»<br />
Noch in Neukölln lebend, schnappte ich mir auf<br />
der Karl-Marx-Straße einen Migratenbengel, als<br />
der einem Mädchen im Minirock «Bitch» hinterher<br />
rief. Er war vielleicht 15, 16 Jahre alt. Drauf<br />
angesprochen, meinte er, diese Frauen würden es<br />
nicht anders wollen, sonst würden sie die Männer<br />
ja wohl kaum mit so kurzen Röcken provozieren. Ich<br />
versuchte, ihm zu erklären, dass das Tragen von kurzen<br />
Röcken möglicherweise im wilden Kurdistan<br />
eine Provokation sei, in Deutschland dagegen vollkommen<br />
legitim. Ich denke, es blieb beim Versuch.<br />
Die mallorquinische Freiheit<br />
Im Sommer 2015 wurde uns bewusst, dass das<br />
alles nicht mehr das Berlin war, in das wir uns einst<br />
verliebt hatten. Ich ging, trotz des Jahrhundertsommers,<br />
kaum noch vor die Tür, und Odette hatte sich<br />
eine schwere Depression eingefangen, die sie beinahe<br />
ihr Leben kostete.<br />
So ging es nicht weiter – ich musste mir etwas<br />
einfallen lassen. Dass wir aus Berlin wegmussten,<br />
war klar, nur: wohin? Am Ende wurde es Cala Ratjada<br />
auf Mallorca. Vielleicht die beste Entscheidung<br />
meines Lebens. Hier ist die Welt noch in Ordnung.<br />
Frauen mit Kopftuch sieht man hier in etwa so selten<br />
wie orthodoxe Juden in Neukölln; Frauen ohne<br />
Kopftuch können sich sogar halbnackt im Dunklen in<br />
die entlegensten Ecken trauen; kleine Kinder spielen<br />
bis in die Nacht auf der Straße: ein bisschen<br />
wie im Deutschland der 1950er Jahre also, nur mit<br />
besserer Luft, schöneren Farben, wärmeren Temperaturen<br />
und dem Meer, das nur einen Steinwurf<br />
entfernt ist.<br />
Für Odette war unsere Auswanderung die beste<br />
Therapie. Was Ärzte und Psychologen nicht schafften,<br />
erledigte hier der thermische Wind, der ihre<br />
Depressionen einfach wegblies. Heute braucht sie<br />
nicht mal mehr Pillen, um lächeln zu können – die<br />
Zauberinsel hat ihre Seele geheilt.<br />
Dass wir Deutschen uns in Massen<br />
aus unserer Heimat vertreiben<br />
lassen, kann keine Option sein.<br />
Ich bat Odette eben, mir ein Adjektiv zu nennen,<br />
das ihre mallorquinische Gefühlslage ausdrückt:<br />
«Frei», antworte sie. Gut für sie, gut für mich, gut<br />
für uns. Nützt nur den Frauen in den deutschen Problemvierteln<br />
herzlich wenig. Dass wir Deutschen<br />
uns in Massen aus unserem Heimatland vertreiben<br />
lassen, kann keine Option sein. Für mich gibt es<br />
nur eine Möglichkeit: Die Menschen aus Deutschland<br />
vertreiben, die dafür sorgen, dass sich Frauen<br />
in Deutschland nicht mehr sicher fühlen. Menschen,<br />
über die Bodo Pfalzgraf, Landesvorsitzender<br />
der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), sagt:<br />
«Wer meint, es reiche aus, jungen Migranten einen<br />
deutschen Personalausweis zu schenken, ist schief<br />
gewickelt. Unsere Erfahrungen zeigen, dass gerade<br />
dieser Personenkreis das deutsche Wertesystem<br />
massiv verachtet.»<br />
Im Ghetto<br />
Der Berliner Senat wies große<br />
Teile von Neukölln als «Gebiete<br />
mit besonderem Entwicklungsbedarf»<br />
aus. Was auf Deutsch<br />
heißt: Sie sind verloren. Bereits<br />
2004 warnte Berlins damaliger<br />
Innensenator Ehrhart Körting<br />
(SPD) vor der Entstehung<br />
eines kriminellen Ghettos, in<br />
dem «bestimmte Nationalitäten<br />
ganze Straßenzüge bewohnen».<br />
Und es wird und wird nicht besser.<br />
Eine Schuleingangsuntersuchung<br />
ergab schon 2010, dass<br />
zwei Drittel der Kinder in ihrer<br />
Entwicklung auffällig sind. Konkret<br />
bedeutet das: Sie sind fettleibig,<br />
haben schlechte Zähne,<br />
sind wahrnehmungs- und bewegungsgestört<br />
und können kaum<br />
Deutsch. (OF)<br />
Die von DITIB betriebene Sehitlik-<br />
Moschee in Neukölln ist die zweitgrößte<br />
in Deutschland.<br />
Foto: Marc Dassen<br />
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<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Der Algorithmus als neuer Gott<br />
_ von Jonas Glaser<br />
Der israelische Historiker Yuval Noah Harari befeuert mit seinem<br />
Buch Homo Deus apokalyptische Ängste: Forscher arbeiten an<br />
Mensch-Maschine-Wesen, die sich zu neuen Herrschern über den<br />
Planeten aufschwingen und den Homo sapiens versklaven. Doch<br />
der Autor nährt auch die Hoffnung, dass der Alptraum noch verhindert<br />
werden kann.<br />
Der Homo Deus<br />
behandelt den<br />
Homo sapiens wie<br />
dieser die Tiere.<br />
Der neue Mensch? Foto:TSR Watermark<br />
Image 2011<br />
Wenn sich ein Geisteswissenschaftler blamieren<br />
will, muss er nur eine steile Prognose formulieren.<br />
Die tritt nämlich nie ein, weil die Realität zu<br />
komplex ist. Ist der Flop erkennbar, versucht der Superintellektuelle<br />
seine Vorhersagen rückwirkend so<br />
weit umzudeuten, dass sie irgendwie doch wieder<br />
passen, damit die Blamage sich in Grenzen hält. So<br />
geschehen bei dem US-Politologen Francis Fukuyama,<br />
der 1992 Das Ende der Geschichte vorhersagte,<br />
oder dem kultigen Autoren-Duo Toni Negri und<br />
Michael Hardt mit ihren neokommunistischen Utopien<br />
in den Werken Empire, Multitude, Common<br />
Wealth (1999-2010).<br />
Eine selbstzerstörende Prophezeiung<br />
Aktuell stürzen sich die Medien auf die Zukunftsspekulationen<br />
des Historikers Yuval Noah Harari.<br />
Dem war erst 2013 mit Eine kurze Geschichte<br />
der Menschheit ein Weltbestseller gelungen: Ein<br />
Schnelldurchlauf von den Anfängen des Homo sapiens<br />
bis zur Gegenwart. Ebenso universell, diesmal<br />
von der Gegenwart in die Zukunft zielend, ist sein<br />
neues Werk Homo Deus (2016).<br />
Mainstreammedien wie die FAZ rezensieren<br />
das Werk so, als versuche es eine Prognose. Tut es<br />
aber nicht. Will es auch gar nicht. Mit Hararis eigenen<br />
Worten möchte er – im Gegenteil – eine Gegenwehr<br />
des Lesers provozieren: «Alle Prognosen,<br />
die diesem Buch Würze verleihen, sind nichts weiter<br />
als der Versuch, heutige Dilemmata zu erörtern,<br />
und eine Einladung, die Zukunft zu verändern. Wenn<br />
man voraussagt, die Menschheit werde versuchen,<br />
Unsterblichkeit, Glück und Göttlichkeit zu erlangen,<br />
dann ist das in etwa so, als würde man prognostizieren,<br />
dass Menschen, die ein Haus bauen, in ihrem<br />
Vorgarten einen Rasen haben wollen. Es klingt sehr<br />
wahrscheinlich. Doch erst, wenn man es laut ausspricht,<br />
kann man darangehen, über Alternativen<br />
nachzudenken.» Der Autor rechnet also Tendenzen,<br />
die er bei IT-Forschern im Silikon Valley beobachtet,<br />
zu einem Science-Fiction-Szenario hoch – um<br />
zu dessen Verhinderung aufzurufen. Das unterscheidet<br />
sein Buch wesentlich vom Gros der Medien, die<br />
nur Angst verbreiten.<br />
Bisher, so erklärt Harari, habe die Menschheit<br />
gegen drei große Übel gekämpft: Hunger, Krankheit<br />
und Krieg. Ein Trio des Grauens, das fast jede Gene-<br />
56
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
ration heimsuchte, um dessen Ausbleiben man die<br />
Götter anflehte. Inzwischen habe sich die Situation<br />
geändert: Alle drei seien gründlich analysiert und<br />
werden bekämpft. Brechen sie dennoch aus, wisse<br />
jeder: Da war menschliches Versagen im Spiel. Beim<br />
Krieg tragen politische Fehlentscheidungen (aktuell<br />
in Syrien), beim Ausbruch von Ebola schlechte medizinische<br />
Versorgung die Schuld. Das Horror-Trio<br />
stehe nicht mehr für «unvermeidbare Tragödien» –<br />
und deshalb sei die Zeit gekommen, dass sich die<br />
Wissenschaft neuen Zielen zuwende – der Durchsetzung<br />
von Unsterblichkeit, Glück und Göttlichkeit.<br />
Auf dem Weg zum Homo Deus<br />
Zeitgleich zum Verlöschen des religiös fundierten<br />
Seelen- und Jenseitsglaubens versucht die Medizin,<br />
das Problem des Todes auf ihre Weise zu lösen:<br />
In nicht allzu ferner Zukunft könnte der Mensch<br />
seine Organe in regelmäßigen Abständen erneuern<br />
oder austauschen lassen. Und wäre erst mal der<br />
Code der limitierten Zellteilung geknackt, stünde<br />
einer Unsterblichkeit nichts mehr im Wege.<br />
Das Problem: Diese Unsterblichkeit werden sich<br />
nur wenige Menschen leisten können. Wie jetzt<br />
schon die Kassen nicht mehr alle Kostenexzesse<br />
der Apparatemedizin und Pharmaindustrie decken,<br />
dürfte die Unsterblichkeit erst recht zum Privileg<br />
weniger Hochbetuchter werden – zumal die Mehrheit<br />
der Menschen in Zukunft eher ein geringeres<br />
als ein höheres Einkommen erzielen dürfte, da ihre<br />
Arbeitskraft aufgrund der Computerisierung nicht<br />
mehr gebraucht wird. Auch wenn «künstliche Intelligenzen»<br />
womöglich niemals Bewusstsein haben<br />
werden, so sind sie in vielerlei Hinsicht genauso<br />
leistungsfähig wie Menschen: Schon heute können<br />
Testhörer in der Regel zwischen computergenerierten<br />
Gedichten und Kompositionen und menschlicher<br />
Lyrik und Musik nicht mehr unterscheiden…<br />
Wäre erst mal der Code der limitierten<br />
Zellteilung geknackt, stünde<br />
einer Unsterblichkeit nichts<br />
mehr im Wege.<br />
Woran das liegt? Weil, so die Vermutung von<br />
IT-Forschern wie Ray Kurzweil, nicht nur mathematisches,<br />
rationales Denken, sondern auch «irrationale»<br />
Emotionen, Empfindungen oder Kreativität<br />
gewissen Algorithmen folgen. Wären die geknackt,<br />
ließen sich auch durch sie hervorgebrachte<br />
Funktionen auf digitaler Basis erstellen. Auf dieser<br />
Grundlage würde auch der Übergang vom Organischen<br />
zum Digitalen fließend. Das ermöglichte die<br />
Produktion von Cyborgs – Mischwesen aus Mensch<br />
und Maschine –, die sich als Homo Deus über den<br />
Homo sapiens erheben würden.<br />
Was daran stimmt: Schon heute können Beinoder<br />
Armprothesen auf Gedankenbefehl ihres Trägers<br />
reagieren. Und Google entwickelt derzeit ein<br />
System, das Schreibtastaturen künftig überflüssig<br />
macht: Der vom Autor gedachte Text würde dann<br />
mittels elektronischer Hirnimpulse vom Rechner in<br />
Schrift umgesetzt werden. Bald schon könnte der<br />
Mensch seine psycho-physischen Fähigkeiten durch<br />
Anschluss seines Hirns an Mega-Prothesen und Datenspeichern<br />
zu ungeahnter Größe ausweiten – das<br />
wäre das Ende des Menschen, wie man ihn bisher<br />
kennt. Nicht das Individuum, dessen «Authentizität»<br />
von der Neurobiologie zerlegt wurde, sondern der<br />
Algorithmus wäre dann der neue Souverän – und<br />
damit der Konzern, der ihn speichert und anwendet.<br />
Harari stellt die Frage, wie dieser Homo Deus<br />
mit den verbliebenen Menschen umgehen würde.<br />
Und er verbreitet nicht gerade Optimismus, wenn<br />
er darauf hinweist, wie der Homo sapiens seinerseits<br />
seine weniger intelligenten Vorgänger behandelt,<br />
also die Tiere. Seit der Aufgabe der Jäger- und<br />
Alicia Vikander als Android Ava<br />
in dem britischen Spielfilm Ex<br />
Machina. Foto: Universal Pictures<br />
International<br />
Das Buch erschien beim Verlag<br />
H.C.Beck für 24,95 Euro. Foto:<br />
H.C.Beck<br />
_ Jonas Glaser schrieb in <strong>COMPACT</strong><br />
5/<strong>2017</strong> über Thomas Münzer.<br />
57
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Hararis Irrtum<br />
«Indem er Computerprozessen<br />
Intelligenz zuschreibt –<br />
künstliche Intelligenz – wiederholt<br />
Harari die weit verbreitete<br />
Auffassung, dass die<br />
künstliche Intelligenz schon<br />
menschliche Fähigkeiten überholt<br />
habe. Jedoch liefert er keine<br />
Belege, um zu zeigen, dass Computer<br />
zu irgendeinem intentionalen<br />
Verhalten fähig wären.<br />
Dies ist kaum verwunderlich,<br />
da selbst die besten Computer<br />
so wenig Motive haben wie ein<br />
Taschenrechner. Die Jeopardyund<br />
Schachspielchampions wie<br />
IBMs Supercomputer Watson<br />
und Deep Blue funktionieren wie<br />
Mikrowellenherde. Der großartige<br />
Physiker Richard Feynman<br />
bemerkte einst vor vielen Jahren,<br />
ein Computer sei ,ein glorifiziertes,<br />
hochklassiges, sehr<br />
schnelles, aber dummes Ablagesystem‘,<br />
das von einem unendlich<br />
dummen Büroangestellten<br />
(dem Hauptprozessor) bedient<br />
wird, der blind Anweisungen<br />
(des Softwareprogramms)<br />
befolgt. Diese rein Symbole verarbeitenden<br />
Maschinen können<br />
nie Symbole verstehende<br />
Maschinen sein.» (Norman<br />
Lewis, «Homo Deus – die Herabsetzung<br />
des Menschen»,<br />
novo-argumente.com)<br />
Finger mag auch ein Computer<br />
bewegen können. Doch Gefühle<br />
und Empfindungen sind keine Frage<br />
der Rechnerleistung. Foto: Lawanda<br />
Sinclair, Amazing Wallpapers<br />
Sammlerkulturen, seit seiner Sesshaftwerdung hat<br />
der Mensch alle anderen Lebewesen rücksichtslos<br />
vernutzt. Der überzeugte Veganer Harari präsentiert<br />
im Detail die Versklavung, Ausbeutung und Tötung<br />
der Tiere. Ähnliches, so vermutet er, würden posthumane<br />
Intelligenzen auch mit dem Menschen veranstalten.<br />
Die Rettung des Homo sapiens<br />
Der Autor überrascht immer wieder, wenn er<br />
nachweist, wie weit diese Szenarien sich bereits<br />
in der Umsetzung befinden. Lässt sich die aufgezeigte<br />
Entwicklung überhaupt noch verhindern? Harari<br />
hat lediglich die Hoffnung, dass die Theorien der<br />
Forscher doch nicht praxistauglich sind. Im letzten<br />
Kapitel stellt er alle Silicon-Valley-Dogmen in Frage<br />
und zweifelt, «ob sich Leben wirklich auf Datenströme<br />
reduzieren lässt», ob die Algorithmen wirklich<br />
Subjektivität erzeugen können. Außerdem könne<br />
sich herausstellen, dass «Organismen gar keine<br />
Algorithmen sind». Seine einzige Hoffnung besteht<br />
also darin, dass die IT-Forschung sich irrt.<br />
Das verwundert nicht, da bereits im 20. Jahrhundert<br />
die bittere Erkenntnis aufkam, dass sich<br />
der Mensch von seinen selbstgeschaffenen Systemen<br />
und technischen Erfindungen nicht mehr befreien<br />
kann. All seine Kreationen – von der Atombombe<br />
bis zur Embryonenzüchtung – haben längst eine<br />
Eigendynamik entwickelt. Zusätzlich stellt sich die<br />
Frage, ob es überhaupt noch viele Menschen gibt,<br />
die diese Entwicklung stoppen wollen…<br />
Vor wenigen Monaten antwortete der US-Informatiker<br />
David Gelernter auf die Frage, warum er<br />
zusätzlich Judaistik (jüdische Religionsgeschichte)<br />
studiert habe: Weil die IT-Wissenschaft keine Erklärung<br />
für Geist und Bewusstsein habe, suche er in der<br />
religiösen Tradition danach. Diese Aussage provozierte<br />
einen Shitstorm. Mancher Leserbrief sprach<br />
dem IT-Forscher sogar jede Fachkompetenz ab. Woher<br />
diese Wut? – Vielleicht ist vielen Zeitgenossen<br />
die Vorstellung von einem nicht auf Daten beziehungsweise<br />
Biochemie reduzierbaren Leben (oder<br />
gar die Vorstellung einer «Seele») gar nicht recht?<br />
Vielleicht wäre manch einer froh, wenn Computer<br />
das Weltgeschehen in die Hand nähmen? Womöglich<br />
fühlt sich ein Großteil der Menschen von der<br />
Verwaltung des Planeten überfordert? Vielleicht ahnen<br />
sie, dass der Mensch scheitern könnte? – Wer<br />
hätte gedacht, dass von den Antworten auf diese<br />
Urfragen des Menschen einmal dessen Fortbestand<br />
abhängen könnte? Vielleicht ist der Vorstoß der Moderne,<br />
auf Sinngebung zu verzichten, eine Überforderung<br />
für uns alle? Dann wäre die Hypothese, die<br />
ein Rezensent der Wochenzeitung Die Zeit formulierte,<br />
dass man dieser Dystopie «eine neue humane<br />
Erzählung» entgegenstellen könne, nur lachhaft<br />
naiv.<br />
Vielleicht ist vielen Zeitgenossen<br />
die Vorstellung einer «Seele» gar<br />
nicht recht?<br />
So bleibt tatsächlich nur die Hoffnung, dass die<br />
Forschung an Grenzen stößt, dass die Natur ihre<br />
letzten Geheimnisse nicht preisgibt, dass sich das<br />
Phänomen des Lebens nicht auf Informationsprozesse<br />
reduzieren lässt. Wenn nicht, ließe sich das<br />
präsentierte Alptraumszenario allenfalls verzögern,<br />
nicht aber verhindern.<br />
58
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Vorspiel zum Inferno<br />
_ von Jan von Flocken<br />
Vor 400 Jahren bestieg ein katholischer Habsburger den böhmischen Königsthron –<br />
und schleuderte eine Fackel der Intoleranz gegen seine protestantischen Untertanen,<br />
die ein 30-jähriges Feuer entzündete.<br />
Im ehrwürdigen Veitsdom auf der Prager Burg<br />
begann am 29. Juni 1617 ein Verhängnis, das binnen<br />
weniger Monate in eine europäische, vor allem<br />
aber deutsche Katastrophe münden sollte. Mit feierlichem<br />
Pomp wurde der 38-jährige Erzherzog Ferdinand<br />
von Österreich zum böhmischen König gekürt.<br />
Er war bereits der sechste Habsburger, welcher die<br />
Krone des Heiligen Wenzel trug. Der Fall schien also<br />
wenig spektakulär – dennoch hätten die Böhmen<br />
wissen müssen, wen sie sich da ins Haus holten.<br />
Ferdinand würde in absehbarer Zeit auch die Kaiserkrone<br />
des Deutschen Reiches erben, denn deren<br />
Träger, sein kinderloser Cousin Matthias, lag<br />
schwerkrank in Wien. Anders als der konziliante<br />
und schwache Matthias («Ein Mann von Herrschsucht<br />
aber gänzlich ohne die Kraft, sie zu verwirklichen»)<br />
verstand sich Ferdinand als fanatischer<br />
Glaubenskrieger für die katholische Religion. «Besser<br />
eine Wüste regieren als ein Land voller Ketzer»,<br />
lautete sein Grundsatz. Doch seine neuen böhmischen<br />
Untertanen hingen seit Jahrzehnten mehrheitlich<br />
dem evangelischen Bekenntnis an. Konflikte<br />
waren damit vorprogrammiert und die Weichen zum<br />
Dreißigjährigen Krieg gestellt.<br />
Bücherverbrennung und Fenstersturz<br />
Schon in seinen österreichischen Erblanden Steiermark,<br />
Kärnten und Krain gab Ferdinand ab 1596 erschreckende<br />
Kostproben religiöser Intoleranz ab. Er<br />
hob die von seinem Vater zugebilligte Glaubensfreiheit<br />
auf; es begann eine gewaltsame Unterdrückung<br />
aller Nichtkatholiken, von denen 2.500 das Land verlassen<br />
mussten. Mehr als 10.000 Bücher der Protestanten<br />
wurden vor dem Stadttor von Graz auf einem<br />
Scheiterhaufen verbrannt. Sogar alle Gemälde mit<br />
Nacktdarstellungen aus der berühmten Sammlung<br />
von Kaiser Rudolf II. fielen den Flammen zum Opfer.<br />
Auch in Böhmen setzten bald die Verfolgungen<br />
ein. Obwohl Ferdinand vor seiner Krönung in Prag<br />
feierlich versprochen hatte, sämtliche im sogenannten<br />
Majestätsbrief von 1609 festgeschriebenen Privilegien,<br />
darunter freie Religionsausübung für jedermann,<br />
zu respektieren, hielt er sich nicht daran.<br />
Zahlreiche evangelische Kirchen wurden auf seinen<br />
Befehl hin niedergerissen. Wie häufig entzündete<br />
sich der Streit an einer Kleinigkeit. Die Schließung<br />
der evangelischen Kirche im Städtchen Braunau an<br />
der Steine (Broumov) brachte die Bürger Ende 1617<br />
dermaßen in Rage, dass sie sich mit Gewalt widersetzten.<br />
Als dann auch noch das erste in Böhmen errichtete<br />
reformierte Gotteshaus, die Kirche in Klostergrab<br />
(Hrob), zerstört wurde, war das Maß voll. Die<br />
böhmischen Stände beriefen daraufhin eine Vollversammlung<br />
auf Prags Burg Hradschin ein. Als am 23.<br />
Mai 1618 die zwei kaiserlichen Statthalter Jaroslav<br />
von Martinitz und Wilhelm Slavata mit einem Sekretär<br />
erschienen, kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung.<br />
Sie endete damit, dass die drei Herren<br />
«nach altböhmischer Sitte fenestriert», also aus dem<br />
Fenster in den 17 Meter tiefer gelegenen Burggraben<br />
geworfen wurden. Sie landeten auf einem Misthaufen<br />
und kamen mit dem Schrecken davon.<br />
Aufstand der Böhmen<br />
Danach eskalierte der Konflikt, zumal Ferdinand<br />
(seit Juli 1618 auch König von Ungarn) jetzt immer<br />
rücksichtsloser in die Belange des Deutschen Reiches<br />
eingriff. Der todkranke Kaiser Matthias wurde<br />
nahezu entmündigt und sein Chefberater Kardinal<br />
Melchior Khlesl, ein Mann des religiösen Ausgleichs,<br />
abgesetzt und verhaftet. Die couragierte Kaisergemahlin<br />
Anna von Tirol versuchte nach Kräften zu ver-<br />
Gleich vier Mal – 1419, 1483, 1618<br />
und 1948 – erlebte Prag einen<br />
Fenstersturz. Der unfeine Rauswurf<br />
der kaiserlichen Stadthalter<br />
aus der Burg im Jahre 1618 löste<br />
den Dreißigjährigen Krieg aus. Hier<br />
dargestellt von Wenzel von Brozik<br />
1889. Bild: picture-alliance / akgimages<br />
Die aus dem Fenster<br />
Gestürzten landeten<br />
auf einem<br />
Misthaufen.<br />
_ Jan von Flocken hat gerade<br />
die erste Ausgabe in der Reihe<br />
<strong>COMPACT</strong>-Geschichte vorgelegt:<br />
1000 Jahre Deutsches Reich.<br />
Unsere Geschichte, unsere Leistungen,<br />
unser Stolz (siehe Seite 2).<br />
59
<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
Vier Fensterstürze<br />
Der im Text geschilderte Fenstersturz<br />
des Jahres 1618 war<br />
nicht der einzige in der Prager<br />
Geschichte, der historische<br />
Wirkung hatte. «Die Opfer<br />
des ersten Prager Fenstersturzes<br />
im Jahr 1419 überlebten diesen<br />
nicht. Ursache waren auch<br />
hier religiöse Auseinandersetzungen.<br />
Aufgebrachte Anhänger<br />
des Reformators Jan Hus<br />
warfen katholische Ratsherren<br />
aus dem Fenster des Neustädter<br />
Rathauses auf den heutigen<br />
Karlsplatz. Die Ratsherren fielen<br />
direkt auf die Spieße der auf<br />
dem Platz versammelten Menschenmenge.<br />
Dieses blutige<br />
Ereignis löste die sogenannten<br />
Hussitenkriege aus, die das Land<br />
zwei Jahrzehnte lang erschütterten.<br />
Im Jahr 1483 dann warfen<br />
Prager Bürger den damaligen<br />
Bürgermeister aus dem<br />
Fenster des Rathauses, um einer<br />
geplanten Verschwörung katholischer<br />
Stadträte entgegenzuwirken.<br />
(…) Der jüngste Fenstersturz<br />
stammt aus der Neuzeit,<br />
aus dem Jahr 1948. Damals<br />
fiel unter mysteriösen Umständen<br />
der damalige Außenminister<br />
Jan Masaryk aus dem Fenster<br />
seines Büros. Masaryk war<br />
Sohn des Republikgründers Thomas<br />
G. Masaryk und der einzige<br />
Nichtkommunist in einem stalinistischen<br />
Kabinett.» (planetwissen.de)<br />
mitteln, aber Frauen hatten damals in den Gefilden<br />
der Politik nur wenig zu bestellen. In Böhmen kam es<br />
zu ersten Kampfhandlungen zwischen kaiserlichen<br />
Truppen und den Streitkräften des Landtages, der<br />
sich in Prag als Gegenregierung konstituiert hatte.<br />
Wobei der Streit eher formal um die wahre Glaubenslehre<br />
ging – tatsächlich war er gespeist vom<br />
Streben der böhmischen Stände, ihre Macht und<br />
Souveränität im Deutschen Reich zu vergrößern.<br />
Nach dem Tod von Kaiser Matthias am 20. März<br />
1619 sollte Ferdinand fünf Monate später zum Römisch-Deutschen<br />
Kaiser gekrönt werden. Noch bevor<br />
diese Zeremonie in Frankfurt am Main stattfand,<br />
erklärte der böhmische Landtag Ferdinand «als Feind<br />
der wahren Religion» für abgesetzt. Er habe «den<br />
Freiheiten und Privilegien des Königreiches zuwidergehandelt»,<br />
hieß es, und «sich hiermit der Regierung<br />
und Herrschaft selbst entblößt». Die Stände wählten<br />
stattdessen Friedrich V. von der Pfalz, einen evangelischen<br />
Fürsten, zum neuen König, wodurch die<br />
Rachsucht des Habsburgers noch mehr angefacht<br />
wurde. Diese «närrischen und aberwitzigen Leute»<br />
in Prag mussten exemplarisch bestraft werden.<br />
Zu den verblüffenden Umständen jener Zeit gehört<br />
die Tatsache, dass der religiöse Wüterich Ferdinand<br />
II. persönlich einen durchaus angenehmen<br />
Charakter aufwies. Ein Zeitgenosse schildert den<br />
Kaiser: «Er war ein heiterer, freundlicher kleiner<br />
Mann mit rotem Gesicht, welcher für jedermann<br />
ein beruhigendes Lächeln hatte. Freimut und Gutmütigkeit<br />
strahlten aus seinen wasserblauen Augen.<br />
Rothaarig, gedrungen und geschäftig, war er<br />
eine ganz und gar nicht eindrucksvolle Erscheinung,<br />
und die Vertraulichkeit seiner Umgangsformen ermutigte<br />
seine Höflinge und Diener, ihn auszunützen.<br />
Freunde und Feinde waren sich einig, dass er ein<br />
umgänglicher Mensch war.» Anderen Berichten zufolge<br />
verkörperte er «eine einfache Natur» und war<br />
«mehr zur körperlichen Betätigung als zum Nachdenken<br />
neigend.»<br />
Leider zählt der Habsburger aber auch zu jenen<br />
historischen Gestalten, die zur falschen Zeit am<br />
falschen Platz agierten. «Es kann mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
davon ausgegangen werden, dass<br />
Ferdinand die gesellschaftspolitischen Probleme<br />
seines Reiches, die Notwendigkeit einer überfälligen<br />
Reichsreform und die konkurrierenden europäischen<br />
Interessenlagen in ihrer Brisanz nie begriffen<br />
hat», urteilt sein Biograf Klaus Koniarek. «Die<br />
Unterordnung seiner staatspolitischen Entscheidungen<br />
unter jene der katholischen Kirche beraubten<br />
ihn der wichtigsten Eigenschaft: die der ausgleichenden<br />
Integrationsfigur, wie sie das Reich wie<br />
nie zuvor gerade jetzt brauchte.»<br />
«Man möge sich auf einen 20-,<br />
30- oder 40-jährigen Krieg gefasst<br />
machen.» Erzbischof von Köln<br />
Und so bauschte sich der böhmische Konflikt mit<br />
Ferdinands tätiger Beihilfe allmählich zum gesamteuropäischen<br />
Krieg. Prophetisch notierte der Erzbischof<br />
von Köln: «Sollte es so sein, dass die Böhmen<br />
im Begriffe stehen, Ferdinand abzusetzen und<br />
einen Gegenkönig zu wählen, so möge man sich nur<br />
gleich auf einen 20-, 30- oder 40-jährigen Krieg gefasst<br />
machen.»<br />
Im Bündnis mit dem Kurfürsten Maximilian von<br />
Bayern marschierten kaiserliche Truppen in Böhmen<br />
ein. Am 8. November 1620 kam es am Weißen<br />
Berg bei Prag zur Entscheidungsschlacht. Die<br />
Böhmen erlitten eine katastrophale Niederlage, Ferdinand<br />
II. folgte seinen Truppen im Triumphzug. Daraus<br />
erwuchs jedoch bald ein jahrzehntelanges Ringen<br />
um die Vorherrschaft in Europa, das namentlich<br />
Deutschland mit Millionen Toten bezahlen musste.<br />
Kurz vor seinem Tod 1637 wurde Kaiser Ferdinand<br />
II. bemerkenswert hellsichtig: «Mit der Ehre und<br />
Pracht von Kaisern und Königen ist es wie bei einem<br />
Schauspiel. Ich finde keinen Unterschied zwischen<br />
den Theaterkönigen und den wirklichen – nur dass<br />
die einen Stunden und die anderen Jahre regieren.»<br />
60<br />
In der Schlacht am Weißen Berg unterlagen die böhmischen<br />
Stände 1620 den Truppen der katholischen Liga. Hier zeitgenössisch<br />
dargestellt durch Pieter Snayers (1592–1666).<br />
Bild: Public Domain, Wikimedia
<strong>COMPACT</strong> Kolumnen<br />
Unsere Helden _ Hildegard von Bingen<br />
Hildegard von Bingen (1089–1179) ist bekannt<br />
als mittelalterliche Mystikerin – diese Bezeichnung<br />
wird ihrem Wirken aber nicht gerecht. Sie war eine<br />
der geachtetsten Persönlichkeiten ihrer Zeit und ist<br />
eine absolute Ausnahmeerscheinung des europäischen<br />
Mittelalters. Schon zu Lebzeiten wurde sie<br />
als Heilige verehrt, viele Menschen suchten sie<br />
auf und baten sie um Rat und Hilfe. Ihr umfangreiches<br />
Werk ist das einer Universalgelehrten, es zeugt<br />
von einer ganzheitlichen, umfassenden Schau der<br />
Schöpfung und des Menschen im Kosmos. Als Heilige,<br />
Ärztin, Dichterin, Komponistin, «Prophetin» und<br />
Leiterin eines Frauenkonvents erinnert sie uns an<br />
die heiligen Frauen und Seherinnen («Disen») aus<br />
der germanischen Zeit, von denen Tacitus und andere<br />
berichten. Häufig wird vergessen, dass germanische<br />
Traditionen und Auffassungen nicht einfach<br />
ausstarben, sondern noch Jahrhunderte nach der<br />
Christianisierung im Volk und in der Sprache weiterlebten<br />
und in das christliche Gottesverständnis<br />
der Deutschen hineinwirkten. Die Naturverbundenheit<br />
der St. Hildegard ist eine weitere Auffälligkeit,<br />
die eher an heidnische Traditionen erinnert und die<br />
dem alttestamentarischen Auftrag «Macht Euch die<br />
Erde untertan» eigentlich widerspricht: «Die Kräuter<br />
bieten einander den Duft ihrer Blüten an, ein<br />
Stein strahlt seinen Glanz auf den anderen. Alles,<br />
was lebt, hat einen Urtrieb nach liebender Umarmung.<br />
Auch steht die ganze Natur dem Menschen<br />
zu Diensten, und in diesem Liebesdienst legt sie<br />
ihm freudig ihre Güter ans Herz.» (Liber Vitae Meritorum)<br />
Immer wieder begegnen wir bei Hildegard<br />
dem Resonanz-Gedanken: Alles klingt und schwingt<br />
und ist miteinander verbunden, die ganze Schöpfung<br />
ist eine göttliche Symphonie. Unsere Seele ist<br />
das Klangbild der himmlischen Harmonie.<br />
heit folgte sie im Alter von 42 Jahren ihrem inneren<br />
Auftrag, ihre Stimme zu erheben und das erschaute<br />
Wissen aufzuschreiben. Da sie nun ihrem Gewissen<br />
gehorchte und sich nicht mehr vor ihrer Aufgabe<br />
drückte, verschwand auch die Krankheit. Hildegards<br />
psychosomatisches Verständnis von Krankheit und<br />
Gesundheit gründet auch in dieser Erfahrung.<br />
Hildegard von Bingen, hier auf<br />
einer Postkarte von 1910, wurde<br />
nach fast 350-jähriger Diskussion<br />
spätestens 1584 heiliggesprochen.<br />
Foto: picture-alliance / akg-images<br />
Hildegard war das zehnte Kind des rheinfränkischen<br />
Edelfreien Hildebert von Bermersheim-Alzey<br />
und seiner Frau Mechthild. Im Alter von acht Jahren<br />
wurde sie zur Erziehung in die Obhut ihrer Verwandten<br />
Jutta von Sponheim gegeben. Deren Klause<br />
befand sich auf dem Disibodenberg, einem ehemaligen<br />
germanischen Heiligtum. 1147/48 gründete<br />
Hildegard ihr eigenes Kloster auf dem Rupertsberg,<br />
dem sie bis zu ihrem Lebensende als Äbtissin vorstand.<br />
Schon als Kind sah sie viele Dinge klar und deutlich,<br />
was bei ihren Mitmenschen häufig Befremden<br />
auslöste. Anders als die typischen Mystikerinnen<br />
ihrer Zeit – etwa Elisabeth von Schönau oder Gertrud<br />
die Große – hatte sie ihre Visionen aber nicht in<br />
einem Zustand der ekstatischen Entrücktheit, sondern<br />
bei vollem Bewusstsein. Nach schwerer Krank-<br />
Als Äbtissin führte Hildegard Korrespondenz mit<br />
den bedeutendsten Persönlichkeiten ihrer Zeit, darunter<br />
waren die Päpste Eugen III., Anastasius IV.,<br />
Hadrian IV. und Alexander III., die Erzbischöfe von<br />
Köln, Salzburg, Trier und Mainz sowie Kaiser Barbarossa,<br />
König Heinrich II. von England, König Konrad<br />
III., die Gräfin von Sulzbach und Kaiserin von<br />
Byzanz sowie zahlreiche andere Herzöge, Äbte und<br />
Priester. Der Benediktinermönch Volmar stand ihr<br />
bei der Abfassung ihrer Briefe und Schriften zur Seite,<br />
da sie selbst nicht perfekt Latein konnte. Sie sah<br />
sich als Botschafterin Gottes und wurde auch so<br />
wahrgenommen – man nannte sie «die rheinische<br />
Sybille». Auch ihre Lieder vermitteln ein visionäres<br />
Gottesverständnis.<br />
Die illuminierte Originalhandschrift ihres bedeutenden<br />
Werkes Scivias ist seit 1945 verschollen.<br />
Alles klingt und<br />
schwingt und ist<br />
miteinander verbunden,<br />
und die<br />
ganze Schöpfung<br />
ist eine göttliche<br />
Symphonie.<br />
_ Pia Lobmeyer schrieb in<br />
<strong>COMPACT</strong> 11/2016 über Adelheid<br />
von Burgund.<br />
61
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1
BRD-Sprech _ Verfassungspatriotismus<br />
<strong>COMPACT</strong> Kolumnen<br />
Als der Innenminister Ende April in Bild am Sonntag<br />
seine zehn Thesen zur «Leitkultur für Deutschland»<br />
(nicht etwa zur deutschen Leitkultur) veröffentlichte,<br />
durfte das Wort «Verfassungspatriotismus»<br />
nicht fehlen, das regelmäßig die gequälten Ausführungen<br />
bundesdeutscher Staatsideologen zum Thema<br />
Nation begleitet. Es besagt in etwa, dass Patriotismus<br />
nicht etwa die bejahende Solidarität mit<br />
einem vorgefundenen «Wir» sein soll, sondern die<br />
Akzeptanz bestimmter politischer Werte, deren universelle,<br />
das heißt alle Länder, Völker und Epochen<br />
betreffende Gültigkeit gleichwohl postuliert wird.<br />
Es liegt auf der Hand, dass man eine politische<br />
Solidargemeinschaft, die als solche von anderen<br />
gleichartigen Gemeinschaften unterscheidbar sein<br />
muss, auf dieser universalistischen Basis gerade<br />
nicht definieren kann. Was hier versucht wird, ist<br />
die Erfindung eines Patriotismus, der ohne konkretes<br />
Vaterland auskommt, mithin eine Quadratur des<br />
Kreises, die den Versuchen «moderner» Theologen<br />
entspricht, «Theologie ohne Gott» zu treiben.<br />
Hinter dem Wort «Verfassungspatriotismus»<br />
lauert latent stets der<br />
Bürgerkrieg.<br />
von Leuten, die nicht nur ihre Mitbürger für beliebig<br />
umerziehbar, sondern auch sich selbst zu solcher<br />
Umerziehung für befugt halten. Dies alles<br />
wäre schlimm genug, aber vielleicht noch halbwegs<br />
erträglich, wenn die «Werte», auf die man<br />
sich beruft, tatsächlich die des Grundgesetzes wären.<br />
Bezeichnenderweise gehört der «Verfassungspatriotismus»<br />
aber zu den Lieblingsvokabeln von<br />
Machthabern, die zu zentralen Normen des Grundgesetzes<br />
ein, freundlich formuliert, angespanntes<br />
Verhältnis haben: zur Volkssouveränität – also der<br />
Souveränität eines Kollektivs, dessen Nichtexistenz<br />
von denselben Ideologen postuliert wird, die den<br />
«Verfassungspatriotismus» hochleben lassen –, zur<br />
Rechtsstaatlichkeit, zur Meinungsfreiheit.<br />
Es ist nämlich keineswegs so, dass der «Verfassungspatriotismus»<br />
niemanden ausschließe und damit<br />
irgendwie menschenfreundlicher sei als der traditionelle<br />
Patriotismus. Ganz im Gegenteil: Er impliziert,<br />
dass die Zugehörigkeit zur Nation von der<br />
Bejahung bestimmter politisch-ideologischer Wertvorstellungen<br />
abhängig sein soll und ersetzt damit<br />
die Abgrenzung nach außen durch eine politische<br />
Front, die sich mitten durch das eigene Volk zieht und<br />
durch keinerlei tradierte Gemeinsamkeit mehr gemildert<br />
wird. Hinter dem wohlklingenden Wort «Verfassungspatriotismus»<br />
lauert stets der Bürgerkrieg.<br />
_ Manfred Kleine-Hartlage ist<br />
Publizist und Diplom-Sozialwissenschaftler.<br />
Die Serie ist an sein Buch<br />
«Die Sprache der BRD» angelehnt:<br />
Verlag Antaios, 240 Seiten,<br />
gebunden, 22,00 Euro (Bestellung<br />
über antaios.de).<br />
Sieht so die Uniform künftiger Verfassungspatrioten<br />
aus? Mädchen<br />
2015 in Hanau bei der Eröffnung<br />
der neu fertiggestellten Bait-ul-<br />
Wahid-Moschee. Foto: picture alliance<br />
/ dpa<br />
Zu wirklichem Patriotismus verhält sich der «Verfassungspatriotismus»<br />
wie die «Bevölkerung» zum<br />
Volk. Es handelt sich um die Sprache von Eliten, deren<br />
Ideologie auf einem Minimum an überliefertem<br />
Vokabular aufbauen muss, um ihre Funktion zu erfüllen.<br />
Damit aber niemand diese Begriffe «falsch»<br />
(das heißt richtig) verstehen kann, werden ihnen Zusatzsilben<br />
und -worte kondomartig übergestülpt, die<br />
den ursprünglichen Sinn ins Gegenteil verkehren.<br />
Patriotismus lebt von Solidarität, das heißt von<br />
der Bereitschaft, Opfer zu bringen und den eigenen<br />
Vorteil gegebenenfalls hintanzustellen. Diese Bereitschaft<br />
beruht auf Gegenseitigkeit, wird also auf<br />
Dauer nur zugunsten einer Solidargemeinschaft geübt,<br />
die tatsächlich eine ist: Bei deren Angehörigen<br />
man daher dieselbe Opferbereitschaft als Normalfall<br />
unterstellen kann.<br />
Die bloße Vorstellung, man könne eine solche<br />
über Jahrhunderte gewachsene Gemeinschaft<br />
auf der Basis ideologischer Postulate oder schierer<br />
Propaganda beliebig ausdehnen oder neu definieren,<br />
zeugt bereits vom totalitären Machtwahn<br />
63
<strong>COMPACT</strong> Kolumnen<br />
Sellners Revolution _ Burka-Verbot<br />
Als die Türken im Herbst 1683 zum zweiten Mal<br />
Wien belagerten, wendeten sie eine perfide Technik<br />
an. Ihre Mineure gruben unzählige Stollen und<br />
Tunnel unter das Mauerwerk der Stadt. Während<br />
die Verteidiger auf den Wällen Angriffe abwehrten,<br />
waren die islamischen Feinde oft schon unter ihnen.<br />
Heute ist es genauso. Unzählige islamische<br />
Schläfer warten nur auf die richtige Gelegenheit,<br />
um Lkw in Menschenmassen zu fahren, Ungläubige<br />
zu erstechen oder in die Luft zu sprengen. Für Hunderttausende<br />
Fundamentalisten ist es nur ein winziger<br />
Schritt zum Terrorismus, und Millionen angeblich<br />
moderate Muslimen könnten sich jederzeit radikalisieren.<br />
Die harte Wahrheit ist: Der islamische<br />
Bevölkerungsteil stellt ein großes Sicherheitsrisiko<br />
für alle Europäer dar. Jederzeit und überall kann einer<br />
zum mörderischen «Einzelfall» werden. Während<br />
die Politiker uns einreden wollen, dass wir<br />
uns an dieses omnipräsente Todesrisiko gewöhnen<br />
müssen, wächst dieses proportional zur Verursachergruppe.<br />
Es ist völlig unmöglich, diese rasant expandierende<br />
Masse zu überwachen. Es ist völlig unmöglich<br />
vorherzusagen, welcher Moslem sich morgen<br />
durch ein IS-Video oder eine Salafistenbroschüre<br />
radikalisieren und vom Orient-Macho zum Großstadt-Mudschaheddin<br />
wird. Die Millionen, die für<br />
«Toleranzfeste» und «Liebesdemos» vergeudetet<br />
werden, bleiben so wirkungslos wie die routinemäßigen<br />
Denkmalbestrahlungen in den Nationalfarben<br />
jener Länder, denen der Wüstengott einen<br />
Blutzoll abverlangt hat.<br />
Es ist unmöglich vorherzusagen,<br />
welcher Moslem morgen vom<br />
Macho zum Mudschaheddin wird.<br />
Die einzige nachhaltige Maßnahme gegen Terror<br />
kann nur eine Reduktion des moslemischen Bevölkerungsanteils<br />
sein. Eine zielgerichtete Politik<br />
muss Europa zur No-go-Area für Islamismus machen.<br />
Die Religion Allahs ist mit unserer Religionsfreiheit<br />
ebenso wenig vereinbar wie die Burka mit<br />
unserer Lebensweise. In Angola ist der Islam verboten,<br />
in der Slowakei nicht als Glaubensgemeinschaft<br />
anerkannt. In Österreich wurde immerhin ein<br />
erster Schritt in diese Richtung getan: Auf Initiative<br />
des ÖVP-Ministers Sebastian Kurz und gegen den<br />
Widerstand der mitregierenden Sozialdemokraten<br />
beschloss die Große Koalition ein landesweites Burka-Verbot.<br />
Die islamische Gemeinschaft war durch<br />
die Bank empört – von den vermeintlich Moderaten<br />
bis zu den Salafisten. Einen Test auf die fanatische<br />
Solidarität der Mohammedaner kann jeder<br />
selbst machen, wenn er sich traut: Wer mit einem<br />
«FCK ISIS»-Shirt durch einen Moslem-Bezirk seiner<br />
Wahl geht, wird rasch bitterböse Blicke ernten, obwohl<br />
doch laut Medien der Islam «geschlossen» gegen<br />
den IS steht.<br />
Tatsächlich ist für das Burka-Verbot aber nicht<br />
Sebastian Kurz, sondern der patriotische Widerstand<br />
verantwortlich. Nur wenige Wochen vor dem<br />
Regierungsbeschluss hatten identitäre Aktivisten in<br />
Wien die 20 Meter hohe Statue Maria Theresias mit<br />
einer 40 Quadratmeter großen Burka verhüllt. Das<br />
Erbe dieser großen Frau, so die Botschaft, muss vor<br />
der Islamisierung gerettet werden. Die Umfrageerfolge<br />
der FPÖ und die aufsehenerregenden Aktionen<br />
der IB ließen dem Establishment keine andere<br />
Wahl: Um Strache zu verhindern, musste Kurz zu<br />
Strache werden. Und um das Wachstum der Identitären<br />
Bewegung zu bremsen, müssen sie unsere<br />
Forderungen umsetzen. Doch die Rechnung der Etablierten,<br />
den Widerstand auf der Straße und in den<br />
Parlamenten durch Mimikry zu bremsen, geht nicht<br />
auf. Am Ende geht man lieber «zum Schmied als<br />
zum Schmiedl», wie ein österreichisches Sprichwort<br />
lautet. Von Aktion zu Aktion und von Wahlerfolg zu<br />
Wahlerfolg werden wir die Etablierten weiter vor<br />
uns her treiben, bis sie Schritt für Schritt die Remigration<br />
und Deislamisierung umsetzen.<br />
Im November 2016 verhüllte die<br />
Identitäre Bewegung das Denkmal<br />
von Kaiserin Maria-Theresia in<br />
Wien mit einer überdimensionalen<br />
Burka. Foto: Facebook IBÖ<br />
_ Martin Sellner ist einer der<br />
Köpfe der Identitären Bewegung<br />
Österreich. Regelmäßig veröffentlicht<br />
er aktuelle Video-Ansprachen<br />
auf seinem Youtube-Kanal.<br />
65
<strong>COMPACT</strong> Kolumnen<br />
Bartels Schmäh _ Stadt, Land, Furz<br />
_ Peter Bartels ist seit 50 Jahren<br />
Journalist und war 17 Jahre bei<br />
Bild. 1974 wurde er Unterhaltungschef<br />
in der Hamburger Zentralredaktion.<br />
Von 1989 bis 1991 war<br />
er zusammen mit Hans-Hermann<br />
Tiedje Chefredakteur von Bild –<br />
als das Blatt noch fünf Millionen<br />
Auflage hatte. Im Frühjahr 2016 ist<br />
sein Buch Bild – Ex-Chefredakteur<br />
enthüllt die Wahrheit über den<br />
Niedergang einer einst großen<br />
Zeitung erschienen.<br />
Spaß im Wahl-Karneval: Hannelore<br />
Kraft, Sylvia Löhrmann und Armin<br />
Laschet während eines TV-Auftritts<br />
am 4. Mai in Köln. Foto: picture alliance<br />
/ Oliver Berg/dpa<br />
There is something rotten in the State of Denmark?<br />
Ja, Herr Shakespeare, da auch. Aber auch in<br />
Germoney stinkt es zum Himmel. Auch wenn sich<br />
die meisten immer noch nicht die Nase zuhalten.<br />
Siehe NRW-Wahl. Sie halten sich lieber Ohren, Augen<br />
und Mund zu – wie die drei Shinto-Affen; man<br />
halluziniert sich die Welt halt gerne schön. Prösterchen,<br />
auf Schalleke, Dottmund, Leipsch, Bayern.<br />
Hauptsache der Ball rollt. Rülps! Gott sei Dank gibt<br />
es die SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks.<br />
Die riecht, was in Deutschland stinkt: Diesel. Gülle.<br />
Schweine. Rinder-Fürze. Also ran an die Quelle,<br />
ab auf die Pelle: Eine Schnüffelpolizei muss her…<br />
Nein, keine virtuelle Schnüffel-Stasi, wie der liebe<br />
SPD-Genosse, Justizminister Maas (-Männlein),<br />
sie auf Facebook, Twitter, Youtube täglich von der<br />
Leine lässt. Die SPD-Genossin will analoge Schnüffler,<br />
auch wenn sie nach Gestapo riechen. Richtige<br />
Menschen, Geruchsexperten, die den richtigen<br />
Riecher haben. Diesen kostbaren Rüssel sollen sie<br />
demnächst in bestimmte Stinke-Ecken Deutschlands<br />
stecken – «Snüffeln», wie Homunculus Gollum<br />
in Herr der Ringe. Die Dame will endlich die «unzumutbare<br />
Geruchsbelästigung nach einheitlichen<br />
Standards» bekämpfen, schrieb der offenbar letzte<br />
der einst glorreichen Bild-Reporter, Ralf Schuler,<br />
neulich in der längst rot-grünen Reste-Bild (1,5 Millionen/früher<br />
fünf Millionen).<br />
Der Ex-Ossi (Flurfunk: «Ich habe 20 Jahre DDR<br />
überlebt…») ahnt offenbar, was auf uns alle zukommt:<br />
Die Stasi hatte auf dem Höhepunkt ihres<br />
DDR-Überwachungsstaates sogar Geruchs-, also<br />
Stinkeproben von bestimmten Menschen genommen<br />
und in Weckgläsern «eingemacht», konserviert.<br />
Irre? Ach was, Nazis eben, mal braun, mal<br />
rot… Ganz so weit ist Hendricks, gelernte Lehrerin<br />
und «verheiratete» Lesbe, noch nicht ganz. Ihre<br />
«Anleitung zur Reinhaltung der Luft» ist aber auf<br />
direktem Weg zu den Stasi-Regalen mit den Einmachgläsern.<br />
Die Prüfungskommission heißt jedenfalls<br />
schon mal «Riecher-Kollektiv», wie Schuler fassungslos<br />
bis argwöhnisch schreibt.<br />
Der neue/alte Stasi-Stinkefinger steckt tatsächlich<br />
im Detail: »Die Prüfer dürfen keine alkoholischen<br />
Getränke getrunken haben (…), nicht<br />
hungrig oder durstig sein (…), keine stark gewürzten<br />
Lebensmittel mit ausgeprägtem, lang anhaltendem<br />
Nachgeschmack verzehrt haben (…).» Nach<br />
dem letzten Mampf muss – mindestens – 30 Minuten<br />
Pause sein. Also nix Pilsken, nix Curry, nix Knofi.<br />
Was DDR-Experte Schuler dann schreibt, ist kein<br />
Aprilscherz: «Prüfpersonen mit Geltungsbedürfnis,<br />
häufigem Stimmungsumschwung, Hang zu Rangordnungen<br />
sind ungeeignet.» Jawoll, Genosse Mielke!<br />
Die SPD hat in NRW auf die Fresse<br />
bekommen. Trotz Kim Jong Schulz.<br />
Und auch dies meint die Frau, bei der Gott kaum<br />
an die schöne Helena gedacht haben kann, als er sie<br />
schuf, offenbar ernst: «Der Prüfer nimmt alle zehn Sekunden<br />
eine Riechprobe und registriert das Ergebnis<br />
differenziert nach Geruchsqualität auf einem spezifischen<br />
Datenaufnahme-Bogen (…). Er beurteilt zum<br />
jeweiligen Messzeitpunkt nur den einzelnen Atemzug<br />
und nicht den während der vorausgegangenen<br />
zehn Sekunden gewonnenen Geruchseindruck.»<br />
66<br />
Geht’s noch deutscher? Ja, sozialistischer – hier:<br />
«Der Geruchsanteil ist der Quotient aus der Anzahl<br />
der positiven Riechproben und der Gesamtzahl der<br />
Riechproben während des Messzeit-Intervalls.» Ja,<br />
ja, es ist Wahl in Deutschland. Und die SPD hat im<br />
Saarland auf die Nuss, in Schleswig Holstein auf die<br />
Zwölf und in NRW auf die Fresse bekommen. Trotz<br />
Kim Jong Schulz. Der EU-Millionär hinter der Biedermann-Maske<br />
hat sich eben rumgesprochen. Vor allem,<br />
dass für ihn sogenannte Flüchtlinge wertvoller<br />
sind als Gold. Als roter Adler losgeflogen, als Suppen-Broiler<br />
auf dem Weg zur Sättigungsbeilage von<br />
Honeckers «ewiger Rache» Angela Merkel… Ist das<br />
alles an der SPD-Schnüfflerin, dem grossen Riechkolben,<br />
vorbei gegangen? Ohne, dass sie den Braten<br />
gerochen hat? Muss wohl: Stadt, Land, Furz…
Ein Hilferuf aus Syrien und ein Appell der Syrer an den Rest der Welt!<br />
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Glauben Sie nicht, was Ihnen die Mainstream-Medien<br />
über den Krieg in Syrien erzählen!<br />
■ Tagtäglich berichten die Massenmedien über den<br />
Krieg in Syrien. Zeitungen, Radio und Fernsehen schildern,<br />
wie die USA und ihre Verbündeten gegen das<br />
»verbrecherische Regime Assad« und gegen islamistische<br />
Terroristen vorgehen. Doch dies hat mit der Wirklichkeit<br />
nichts zu tun! Mark Taliano bringt mit diesem Buch<br />
die Wahrheit ans Licht. Hier lesen Sie, was Ihnen die<br />
Massenmedien verschweigen.<br />
Die Menschen in Syrien wissen, wer die<br />
wahren Terroristen sind<br />
Taliano reiste 2016 in das geschundene Land und sprach mit den Menschen,<br />
die dort leben – und er hörte ihnen zu. Nach mehr als 5 Jahren<br />
Terrorismus, der von den USA und der NATO gefördert wird, und nach<br />
mehr als 2 Jahren »befriedender« Luftangriffe der USA, die vor allem<br />
auf die zivile Infrastruktur Syriens abzielen, weiß in Syrien jeder, dass<br />
Washington hinter den Terroristen steckt.<br />
Wer den Syrien-Krieg angezettelt hat und worum<br />
es bei diesem Konflikt wirklich geht<br />
Den Syrern ist klar, dass es sich beim Oberhaupt der säkularen Regierung<br />
Syriens, dem gewählten Präsidenten Baschar al-Assad, nicht<br />
um den Dämon handelt, den die westlichen Medien präsentieren. Sie<br />
wissen zudem, dass Saudi-Arabien und Katar den IS und die Terroris-<br />
ten der al-Nusra-Front im Auftrag der USA finanzieren und ausbilden.<br />
Israel gewährt den Terroristen im Gebiet der besetzten Golanhöhen<br />
Mark Taliano: Was in Syrien<br />
tatsächlich geschieht • gebunden • 123 Seiten<br />
zahlreiche Abbildungen • Best.-Nr. 957 500 • 9.95 €<br />
Unterschlupf, und in Verbindung mit dem türkischen Oberkommando<br />
ist die NATO seit März 2011 daran beteiligt, die Rekrutierung von<br />
Dschihadisten und ihre Entsendung nach Syrien zu koordinieren. Mehr<br />
noch: Die IS-Brigaden sowohl in Syrien als auch im Irak sind in westliche<br />
Spezialeinheiten eingebunden und werden von Militärberatern<br />
unterstützt.<br />
Verstöße des Westens gegen das Völkerrecht<br />
Mark Talianos Buch führt uns vor Augen, was in Syrien wirklich<br />
geschieht. Es zeigt, weshalb die USA dieses Land destabilisieren und<br />
warum sie einen Regierungswechsel herbeiführen wollen. Ziel des<br />
Autors ist nicht zuletzt, den Menschen in Syrien eine Stimme zu<br />
geben. Deshalb beinhaltet dieses Buch zahlreiche »ungefilterte« Aus-<br />
sagen von Syrern und Berichte von Augenzeugen, die die Verbrechen<br />
der USA und die Gräueltaten ihrer Verbündeten schildern.<br />
Telefon (0 74 72) 98 06 10 • Telefax (0 74 72) 98 06 11 • info@kopp-verlag.de • www.kopp-verlag.de<br />
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