COMPACT Magazin 6-2017
Jagd auf Naidoo - Zensur in Deutschland
Jagd auf Naidoo - Zensur in Deutschland
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<strong>COMPACT</strong> Politik<br />
Explosiver Cocktail<br />
Den meisten Lesern dürfte<br />
der mazedonische Fruchtsalat<br />
bekannter sein als das Land<br />
selbst. Die Wortschöpfung verweist<br />
auf die bunte Vermischung<br />
Mazedoniens mit den Nachbarstaaten:<br />
Die Sprache gleicht<br />
dem Bulgarischen, viele Bürger<br />
begreifen sich als Serben – und<br />
mit Griechenland, in dem es eine<br />
Provinz namens Makedonien<br />
gibt, streitet man sich um das<br />
Erbe Alexanders des Großen.<br />
Am gefährlichsten ist freilich der<br />
albanische Bevölkerungsteil: Im<br />
Unterschied zu den christlichen<br />
Slawen handelt es sich um Moslems.<br />
In den Jahrhunderten der<br />
osmanischen Besetzung stellten<br />
sie das Herrenvolk, das die<br />
Ungläubigen schikanieren und<br />
ausbeuten konnte.<br />
In seinen aktuellen Grenzen entstand<br />
Mazedonien als Teilrepublik<br />
von Tito-Jugoslawien. Nach<br />
der Abspaltung 1991 hielt es<br />
sich aus den Kriegen der Milosevic-Ära<br />
vollständig heraus.<br />
Obwohl die albanische Minderheit<br />
niemals unterdrückt wurde,<br />
begann sie 2001 einen blutigen<br />
Aufstand. Der deutsche Außenminister<br />
Joschka Fischer schwadronierte:<br />
«Die albanische Frage<br />
ist wieder offen».<br />
Skopje schützt Europa: Afghanen<br />
vor der geschlossenen griechischmazedonischen<br />
Grenze im Februar<br />
2016 bei Idomeni. Foto: picture alliance<br />
/ AP Photo<br />
Der Pakt von Tirana<br />
Um was geht es? Mazedonien ist ein christlichslawischer<br />
Staat mit einer gefährlichen Minderheit<br />
islamischer Albaner, etwa 25 Prozent der Bevölkerung.<br />
Diese machten 2001 einen Aufstand (ähnlich<br />
wie im benachbarten Kosovo), der von der EU auf typische<br />
Weise befriedet wurde: Die Guerilla musste<br />
die Waffen niederlegen – durfte aber politische Parteien<br />
bilden und wurde mit Ministerposten belohnt.<br />
Seither regiert in Skopje immer eine größere Slawenpartei<br />
mit einem kleineren albanischen Koalitionspartner.<br />
Das wackelige Konstrukt hielt, solange<br />
sich die Minderheitenparteien dem Staatswohl zumindest<br />
auf dem Papier verpflichtet fühlten.<br />
Doch diese Verpflichtung haben sie Ende 2016<br />
aufgekündigt. In einer gemeinsamen Erklärung forderten<br />
die Skipetarenvertreter umfangreiche Sonderrechte<br />
als Vorbedingung für jede künftige Regierungsbeteiligung:<br />
Albanisch müsse zur gleichberechtigten<br />
zweiten Staatssprache werden; deswegen<br />
müssten alle Banknoten sowie auch Hymne und<br />
Flagge des Landes ersetzt werden; alle Gerichtsverfahren,<br />
an denen Bürger ihrer Volksgruppe beteiligt<br />
sind, seien durch internationale Beobachter zu<br />
überwachen. Das ist besonders dreist vor dem Hintergrund,<br />
dass die Minderheitenrechte in Mazedonien<br />
ohnedies großzügiger sind als irgendwo sonst<br />
in Europa. Besonders pikant: Der Forderungskatalog<br />
wurde in Tirana, der Hauptstadt des benachbarten<br />
Albanien, beschlossen, wohin dessen Ministerpräsident<br />
Edi Rama seine mazedonischen Glaubensbrüder<br />
eingeladen hatte. Rama fordert, dass<br />
sich die slawische Republik umwandelt in eine Art<br />
Föderation, die «von zwei gleichberechtigten Entitäten<br />
gebildet wird, Mazedoniern und Albanern» –<br />
ein Aufruf zur Spaltung des Landes. Kotschy sieht<br />
dahinter weitergehende Ziele der Skipetaren: «Ihr<br />
Endziel ist und bleibt seit Jahrzehnten gleich: eine<br />
Sezession in Richtung Großalbanien.» Dazu passt,<br />
dass der durchgetrickste Parlamentspräsident Xhaferi<br />
als eine seiner ersten Amtshandlungen die Flagge<br />
mit dem schwarzen Adler auf rotem Grund auf<br />
seinen Schreibtisch stellte.<br />
Der Verrat der Sozialisten<br />
Ebenfalls zu Jahresende 2016 gab es Parlamentswahlen<br />
im Land. Die konservative Partei VMRO wurde<br />
wieder stärkste Kraft, musste aber Prozentpunkte<br />
an die sozialdemokratische SDSM abgeben. Wie<br />
in früheren Jahren hätte die VMRO dennoch wieder<br />
eine Koalition mit der albanischen DUI bilden können<br />
– doch die forderte die Erfüllung des Tirana-Paktes,<br />
was die VMRO ablehnte. Die Sozis hatten solche<br />
patriotischen Skrupel nicht und unterschrieben<br />
eine Regierungsvereinbarung mit den Separatisten.<br />
«Ihr Endziel ist und bleibt seit<br />
Jahrzehnten gleich: eine Sezession<br />
in Richtung Großalbanien.»<br />
<br />
Kotschy<br />
Der VMRO-nahe Staatspräsident Gjorge Ivanov<br />
weigert sich, ein solches Kabinett zu vereidigen,<br />
im Parlament schob die VMRO die Abstimmungen<br />
zur Regierungsbildung mit Geschäftsordnungstricks<br />
immer wieder hinaus. In dieser Situation beschlossen<br />
die neuen Partner, sich am Gesetz vorbei an die<br />
Macht zu putschen – und der erste Schritt war die<br />
illegale Wahl des albanischen Parlamentspräsidenten,<br />
worauf es zum eingangs geschilderten Sturm<br />
auf das Hohe Haus kam.<br />
EU und USA sind empört, denn tatsächlich hätte<br />
die neue Koalition im Parlament eine rechnerische<br />
Mehrheit. Zurecht aber fragen Präsident Ivanov,<br />
die VMRO und die große Mehrheit der Slawen:<br />
Wie können Kräfte eine Regierung bilden, die die<br />
Verfassung zerstören und die Hälfte des Landes den<br />
Albanern schenken wollen? Und wir übrigen Europäer<br />
sollten uns fragen: Zeigt uns Mazedonien, wie<br />
auch bei uns die islamischen Minderheiten mit Unterstützung<br />
der Linksparteien an die Macht kommen<br />
und die Sprache, Flagge, Hymne, ja die ganze<br />
freiheitliche Grundordnung abschaffen könnten?<br />
42<br />
Bei Redaktionsschluss war die Machtfrage in<br />
Mazedonien noch nicht geklärt, aber der Druck von<br />
USA und EU ist übermächtig.