COMPACT Magazin 6-2017
Jagd auf Naidoo - Zensur in Deutschland
Jagd auf Naidoo - Zensur in Deutschland
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<strong>COMPACT</strong> Titelthema<br />
Jagd auf Xavier Naidoo<br />
_ von Federico Bischoff<br />
Die Marionetten schlagen zurück: Der berühmteste Sohn Mannheims wird als Nazi<br />
verleumdet – weil er die Frustration und die Wut, die viele empfinden, immer wieder<br />
zum Thema macht. Eine neue Art Rassismus stachelt die Hetzmeute an: Gerade dass<br />
ein Dunkelhäutiger sich der Politischen Korrektheit nicht beugt, provoziert den Hass<br />
der Etablierten.<br />
Um als rechtsradikal zu gelten, musste man früher<br />
Landser, die Zillertaler Türkenjäger oder wenigstens<br />
Laibach hören. Heutzutage genügt schon Xavier<br />
Naidoo. Sein neues Album MannHeim hat zu einem<br />
Aufschrei der Gutmenschen-Schickeria geführt,<br />
wie meistens angeführt von den Edelfedern der Bild-<br />
Zeitung. «Aus jeder Zeile tropft das Gift», eröffnete<br />
Nikolaus Blome am 5. Mai das Halali. «Wenn das<br />
Kunst ist, dann ist es ziemlich braune Kunst.» Der<br />
Journalist forderte die Politik zum Einschreiten auf:<br />
«Wenn in einer Bundeswehr-Kaserne ein Hakenkreuz<br />
an die Klotür gekritzelt wird, reist die Verteidigungsministerin<br />
zur Inspektion an. Und bei Naidoo?<br />
Schulterzucken in der ach so gesellschaftlich<br />
engagierten Musiker-Szene. Ein Armutszeugnis. Geschichtsvergessen.»<br />
Was soll das heißen? Muss man die Söhne Mannheims<br />
in Untersuchungshaft stecken wie Franco A.<br />
und seine terrorverdächtigen Kameraden? Immerhin<br />
hat die Grüne Jugend in Bayern den Marschbefehl<br />
der Bild aufgegriffen und trommelt nun für das Verbot<br />
der Naidoo-Konzerte im Freistaat. Radiosender<br />
wie BremenVier und WDR2 beendeten ihre Kooperation<br />
mit der Band.<br />
Zwei Tage später legte der Altachtundsechziger<br />
Reinhard Mohr in der Welt am Sonntag, wie<br />
Bild ein Blatt aus dem Hause Springer, nach: Naidoo<br />
habe sich entschieden, «zum Horst Mahler des<br />
Popgeschäftes zu werden», auch «der Völkische Beobachter<br />
hätte es nicht besser machen können».<br />
Mit Leonie auf der Couch<br />
Man reibt sich die Augen, putzt sich die Ohren:<br />
Hat der Sänger gegen Juden oder Ausländer gehetzt,<br />
einen Führerstaat gefordert, wenigstens für<br />
den Einmarsch in Polen oder in Russland getrommelt?<br />
Mohr kann keine einzige Belegstelle dafür zitieren,<br />
aber ist sich dennoch sicher: «Den ebenso<br />
verschwörungstheoretischen wie antisemitischen<br />
Ton kann niemand ignorieren, der noch alle Sinne<br />
beisammen hat.»<br />
Xavier Naidoo im Januar <strong>2017</strong><br />
während einer Pressekonferenz<br />
in München. Der 45-Jährige war<br />
1995 Mitgründer der Söhne Mannheims.<br />
Bereits 2011 stellte er Strafanzeige<br />
wegen Hochverrats gegen<br />
den damaligen Bundespräsidenten<br />
Horst Köhler und gegen Regierungsmitglieder<br />
wegen deren Verantwortung<br />
für die Finanzkrise.<br />
Foto: picture alliance / Peter Kneffel/dpa<br />
«Horst Mahler des<br />
Popgeschäftes».<br />
Springerpresse<br />
über Naidoo<br />
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