<strong>COMPACT</strong> Politik Explosiver Cocktail Den meisten Lesern dürfte der mazedonische Fruchtsalat bekannter sein als das Land selbst. Die Wortschöpfung verweist auf die bunte Vermischung Mazedoniens mit den Nachbarstaaten: Die Sprache gleicht dem Bulgarischen, viele Bürger begreifen sich als Serben – und mit Griechenland, in dem es eine Provinz namens Makedonien gibt, streitet man sich um das Erbe Alexanders des Großen. Am gefährlichsten ist freilich der albanische Bevölkerungsteil: Im Unterschied zu den christlichen Slawen handelt es sich um Moslems. In den Jahrhunderten der osmanischen Besetzung stellten sie das Herrenvolk, das die Ungläubigen schikanieren und ausbeuten konnte. In seinen aktuellen Grenzen entstand Mazedonien als Teilrepublik von Tito-Jugoslawien. Nach der Abspaltung 1991 hielt es sich aus den Kriegen der Milosevic-Ära vollständig heraus. Obwohl die albanische Minderheit niemals unterdrückt wurde, begann sie 2001 einen blutigen Aufstand. Der deutsche Außenminister Joschka Fischer schwadronierte: «Die albanische Frage ist wieder offen». Skopje schützt Europa: Afghanen vor der geschlossenen griechischmazedonischen Grenze im Februar 2016 bei Idomeni. Foto: picture alliance / AP Photo Der Pakt von Tirana Um was geht es? Mazedonien ist ein christlichslawischer Staat mit einer gefährlichen Minderheit islamischer Albaner, etwa 25 Prozent der Bevölkerung. Diese machten 2001 einen Aufstand (ähnlich wie im benachbarten Kosovo), der von der EU auf typische Weise befriedet wurde: Die Guerilla musste die Waffen niederlegen – durfte aber politische Parteien bilden und wurde mit Ministerposten belohnt. Seither regiert in Skopje immer eine größere Slawenpartei mit einem kleineren albanischen Koalitionspartner. Das wackelige Konstrukt hielt, solange sich die Minderheitenparteien dem Staatswohl zumindest auf dem Papier verpflichtet fühlten. Doch diese Verpflichtung haben sie Ende 2016 aufgekündigt. In einer gemeinsamen Erklärung forderten die Skipetarenvertreter umfangreiche Sonderrechte als Vorbedingung für jede künftige Regierungsbeteiligung: Albanisch müsse zur gleichberechtigten zweiten Staatssprache werden; deswegen müssten alle Banknoten sowie auch Hymne und Flagge des Landes ersetzt werden; alle Gerichtsverfahren, an denen Bürger ihrer Volksgruppe beteiligt sind, seien durch internationale Beobachter zu überwachen. Das ist besonders dreist vor dem Hintergrund, dass die Minderheitenrechte in Mazedonien ohnedies großzügiger sind als irgendwo sonst in Europa. Besonders pikant: Der Forderungskatalog wurde in Tirana, der Hauptstadt des benachbarten Albanien, beschlossen, wohin dessen Ministerpräsident Edi Rama seine mazedonischen Glaubensbrüder eingeladen hatte. Rama fordert, dass sich die slawische Republik umwandelt in eine Art Föderation, die «von zwei gleichberechtigten Entitäten gebildet wird, Mazedoniern und Albanern» – ein Aufruf zur Spaltung des Landes. Kotschy sieht dahinter weitergehende Ziele der Skipetaren: «Ihr Endziel ist und bleibt seit Jahrzehnten gleich: eine Sezession in Richtung Großalbanien.» Dazu passt, dass der durchgetrickste Parlamentspräsident Xhaferi als eine seiner ersten Amtshandlungen die Flagge mit dem schwarzen Adler auf rotem Grund auf seinen Schreibtisch stellte. Der Verrat der Sozialisten Ebenfalls zu Jahresende 2016 gab es Parlamentswahlen im Land. Die konservative Partei VMRO wurde wieder stärkste Kraft, musste aber Prozentpunkte an die sozialdemokratische SDSM abgeben. Wie in früheren Jahren hätte die VMRO dennoch wieder eine Koalition mit der albanischen DUI bilden können – doch die forderte die Erfüllung des Tirana-Paktes, was die VMRO ablehnte. Die Sozis hatten solche patriotischen Skrupel nicht und unterschrieben eine Regierungsvereinbarung mit den Separatisten. «Ihr Endziel ist und bleibt seit Jahrzehnten gleich: eine Sezession in Richtung Großalbanien.» Kotschy Der VMRO-nahe Staatspräsident Gjorge Ivanov weigert sich, ein solches Kabinett zu vereidigen, im Parlament schob die VMRO die Abstimmungen zur Regierungsbildung mit Geschäftsordnungstricks immer wieder hinaus. In dieser Situation beschlossen die neuen Partner, sich am Gesetz vorbei an die Macht zu putschen – und der erste Schritt war die illegale Wahl des albanischen Parlamentspräsidenten, worauf es zum eingangs geschilderten Sturm auf das Hohe Haus kam. EU und USA sind empört, denn tatsächlich hätte die neue Koalition im Parlament eine rechnerische Mehrheit. Zurecht aber fragen Präsident Ivanov, die VMRO und die große Mehrheit der Slawen: Wie können Kräfte eine Regierung bilden, die die Verfassung zerstören und die Hälfte des Landes den Albanern schenken wollen? Und wir übrigen Europäer sollten uns fragen: Zeigt uns Mazedonien, wie auch bei uns die islamischen Minderheiten mit Unterstützung der Linksparteien an die Macht kommen und die Sprache, Flagge, Hymne, ja die ganze freiheitliche Grundordnung abschaffen könnten? 42 Bei Redaktionsschluss war die Machtfrage in Mazedonien noch nicht geklärt, aber der Druck von USA und EU ist übermächtig.
<strong>COMPACT</strong> Dossier Dossier _ Seite 43–51 Nordkorea in Angst Die USA drohen mit dem Weltkrieg: Präsident Trump hat Panzerschiffe vor der Küste des geteilten Landes zusammengezogen und die neuen Raketen im Süden scharf gemacht – doch Kim Jong-un will auf seine Atomwaffen nicht verzichten. Foto: Attila JANDI, shutterstock.com 43