COMPACT Magazin 6-2017
Jagd auf Naidoo - Zensur in Deutschland
Jagd auf Naidoo - Zensur in Deutschland
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<strong>COMPACT</strong> Leben<br />
ration heimsuchte, um dessen Ausbleiben man die<br />
Götter anflehte. Inzwischen habe sich die Situation<br />
geändert: Alle drei seien gründlich analysiert und<br />
werden bekämpft. Brechen sie dennoch aus, wisse<br />
jeder: Da war menschliches Versagen im Spiel. Beim<br />
Krieg tragen politische Fehlentscheidungen (aktuell<br />
in Syrien), beim Ausbruch von Ebola schlechte medizinische<br />
Versorgung die Schuld. Das Horror-Trio<br />
stehe nicht mehr für «unvermeidbare Tragödien» –<br />
und deshalb sei die Zeit gekommen, dass sich die<br />
Wissenschaft neuen Zielen zuwende – der Durchsetzung<br />
von Unsterblichkeit, Glück und Göttlichkeit.<br />
Auf dem Weg zum Homo Deus<br />
Zeitgleich zum Verlöschen des religiös fundierten<br />
Seelen- und Jenseitsglaubens versucht die Medizin,<br />
das Problem des Todes auf ihre Weise zu lösen:<br />
In nicht allzu ferner Zukunft könnte der Mensch<br />
seine Organe in regelmäßigen Abständen erneuern<br />
oder austauschen lassen. Und wäre erst mal der<br />
Code der limitierten Zellteilung geknackt, stünde<br />
einer Unsterblichkeit nichts mehr im Wege.<br />
Das Problem: Diese Unsterblichkeit werden sich<br />
nur wenige Menschen leisten können. Wie jetzt<br />
schon die Kassen nicht mehr alle Kostenexzesse<br />
der Apparatemedizin und Pharmaindustrie decken,<br />
dürfte die Unsterblichkeit erst recht zum Privileg<br />
weniger Hochbetuchter werden – zumal die Mehrheit<br />
der Menschen in Zukunft eher ein geringeres<br />
als ein höheres Einkommen erzielen dürfte, da ihre<br />
Arbeitskraft aufgrund der Computerisierung nicht<br />
mehr gebraucht wird. Auch wenn «künstliche Intelligenzen»<br />
womöglich niemals Bewusstsein haben<br />
werden, so sind sie in vielerlei Hinsicht genauso<br />
leistungsfähig wie Menschen: Schon heute können<br />
Testhörer in der Regel zwischen computergenerierten<br />
Gedichten und Kompositionen und menschlicher<br />
Lyrik und Musik nicht mehr unterscheiden…<br />
Wäre erst mal der Code der limitierten<br />
Zellteilung geknackt, stünde<br />
einer Unsterblichkeit nichts<br />
mehr im Wege.<br />
Woran das liegt? Weil, so die Vermutung von<br />
IT-Forschern wie Ray Kurzweil, nicht nur mathematisches,<br />
rationales Denken, sondern auch «irrationale»<br />
Emotionen, Empfindungen oder Kreativität<br />
gewissen Algorithmen folgen. Wären die geknackt,<br />
ließen sich auch durch sie hervorgebrachte<br />
Funktionen auf digitaler Basis erstellen. Auf dieser<br />
Grundlage würde auch der Übergang vom Organischen<br />
zum Digitalen fließend. Das ermöglichte die<br />
Produktion von Cyborgs – Mischwesen aus Mensch<br />
und Maschine –, die sich als Homo Deus über den<br />
Homo sapiens erheben würden.<br />
Was daran stimmt: Schon heute können Beinoder<br />
Armprothesen auf Gedankenbefehl ihres Trägers<br />
reagieren. Und Google entwickelt derzeit ein<br />
System, das Schreibtastaturen künftig überflüssig<br />
macht: Der vom Autor gedachte Text würde dann<br />
mittels elektronischer Hirnimpulse vom Rechner in<br />
Schrift umgesetzt werden. Bald schon könnte der<br />
Mensch seine psycho-physischen Fähigkeiten durch<br />
Anschluss seines Hirns an Mega-Prothesen und Datenspeichern<br />
zu ungeahnter Größe ausweiten – das<br />
wäre das Ende des Menschen, wie man ihn bisher<br />
kennt. Nicht das Individuum, dessen «Authentizität»<br />
von der Neurobiologie zerlegt wurde, sondern der<br />
Algorithmus wäre dann der neue Souverän – und<br />
damit der Konzern, der ihn speichert und anwendet.<br />
Harari stellt die Frage, wie dieser Homo Deus<br />
mit den verbliebenen Menschen umgehen würde.<br />
Und er verbreitet nicht gerade Optimismus, wenn<br />
er darauf hinweist, wie der Homo sapiens seinerseits<br />
seine weniger intelligenten Vorgänger behandelt,<br />
also die Tiere. Seit der Aufgabe der Jäger- und<br />
Alicia Vikander als Android Ava<br />
in dem britischen Spielfilm Ex<br />
Machina. Foto: Universal Pictures<br />
International<br />
Das Buch erschien beim Verlag<br />
H.C.Beck für 24,95 Euro. Foto:<br />
H.C.Beck<br />
_ Jonas Glaser schrieb in <strong>COMPACT</strong><br />
5/<strong>2017</strong> über Thomas Münzer.<br />
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