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KREIS OLPE - Sauerländer Heimatbund e.V.

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<strong>Sauerländer</strong> <strong>Heimatbund</strong> De Suerländer<br />

sinkender Tage der trostliche Gedanke, daC<br />

•wdrkliche Freundsdiaft niemals — auch ii'ber<br />

das Grab hinaus niidit stirbt.<br />

Sauerlandisciies Volk, mit Johannes Hatz-<br />

feld sank edner Dedner besten Sohne ins<br />

Grab. Schau das Bildnds Hatzfelds an, diesen<br />

scharf profilierten, durchgeistiigten Oharakter-<br />

kopf! VergiB nicht: Dieses BiM verddent einen<br />

Ehrenplatz dn der Galerde der groBten und<br />

bedeutendsten Manner, die das Sauerland<br />

jemais hervorgebracht hat. Doch ndcht genug<br />

damdt. Mehr noch: Der Name JOHANNES<br />

HATZFELD verddent ednen Ehrenplatz<br />

Erinnerung an GrojSvafer<br />

Von Martha Schlinkert<br />

yfiii dem Kamdnsims steht GroBvaters Bild.<br />

^-^'Oft betrachte idi sein liebes lachendes<br />

Gesidit mit den ungfeiahlten Faltchen, und es<br />

ist mir jedesmal, als zwinkere er mar zu:<br />

,,WeiBt du noch, Liitte, damals?" Dane nicke<br />

ich in Erdnnerung.<br />

Liitte nannte mich GroBvater, weil ich ein<br />

kleines zartes Ding war und deshalb in der<br />

Schule immer dn der untersten Bank sdtzen<br />

miuBte. Ach, wde mdch das krankte! Gar zu<br />

gem hatte ich auf der letzten Bank gesessen.<br />

Wo man hinter dem Riicken des Vordermannes<br />

in Deckung gehen konnte, wenn man einmal<br />

nidits konnte.<br />

Als der Lehrer eines Tages verkiindete, am<br />

nachsten Morgen gabe es neue Platze, begann<br />

ich fleberhaft zu iiberlegen, wie ich mit ein<br />

wenig List dem Schdcksal, welter die erste<br />

Bank driicken zu miissen, entgehen konne.<br />

Voller Verzweiflung aB ich mittags drei Teller<br />

veil Erbsensuppe, obwohl sonst die ersten<br />

Loffel schon ndcht rutschen wollten. Dann<br />

setzte ich mdch zu GroBvater auf die Bank am<br />

Kachelofen und verflel in finsteres Briiten.<br />

»Na, Lutte, wo driickt der Schuh?" GroB-<br />

vater sah mdch belustigt an. Zwei dicke Tranen<br />

kullerten aus meinen Aiigen, und unter Stocken<br />

"Jnd Schluchzen erzahlte ich ihm meinen<br />

Kummer.<br />

GroBvater kramte sein rotgewurfeltes<br />

Taschentuch hervor, wischte mir dde Augen<br />

blank und lachte voller Schalk, wde nur er es<br />

•konnte. „Ich ledhe ddr meine Schuhe, Lutte",<br />

trostete er.<br />

„Och'', sagte ich enttauscht, denn was konnte<br />

das schon niitzen.<br />

GroBvater zog an seiner Pleife, kdcherte in<br />

sich hinein und befahl mir, sedne Schuhe aus<br />

der Kammer und Heu von der Deele zu holen.<br />

Da gdng mir ein Licht auf. Ich driickte den<br />

guten Alten, daB Uim dde Luft wegging und er<br />

sich polternd losmachte.<br />

Als GroBvater ganz bedSchtig seine Schuhe<br />

wit Heu auspolsterte, erschienen wieder tau-<br />

send Faltchen dn seinen Augenwinkeln. Nun<br />

n^uBte ich das Gehen iiben. Meine kleinen<br />

FiiBe zogen die Schuhe wie Elbkahne durch<br />

SHB Meschede Sauerlaender <strong>Heimatbund</strong><br />

in Dednem iHerzen, sauerlanddsches Volk! Weit<br />

drauBen dn deutschen Landen; wdrd man dde-<br />

sen Namen noch nennen, wenn die Namen<br />

von tausend EdntagsgroBen langst dm Be-<br />

wu'Btsein der Menschen wie welke Blatter<br />

vom Wdnde verweht sind. Den Namen Johan-<br />

nes Hatafeld, der dm Leben dn mehr als einer<br />

Hdnsicht von programmatischer Bedeutung<br />

war, diesen Namen, der dn ednzdgartiger Weise<br />

ein so reiches, gotterfiulltes lund heimattreues<br />

Leben umscMiefit, darfst Du nde und nimmer<br />

vergessen! Fiirwahr, er hat es um Ddch, um<br />

uns alle verddent! —<br />

das Zdmmer. Der Alte zog an seiner Pfeife und<br />

lachte iiber meine hampeldgen Bewegungen.<br />

Zu guter Letzt ging es leidldch. In der Nacht<br />

traumte ich, meine Stiefel wiichsen ins Riesen-<br />

hafte. In gleichem MaBe schrumpfte das Schul-<br />

gebaude, dem ich zustrebte, in sich zusamm.en.<br />

In AngstschweiB gebadet, wachte ich am<br />

Morgen auf und wartete auf eine Gelegenheit,<br />

mich unbemerkt mit GroBvaters Schuhen iiber<br />

den Schultern hinauszuschleichen.<br />

Die Sonne schien und gab mir meine frohe<br />

Zuversicht wieder. Je naher ich dem Schul-<br />

haus kam, desto mehr schwand sie jedoch und<br />

machte einem groBen Bangen Platz. Ich ver-<br />

barg mich in einem Graben, bis die Sdiul-<br />

glocke rief, und betrat als letzte das Klassen-<br />

zimmer.<br />

Alle umdrangten den Lehrer, der mit der<br />

Verteilung der Platze beginnen woRte. So ge-<br />

lang es mdr, unbemerkt dazwischenzuschlupfen.<br />

Als medn Herz erst wdeder dm gewohnten Takt<br />

schlug, rief ich keck: „Herr Lehrer, ich habe<br />

gestern drei Teller voll Erbsensuppe gegessen!"<br />

Alle lachten, und der Lehrer meinte schmiHi-<br />

zelnd: „Dann wollen wir mal sehen, ob du<br />

iiber Nacht gewachsen bist."<br />

Er steUte mich Riicken an Riicken mit<br />

Kaspars Margret, die mich um ein gutes Stiick<br />

in der Lange uberragte. Mein Herz schlug<br />

einen Trommelwirbel, denn des Lehrers BMck<br />

war zu meinen Schuhen toinuntergeglitten.<br />

Eine Unmutfalte, die sich schon steil in seiner<br />

Stirn eingraben wollte, wurde von einem<br />

plotzlichen Lachen fortgewischt. „Wenn du am<br />

Ende iiber Nacht so weiterwachst, dann wiU<br />

ich dlch doch Ueber igleich in dde letzte Bank<br />

setzen", sagte er, wahrend es rings um mich<br />

zu tuscheln begann. Ich war iiber und iiber rot<br />

geworden und schamte mich meiner Kriegs-<br />

list. Ich offnete schon meinen Mund, um aUes<br />

zu ibeichten, da sah ich in des Lehrers giitiige<br />

Augen, die mir verstandnisinnig zuzwinkerten,<br />

als wiiBten sie um dde Not meines Kinder-<br />

herzens.<br />

Beseligt saB ich in der letzten Bank. Sobald<br />

ich einen Vordermann bekam, verschwand ich<br />

unter der Bank und zog dde driickenden Schuhe<br />

aus.<br />

Das ist meine friiheste Erdnnerung an GroB-<br />

vater, der in der Frohlichkeit seines Herzens<br />

bis zu seinem Tode mit uns Enkelkindern<br />

jung blieb.<br />

© Copyright Sauerlander <strong>Heimatbund</strong><br />

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