MS Ratgeber als PDF downloaden - Medical Service
MS Ratgeber als PDF downloaden - Medical Service
MS Ratgeber als PDF downloaden - Medical Service
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
14 HArNWEGSINFEKTIONEN HArNWEGSINFEKTIONEN 15<br />
HarNweGsiNfeKtioNeN<br />
Wenn sich in den Harnwegen (Harnblase, Harnröhre,<br />
Niere und Prostata) Bakterien (oder andere Mikroor-<br />
ganismen) vermehren, bezeichnet man dies <strong>als</strong> Keim-<br />
besiedelung. Da diese Mikroorganismen die Schleimhäute<br />
angreifen, rufen sie eine Abwehrreaktion des<br />
Körpers hervor. Deshalb gelangen weiße und eventuell<br />
rote Blutkörperchen in den Urin. Sobald eine Keimbesiedelung<br />
klinische Symptome hervorruft, wird sie<br />
<strong>als</strong> Harnwegsentzündung bezeichnet. Besonders<br />
gefährlich ist eine Nierenbeckenentzündung, da Ent-<br />
zündungen der Nieren ein schweres Krankheitsbild<br />
mit Schüttelfrost und Fieber hervorrufen, darüber hinaus<br />
auch Narben am Nierengewebe hinterlassen können.<br />
Harnwegsinfektionen können bei <strong>MS</strong>-Patienten ge-<br />
häuft auftreten. Restharn, eine nicht ausreichend<br />
behandelte Blasenspastik und der Katheterismus<br />
stellen Risikofaktoren für Infekte dar. Dabei ist<br />
das Infektrisiko bei Dauerkathetern um ein Vielfaches<br />
größer <strong>als</strong> beim IK.<br />
KliNiscHe ZeicHeN<br />
Nicht jede Keimbesiedelung der Harnblase muss<br />
behandelt werden. Daher ist es auch nicht sinnvoll,<br />
regelmäßig den Urin, z. B. mit Teststreifen, zu<br />
kontrollieren, wenn man keine Beschwerden hat.<br />
Klinische Zeichen eines Harnwegsinfektes können<br />
Fieber ohne andere Ursache, neu aufgetretener un-<br />
freiwilliger Urinverlust, plötzliche Verkleinerung der<br />
Blasenkapazität, Schmerzen im Unterbauch und der<br />
Harnröhre, verstärkte Spastik, allgemeines Unwohlsein<br />
oder Leistungsverlust sein. Fieber deutet auf<br />
eine ausgeprägte Entzündung hin, die im Extremfall<br />
bis zur Blutvergiftung oder Nierenschädigung fortschreiten<br />
kann und daher dringend und schnell weiter<br />
abgeklärt werden muss.<br />
Ein veränderter Geruch des Urins oder trüber Urin<br />
können erste Zeichen eines Harnwegsinfekts sein,<br />
müssen jedoch <strong>als</strong> alleinige Symptome nicht behandelt<br />
werden, wenn sie die Betroffenen nicht massiv be-<br />
einträchtigen.<br />
diaGNostiK<br />
Bei Verdacht auf einen Harnwegsinfekt sollte der Urin<br />
mittels Teststreifen oder besser durch eine Unter-<br />
suchung mit dem Mikroskop (Urinsediment) untersucht<br />
werden. Finden sich Bakterien und weiße Blut-<br />
körperchen (die Abwehrzellen des Körpers; vermehrte<br />
weiße Blutkörperchen im Urin zeigen an, dass der<br />
Körper die Bakterien bekämpft; bei Nachweis von Bak-<br />
terien ohne weiße Blutkörperchen kann man von<br />
einem »friedlichen Nebeneinander« ausgehen) wird<br />
eine Urinkultur angelegt, um die Art der Bakterien<br />
und die Antibiotika zu ermitteln, gegen die diese Keime<br />
empfindlich sind.<br />
erweiterte diaGNostiK<br />
Bei schweren, fieberhaften Harnwegsinfekten oder<br />
bei immer wiederkehrenden (rezidivierenden) Infekten<br />
sollte zum Ausschluss einer Organbeteiligung immer<br />
eine körperliche Untersuchung und eine Ultraschalluntersuchung<br />
von Nieren, Blase und beim Mann<br />
gegebenenfalls auch der Prostata erfolgen.<br />
BeHaNdluNG<br />
Die Behandlung des akuten Harnwegsinfektes hängt<br />
von dessen Stärke ab. Infekte ohne Fieber und mit<br />
nur wenig Beschwerden können mit einer erhöhten<br />
Trinkmenge (> 1,5 Liter/Tag) behandelt werden.<br />
Auch Preiselbeersaft oder – tabletten sind eine Thera-<br />
piemöglichkeit. Weitere pflanzliche Behandlungsmöglichkeiten<br />
sind der Bärentraubenblättertee, den<br />
man jedoch nur über eine gewisse Zeit und nicht in<br />
zu hohen Dosen (nicht mehr <strong>als</strong> 3 Tassen/Tag) zu sich<br />
nehmen sollte, und eine Mischung aus Kapuzinerkresse<br />
und Meerrettich. Auch homöopathische Medi-<br />
kamente stellen eine Alternative dar, man sollte sich<br />
in diesem Fall jedoch von einem gut ausgebildeten<br />
Homöopathen beraten lassen und auf eine Selbst-<br />
medikation verzichten.<br />
Standardbehandlung ist die Therapie mit Antibiotika.<br />
Ein Antibiotikum ist ein Medikament, das im Körper<br />
die Bakterien tötet bzw. ihr Wachstum und ihre Ver-<br />
mehrung so stark verhindert, dass sie sich nicht<br />
mehr ausbreiten können. Nicht alle Bakterien sind<br />
gegen alle Antibiotika sensibel. Daher sollte vor jeder<br />
Therapie eine Keimtestung erfolgen, um zu wissen,<br />
welches Antibiotikum verabreicht werden muss. Eine<br />
Behandlung sollte bei nicht fieberhaften Infekten<br />
5–7 Tage, bei fieberhaften Infekten 10–14 Tage lang<br />
durchgeführt werden. In dringenden Fällen kann mit<br />
der Behandlung bereits vor Eingang der Keimbestimmung<br />
begonnen werden. Sollte sich dann im Ergeb-<br />
nis zeigen, dass die Bakterien durch dieses Antibiotikum<br />
nicht absterben, muss gegebenenfalls ein Wechsel<br />
des Präparates erfolgen.<br />
Antibiotika sind nicht in der Lage, zwischen von<br />
außen eingedrungenen Erregern und den körpereigenen<br />
Bakterien zu unterscheiden. Daher können<br />
Antibiotika Nebenwirkungen wie Durchfall (durch das<br />
Absterben der schützenden Darmbakterien) oder<br />
Pilzbefall von Scheide, Penis, Mundraum oder Darm<br />
(ebenfalls durch das Vernichten der Standortflora)<br />
hervorrufen. Bakterien können es lernen, sich gegen<br />
bestimmte Antibiotika zu schützen. Zudem kann<br />
man gegen Antibiotika Allergien entwickeln. Da Aller-<br />
gien im schlimmsten Fall lebensbedrohlich sein<br />
können, sollte man sich bei bekannter Allergie einen<br />
Allergiepass ausstellen lassen und diesen bei dem<br />
behandelnden Arzt vorlegen.<br />
Ohne Zweifel sind Antibiotika extrem wichtige Medi-<br />
kamente, um uns Menschen das Überleben von<br />
Infektionskrankheiten zu ermöglichen – ohne sie<br />
wären viele Krankheiten nicht behandelbar.<br />
Gefährlich ist ein zu breiter Einsatz dieser Medikamente.<br />
Unnötig gegebene Antibiotika provozieren die<br />
Entstehung unempfindlicher (resistenter) Keime, die<br />
nur noch erschwert zu behandeln sind; zudem können<br />
sie Nebenwirkungen haben. Daher sollten Antibiotika<br />
gezielt und sparsam eingesetzt werden.<br />
immer wiederKeHreNde/reZidiViereNde<br />
HarNweGseNtZüNduNGeN<br />
Ab vier Harnwegsentzündungen pro Jahr spricht<br />
man von rezidivierenden Infekten. Da diese Infekte<br />
belastend und subjektiv störend sind, sollte ab dieser<br />
Infekthäufigkeit eine Vorbeugung (Prophylaxe)<br />
diskutiert werden.<br />
propHylaXe<br />
Bevor eine Prophylaxe eingeleitet wird, sollten zunächst<br />
alle Ursachen abgeklärt werden, die häufige Harnwegsinfekte<br />
begünstigen: eine schlecht eingestellte<br />
Blasenspastik, Steine oder Fremdkörper in den Harn-<br />
wegen, eine chronische Prostataentzündung und eine<br />
nicht perfekte Kathetertechnik. Bei Patienten, die<br />
nicht mittels Katheterismus entleeren, stellt Resturin<br />
eine Infektquelle dar.<br />
Sind diese Faktoren ausgeschlossen, bestehen<br />
folgende Prophylaxemöglichkeiten:<br />
pflaNZlicHe mediKameNte:<br />
Eine Möglichkeit ist die regelmäßige Einnahme einer<br />
Kombination aus Kapuzinerkresse und Meerrettich.<br />
Bei extrem hoher Dosierung und langer Einnahme sind<br />
selten Nebenwirkungen (Leberschäden) möglich.<br />
Preiselbeer- oder Cranberry-Produkte können ebenfalls<br />
die Häufigkeit von Harnwegsinfekten reduzieren,<br />
aber sie scheinen nur bei bestimmten Bakterienarten<br />
(z. B. E. coli) zu wirken. Gleiches gilt für einen Zucker<br />
(D-Mannose) der im Urin Bakterien bindet und diese in-<br />
aktiviert. Die Wirkung der sogenannten »Blasen- und<br />
Nierentees« ist nicht nachgewiesen.<br />
uriN aNsäuerN:<br />
Durch L-Methionin kann der Säurewert des Urins ge-<br />
senkt werden. Die Wirkung dieser Ansäuerung ist<br />
jedoch beschränkt, da viele Bakterien unabhängig vom<br />
Säuregrad des Urins leben können. Eine nicht-medi-<br />
kamentöse Alternative zur Ansäuerung ist Apfelessig.