Taxi Times Berlin - Juli/August 2017
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BERLIN<br />
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VERLÄSSLICH<br />
AUCH BEI UNWETTER<br />
ZUKUNFTSFORUM<br />
BZP warnt vor Folgen einer<br />
PBefG-Reform<br />
CLEVERES SHUTTLE?<br />
Staat sollte Elektrotaxis statt<br />
privater Konkurrenz fördern<br />
QUALITÄTSDEFENSIVE<br />
Bundesrat schafft Prüfung für<br />
Mietwagen ab
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LIEBE LESERINNEN UND LESER,<br />
die letzten Wochen waren außergewöhnlich. Die unglaublichen Wassermengen,<br />
die an manchem Tag herunterregneten, brachten die halbe Stadt zum Erliegen.<br />
Öffentliche Verkehrsmittel waren am 29. und 30.6. nicht mehr in der Lage,<br />
ihren eigentlichen Auftrag zu erfüllen: <strong>Berlin</strong>er und <strong>Berlin</strong>-Besucher sicher<br />
und pünktlich zu ihren Zielen zu bringen. U-Bahn, S-Bahn, Straßenbahn, Bus<br />
standen buchstäblich unter Wasser. Plötzlich ruhte die Hauptlast der öffentlichen<br />
Mobilitätsversorgung auf den Schultern des <strong>Taxi</strong>gewerbes.<br />
<strong>Berlin</strong>s <strong>Taxi</strong>fahrerinnen und <strong>Taxi</strong>fahrer stellten sich dieser Aufgabe so gut es<br />
ging. Sie riskierten viel, wurden dafür mit höheren Einnahmen belohnt und erlebten<br />
Dinge, die sie so schnell nicht vergessen. Wir berichten darüber ab Seite 6.<br />
Nach wie vor muss sich die Branche mit externen Wettbewerbern auseinandersetzen,<br />
mit Uber, Clever Shuttle und Co. Sie alle versprechen die einfache,<br />
digitale Lösung. Ein Knopfdruck und ein Wagen kommt. Doch wenn ein unvorhergesehenes<br />
Ereignis wie kürzlich jene Regenflut über uns hereinbricht, stoßen<br />
diese einfachen Anbieter schnell an ihre Grenzen.<br />
Schlimmer noch, sie haben sogar mathematische Algorithmen eingebaut, die<br />
dafür sorgen, dass zu solchen Zeiten die Fahrpreise automatisch in astronomische<br />
Höhen steigen. In Ausnahmesituationen wie Ende Juni können sich also nur<br />
noch die superreichen Mobilität leisten, alle anderen hätten „heimschwimmen“<br />
müssen.<br />
Gerade solche Tage machen das <strong>Taxi</strong> so unverzichtbar für eine Gesellschaft.<br />
Gerade deshalb benötigen wir den gesetzlichen Rahmen (Personenbeförderungsgesetz<br />
PBefG) als rechtliche und verlässliche Grundlage für ein Mobilitätsversprechen<br />
zu jeder Stunde und zu allen äußeren Bedingungen.<br />
Gerade deshalb stehen die Politiker in der Verantwortung, dem Drängen der<br />
Lobbyisten von Uber, Clever Shuttle und Co. nach einer Lockerung des PBefG<br />
nicht so einfach nachzugeben. Das wurde auch auf einem vom <strong>Taxi</strong>bundesverband<br />
BZP veranstalteten Zukunftskongresses deutlich, über den wir ab Seite<br />
10 berichten.<br />
Es ist immens wichtig, dass alle aus der <strong>Taxi</strong>branche die richtigen Argumente<br />
gebetsmühlenartig wiederholen. Die Verbandsfunktionäre in den Gesprächen<br />
mit der Politik, <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> mit seinen Publikationen per Print, Online oder App<br />
und jeder einzelne Unternehmer und Fahrer in täglichen Gesprächen mit den<br />
Fahrgästen. Die aktuelle <strong>Taxi</strong>-Kampagne „Verlässlich ist modern“ drückt genau<br />
unsere Stärke aus. „<strong>Berlin</strong> unter Wasser“ ist ein einfaches Beispiel dafür, wie<br />
dieser Slogan zu verstehen ist.<br />
- die Redaktion -<br />
INHALT<br />
PERSONEN<br />
4 PERSONEN Simis Kollegen<br />
4 Simis Kollegen<br />
BERLIN<br />
6 <strong>Berlin</strong> unter Wasser<br />
WETTBEWERB UND GEWERBE<br />
10 BZP-Zukunftsforum<br />
12 Lern-App mit Prüfungssimulation<br />
13 TVB und TD zu Clever Shuttle<br />
13 Eichamt blockiert E-Mobilität<br />
14 Fehlende Fiskaltaxameter<br />
POLITIK UND RECHT<br />
15 Ein Netzwerk im Fokus<br />
16 Ärger mit zugeparkten Busspuren<br />
17 Halten in zweiter Reihe – Gastkolumne<br />
18 Vergessene Verkehrsregeln, Teil 1<br />
ZENTRALE UND VERBÄNDE<br />
20 TZB: Steuerbetrag auf Fahrpreisquittungen<br />
21 TZB: Die Mutter Teresa des <strong>Taxi</strong>-Zentrums<br />
22 Innung: <strong>Taxi</strong>-Gremium gibt Antworten<br />
23 TD: Deutschland schafft sich doch ab<br />
24 TVB: Rad neu erfinden nicht nötig<br />
TIPPS<br />
25 Touristen-Tipp: Stone Brewing in Mariendorf<br />
33 Lesetipps<br />
INKLUSION UND NACHHALTIGKEIT<br />
26 Die ersten fünf Rolli-Taxen wurden übergeben<br />
27 Inklusionsförderung: Senat dämpft Stimmung<br />
28 BMBF: Nachdenken über neue Mobilität<br />
29 Die Revolution lässt warten<br />
WIRTSCHAFTLICHKEIT<br />
30 Kfz-Teile: Ist günstiger genau so gut?<br />
KOLUMNE UND RÜCKBLICK<br />
32 Unverschämte Trinkgeldmuffel<br />
34 Hab’s geschafft – zehn Jahre Rauchverbot<br />
TITELFOTO: Stanislav Statsenko / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
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TAXI JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong><br />
3
PERSONEN<br />
HIS WAY<br />
Die Musikplatten von Elvis Presley, Frank Sinatra und anderen<br />
berühmten Sängern hat unser Kollege Reza zigmal angehört.<br />
Er kann nicht nur die Songtexte, sondern er imitiert die Stars<br />
auch wie kein Zweiter.<br />
Reza Khatami ist 1961 im Iran geboren und hat eine besondere<br />
Begabung. „Ich habe als 13-Jähriger in Teheran bei Stimmenimitations-Wettbewerben<br />
mitgemacht und zweimal hintereinander<br />
gewonnen“. Sein Imitations-Repertoire umfasst auch Dean<br />
Martin, Louis Armstrong, Michael Jackson und noch viele iranische<br />
Mit Fernseh- und Bühnenauftritten hat Reza reichlich Erfahrung<br />
gesammelt. Als die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland<br />
die Programme beherrschte, fand beim Fernsehsender Sat1 ein<br />
Wettbewerb „Morning Star Karaoke“ statt. Mit „My way“ von Frank<br />
Sinatra konnte er bei den Zuschauern mit 96 Prozent punkten und<br />
erreichte den ersten Platz. Drei Jahre später erweiterte er seine Trophäensammlung<br />
mit dem Song „Falling in love“ von Elvis Presley<br />
bei „StarsOver40“.<br />
Auch seinen Beruf hat Reza schon musikalisch verarbeitet: Sein<br />
persischsprachiger <strong>Taxi</strong>song (online auf http://justreza.com/media/<br />
sounds/2005_taxi.mp3 abrufbar) erzählt die Geschichte eines jungen<br />
Mannes, der ins Ausland geht, um zu studieren. Nach dem Studium<br />
findet er keine Arbeit, deswegen wird er <strong>Taxi</strong>fahrer. Unzufrieden<br />
kehrt er in seine Heimat zurück, findet eine gute Arbeitsstelle, aber<br />
das Geld reicht nicht zum Leben aus. Deswegen muss er auch hier<br />
nachmittags als <strong>Taxi</strong>fahrer arbeiten. Der Refrain lautet: Alle, die<br />
studiert haben, werden <strong>Taxi</strong>fahrer. Egal, was du lernst – am Ende<br />
wirst du <strong>Taxi</strong>fahrer.<br />
Reza ist seit Langem im <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>gewerbe zu Hause. Gemeinsam<br />
mit vielen anderen Kollegen ist er für die Abschaffung der „unbezahlten<br />
Wartezeit“ im Stau. „Zeiträuber“, sagt er zur Karrenzminute<br />
und bemängelt außerdem die fehlende politische Unterstützung für<br />
unser <strong>Taxi</strong>gewerbe. Sein Appell an die Kollegen trägt typischerweise<br />
musikalische Züge: „Wir müssen uns gegen die schiefen Töne wehren,<br />
ansonsten gibt es in Zukunft kein <strong>Taxi</strong> mehr“, fügt er noch mit<br />
dem Zeigefinger betonend hinzu. Es ist schön, Kollegen zu haben,<br />
die nicht nur musikalisch Extraklasse sind, sondern sich auch um<br />
die Zukunftssicherung der <strong>Taxi</strong>branche Gedanken machen. Solche<br />
Kollegen wünsche ich mir viel mehr. <br />
hs<br />
SELBER SINGEN: KARAOKE-BARS IN BERLIN<br />
Reza bei „Stars over 40“<br />
Nicht nur beim Fußball, auch bei „Morning Star Karaoke“<br />
gab es einen Pokal zu gewinnen<br />
Sänger und Schauspieler, die nur Rezas Landsleute kennen dürften.<br />
Die politische Lage im Iran war in den Siebzigerjahren instabil<br />
und äußerst brisant. Aus diesen Gründen kam er 1983 nach <strong>Berlin</strong><br />
(West) und arbeitete nach seinem Studium als Beschrifter in einem<br />
Labor. Nachdem er 1992 bei dieser Firma aufgehört hatte, machte er<br />
seinen P-Schein. So vergingen die Jahre, aber seine große Liebe ist<br />
immer noch die eine: die Musik.<br />
„Das ist Balsam für die Seele“, sagt Reza. Während er an der <strong>Taxi</strong>halte<br />
auf Fahrgäste wartet, überbrückt er die meiste Zeit im <strong>Taxi</strong> mit<br />
Singen. Mit seiner Band „Batschehaye <strong>Berlin</strong>“ (übersetzt: <strong>Berlin</strong> Boys),<br />
die 1997 gegründet wurde, spielten sie bereits in London, Glasgow,<br />
Paris und vielen Städten in Deutschland. Sie sind bis heute weiterhin<br />
als Band in der Musik-Szene dabei.<br />
King Karaoke: Charlottenburg, Leibnizstr. 68<br />
(neben der S-Bahn) So-Do 19 bis 2 Uhr, Fr+Sa 18 bis 5 Uhr<br />
Sing City: Charlottenburg-Nord, Reichweindamm 5-9<br />
(nahe Goerdelerdamm) Fr und Sa 21 bis 3 Uhr<br />
Monster Ronson‘s Ichiban Karaoke: Friedrichshain,<br />
Warschauer Str. 34 (ggü. U-Bhf.) täglich 19 bis 4 Uhr<br />
Kim’s Karaoke: Kreuzberg, Mehringdamm 32<br />
(an der <strong>Taxi</strong>halte) täglich ab 20 Uhr<br />
Knutschfleck: Mitte, Alexanderstr. 3 (ggü. Hotel Park Inn)<br />
Di-Do 18 bis 3 Uhr, Fr+Sa 18 bis 4 Uhr<br />
Hafenbar: Mitte, Karl-Liebknecht-Str. 11 (ggü. Fernsehturm)<br />
Fr und Sa 21 bis 5 Uhr<br />
Green Mango: Schöneberg, Bülowstr. 56-57 (in der Sackgasse<br />
Ecke Kulmer Str.) Di-So 19:30 bis 4 Uhr<br />
Mal sehn: Tegel, Alt-Tegel 12 (Zufahrt über Treskowstr.)<br />
Mo-Fr ab 17 Uhr, Sa+So ab 15 Uhr<br />
FOTOS: Simi / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
4 JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong> TAXI
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BERLIN<br />
IM REGENCHAOS VERLÄSSLICH<br />
Als das Tief „Rasmund“ die halbe Stadt unter Wasser setzte, musste der<br />
öffentliche Verkehr passen. Der ganze öffentliche Verkehr?<br />
Nein. Eine unbeugsame Gruppe von mehreren tausend Fahrern in<br />
hellelfenbeinfarbenen Autos hielt die <strong>Berlin</strong>er mobil.<br />
Auf beiden Seiten der Thorwaldsenstraße in Schöneberg<br />
spritzte das Wasser mittags um halb eins drei Meter<br />
hoch. „Im Prellerweg musste ich bei jedem Fußgänger auf<br />
Schrittempo runter. Ich dachte, wenn<br />
ich da vorbeiheize, schlucken die ein<br />
paar Liter Wasser oder ertrinken.“ Da<br />
war Anja S. klar, dass es kein normaler<br />
Platzregen war.<br />
Der 29.6.<strong>2017</strong> wird vielen Menschen<br />
in <strong>Berlin</strong> und Umgebung in Erinnerung<br />
bleiben. Der „nasse Donnerstag“ fing<br />
zunächst ohne besondere Vorkomnisse<br />
an, doch gegen kurz vor zwölf nahm das<br />
Unheil langsam aber unaufhaltsam seinen<br />
Lauf. Es war zwar Regen angesagt gewesen, aber das Ausmaß<br />
erwischte die Stadt kalt. „Es kam wie eine Fontäne herunter, und<br />
meine Scheibenwischer konnten mir die nötige freie Sicht nicht mehr<br />
verschaffen. Als gebürtiger <strong>Berlin</strong>er habe ich sowas noch nie erlebt“,<br />
„Stell dir vor, das Geschäft<br />
wäre in der Hand von<br />
Uber gewesen, die hätten<br />
die Preise garantiert<br />
verzehnfacht.“<br />
Kemal Y., <strong>Taxi</strong>fahrer<br />
sagt der Kollege Fatih K. – und schildert eine besondere Tour: „Vom<br />
Flughafen Tegel hatte ich zum Hotel Zoo zwei ältere Fahrgäste eingeladen,<br />
und als wir endlich aufgrund der Regenmasse, die auf uns niederprasselte,<br />
nach etwas mehr als einer<br />
Stunde dort ankamen, habe ich meinen<br />
Fahrgästen mit ihren zwei großen Koffern<br />
helfen wollen, damit sie in unserer<br />
Stadt nicht noch mehr leiden müssen. Sie<br />
stiegen aus, nachdem Sie bezahlt hatten,<br />
und ich ging zum Kofferraum, öffnete<br />
ihn. Ich überlegte mir, wie es am besten<br />
wäre. Entweder beide Koffer gleichzeitig,<br />
aber die waren nicht nur groß, sondern<br />
auch sehr schwer. Oder einzeln, aber<br />
dann hätte ich zweimal hin und her rennen müssen. Was tun? Bevor<br />
ich meine Entscheidung getroffen hatte, kamen beide Fahrgäste mit<br />
Regenschirmen und halfen mir. Wir watschelten zusammen mit zwei<br />
Koffern durch die neuen Arme der Spree am Kudamm“. Fatih bekam<br />
FOTO: Stanislav Statsenko / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
6 JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong> TAXI
BERLIN<br />
FOTO: Holger Pätzeldt<br />
für seinen Rückweg zum <strong>Taxi</strong> einen Regenschirm geschenkt. „Mit 35<br />
Touren hab’ ich dann die Schicht beendet – dreimal mehr als bei mir<br />
üblich.“ Kollegen wie Fatih sagten, es sei wie Silvester und Weihnachten<br />
zugleich gewesen – allerdings wie in einem eisigen Dezember,<br />
denn die Fahrten hätten viermal so lange gedauert wie gewöhnlich.<br />
BVG und S-Bahn hatten zu dieser Zeit bereits zu kämpfen. Nicht nur<br />
private Keller, auch U-Bahnhöfe wurden zu Wasserbecken, so dass<br />
auf mehreren Abschnitten der Strom abgeschaltet werden musste.<br />
Folglich wollten viele mit einem <strong>Taxi</strong> fahren, hatten aber oft kaum<br />
die Möglichkeit, einen freien Wagen zu bekommen, denn für eine<br />
solche Ausnahmesituation waren nicht genügend Taxen im Einsatz.<br />
Sein Funkgerät hatte Fatih deshalb dauerhaft im Besetzt-Modus.<br />
Überall winkten Fahrgäste auf der Straße oder warteten an den Eingängen<br />
der Hotels auf frei werdende Taxen.<br />
Was aus Sicht des Kollegen nett und lukrativ klingt, war für <strong>Berlin</strong>s<br />
größte <strong>Taxi</strong>vermittlung aber eine große Herausforderung, denn dort<br />
machte sich der Engpass an verfügbaren Taxen deutlich bemerkbar.<br />
„Die Auftragslage hatte was von Silvester, nur dass die Fahrgäste es<br />
Silvester gelassen hinnehmen, dass es kaum freie Taxen gibt. Dieses<br />
Jahrhundertereignis mitten im Sommer war für die meisten von uns<br />
aber quasi Neuland“, berichtet eine Mitarbeiterin der Funkzentrale in<br />
der Persiusstraße. Geschäftsführer Hermann Waldner: „So ein Nachfragehoch<br />
ist natürlich nicht abzusehen, aber wir waren personell<br />
gut aufgestellt. Wir erhielten an besagtem Tag über 40.100 Aufträge.<br />
Das waren gut 14.600 mehr als am Vortag. Die Fahrer hatten alle<br />
Hände voll zu tun.“<br />
WASSERSCHLAG: 3.000 EURO SCHADEN<br />
Wer trotz der widrigen Umstände fuhr, ging ein hohes Risiko<br />
ein: Neben der erhöhten Unfallgefahr durch Aquaplaning war<br />
Land in Sicht, aber kein Straßenbelag<br />
vielerorts schlicht der Straßenbelag unter Wasser nicht mehr zu<br />
sehen. <strong>Taxi</strong>fahrer Bernd V., dessen Schicht erst gegen 17 Uhr<br />
begann, erzählt in nüchternem Ton, der Abend sei „umsatzmäßig<br />
recht gut gelaufen. Ich hatte bestimmt sechs oder sieben<br />
Bundestagsfahrten. Kaum hatte ich mich auf dem Display wieder<br />
frei gemeldet, kam der nächste Auftrag. Ich hatte großes Glück. ▸<br />
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TAXI JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong><br />
7
BERLIN<br />
Ich bin in keinen Stau geraten, außer am Großen Stern in der Altonaer<br />
Straße.“ Kein Durchkommen gab es allerdings in Rummelsburg. Ein<br />
<strong>Taxi</strong> war in der berüchtigten Senke in der Schlichtallee baden gegangen:<br />
Wasserschlag! Der Motor hatte im über einen Meter tiefen Wasser<br />
keine Luft mehr bekommen und stattdessen Wasser angesaugt.<br />
Ein solcher Schaden lässt sich kaum unter 3.000 Euro beheben. Ein<br />
zweiter Kollege war mit seinem <strong>Taxi</strong> herangefahren, um dem Pechvogel<br />
Starthilfe zu geben. Durch den steigenden Wasserspiegel war<br />
die Lage nun für beide hoffnungslos. Glück hatten die anderen: Die<br />
Umfahrung der Stelle klappte problemlos. Die Fahrgäste seien allesamt<br />
nett gewesen und hätten – in dankbarer Ergebenheit – nie ein<br />
Thema daraus gemacht, „ob nun der richtige Fahrgast im richtigen<br />
<strong>Taxi</strong> sitzt. Sie hatten meist lange auf ein <strong>Taxi</strong> gewartet und waren<br />
geradezu glücklich, dass wir so gut vorankamen“, erzählt Bernd.<br />
Das war nicht überall so. Sein Chef Ulrich S., der am frühen Nachmittag<br />
von einem Termin in Tempelhof kam und nun durch den<br />
Sachsendamm zu seinem Betrieb am Bahnhof Schöneberg zurück<br />
wollte, fand sich vor einer „polizeilichen Absperrboje“ wieder. Das<br />
Ganze kostete ihn über eine Stunde. Wäre er später unterwegs gewesen,<br />
hätte es wahrscheinlich noch viel länger gedauert, denn irgendwann<br />
wurde die A 100 voll gesperrt und das Chaos war perfekt.<br />
Wasserfall auf der Stadtautobahn, im Vorbeifahren fotografiert<br />
LANDUNTER IN BERLIN<br />
In 24 Stunden fiel am 29.6.<strong>2017</strong> mehr als doppelt so viel<br />
Regen wie normalerweise im ganzen Juni in <strong>Berlin</strong>. Über<br />
150 Liter Wasser fielen pro Quadratmeter. Die Feuerwehr<br />
hatte rund 1.850 wetterbedingte Einsätze, hauptsächlich zu<br />
überschwemmten oder unterspülten Straßen, vollgelaufenen<br />
Kellern und gefluteten U-Bahnhöfen. Freiwillige Feuerwehren<br />
und das Technische Hilfswerk mussten helfen.<br />
Zu Lande, zu Wasser und in der Luft hieß es „rien ne va plus“.<br />
Am Flughafen Tegel wurden Maschinen umgeleitet und Flüge<br />
gestrichen. Das Nachtflugverbot musste kurzzeitig aufgehoben<br />
werden, um eine Weiterreise der Passagiere zu ermöglichen.<br />
Die Bahnstrecken von und nach <strong>Berlin</strong> waren ebenfalls<br />
betroffen. Teile der Spree und einige Kanäle waren aus<br />
Sicherheitsgründen für den Schiffsverkehr gesperrt worden,<br />
da viele Ufer nicht mehr zu sehen waren. Ein unterspültes Haus<br />
in Charlottenburg musste zeitweise evakuiert werden, da seine<br />
Statik gefährdet war. Am Kurfürstendamm lief ein ehemaliges<br />
Kinogebäude voller Wasser, welches dann im Keller von<br />
Fernwärmeleitungen erhitzt wurde. Eine U-Bahn-Baustelle<br />
nahe dem <strong>Berlin</strong>er Rathaus füllte sich mit Wasser, das in<br />
einen angrenzenden U-Bahn-Tunnel abfloss. Der U-Bahnhof<br />
Biesdorf-Süd musste bis zum nächsten Mittag geschlossen<br />
werden. Zwischen den U-Bahnhöfen Spichernstraße und<br />
Walther-Schreiber-Platz wurde am Freitag ein Ersatzverkehr<br />
mit Bussen und Großraumtaxen eingerichtet.<br />
DIE BILANZ VON „RASMUND“<br />
Der Ausnahmezustand wurde erst am Freitagnachmittag aufgehoben,<br />
zweieinhalb Stunden nachdem die letzte U-Bahn-Linie<br />
ihren regulären Betrieb wieder aufgenommen hatte. Die<br />
Versicherungen kostet der „nasse Donnerstag“ um die 60<br />
Millionen Euro – obwohl gewöhnliche Hausratversicherungen<br />
(ohne Elementarschadenversicherung) keine Schäden durch<br />
Überflutung von außen – wie zum Beispiel vollgelaufene Keller<br />
– bezahlen. Kfz-Haftpflichtversicherungen bezahlen keine<br />
Schäden am eigenen Auto und Teilkaskoversicherungen weder<br />
Schäden, die durch fahrlässiges Befahren überschwemmter<br />
Straßen entstanden sind, noch Schäden durch herabfallende<br />
Ziegel oder Äste bei Windstärken unter 8.<br />
So ist er heilfroh über den Ausgang des Tages: „Wir haben überwiegend<br />
ruhige, besonnene Fahrer, die die Autos pfleglich behandeln.<br />
Durch sie, und natürlich auch mit viel Glück, hatten wir nicht einen<br />
einzigen Schaden an dem Tag.“<br />
HUNDERTE PARTIEN IN TEGEL<br />
Ebenso gut gelaunt erzählt der Kollege Ali A.: „Ich war der Glücklichste“,<br />
und zeigt auf seinen VW Touran. Mit breitem Grinsen fügt<br />
er hinzu, dass er bisher noch nie eine kostenlose Unterboden-Wäsche<br />
gehabt hätte. „An der Gartenfelder Ecke Paulsternstraße stand das<br />
Wasser mindestens einen halben Meter hoch. Mein Fahrgast hatte<br />
mich zum Glück darauf aufmerksam gemacht und meinte, dass es<br />
sich an dieser Ecke, auch wenn es nur ein bisschen regnet, sofort<br />
sammelt und nicht wegfließt. Ansonsten wäre ich womöglich noch<br />
durchgefahren“.<br />
Drei Kilometer weiter staute sich weniger das Wasser als die Fahrgäste:<br />
Am Flughafen Tegel kamen nur vereinzelt Taxen an, um ein<br />
paar der vielen hundert Wartenden an einem der Terminals abzuholen.<br />
So erlebte Bernd V. es abends um neun. Als es ihn eine halbe<br />
Stunde vor Mitternacht erneut zum Lieblingsflughafen der <strong>Berlin</strong>er<br />
verschlug, hatte sich daran augenscheinlich nichts geändert.<br />
DER NOT NOCH ETWAS ABZUGEWINNEN, IST HUMOR<br />
Ebenfalls etwas warten musste Kollege Sebastian D. In der Lietzenburger<br />
Straße hatte er einen Funkauftrag angenommen, und an der<br />
Abholadresse angekommen, kam auch schon der Fahrgast, ungefähr<br />
40 Jahre alt, zum <strong>Taxi</strong> – etwas zu stürmisch. „Das einzige, was ich<br />
noch gesehen habe, waren seine Füße. Er lag plötzlich da – und lachte.<br />
Wenigstens nahm er seine Situation mit Humor. Als ich ihn lachend<br />
im Wasser liegen sah, musste auch ich lachen. Das war ein feuchtfröhlicher<br />
Auftrag geworden.“ Nachdem der Herr sich mit Sebastians<br />
helfender Hand aufgerappelt hatte, ging er, diesmal entspannter, zum<br />
Haus zurück. Sebastian wartete geduldig, und gemeinsam ging es in<br />
frischen Kleidern nach Kreuzberg.<br />
„Stell dir vor, das Geschäft wäre in der Hand von Uber gewesen“,<br />
sinniert Kemal Y. „Die hätten die Preise garantiert verzehnfacht und<br />
allen Leuten ohne dicken Geldbeutel den Stinkefinger gezeigt. Darüber<br />
sollten die Kollegen aus den Uber-Partnerfirmen mal nachdenken.“<br />
Am 29.6. hat <strong>Berlin</strong> erlebt, dass das <strong>Taxi</strong>gewerbe seine Kundschaft<br />
nicht im Regen stehen lässt. Es gibt Situationen, da zeigt sich, wie<br />
modern Verlässlichkeit sein kann. <br />
hs/ar<br />
FOTO: Özgür Bozkurt<br />
8 JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong> TAXI
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WETTBEWERB<br />
ALLE MIT EINER STIMME –<br />
VOM FAHRER BIS ZUM VERBAND<br />
Das große Interesse am BZP-Zukunftskongress in <strong>Berlin</strong> zeigt, dass der<br />
Bundesverband die richtigen Themen angeht – und wo er hingehört.<br />
Erfreulich an der Veranstaltung des<br />
Deutschen <strong>Taxi</strong>- und Mietwagenverbands<br />
(BZP) am 21. Juni war, dass<br />
neben den Funktionären viele Unternehmer<br />
saßen, um die Diskussion der Verkehrsexperten<br />
der Bundesparteien über die Zukunft des<br />
<strong>Taxi</strong>gewerbes hautnah mitzuerleben. Denn<br />
vor der anstehenden Entscheidung über<br />
Reformen des Personenbeförderungsgesetzes<br />
(PBefG) ist es so wichtig wie nie zuvor,<br />
dass die gesamte <strong>Taxi</strong>branche die richtigen<br />
Argumente gebetsmühlenartig wiederholt:<br />
Verbandsfunktionäre in den Gesprächen mit<br />
der Politik, <strong>Taxi</strong>unternehmer bei Behörden<br />
und bei der Schulung ihrer Fahrer und nicht<br />
zuletzt die Fahrer selbst, die im täglichen<br />
Kontakt mit den Fahrgästen die aktuelle<br />
Kampagne „Verlässlich ist modern“ gut nutzen<br />
können, um die Stärke des <strong>Taxi</strong>gewerbes<br />
zum Ausdruck zu bringen.<br />
Schon in seiner Begrüßungsrede fand<br />
BZP-Präsident Michael Müller im vollen<br />
Saal deutliche Worte: Viele, die sich mit der<br />
Modernisierung der Personenbeförderung<br />
beschäftigen, würden mitunter den Eindruck<br />
erwecken, das <strong>Taxi</strong> stünde dem im Wege.<br />
Dabei fehle ihnen aber oftmals jegliches Verständnis<br />
vom <strong>Taxi</strong>gewerbe. Die Branche in<br />
ihrer gesamten Komplexität zu durchdringen,<br />
setze einen tiefen Einblick voraus. Einen<br />
solchen wolle der BZP mit dieser Veranstaltung<br />
geben. Am Ende erwarte er von den<br />
anwesenden Verkehrspolitikern eine klare<br />
Aussage, wie ihre Parteien zur geplanten<br />
Reform des PBefG stehen und was das <strong>Taxi</strong>gewerbe<br />
von ihnen zu erwarten hat.<br />
ERSTAUNLICHE EINMÜTIGKEIT<br />
Vizepräsident Hermann Waldner hob<br />
hervor, dass die Politiker auf diesem Wege<br />
mitgenommen werden müssten, da sie sich<br />
in der Verkehrspolitik mit weitaus mehr zu<br />
befassen hätten als nur mit den Themen des<br />
<strong>Taxi</strong>gewerbes. Deshalb dürfe niemand in<br />
allen Punkten fertige Lösungen erwarten.<br />
Vielmehr sei es die Aufgabe der Insider, die<br />
Politiker in den Details zu informieren und<br />
selbst Lösungsvorschläge zu unterbreiten.<br />
Dann gehörte den Verkehrspolitikern<br />
der im Bundestag vertretenen Parteien das<br />
Podium. Es diskutierten Sabine Leidig (Die<br />
Linke), Kirsten Lühmann (SPD), Stephan<br />
Kühn (Bündnis 90/Die Grünen) – alle seit<br />
2009 im Bundestag und Verkehrspolitische<br />
Sprecher/innen ihrer Fraktionen, und<br />
Michael Donth (CDU), MdB seit 2013 und<br />
Mitglied der Ausschüsse für Verkehr und<br />
digitale Infrastruktur.<br />
Die Linke, SPD und Grüne äußerten in<br />
erstaunlicher Einmütigkeit, den Ordnungsrahmen<br />
im Wesentlichen beibehalten zu<br />
wollen, um die Dienstleistung <strong>Taxi</strong> im<br />
Sinne der Daseinsvorsorge, das heißt zur<br />
Sicherung von Teilhabemöglichkeiten der<br />
gesamten Bevölkerung, zu schützen. Das<br />
<strong>Taxi</strong> sei Teil des ÖPNV. Das PBefG sei ein<br />
unverzichtbares Regelwerk, ohne das es die<br />
notwendige Dienstleistung <strong>Taxi</strong> nicht länger<br />
geben würde. Nur Michael Donth von der<br />
Union ließ in gewohnter Politiker-Rhetorik<br />
das beliebte Hintertürchen offen. Allen Sympathiebekundungen<br />
für das <strong>Taxi</strong> zum Trotz<br />
bezog er nicht eindeutig Stellung gegen die<br />
geplanten Reformen. Die Digitalisierung sei<br />
Fakt, daher müsse das PBefG „angepackt“<br />
werden, um es „an die technischen Möglichkeiten<br />
anzupassen“. Auf dem Land könne er<br />
sich durchaus „private Lösungen“ vorstellen.<br />
Allerdings sprach sich Donth ganz klar für<br />
die Tarifpflicht aus und widersprach wenigstens<br />
in diesem Punkt den Vorstellungen der<br />
Monopolkommission.<br />
VERNETZUNG VORANTREIBEN –<br />
MIT DEN RICHTIGEN PARTNERN<br />
Digitalisierung müsse genutzt werden, um<br />
„das öffentliche Verkehrssystem zu verbessern,<br />
Verkehrsträger zu vernetzen und das<br />
Bezahlen einfacher zu machen“, mahnte der<br />
Grüne Kühn. Auch der Sozialdemokratin Lühmann<br />
ist eine einfache <strong>Taxi</strong>-App zu wenig,<br />
notwendig sei eine „Mobilitäts-App“. Linkspolitikerin<br />
Leidig betonte die Verantwortung<br />
der öffentlichen Verkehrsträger, das richtige<br />
Netzwerk mit den richtigen Partnern zu schaffen.<br />
Aus Leidigs Sicht würden einer solchen<br />
Plattform, die im Interesse der Kunden Verkehrsträger<br />
vernetzt, die „Eigeninteressen“<br />
der neuen Konkurrenten im Weg stehen.<br />
FOTO: Stanislav Statsenko / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
10 JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong> TAXI
WETTBEWERB<br />
„Tarifpflicht,<br />
Betriebspflicht,<br />
Beförderungspflicht,<br />
alle wollen daran<br />
festhalten.“<br />
Sabine Leidig (Die Linke)<br />
Und Lühmann „ärgert sich darüber, dass<br />
Uber so tue, als hätten sie die Digitalisierung<br />
erfunden“. Tatsächlich würden unter diesem<br />
Deckmäntelchen „Beschäftigte ausgenutzt“.<br />
Digitalisierung müsse aber für<br />
alle Mehrwert schaffen, der Ehrliche dürfe<br />
nicht der Dumme sein. Sie nennt auch die<br />
Antreiber hinter der geplanten Reform:<br />
„Interesse an der Liberalisierung hat die<br />
Autoindustrie.“ Die Hauptbedrohung des<br />
<strong>Taxi</strong>gewerbes sei das autonome Fahren,<br />
mit dem die Hersteller sich den lukrativen<br />
Markt der Personenbeförderung erschließen<br />
wollen.<br />
Was war die Message? Vor dem Hintergrund<br />
der aktuellen PBefG-Diskussionen<br />
und der Kampagne „Verlässlich ist modern“<br />
müssen alle in der <strong>Taxi</strong>branche immer und<br />
überall gewappnet sein, Journalisten, Politiker<br />
oder auch diejenigen, die im Spätsommer<br />
die neue Regierung wählen, von der Unsinnigkeit<br />
der geplanten PBefG-Reform, den<br />
Stärken des <strong>Taxi</strong>gewerbes und der Unverzichtbarkeit<br />
des aktuellen Ordnungsrahmens<br />
zu überzeugen. Dafür lieferte BZP-Präsident<br />
Müller Argumentationshilfen (siehe Kasten).<br />
Zusätzlich hat der BZP das interaktive<br />
E-Magazin „Pausenbrot“ gestartet, das über<br />
den aktuellen Stand der Kampagne informiert<br />
und Unternehmer, Fahrer und alle am<br />
Gewerbe interessierten Menschen mit Hintergrundinformationen<br />
versorgt. Das Pausenbrot<br />
erscheint auch auf türkisch. sb
GEWERBE<br />
ORTSKUNDE IM SMARTPHONE<br />
Eine nachgewiesene Ortskunde ist für <strong>Taxi</strong>fahrer unverzichtbar. Bei der<br />
Vorbereitung setzen <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>schulen auf standardisierte Hilfsmittel,<br />
seit Neuestem auch auf eine App mit Prüfungssimulation.<br />
Eine vernünftige <strong>Taxi</strong>schule mit qualifiziertem<br />
Personal ist durch kein<br />
Buch und keine Smartphone-App<br />
komplett ersetzbar. Die schriftliche Prüfung<br />
wird seit dem Wechsel zu TÜV und<br />
DEKRA Ende 2014 – wie die schriftliche<br />
Führerscheinprüfung – an einem Tablet im<br />
Prüfungsraum einer Technischen Prüfstelle<br />
abgelegt. Die <strong>Taxi</strong> scheinprüflinge bekommen<br />
auf dem Monitor 50 Fragen gestellt<br />
und müssen im Multiple-Choice-Verfahren<br />
antworten: Zu einer Frage, etwa nach<br />
den Begrenzungen einer Straße, werden Trainingsmodus<br />
fünf mögliche<br />
Antworten angeboten, von denen eine oder<br />
mehrere richtig sind und mit dem Finger<br />
„angekreuzt“ werden müssen. Erst nach<br />
dem Klick auf „Abgabe” wird das Ergebnis<br />
ermittelt.<br />
Mit der App „<strong>Taxi</strong>-Coach <strong>Berlin</strong>“ lässt sich<br />
die schriftliche Prüfung neuerdings si mulieren.<br />
Vor dem Ernstfall kann man also<br />
beliebig viele Generalproben absolvieren.<br />
Viele hatten sich das gewünscht.<br />
Will man stattdessen nach jeder Frage<br />
gleich erfahren, ob man richtig liegt, wählt<br />
Klare Menüstruktur man den Trainingsmodus. Hier wird der<br />
Benutzer bereits daran gewöhnt, zu einer<br />
Frage aus fünf Antworten die richtigen auszuwählen. Da man im<br />
Voraus nicht weiß, welche Antworten auf eine Frage in der echten<br />
Prüfung angeboten werden, stellt der „<strong>Taxi</strong>-Coach“ zur gleichen Frage<br />
jedes Mal per Zufallsauswahl andere Antworten zusammen. Ob seine<br />
Auswahl richtig war, erfährt der Benutzer sofort per Klick. Falls etwas<br />
falsch war, sieht er, was er hätte ankreuzen müssen. Ebenfalls per<br />
Klick kann er zur Karte wechseln, auf der die Location angezeigt wird.<br />
Der Trainingsmodus, eigentlich zum Überprüfen des gelernten<br />
Wissens gedacht, wird gerne von Anfang an zum Lernen genutzt.<br />
10 JAHRE ORTSKUNDE MIT DEM SPEZIALATLAS<br />
Für eine erfolgversprechende Vorbereitung auf die Ortskundeprüfung<br />
sowie für eine gute Basis für die ersten <strong>Taxi</strong>- oder<br />
Mietwagenschichten gibt es seit zehn Jahren den „Spezialatlas<br />
zum <strong>Taxi</strong>schein für <strong>Berlin</strong>“.<br />
Das „minimalkartografische“ Kartenwerk, dessen Jubiläumsausgabe<br />
im <strong>August</strong> erscheint, schließt die Lücke zwischen<br />
Stadtplänen (mit ihren Fehlern und Ungenauigkeiten) und den<br />
Spezialansprüchen, die an P-Schein-Anwärter gestellt werden.<br />
Er wird – zusammen mit weiteren Schulungsheften – sowohl<br />
online als auch über Schropp, Hugendubel, <strong>Taxi</strong> <strong>Berlin</strong>, <strong>Taxi</strong><br />
Deutschland und weitere Anbieter vertrieben.<br />
<strong>Taxi</strong>schulen, die den Spezialatlas als Teil ihres Schulungspaketes<br />
einsetzen, erhalten Mengenrabatt. Ein systematisch erstelltes<br />
Zielfahrten-Script dazu ist im Jahres-Abo erhältlich.<br />
Viele Anwärter bereiten sich auf die schriftliche<br />
Prüfung hauptsächlich mit der App<br />
und dem „Spezialtatlas” vor, dem „minimalkartografischen”<br />
Standardwerk, in dem das,<br />
was in Stadtplänen ungenau ist, präzise für<br />
P-Schein-Belange dargestellt ist. <strong>Taxi</strong>schulen<br />
sparen so Zeit und Arbeit. Der Nachteil<br />
ist, dass die App nur über den App-Store<br />
von Apple und den Play-Store von Google<br />
bezogen werden kann – anders lassen die<br />
beiden Konzerne es nicht zu. Als spezielles<br />
Produkt für eine kleine Zielgruppe kostet<br />
Filtermöglichkeiten der „<strong>Taxi</strong>-Coach” zwölf Euro einschließlich<br />
langfristiger Aktualisierungen.<br />
Auch für Deniz L. ist das „Trainieren“ etwas völlig anderes als das<br />
langwierige Pauken für eine Prüfung. Mit dem Smartphone macht<br />
es ihm Spaß. Er muss nicht lange überlegen,<br />
bevor er in zwei Kästchen die<br />
Häkchen setzt. Die Frage nach Begrenzungen<br />
der Attilastraße hatte er heute<br />
schon einmal, nur dass diesmal andere<br />
Antworten da stehen. Als er nämlich<br />
vorhin die Manteuffelstraße angeklickt<br />
hatte und über die Antwort „leider noch<br />
falsch“ überrascht war, hatte er im Spezialatlas<br />
nachgesehen und kennt den<br />
Attilaplatz nun genau.<br />
Gute <strong>Taxi</strong>schulen vermitteln ihren<br />
Teilnehmern bereits einen Vorgeschmack<br />
auf die Verlässlichkeit des Prüfungssimulation<br />
Gewerbes. Lernmaterialien wie <strong>Taxi</strong>-<br />
Coach, Spezialatlas und Systematisches Zielfahrten-Script helfen<br />
dabei und erleichtern die Arbeit. Besonders für die mündliche<br />
Prüfung ist und bleibt aber eines unerlässlich: ein kompetenter<br />
Ausbilder. <br />
ar<br />
GRAFIK: <strong>Taxi</strong>-Coach <strong>Berlin</strong><br />
12 JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong> TAXI
GEWERBE<br />
STELLUNGNAHME ZU CLEVER-SHUTTLE-ANTRAG<br />
Das Unternehmen Clever Shuttle hat einen<br />
„Antrag auf Erweiterung einer Genehmigung<br />
zur Erprobung gemäß §2, Abs. 7 PBefG“<br />
gestellt (Siehe Artikel auf Seite 24). Die beiden<br />
im „<strong>Taxi</strong>-Gremium“ vertretenen <strong>Berlin</strong>er<br />
Verbände <strong>Taxi</strong>verband <strong>Berlin</strong>-Brandenburg<br />
e. V. (TVB) und <strong>Taxi</strong> Deutschland <strong>Berlin</strong> e. V.<br />
haben dazu im Rahmen des Anhörverfahrens<br />
eine gemeinsame Stellungnahme abgegeben.<br />
Auszüge daraus:<br />
Clever Shuttle ergänzt und fördert nicht<br />
den bestehenden ÖPNV, sondern konkurriert<br />
mit ihm. Clever Shuttle muss als private<br />
Firma Gewinne erzielen: kein Verbraucherschutz,<br />
keine verbindlichen Beförderungsentgelte.<br />
Eine Verbesserung der Öko-Bilanz<br />
durch Elektro-Fahrzeuge ist Wunschdenken.<br />
Die „Förderung der öffentlichen Verkehrsinteressen<br />
des Landes <strong>Berlin</strong>“ ist nicht nachvollziehbar.<br />
Die Argumentation besteht nur<br />
aus Behauptungen; Fakten aus bisheriger<br />
Erprobung fehlen.<br />
Alles als neu und innovativ Angepriesene<br />
ist im ÖPNV bereits etabliert oder wird<br />
erprobt: ca. 1.000 Erdgas-<strong>Taxi</strong>s und über<br />
1.000 Hybrid-<strong>Taxi</strong>s; Halteplätze und bedarfsgesteuerte<br />
Auftragsvermittlung (kein Umherfahren);<br />
festangestellte Fahrer. Das bedeutet<br />
Verbraucherschutz durch öffentlich kontrollierte<br />
und verlässliche Preise. Fiskal-Taxameter<br />
sorgen für Steuersicherheit. Sinnvoll<br />
ist daher die bundesweite Erprobung von<br />
<strong>Taxi</strong>-Sammelfahrten (dabei werden bereits<br />
vorhandene Fahrzeuge besser ausgelastet).<br />
Es besteht kein Bedarf für weitere Mietwagenkonzessionen.<br />
Besser ist es, vorhandene,<br />
erfolgreiche Mobilitätsstrukturen auszubauen<br />
und effektiver zu gestalten. Wir sprechen uns<br />
gegen die Genehmigung des Erweiterungsantrages<br />
auf 30 Fahrzeuge aus. <br />
sb<br />
Diese drei Herren haben das Rad auch nicht<br />
neu erfunden.<br />
BLOCKADE FÜR E-TAXIS: EIN COUP DER LOBBYISTEN?<br />
Spätestens seit Herbst 2016, seit auch die<br />
letzten Eichbehörden die strengen Konformitätsbewertungsregeln<br />
des neuen Eichgesetzes<br />
anwenden, ist es nahezu unmöglich,<br />
<strong>Taxi</strong>s eichrechtlich zuzulassen, die über<br />
kein werkseitiges <strong>Taxi</strong>paket verfügen. Das<br />
betrifft leider auch fast alle Elektromodelle,<br />
unter anderem den Tesla. Die Eichverordnung<br />
muss deshalb dringend überarbeitet<br />
werden, wenn sich die <strong>Taxi</strong>branche am notwendigen<br />
Wechsel auf die Elektromobilität<br />
beteiligen soll.<br />
Ohne Anhänger von Verschwörungstheorien<br />
zu sein, ist festzustellen, dass die<br />
gültige Eichordnung Mietwagenbetreibern<br />
beim Umsteigen auf Elektroantriebe deutliche<br />
Wettbewerbsvorteile verschafft. Ob durch<br />
Zufall oder durch geschickte Lobbyarbeit der<br />
neuen Mitbewerber, ist schwer zu sagen.<br />
Deshalb muss das <strong>Taxi</strong>gewerbe für eine<br />
Initiative des niedersächsischen Wirtschaftsministers<br />
Olaf Lies sehr dankbar sein. Sein<br />
Bundesland hat in einem Bundesrats-Antrag<br />
die Bundesregierung aufgefordert, Hürden<br />
bei der Inbetriebnahme von E-<strong>Taxi</strong>s zeitnah<br />
zu beseitigen. Damit soll sichergestellt werden,<br />
dass Elektro-Fahrzeuge rechtskonform<br />
auch als <strong>Taxi</strong>s eingesetzt werden können.<br />
Zusätzlich fordert Lies die Fahrzeughersteller<br />
auf, entsprechende <strong>Taxi</strong>pakete<br />
anzubieten, die im Sinne des Mess- und<br />
Eichrechts anerkannt werden, wie das bei<br />
Fahrzeugen mit herkömmlichen Antrieben<br />
der Fall ist. Zumindest müssten ihre Signalwege<br />
offengelegt werden. Die Unterstützung<br />
aus Niedersachsen für das <strong>Taxi</strong>gewerbe ist<br />
auch ein Erfolg intensiver Gewerbearbeit des<br />
Bundesverbands BZP. <br />
sb<br />
Olaf Lies, niedersächsischer<br />
Wirtschaftsminister und Unterstützer<br />
des <strong>Taxi</strong>gewerbes<br />
SHK-Rechtsanwälte<br />
Martina Schweickhardt<br />
Rechtsanwältin & Notarin<br />
FOTO:Clever Shuttle, SPD<br />
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André Klemm<br />
Rechtsanwalt<br />
TAXI JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong><br />
13
GEWERBE<br />
ES DROHT<br />
DIE ZWEITE<br />
KONTROLLE<br />
Finanzsenator<br />
Matthias Kollatz-Ahnen<br />
warnt <strong>Taxi</strong>betriebe, die<br />
noch keine Fiskallösung<br />
eingebaut haben.<br />
Rund die Hälfte aller <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>s hat noch kein Fiskaltaxameter<br />
eingebaut. Der Finanzsenator will deshalb noch härter durchgreifen.<br />
<strong>Berlin</strong>s oberster Geldhüter legt noch einmal nach: Finanzsenator<br />
Matthias Kollatz-Ahnen hat in <strong>Berlin</strong>er Medien auch für<br />
das zweite Halbjahr verschärfte Kontrollen im <strong>Taxi</strong>gewerbe<br />
angedroht. Diesmal solle es vor allem diejenigen treffen, die bei bisherigen<br />
Überprüfungen noch keinen Einbau eines Fiskaltaxameters<br />
nachweisen konnten. Unternehmen, die im Wiederholungsfall keine<br />
Nutzung eines Fiskaltaxameters nachweisen können, müssten dann<br />
Steuern auf Basis einer Schätzung nachzahlen und mit Konzessionsentzug<br />
rechnen.<br />
„Die Unternehmen hatten eine sechsjährige Frist, sich um geeignete<br />
Fiskaltaxameter zu kümmern“, sagte Kollatz-Ahnen in Anspielung auf<br />
das Schreiben des Bundesfinanzministeriums von 2010. In diesem<br />
Schreiben wurde eine letzte Übergangsfrist bis 31.12.2016 genannt.<br />
So lange durften auch Taxameter eingesetzt werden, die noch nicht<br />
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den Vorgaben der seit 2006 geltenden Europäischen Richtlinie für<br />
Messgeräte (MID) entsprachen.<br />
KEINE KLAREN VORGABEN DER POLITIK<br />
Was der Finanzsenator allerdings bei seiner Schlussfolgerung nicht<br />
berücksichtigte: Obwohl man seit 2010 wusste, dass ab <strong>2017</strong> nur<br />
noch Taxameter zum Einsatz kommen sollen, die über eine Möglichkeit<br />
zur digitalen Datenauslese verfügen, gab es seitens der Politik<br />
keinerlei genaue Definitionen. Solange nicht klar, welche Systeme<br />
und Verfahren als manipulationssicher anerkannt werden, konnten<br />
Unternehmer auch noch nicht umrüsten.<br />
Die <strong>Berlin</strong>er Senatsfinanzverwaltung hat als eine von wenigen<br />
Finanzbehörden in der Bundesrepublik klare Vorstellungen geäußert.<br />
Man verlange von den <strong>Taxi</strong>betrieben den Einbau bzw. die Nutzung von<br />
Fiskaltaxametern, deren Datenauslese nach dem INSIKA- oder anderen<br />
Verfahren möglicht. Zu dieser Definition hat man sich allerdings<br />
nicht im Jahr 2010, auch nicht 2011, nicht 2012, nicht 2013, 2014 und<br />
2015, sondern erst im Herbst 2016 durchgerungen.<br />
Seitdem arbeiten die Funkwerkstätten nahezu im Akkord, um<br />
8.000 <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>s mit den entsprechenden Systemen auszurüsten.<br />
Erschwerend kommt hinzu, dass die im Anschluss an den Taxametereinbau<br />
nötige Eichung durch ein strengeres Konformitätsbewertungsverfahren<br />
gerade für die Funkwerkstätten einen deutlich<br />
höheren bürokratischen Aufwand erfordert. Korrekterweise muss<br />
man auch auf die Schwierigkeiten zum Jahreswechsel hinweisen,<br />
als wegen fehlender Zubehörteile der Einbau in vielen Werkstätten<br />
nicht vorgenommen werden konnte.<br />
KOLLATZ-AHNEN MACHT ES SICH ZU EINFACH<br />
Insider sprechen deshalb davon, dass Kollatz-Ahnen es sich zu<br />
einfach mache, wenn er auf eine mehrjährige Vorbereitungszeit verweist.<br />
Trotzdem ist es in der Sache richtig, den Druck auch öffentlich<br />
aufrecht zu erhalten, schließlich geht es nach wie vor darum, gerade<br />
den schwarzen Schafen innerhalb der Branche, den so genannten<br />
Semi-Professionellen oder auch Umsatzunterdrückern keine Ausflüchte<br />
mehr zu bieten. Bei den <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>verbänden findet die<br />
Ankündigung des Finanzsenators deshalb volle Zustimmung: Ertan<br />
Ucar von <strong>Taxi</strong> Deutschland <strong>Berlin</strong> e. V. vermutet beispielsweise gegenüber<br />
der „<strong>Berlin</strong>er Morgenpost“, dass manche <strong>Taxi</strong>betriebe darauf<br />
gesetzt hätten, irgendwie davonzukommen und deshalb erst sehr<br />
spät einen Einbautermin in der Funkwerkstatt angemeldet haben.<br />
Detlev Freutel vom <strong>Taxi</strong>verband <strong>Berlin</strong>, Brandenburg e. V. lobt<br />
gegenüber der Öffentlichkeit den politischen Willen der Stadt, das<br />
Problem der Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung im <strong>Taxi</strong>gewerbe<br />
zu bekämpfen. „Man merkt absolut, dass das Thema verschärft angegangen<br />
wird“, wird Freutel zitiert. „Alle Zusagen wurden eingehalten,<br />
das habe ich von einer Regierung in 30 Jahren als <strong>Taxi</strong>fahrer noch<br />
nicht erlebt.“ <br />
jh<br />
FOTO: SPD<br />
14 JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong> TAXI
POLITIK<br />
EIN NETZWERK<br />
IM POLITISCHEN FOKUS<br />
Auf eine Schriftliche Anfrage der Opposition zum <strong>Taxi</strong>gewerbe haben<br />
Senat und LABO geantwortet. Dabei wurden auch Sachverhalte<br />
hinterfragt, die kürzlich bei <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> nachzulesen waren.<br />
SYMBOLFOTO: depositphotos.com<br />
Eigentlich kennt man das eher von Politikmagazinen wie dem<br />
Spiegel oder von investigativen Tageszeitungen wie der Süddeutschen.<br />
Ihre Berichte sind gerne mal die Basis politischer<br />
Diskussionen und Reaktionen. Aktuell rücken aber auch Beiträge aus<br />
<strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> <strong>Berlin</strong> in den Fokus politischen Interesses. Besonders die<br />
Enthüllung „Außer Kontrolle“ über die engen Verflechtungen etlicher<br />
<strong>Taxi</strong>betriebe mit dem Mietwagenbereich und Chauffeurdiensten im<br />
April <strong>2017</strong> hallt politisch noch immer nach.<br />
Im <strong>Berlin</strong>er Abgeordnetenhaus hat der Abgeordnete Christian Buchholz<br />
in einer Parlamentarischen Anfrage an den Senat (Drucksache<br />
18 / 11 561) unter anderem nachgefragt, ob das Unternehmen <strong>Taxi</strong>24<br />
oder eines seiner Partnerunternehmen, das in <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> <strong>Berlin</strong><br />
„einer kritischen Betrachtung“ unterzogen worden sei, bereits auf<br />
Plausibilität überprüft worden sei, und falls ja, ob es „bei der Überprüfung<br />
in diesem Netzwerk Hinweise auf fehlende Plausibilität oder<br />
andere Auffälligkeiten“ gegeben habe. Desweiteren will der Oppositionspolitiker<br />
wissen, ob eine Überprüfung stattgefunden habe, „ob<br />
Fahrten von durch <strong>Taxi</strong> 24 eingesetzten Unternehmen überwiegend<br />
im <strong>Taxi</strong>-Modus oder im Uber-Modus (d. h. als Mietwagen mit Chauffeur)<br />
durchgeführt wurden.“<br />
Die Antwort der Senatsverwaltung für Inneres und Sport nimmt<br />
das zuständige LABO aus der Pflicht, da man <strong>Taxi</strong>24 wohl als ausschließlichen<br />
<strong>Taxi</strong>vermittler betrachtet. „Der Betrieb einer reinen<br />
Internetplattform zur Vermittlung genehmigter Verkehrsformen ist<br />
weder verboten noch in irgendeiner Form genehmigungspflichtig.<br />
Insofern unterliegt er auch nicht der Aufsicht des LABO.“<br />
Es sei dem LABO auch nicht bekannt, welche Unternehmen sogenannte<br />
Partnerunternehmen von <strong>Taxi</strong>24 im Sinne der Schriftlichen<br />
Anfrage seien und „wie viele Taxen- oder Mietwagenfahrten das<br />
Unternehmen <strong>Taxi</strong>24 über seine Vermittlungsplattform bis heute<br />
vermittelt hat. Im Rahmen von Betriebsprüfungen von Taxen- bzw.<br />
Mietwagenunternehmen wird eine Überprüfung hinsichtlich der<br />
Vermischung von Verkehrsformen durchgeführt. Dem LABO liegen<br />
allerdings keine Erkenntnisse zu einer vermittlungsbedingten Vermischung<br />
dieser beiden Verkehrsformen vor.“<br />
Die hier zitierten Passagen sind die Fragen und Antworten Nr.<br />
16 bis 19 der gesamten Schriftlichen Anfrage. Bei den vorherigen<br />
Punkten wurden Stellungnahmen zu den sogenannten semiprofessionellen<br />
<strong>Taxi</strong>betrieben abgefragt, welche Überprüfungsmaßnahmen<br />
man dagegen eingeleitet habe (Antwort: verstärkte Kontrollen<br />
seit Jahresbeginn) und ob man die entgangenen Steuereinnahmen<br />
abschätzen könne (nein, seriöse Schätzungen seien nicht möglich).<br />
Bei der 25. und letzten Frage wird dann noch einmal <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
<strong>Berlin</strong> zitiert: „In der Fachzeitschrift ,<strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong>’, Ausgabe April <strong>2017</strong><br />
(Artikel ,<strong>Taxi</strong> außer Kontrolle’) wird auf Seite 7 das Unternehmen<br />
TSA-<strong>Taxi</strong>schulungs- und Ausbildungszentrum GmbH in der Müllerstraße<br />
156a in Wedding erwähnt. Zum einen wird das Unternehmen<br />
als ,Chauffeur-Academy’ erwähnt und zum anderen als Ort, an dem<br />
Personen in Waffenkunde ausgebildet werden. Wie ist die Position<br />
des Senats dazu, dass in ein und demselben Unternehmen Fahrer<br />
und Waffensachkundige ausgebildet werden?”<br />
Die Antwort des Senats fiel kurz und knapp aus: „Es ist nicht zu<br />
beanstanden, dass ein und dasselbe Unternehmen unterschiedliche<br />
Ausbildungen anbietet, sofern es hierfür die jeweiligen gewerberechtlichen<br />
Voraussetzungen erfüllt.“ <br />
jh<br />
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TAXI JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong><br />
15
POLITIK<br />
WANN WIRD’S MAL<br />
WIEDER RICHTIG BUSSPUR?<br />
Unbenutzbare Sonderfahrstreifen verursachen weiterhin Ärger und Kosten.<br />
Abschlepp-Aktionen sind viel zu selten und zeigen wenig Wirkung.<br />
Wo Busspuren zugeparkt sind, ist nach der selbstgefälligen<br />
Logik der Falschparker alleine derjenige schuld, der als<br />
erster da stand. Alle anderen haben sich schließlich<br />
nur dazugestellt. Doch objektiv ist an dem Problem jeder einzelne<br />
Falschparker mit schuld. Egoismus ist – abhängig vom Grad der Zivilisiertheit<br />
– bei jedem Menschen stärker oder schwächer ausgeprägt.<br />
Die Hemmschwelle, sich selbst Vorteile zum Schaden anderer zu<br />
verschaffen, nimmt in unserer Gesellschaft ab. Vorbei die Zeiten, in<br />
denen auf Anhupen oder Kritisieren von Verkehrsrowdys nach guter,<br />
alter <strong>Berlin</strong>er Tradition Murren oder Motzen folgte. Heute sind sture<br />
Uneinsichtigkeit und zügellose Aggressivität die normale Reaktion.<br />
Ebenso schwer erträglich ist das provokative, geltungsbedürftige<br />
Halten, überall, wo es andere behindert, ob leicht vermeidbar oder<br />
nicht. Gute Werte werden sukzessive durch schlechte ersetzt.<br />
So lange solche Verkehrsteilnehmer die Erfahrung machen, dass<br />
ihr Verhalten nicht sanktioniert wird, kann man einen Teil der Schuld<br />
durchaus der Innenverwaltung nebst Polizei und Ordnungsamt geben,<br />
die für die Sanktionierung zuständig sind. Sie werden von unseren<br />
Steuern bezahlt. So mancher Politiker scheut sich aus verschiedenen<br />
Gründen vor dem offenen Umgang mit solchen Problemen. Spricht<br />
man mit Polizisten, so ist noch immer von viel zu wenig Personal<br />
die Rede, obwohl die Finanzsituation <strong>Berlin</strong>s, die nach Landowskys<br />
Banken-Skandal 2001 lange Jahre katastrophal war, sich letztens<br />
deutlich entschärft hat.<br />
DIE KEHRSEITE DES LIBERALEN BERLINS<br />
Die Weichen für das Dilemma wurden 2001 gestellt, als man der<br />
harten Linie früherer Innensenatoren eine deutlich liberalere Politk<br />
entgegensetzte, die <strong>Berlin</strong> mit der Zeit zu einer Stadt machte, in der<br />
man sich viel erlauben kann. Das ist zuerst einmal positiv und bedeutet<br />
Freiheiten, die man selbst in anderen deutschen Städten kaum<br />
kennt. Die Kehrseite ist aber, dass das Ganze zu einer Art Appeasement-Politik<br />
gegenüber allen und jedem ausgewachsen ist – mit einer<br />
falschen Toleranz gegenüber vielen, die es mit ihrer eigenen Freiheit<br />
(oder dem, was sie dafür halten) zulasten anderer übertreiben.<br />
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Die Bemühungen des neuen Senats lassen ein wenig hoffen. Die<br />
Finanzverwaltung und das LABO greifen seit Jahresbeginn gegen<br />
kriminelle <strong>Taxi</strong>betriebe durch. Mitte Mai rückte die Polizei auf der<br />
zugeparktesten Busspur <strong>Berlin</strong>s, in der Schöneberger Hauptstraße, an<br />
gleich drei Tagen mit Kolonnen von Abschleppwagen an und räumte<br />
ab – insgesamt 71 Fahrzeuge. Laut Ordnungsamt werden hier des<br />
öfteren mal 30, 40 Autos an einem Tag abgeschleppt.<br />
Mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein sind diese Maßnahmen<br />
aber nicht. Zwischen Grunewaldstraße und Eisenacher Straße ist<br />
nach wie vor den ganzen Tag alles zugeparkt. So lange hier nicht<br />
im Stundentakt abgeräumt wird und es Anzeigen hagelt, wird sich<br />
daran nichts ändern. Auf eine Anfrage an die BVG, wie viel Mehrkosten<br />
ihr durch die Busspurparker entstehen, musste die Pressestelle<br />
gegenüber der <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> <strong>Berlin</strong> passen: „Die Mehrkosten lassen sich<br />
nicht im Detail ermitteln, da hier viele Faktoren und unterschiedliche<br />
Etatposten eine Rolle spielen.”<br />
Wie viel Zeit und Umsatzeinbußen es das <strong>Taxi</strong>gewerbe kostet, neben<br />
zugeparkten Busspuren im Stau zu stehen, können die Leser wahrscheinlich<br />
selbst gut einschätzen. <br />
ar<br />
FOTO: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
16 JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong> TAXI
RECHT<br />
WENN ES<br />
DIE VERKEHRSLAGE ZULÄSST…<br />
Muss man für „Halten in zweiter Reihe“ bezahlen, wenn man nur einen<br />
Fahrgast aus- oder einsteigen lässt? Antwort: „Es kommt darauf an.”<br />
Über Bußgelder und Strafzettel wegen<br />
unerlaubten Haltens in zweiter<br />
Reihe beklagen sich Kollegen<br />
im mer wieder. Kollege Yusuf K. beispielweise<br />
schreibt: „Kann mir einer behilflich sein? Ich<br />
habe in der Torstraße in zweiter Spur gehalten,<br />
hab einen Kunden rausgelassen und hab<br />
25 Euro Strafe bekommen. Meinen Einspruch<br />
haben die nicht akzeptiert. Jetzt sind wir bei<br />
53 Euro. Das ist das Unlogischste, was ich je<br />
in meinem Leben gesehen habe. Wo sollte ich<br />
den Kunden sonst rauslassen? Soll ich noch<br />
mal Einspruch einlegen?“<br />
Der Rechtsanwalt Michael Bauer bezieht<br />
dazu für <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> Stellung: Der Kollege hat<br />
wohl eine Verwarnung mit 25 Euro bekommen,<br />
diese nicht bezahlt, und dann einen<br />
Bußgeldbescheid über ebenfalls 25 Euro zzgl.<br />
Gebühren erhalten, das wird dann mit den<br />
53 Euro hinkommen. Dagegen kann er Einspruch<br />
einlegen. Wenn er einen gnädigen<br />
Richter findet, kann das Verfahren eingestellt<br />
werden – oder auch nicht.<br />
<strong>Taxi</strong>s dürfen, „wenn es die Verkehrslage<br />
zulässt“, in zweiter Reihe halten, um Fahrgäste<br />
ein- oder aussteigen zu lassen (§ 12<br />
Abs. 4 S. 3 StVO). Entscheidend ist demnach,<br />
„ob es die Verkehrslage zulässt“. Das mag<br />
einer eng sehen, ein anderer eher leger.<br />
Wenn ja, dann darf kurz angehalten werden,<br />
evtl. der Fahrgast auch im Haus abgeholt<br />
werden. Wenn nein, dann muss eine „zulässige<br />
Stelle“, z. B. eine Hauseinfahrt, in der<br />
Nähe gesucht und dem Fahrgast ein kleiner<br />
Fußweg zugemutet werden.<br />
BEWERTET WIRD DER EINZELFALL<br />
Es gibt also kein absolutes Recht für <strong>Taxi</strong>s,<br />
beliebig in zweiter Reihe für die Fahrgäste<br />
stehen zu bleiben. Kommen solche Fälle vor<br />
Gericht, weil ein <strong>Taxi</strong>fahrer ein Verwarnungsgeld<br />
und auch einen Bußgeldbescheid<br />
wegen Haltens in zweiter Reihe nicht akzeptiert,<br />
dann wird ein Richter immer eine Einzelfallentscheidung<br />
treffen.<br />
Er prüft dann, ob einerseits die Verkehrslage<br />
an diesem Ort – und wohl vor<br />
allem auch zu dieser Zeit – es zugelassen<br />
hätte, einen Fahrgast ein- oder aussteigen<br />
zu lassen. Er prüft auch, ob es in für den<br />
Fahrgast zumutbarer Nähe eine weniger<br />
den Verkehr behindernde Möglichkeit zur<br />
Abwicklung des Ein-oder Aussteigevorgangs<br />
gegeben hätte. In diese Abwägung des Richters<br />
kann auch einfließen, ob der Fahrgast<br />
etwa gehbehindert war oder eher sportlich.<br />
Wenn der Polizeibeamte als Zeuge aussagt,<br />
dass 10 bis 15 Meter weiter eine große<br />
Parklücke frei gewesen wäre, dann schaut es<br />
für den <strong>Taxi</strong>fahrer regelmäßig eher schlecht<br />
aus. Der Tipp zur Vermeidung von Ärger mit<br />
der Polizei:<br />
KEINE DISKUSSION<br />
MIT DER POLIZEI<br />
Erstens: Ausufernde Diskussionen mit der<br />
Polizei helfen selten weiter. Zweitens: Der<br />
<strong>Taxi</strong>fahrer sollte möglichst frühzeitig mit<br />
dem Fahrgast, wenn der sein Ziel kennt, klären,<br />
wo dieser ohne Behinderung für andere<br />
aussteigen kann und ihm erklären, dass es<br />
„bessere“ Stellen gibt, als im Verkehrsfluss<br />
anzuhalten und andere zu behindern.<br />
Die Aussteigezeit lässt sich auch gut verkürzen,<br />
wenn an einer roten Ampel vor<br />
Fahrtende schon geklärt ist, ob eine Quittung<br />
ausgestellt werden soll und diese schon<br />
vorbereitet werden kann. In diesen Fällen,<br />
wie auch sonst, gilt auch für <strong>Taxi</strong>fahrer § 1<br />
Abs. 2 StVO, wonach sich jeder Verkehrsteilnehmer<br />
so verhalten soll, dass kein Anderer<br />
geschädigt, gefährdet oder mehr als nach<br />
den Umständen unvermeidbar behindert<br />
oder belästigt wird. <br />
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RECHT<br />
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Zum Riskieren von Knöllchen, Gefährdung<br />
oder Unfällen haben <strong>Taxi</strong>fahrer viel mehr Zeit<br />
als andere. Wir erinnern mit einer kleinen<br />
Serie an leicht vermeidbare Gefahren. – Teil 1<br />
Die Kriechschnecken vor Ihnen in der Schildhornstraße schleichen<br />
mal wieder nebeneinander mit 25 km/h auf den Blitzer<br />
zu – nachts um drei. Sie haben es eilig und halten zu wenig<br />
Abstand. Das muss nicht sein. Ist Ihnen noch nie aufgefallen, dass die<br />
Mittellinie gestrichelt ist? Warum nicht ab auf die leere Gegenfahrbahn<br />
und mit 80 km/h mal zeigen, wer hier Auto fahren kann? Der<br />
Blitzer blitzt nur die rechte Seite. Im Ernst: Was sollte daran schlimm<br />
sein, die gestrichelte Mittellinie zum Überholen zu überfahren?<br />
Verkehrsanwälte leben unter anderem davon, dass viele Regeln der<br />
Straßenverkehrsordnung (StVO) zu wenig Platz im Bewusstsein von<br />
Autofahrern haben. Für die meisten von uns liegt die Fahrschulzeit<br />
lange zurück. Viele Verkehrsregeln haben wir aus gutem Grund<br />
vergessen, zum Beispiel wie viel Abstand irgendwelche dreiachsigen<br />
Lkw auf Brücken bei Glatteis an Feiertagen beim Abschleppen mit<br />
abgelaufener TÜV-Plakette halten müssen und ähnliche Vorschriften.<br />
Andere Regeln sollten wir tunlichst auf dem Schirm haben, etwa<br />
dass auf Straßen mit mehreren Spuren pro Richtung auch bei gestrichelten<br />
Mittellinien nicht die Gegenfahrbahn zum Überholen benutzt<br />
werden darf (§7, Abs. 3b StVO). Die Schildhornstraße ist und bleibt<br />
leider eine Geduldsprobe. Der Bußgeldkatalog ist von so fantasielosen<br />
Leuten geschrieben, dass der beschriebene Überholvorgang gar<br />
nicht explizit aufgeführt ist, aber verbotenes Überholen bei unklarer<br />
Verkehrslage macht 150 € und einen Punkt, mit Gefährdung im<br />
Extremfall bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe. Lohnt sich also nicht.<br />
Begeben wir uns nun gedanklich in verschiedene Situationen und<br />
sehen mal, ob Sie Ungemach zu vermeiden wissen.<br />
ABBIEGEN AUS ZWEITER REIHE: GEWISSE RISIKEN<br />
Sie sind auf dem Weg von Charlottenburg zum Hauptbahnhof,<br />
haben ihrem interessierten Fahrgast soeben in der Straße Alt-Moabit<br />
das rote Backsteingebäude gegenüber gezeigt, in dem Erich Honecker<br />
mal gewohnt hat, und möchten nun links in die Invalidenstraße<br />
abbiegen. Auf der linken Spur, markiert mit Linkspfeilen, ist es voll.<br />
Die rechte Spur, ohne Markierung, ist leer. Da man von unmarkierten<br />
Fahrstreifen grundsätzlich in alle Richtungen fahren darf, wählen<br />
Sie die rechte Spur, um links abzubiegen (Foto). Da der Anfang der<br />
Invalidenstraße ebenso wie Ihre Fahrbahn in Alt-Moabit über zwei<br />
Fahrstreifen verfügt, scheint die Sache klar: Der Verkehr kann „paarweise“,<br />
also auf zwei Fahrstreifen parallel fließend, abbiegen. Dann<br />
stellt sich leider heraus, dass die Linksabbieger auf der linken Spur<br />
glauben, nur sie dürften links abbiegen, und verteilen sich wie selbstverständlich<br />
auf beide Fahrspuren der beginnenden Invalidenstraße,<br />
ohne Sie zu beachten. Das gleiche geschieht täglich sowohl beim<br />
Links- als auch beim Rechtsabbiegen an vielen Ecken.<br />
Was zunächst kurios erscheint: Kommt es bei solchem mehrspurigen<br />
Abbiegen zum Zusammenstoß, so haftet derjenige, der aus der<br />
zweiten Spur (ohne Pfeil) abgebogen ist, also Sie. Der Grund: Da Sie<br />
das Gebot missachtet haben, sich zum Linksabbiegen so weit wie möglich<br />
links bzw. mittig einzuordnen (§ 9 Abs. 1), sind Sie verpflichtet,<br />
den anderen, die die Regel befolgt haben, die freie Fahrstreifenwahl<br />
zuzugestehen. Entsprechendes gilt selbstverständlich beim Rechtsabbiegen<br />
aus zweiter Reihe. Entscheidend ist aber, dass die zweite Spur<br />
keine Pfeilmarkierung enthält. Wer nämlich am Rathaus Schöneberg<br />
von der Badenschen Straße nach rechts in die Martin-Luther-Straße<br />
abbiegt, hat zwei mit Pfeilen markierte Rechtsabbiegerspuren zur<br />
Auswahl. Hier biegen die Fahrzeuge auf beiden Spuren gleichberechtigt<br />
rechts ab. Kleine Spitzfindigkeit: Da sich links neben den<br />
beiden besagten Fahrstreifen ein dritter, nicht mit Pfeilen markierter<br />
Fahrstreifen befindet, von dem man folglich ebenfalls rechts abbiegen<br />
kann, hat hier der aus dritter Spur rechts Abbiegende bei einem Unfall<br />
WISSENSWERTES FÜR<br />
TAXIFAHRER IN KÜRZE<br />
Obwohl es bei der Personenbeförderung<br />
eine Vielzahl von Regeln zu beachten gilt,<br />
kann jeder, der halbwegs gesund und nicht<br />
offiziell kriminell ist, – demnächst höchstwahrscheinlich<br />
ohne sich auszukennen<br />
– Mietwagenfahrer werden. Wer darüber<br />
hinaus seine Ortskunde nachweist, kann<br />
sogar <strong>Taxi</strong>fahrer werden. Da zu einem<br />
guten Personenbeförderer ein paar mehr<br />
Dinge gehören, erfahren im Kurssystem<br />
bei <strong>Taxi</strong> <strong>Berlin</strong> sowohl <strong>Taxi</strong>schein-Neulinge<br />
als auch erfahrene Kollegen, die die<br />
VIP-B-Zusatzqualifikation erwerben, teils<br />
besondere Verkehrsregeln, wie sie auch<br />
in dieser Serie vorgestellt werden, teils<br />
banale aber wissenswerte Dinge.<br />
Politische und religiöse Werbung gehört<br />
weder an das Auto noch hinein.<br />
Ein Stadtplan gehört in jedes <strong>Taxi</strong>. Er darf<br />
nicht älter sein als drei Jahre.<br />
Woanders als auf <strong>Taxi</strong>halteplätzen und<br />
Nachrücken darf man sich nur von 20 bis 6<br />
Uhr „oder anlässlich öffentlicher Veranstaltungen“<br />
bereithalten.<br />
Auf der Halte muss man unverzüglich<br />
vorrücken. Wenn die Straßenreinigung<br />
den Halteplatz schrubben will, müssen die<br />
Taxen Platz machen.<br />
Hier einige Beispiele:<br />
Tiere gehören nicht auf den Sitz, sondern<br />
in den Fußraum (Bußgeld: 35 bis 75 Euro).<br />
Gegenstände, die aus dem Auto herausragen,<br />
sind bei der Beförderung verboten.<br />
FOTO: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
18 JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong> TAXI
RECHT<br />
den ganz dunkelschwarzen Peter.<br />
Vergessen Sie bitte außerdem nicht: Beim Abbiegen aus zweiter<br />
Spur werden immer wieder Fußgänger und Radfahrer übersehen.<br />
EINBAHNSTRASSE: WAS DÜRFEN FALSCHFAHRER?<br />
In einem Wohngebiet ohne Vorfahrtstraßen, wo an Kreuzungen<br />
laut StVO die Rechts-vor-Links-Regel gilt (§ 8, Abs. 31), kommen<br />
Sie an eine Kreuzung, an der rechts eine Einbahnstraße (Zeichen<br />
220-20) beginnt. Aus dieser kommt in verkehrter Richtung ein<br />
Auto. Muss man ihm, da es von rechts kommt, die Vorfahrt gewähren,<br />
obwohl der Fahrer sich „kriminell“ verhält? Gegenfrage: Muss<br />
man jemandem die Vorfahrt lassen, der einen Rucksack Rauschgift<br />
im Auto hat und bei Karstadt klaut?<br />
Selbstverständlich gilt die Rechts-vor-<br />
Links-Regel unabhängig davon, was die<br />
Betroffenen ansonsten so anstellen. Wenn<br />
Sie es darauf ankommen lassen, ihm die<br />
Vorfahrt nehmen und es zum Unfall kommt, wird es mit Sicherheit<br />
teuer für Sie. Wenn es ganz dumm läuft, haben Sie den Ärger mit<br />
der Leiche. Bedenken Sie auch, dass Radfahrer vielerorts von der<br />
Einbahnstraßenregelung ausgenommen sind und bei plötzlichem,<br />
unerwartetem Auftauchen mitunter völlig legal unterwegs sind.<br />
Das verkehrte Befahren einer Einbahnstraße kostet Ihren potenziellen<br />
Unfallgegner übrigens nur schnäppchenhafte 25 Euro, so lange<br />
es nicht in eine Amokfahrt ausartet.<br />
FAHRRADSTRASSE: ZUM DURCHFAHREN TABU<br />
Eine Fahrradstraße (Zeichen 244.1) hat eigentlich den Sinn, Radfahrer<br />
vor Kraftverkehr zu schützen. Praktischerweise entlastet sie im<br />
günstigen Fall auch den Kraftverkehr, indem sie den Fahrradverkehr<br />
bündelt. Die Linienstraße als parallel zur Torstraße verlaufende Fahrradstraße<br />
ist eine gelungene Maßnahme, Verkehrsarten zu trennen.<br />
Die StVO verlangt von Autofahrern, Fahrradstraßen zu meiden, auch<br />
wenn sie eine vermeintlich günstige Durchfahrt (beispielsweise zum<br />
<strong>Taxi</strong>halteplatz Durlacher Straße) darstellen.<br />
Oft dürfen Anlieger Fahrradstraßen<br />
laut Zusatzschild mit Kfz benutzen. Dann<br />
ist zu beachten, dass Tempo 30 gilt und<br />
Radfahrer hier nebeneinander fahren<br />
dürfen, ohne dass sie Kfz ein Überholen<br />
ermöglichen müssen. Wir sind aber meistens<br />
keine Anlieger! Und: Das Zeichen<br />
regelt nicht die Vorfahrt. An der Kreuzung<br />
Linienstraße / Tucholskystraße etwa gilt<br />
nach wie vor die Rechts-vor-Links-Regel.<br />
Verkehr hat man dem fließenden Verkehr Vorrang zu gewähren (§ 9<br />
Abs. 5). Die Rechtsabbieger neben Ihnen sehen Sie und die anderen<br />
Taxen am Halteplatz stehen und rechnen nicht damit, dass Sie gerade<br />
bei dieser Grünphase losfahren. Dass die meisten beim Rechtsabbiegen<br />
von der Joachimsthaler Straße in den Kurfürstendamm gegen die<br />
Regel verstoßen „Wer nach rechts abbiegen will, hat sein Fahrzeug<br />
möglichst weit rechts ... einzuordnen, ...“, steht auf einem anderen<br />
Blatt (nämlich in § 9 Abs. 1).<br />
HALTESTELLE: GEFÄHRLICHER, ALS MAN DENKT<br />
Die größte Gefahr an einer Haltestelle des Linienverkehrs (Zeichen<br />
224-50) besteht dann, wenn auf einer mehrspurigen Fahrbahn<br />
links eine Straßenbahn hält und die Fahrgäste die Fahrbahn queren,<br />
wie beispielsweise in der Schönhauser Allee Höhe<br />
Milastraße. Während Autofahrer zu Zeiten der<br />
Deutschen Teilung hier noch durch das blaue Zeichen<br />
„Haltestelle von Schienenfahrzeugen“ (Bild<br />
244 der „Technischen Normen, Gütevorschriften<br />
und Lieferbedingungen” – TGL – der DDR) gewarnt<br />
wurden, wird die Situation heute manchmal zu spät<br />
von Autofahrern erkannt. Am Ende der Rosenthaler<br />
Leider<br />
abgeschafft<br />
Straße, Ecke Hackescher Markt, befindet sich eine<br />
beispielhaft schlecht gestaltete Straßenbahnhaltestelle.<br />
Auch beim Queren von Radwegen leben<br />
Busfahrgäste mitunter gefährlich, da Radfahrer oft nicht einsehen,<br />
dass ihnen der Radweg nicht gehört.<br />
Eine Regel, die außerhalb <strong>Berlin</strong>s eine Rolle spielt: Linien- und<br />
Schulbusse, die sich einer Haltestelle nähern und Warnblinklicht<br />
eingeschaltet haben, dürfen nicht überholt werden.<br />
Haben sie beim Halten das Warnblinklicht<br />
eingeschaltet, so darf nur mit Schrittgeschwindigkeit<br />
daran vorbeigefahren werden. Das gilt<br />
sogar für den Gegenverkehr, falls er dieselbe<br />
Fahrbahn nutzt. Da das Warnblinklicht für<br />
haltende Busse im <strong>Berlin</strong>er Landesrecht nicht<br />
angeordnet ist, gilt hier zumindest, dass an<br />
haltenden Bussen und Straßenbahnen nur unter großer Vorsicht<br />
vorbeigefahren werden darf (§ 20).<br />
Was hingegen jeden Tag oft zu beachten ist: Linien- und Schulbussen<br />
muss das Verlassen der Haltestelle ermöglicht werden (§ 20, Abs.<br />
5). Sieht man einen BVG-Bus an einer Haltestelle nach links blinken,<br />
so empfiehlt es sich, Gas wegzunehmen und dem Fahrer gegebenenfalls<br />
mit Handzeichen zu signalisieren, dass man die Situation<br />
erkannt hat und ihm den Vorrang gewährt. Dann kostet einen der<br />
ganze Vorgang im besten Fall keine fünf Sekunden. <br />
ar<br />
GRAFIK: de.wikipedia.org<br />
TAXENSTAND: WER DARF HIER WAS?<br />
Der einzige Ort im Straßenverkehr, wo Taxen sich unbegrenzt lange<br />
mit ein- oder ausgeschalteter Fackel bereithalten dürfen, ist der <strong>Taxi</strong>halteplatz,<br />
auf amtsdeutsch Taxenstand (Zeichen 229). Für alle anderen<br />
besteht hier absolutes Halteverbot. Dass man hier nicht parken darf<br />
und beim Verlassen das Autos mit einer Umsetzung (= amtsdeutsch für<br />
Abschleppen) rechnen muss, ist bekannt. Der Einfluss des Schildes auf<br />
die Vorfahrt überrascht <strong>Taxi</strong>fahrer aber immer wieder: Ein Beispiel:<br />
Sie stehen am Halteplatz „Kranzler“ in der Joachimsthaler Straße, Ihr<br />
Einsteiger möchte nach Steglitz, und während Sie den Motor anlassen<br />
und die <strong>Taxi</strong>uhr einschalten, entsteht links neben<br />
Ihnen eine Schlange rechtsblinkender Fahrzeuge,<br />
die auf grünes Licht warten, um zu einem Lokal in<br />
der Halenseestraße zu fahren. Da Sie mit dem <strong>Taxi</strong><br />
in Ihrer Spur geradeaus losfahren und die anderen<br />
Ihre Spur kreuzen, gehen Sie davon aus, dass die<br />
anderen Sie vorlassen müssen. Ein gefährlicher Irrtum:<br />
Beim Wechsel vom ruhenden in den fließenden<br />
(Fortsetzung in einer der nächsten Ausgaben)<br />
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TAXI JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong><br />
19
TAXI BERLIN TZB GMBH<br />
STEUERBETRAG AUF<br />
QUITTUNGEN ERST AB 250 EURO<br />
Das kürzlich verkündete Bürokratieentlastungsgesetz II sorgt dafür,<br />
dass auf <strong>Taxi</strong>quittungen nur noch bei sehr langen Fahrten der<br />
Mehrwertsteuerbetrag ausgewiesen werden muss.<br />
Am 5. <strong>Juli</strong> ist das „Zweite Gesetz zur Entlastung insbesondere<br />
der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie“ verkündet<br />
worden, womit die Grenze für Kleinbetragsrechnungen<br />
(§ 33 UStDV) rückwirkend zum 1. Januar <strong>2017</strong> von 150 auf 250 Euro<br />
angehoben worden ist. Für <strong>Taxi</strong>fahrer und -unternehmer bedeutet<br />
dies: Auf <strong>Taxi</strong>quittungen genügt die Angabe des Steuersatzes (in<br />
Prozent) bis zu einem Gesamtfahrpreis von 250 Euro statt wie bisher<br />
150 Euro.<br />
Unverändert ist der Steuersatz: Der für <strong>Taxi</strong>fahrten ermäßigte<br />
Steuersatz von sieben Prozent gilt generell für Fahrten mit Personenbeförderung,<br />
aber nur dann, wenn die Fahrt komplett innerhalb<br />
der Gemeinde durchgeführt wird oder nicht länger als 50 Kilometer<br />
weit geht. Im Umkehrschluss ist jede Botenfahrt, Lotsenfahrt, Materialfahrt<br />
etc. ohne Fahrgäste im Auto mit 19 Prozent zu versteuern,<br />
ebenso wie Fernfahrten, also Personenbeförderungen, bei denen ein<br />
Teil der Fahrstrecke außerhalb der Gemeinde liegt und mehr als 50<br />
Kilometer zurückgelegt werden. All das regelt Paragraph 12, Absatz<br />
2, Nr. 10 des Umsatzsteuergesetzes.<br />
Zur Erinnerung: Der bei Fernfahrten frei vereinbarte Fahrpreis<br />
sowie der vom Taxameter angezeigte Fahrpreis sind immer Bruttopreise<br />
einschließlich Mehrwertsteuer, unabhängig davon, ob der Staat<br />
sich hinterher sieben oder 19 Prozent davon genehmigt. Man beachte,<br />
dass im Gesetzestext nicht vom Pflichtfahrgebiet, sondern von der<br />
Gemeinde die Rede ist. Auch eine Fahrt, die mehrere Abholadressen<br />
innerhalb <strong>Berlin</strong>s hat, am Flughafen Schönefeld endet und insgesamt<br />
länger als 50 Kilometer ist, ist umsatzsteuermäßig eine Fernfahrt<br />
und folglich mit 19 Prozent zu versteuern. Berechnet werden Fahrten<br />
von <strong>Berlin</strong> zum Flughafen Schönefeld aber – ebenso wie umgekehrt<br />
– zum <strong>Berlin</strong>er Tarif, da der Flughafen zum Pflichtfahrgebiet gehört.<br />
PROZENTRECHNUNG WILL GEKONNT SEIN<br />
Genau genommen genehmigt der Fiskus sich nicht 19, sondern<br />
nur 15,966 Prozent des Bruttofahrpreises, da er nicht den Brutto-,<br />
sondern den Nettofahrpreis als 100 Prozent betrachtet. Beträgt der<br />
frei vereinbarte Fahrpreis für eine Fernfahrt bzw. Materialfahrt also<br />
250 Euro oder darunter, so reicht auf der Quittung die Angabe „19 %“.<br />
Sind es aber beispielsweise 260 Euro, so sind als Steuerbetrag 15,966<br />
Prozent von 260 Euro, also 41,51 Euro, zu vermerken. Zur Ermittlung<br />
des Steuerbetrages muss der Fahrer den Bruttofahrpreis dann also<br />
mit 0,15966 multiplizieren. Entsprechend ist es bei Stadtfahrten. Hier<br />
genehmigt der Staat sich nicht sieben, sondern nur 6,542 Prozent des<br />
Bruttofahrpreises. Kostet eine sehr lange Stadtrundfahrt über 250<br />
Euro, so ist auch hierfür der Steuerbetrag in Euro auf die Quittung<br />
zu schreiben (Bruttofahrpreis mal 0,06542).<br />
Wir weisen in diesem Zusammenhang erneut darauf hin, dass auf<br />
einer Quittung außerdem die Pflichtangaben (siehe Kasten) nicht<br />
fehlen dürfen. Zudem ist eine Quittung kein Wunschkonzert. Es gibt<br />
immer wieder Fahrgäste, die den Fahrer in kumpelhaftem Ton bitten,<br />
Fahrpreisquittung für eine Fernfahrt (Beispiel hier: genau 1.000 Euro):<br />
19 % MwSt (und bei einem Fahrpreis über 250 Euro wird zusätzlich zum<br />
Steuersatz der Steuerbetrag in Euro vermerkt)<br />
ein anders Datum und einen Fantasiefahrpreis auf die Qutittung zu<br />
schreiben. Lässt der Fahrer sich darauf ein, so kann das erhebliche<br />
juristische Konsequenzen haben. <br />
ar<br />
JEDE FAHRPREISQUITTUNG BEI BARZAHLUNG<br />
MUSS FOLGENDE PUNKTE ENTHALTEN:<br />
• aktuelles Datum (Uhrzeit ist nicht zwingend)<br />
• Fahrstrecke (bei Privatadressen möglichst mit Straße und<br />
Ortsteil; ggf. Hotelname; ggf. Abkürzung wie TXL, ZOB o. ä.)<br />
• Steuersatz in Prozent (bei Stadtfahrt 7 %, bei Fernfahrt oder<br />
Materialfahrt 19 %)<br />
• bei Fahrpreis über 250 Euro: Steuerbetrag in Euro (s. unten)<br />
• Fahrpreis (einschließlich aller Zuschläge)<br />
• Konzessionsnummer (kann man bei <strong>Taxi</strong> <strong>Berlin</strong> sowohl im<br />
Kundencenter in der Persiusstraße als auch in der Außenstelle<br />
Spandau einstanzen)<br />
• Stempel des <strong>Taxi</strong>betriebs (muss bereits vor Schichtbeginn<br />
auf jedem Blatt des Quittungsblocks sein)<br />
• Unterschrift des Fahrers<br />
MEHRWERTSTEUERBETRAG BERECHNEN:<br />
• bei 7 % MwSt: Fahrpreis mal 0,06542056074766355<br />
• bei 19 % MwSt: Fahrpreis mal 0,15966386554621849<br />
GRAFIK: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Berlin</strong><br />
20 JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong> TAXI
City Funk<br />
<strong>Berlin</strong><br />
TAXI BERLIN TZB GMBH<br />
DIE MUTTER TERESA<br />
DES TAXIZENTRUMS<br />
Bei Problemen mit dem Funk hilft das Technik-<br />
Center. Christian Schnaak ist Berater, Reparateur,<br />
Verkäufer, Retter in der Not – und Alleskönner.<br />
Christian Schnaak<br />
FOTO: Stanislav Statsenko / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
Gegen viertel vor zehn betritt Christian<br />
das Technik-Center. Vier <strong>Taxi</strong>fahrer<br />
warten schon und fragen<br />
genervt, warum er jetzt erst komme, auf der<br />
Tür stehe doch, dass um acht geöffnet wird.<br />
„Weil ich nicht Heedfeld bin, sondern so wie<br />
das Kundencenter um zehn anfange. Das<br />
ist in 15 Minuten, aber was für’n Problem<br />
hast du denn?“ Um den heißen Brei reden<br />
gibt es bei ihm nicht. Er ist gerade heraus<br />
und friesisch-herb, und wo andere ausgiebig<br />
charmante Worte verlieren, bevor sie zur Tat<br />
schreiten, hat Christian schon tatkräftig drei<br />
Probleme behoben und nebenbei mit seinem<br />
beißenden Humor die Stimmung von minus<br />
auf plus umgepolt.<br />
Wer ein neues <strong>Taxi</strong> anmeldet oder neue<br />
Funk-Verträge abschließt, wird vom Kundencenter<br />
mit seinem Endgerät, meist PDA<br />
oder Android-Smartphone, zu Christian<br />
geschickt. Der bestückt das Gerät mit einer<br />
SIM-Karte und programmiert<br />
es, weist<br />
den Unternehmer<br />
oder Fahrer in die<br />
Hardware ein, und<br />
der kann dann meist<br />
sofort losfunken.<br />
„Ein Hauptarbeitsfeld<br />
ist hier die Problembehandlung. Die<br />
Fahrer kommen oft sehr gestresst hier rein,<br />
bringen eine Portion Aggression mit – was<br />
ich gut verstehen kann, wenn ihr PDA nicht<br />
funktioniert – und ich sehe am Gerät schnell,<br />
ob da jemand dran gefummelt hat. Schuld ist<br />
entweder der Nachtfahrer oder der Tagfahrer,<br />
je nachdem, wer vor mir steht, und natürlich<br />
ist auch die Zentrale immer schuld. Ich muss<br />
mir hier Sachen anhören, da muss man oft<br />
dicke Schulterpolster haben. Ich rede aber<br />
mit allen Klartext, und die meisten bring’ ich<br />
auch wieder runter. Es geht ja sowohl bei mir<br />
„Wenn man die Arbeit<br />
mit Humor macht,<br />
ist man insgesamt<br />
entspannt.“<br />
als auch bei denen um Dienstleistung, das<br />
mach’ ich den Jungs begreiflich. Ich erkenn’<br />
dann auch, mit was für einem Dienstleister<br />
ich es zu tun habe. 90 Prozent kann ich bändigen,<br />
aber ich werde auch mal beleidigt. Mir<br />
haben hier schon Fahrer ihr Gerät vor die<br />
Füße gehauen und wutentbrannt die Tür<br />
zugezogen – die knallt ja nicht richtig.“<br />
Der Verkaufsraum mit seinem Tresen<br />
mit zwei Plätzen und dem begehrten Kaffeeautomaten<br />
ist eigentlich der der Firma<br />
Heedfeld, zu der die Kollegin am anderen<br />
Schalter gehört. Christian ist das Bindeglied<br />
zwischen <strong>Taxi</strong> und Technik. Früher haben<br />
vier Personen den Job gemacht, aber technisch<br />
ist beim <strong>Taxi</strong>funk alles problemloser<br />
geworden. „Die Zeiten, in denen 30 Personen<br />
Schlange standen, sind vorbei. Die Technik<br />
funktioniert einwandfrei. In der Regel sind<br />
es Bedienfehler. Ich sag den Leuten dann:<br />
Seid kollegial, fummelt nur an den Geräten<br />
rum, die euer Eigentum<br />
sind, denkt an<br />
Euren Kollegen, der<br />
um sechs ins Auto<br />
steigt und sich auch<br />
anmelden will!“<br />
Christian berät, behebt<br />
Fehler und Kartensperren<br />
– und ist manchmal Seelsorger.<br />
Er schätzt die Dankbarkeit, die er oft erlebt.<br />
„Es gab schon filmreife Situationen. Da hatten<br />
wir hier eine Diskussion mit mehreren<br />
genervten Fahrern, die Probleme hatten. Da<br />
merkt man auch, dass die Jungs einen harten<br />
Job machen. Mein damaliger Kollege hatte<br />
an dem Tag ganz schlechte Laune und war<br />
deshalb hinten in der Werkstatt. Die Stimmung<br />
hier war sehr angespannt, aber ein<br />
Fahrer sagte: ‚Lasst uns doch zusammenhalten,<br />
wir sind doch alle eine Familie! Ist<br />
das nicht sogar ein Lied, wer hat denn das<br />
nochmal geschrieben?’ Ein anderer sagte:<br />
‚Sister Sledge oder so.’ Ich hab dann YouTube<br />
aufgemacht und den Lautsprecher an, und<br />
wir sangen alle laut im Chor ‚We are family’.<br />
Das Gesicht meines Kollegen, der reinkam,<br />
war dann das i-Tüpfelchen, das auch den letzten<br />
im Raum zum Lachen brachte. Solche<br />
Momente sind der Grund, warum ich meinen<br />
Job liebe. Manchmal erlebe ich eine Herzlichkeit,<br />
als sei ich Mutter Teresa.“<br />
Vor ein paar Wochen feierte Christian seinen<br />
60. Geburtstag und gab allen Kollegen<br />
einen aus. An Aufhören ist für ihn nicht zu<br />
denken: „Wenn ich in Rente gehen muss,<br />
mache ich das hier nebenbei weiter. Ich stehe<br />
hinter dem Produkt, hinter der Dienstleistung,<br />
und vor allem stehe ich hinter dem<br />
<strong>Taxi</strong>funk.“ <br />
ar<br />
TAXI BERLIN TZB GMBH<br />
Persiusstraße 7, 10245 <strong>Berlin</strong><br />
Telefon: +49 (0)30 / 690 27 20<br />
Telefax: +49 (0)30 / 690 27 19<br />
E-Mail: info@taxi-berlin.de<br />
www.taxi-berlin.de<br />
Öffnungszeiten Kundencenter<br />
und Technikcenter<br />
Mo, Di, Do, Fr 10.00 bis 17.30 Uhr<br />
Mi 10.00 bis 14.30 Uhr<br />
Geschäftsführer<br />
Hermann Waldner<br />
Presserechtlich verantwortlich für<br />
diese Seite: Hermann Waldner<br />
Redaktion: Axel Rühle (ar)<br />
Pressekontakt: presse@taxi-berlin.de<br />
TAXI JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong><br />
21
INNUNG DES BERLINER TAXIGEWERBES E. V.<br />
DAS GEWERBE FRAGT –<br />
DAS TAXIGREMIUM ANTWORTET<br />
Was unternehmen <strong>Taxi</strong>verbände und das LABO gegen<br />
Kreditkartenverweigerer, Schwarzlader und Mietwagen aus dem <strong>Berlin</strong>er<br />
Umland? Eine Infoveranstaltung des <strong>Taxi</strong>-Gremiums hatte Antworten.<br />
Unter dem Motto „<strong>Taxi</strong>gremium informiert<br />
<strong>Taxi</strong>unternehmer und <strong>Taxi</strong>fahrer“<br />
kamen am 11. <strong>Juli</strong> bereits<br />
zum zweiten Mal Funktionäre, Unternehmer<br />
und Fahrer zu einer gemeinsamen Diskussionsrunde<br />
zusammen. Leszek Nadolski<br />
(„Innung“), Ertan Ucar (TD) und Detlev Freutel<br />
(TVB) beantworteten gemeinsam Fragen<br />
der Kolleginnen und Kollegen.<br />
Warum wird das illegale Bereithalten<br />
von Mietwagen aus Umlandgemeinden<br />
vom Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten<br />
(LABO) nicht verfolgt und<br />
was macht das <strong>Taxi</strong>gremium dagegen?<br />
Das LABO könne nichts tun, da das Straßenverkehrsamt<br />
LDS in Königs Wusterhausen<br />
zuständig sei. Nach den Sommerferien<br />
würde miteinander gesprochen, um<br />
INNUNG DES BERLINER<br />
TAXIGEWERBES E. V.<br />
Storkower Straße 101, 10407 <strong>Berlin</strong><br />
Tel. Sekr.: +49 (0)30 / 23 62 72 01<br />
Tel. Kasse: +49 (0)30 / 23 62 72 04<br />
Telefax: +49 (0)30 / 344 60 69<br />
E-Mail: info@taxiinnung.org<br />
www.taxiinnung.org<br />
www.facebook.com/taxiinnung<br />
Presserechtlich verantwortlich für<br />
diese Seite: Leszek Nadolski<br />
Redaktion: Stephan Berndt (sb)<br />
möglichst eine einvernehmliche Lösung zu<br />
finden. Alle müssten aber ein wenig Geduld<br />
haben, da es nicht einfach sei, Verstöße gegen<br />
die Rückkehrpflicht nachzuweisen. Der verkehrspolitische<br />
Sprecher der Linksfraktion,<br />
Harald Wolf, will mit einer kleinen Anfrage<br />
im Abgeordnetenhaus darauf aufmerksam<br />
machen. An die Anwesenden wurde appelliert,<br />
nicht länger die <strong>Taxi</strong>-App von Uber zu<br />
nutzen. Uber würde diese Mietwagen mit<br />
Aufträgen versorgen.<br />
Warum schützt uns das LABO nicht<br />
besser?<br />
Das LABO sei seit Jahren unterbesetzt,<br />
aktuell aber kräftig am Aufstocken. Ende<br />
2016 waren bereits zehn Mitarbeiter aktiv,<br />
weitere acht Stellen seien bewilligt, fünf<br />
davon bereits besetzt, drei mangels Bewerber<br />
noch nicht. Das Mehr an Kapazitäten werde<br />
jetzt für Betriebsprüfungen genutzt.<br />
Noch immer werden Kartenzahlungen<br />
abgelehnt. Wird das überhaupt verfolgt?<br />
Bisher seien bereits 132 Verstöße geahndet.<br />
Die Strafe: je 100 Euro.<br />
Warum zahlen wir noch 50 Cent am<br />
Flughafen TXL, wenn APCOA nichts gegen<br />
Schwarzlader unternimmt?<br />
In einem Gespräch mit der Flughafengesellschaft<br />
solle erreicht werden, das Gewerbe<br />
wieder in die Aufsicht einzubeziehen. In<br />
den Jahren 2010/21011 waren <strong>Taxi</strong>unternehmer<br />
gemeinsam mit Securitas-Mitarbeitern<br />
sehr erfolgreich gegen Schwarzlader<br />
vorgegangen.<br />
Gibt es Verfahren gegen Schwarzlader<br />
am TXL und wenn ja, was ist die Strafe?<br />
Es seien schon einige Bußgelder verhängt<br />
worden, für das erstmalige Vergehen 55<br />
Euro. Im Wiederholungsfalle soll es deutlich<br />
teurer werden.<br />
Welche Maßnahmen ergreifen LABO<br />
und Steuerprüfung gegen die bekannten<br />
GmbHs?<br />
Es gab Umsatzsteuernachschauen, bei<br />
denen etliche Betriebe keine Fiskal-Taxameter<br />
gehabt hätten. Sie wurden schriftlich<br />
ermahnt und verpflichtet, auf Fiskal-Taxameter<br />
aufzurüsten. Diese Firmen würden<br />
zeitnah erneut kontrolliert. Sollten die <strong>Taxi</strong>s<br />
dann noch immer nicht nachgerüstet sein,<br />
erfolge eine Meldung ans LABO wegen „steuerlicher<br />
Unzuverlässigkeit“ und es drohe<br />
Konzessionsentzug. Besonders interessant<br />
sei in diesem Zusammenhang: Fahrer, die<br />
offiziell niedrigere Löhne erhalten hätten,<br />
als ihnen tatsächlich ausgezahlt wurde und<br />
auf dieser Grundlage zu Unrecht Wohngeld<br />
oder ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt<br />
bezogen haben, erhielten eine Anzeige<br />
und würden strafrechtlich wegen Betrugs<br />
verfolgt. Ein ertappter Unternehmer sei vor<br />
die Alternative gestellt worden, Kooperation<br />
oder Knast. Er hätte sich für Ersteres<br />
entschieden und die Ermittler aufgeklärt:<br />
Jede zweite oder dritte Tour sei nicht über<br />
Taxameter gelaufen, sondern über eine Taxameter-App,<br />
die ein Smartphone täuschend<br />
echt wie ein Taxameter aussehen lässt und<br />
den gültigen Tarif anzeigt. Den Prüfern war<br />
aufgefallen, dass der km-Schnitt massiv in<br />
den Keller gegangen war. Auch hier erhielten<br />
alle beteiligten Fahrer Anzeigen. sb<br />
GRAFIK: Stanislav Statsenko / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong>, Toyota/SPS<br />
22 JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong> TAXI
TAXI DEUTSCHLAND BERLIN E. V.<br />
DEUTSCHLAND<br />
SCHAFFT SICH DOCH AB<br />
Wie die Professionalität in Deutschland vor die Hunde<br />
geht und was das für unsere Zukunft heißen könnte<br />
Der Beschluss des Bundesrats zur Abschaffung der Ortskundeprüfung<br />
für Miet- und Krankenwagenfahrer kam nicht<br />
überraschend. Die <strong>Taxi</strong>unternehmen waren darauf gefasst,<br />
da Behörden sich nicht von Maßnahmen überzeugen ließen gegen<br />
Uber, den Mietwagen-Fahrtenvermittler mit einer utopischen Umsatzbeteiligung<br />
von 26 Prozent.<br />
Bemühungen, Uber in die Schranken zu weisen, verliefen erfolglos.<br />
Anscheinend ist ein Fortbestehen des Marktes von bestimmter Seite<br />
nicht gewollt. Selbst der Bundesgerichtshof hat den letzten Beschluss<br />
auf die lange Bank geschoben – mit der Begründung, dass Uber zwar<br />
nicht zu den deutschen Gesetzen passe, das letzte Wort aber der<br />
Europäische Gerichtshof (EuGH) sprechen müsse.<br />
Nachdem alles an den EuGH überreicht wurde, kam nun die Hiobsbotschaft<br />
der Abschaffung der Ortskundeprüfung mitten in unsere<br />
Existenzangst geschleudert. Weder Unternehmerverbänden im<br />
Personenbeförderungsmarkt noch anderen Instanzen lag dazu ein<br />
Gutachten vor, und die Abstimmung darüber war keinem bekannt.<br />
Solch ein vorteilhafter Zufall für Uber ist schwer zu verdauen und<br />
schwer glaubwürdig.<br />
In Zukunft wird bewusst auf professionelle Ausbildung verzichtet.<br />
Die Fahrer werden sich nur noch auf Navigationsgeräte verlassen und<br />
bei Stau, Unfällen oder Polizeieinsätzen keine Alternativwege kennen.<br />
ORTSKUNDEWEGFALL FÜR MIETWAGEN BESCHLOSSEN<br />
Der Bundesrat hat am 7.7.<strong>2017</strong> trotz Protesten und Einwänden der <strong>Taxi</strong>branche der<br />
Abschaffung der Ortskundeprüfung für Krankenwagen- und Mietwagenfahrer in Orten<br />
mit mehr als 50.000 Einwohners zugestimmt.<br />
Der aus Gewerbesicht zweifelhafte Beschluss ist Teil der „Zwölften Verordnung zur<br />
Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung (FEV) und anderer straßenverkehrsrechtlicher<br />
Vorschriften“. In ihm wurde das festgehalten, was eine Expertengruppe „Fahrerlaubniswesen“<br />
innerhalb des Bund-Länder-Fachausschusses ausgearbeitet hatte.<br />
Im Punkt 5 der 12. Verordnung wird eine Änderung des § 48 FEV bestimmt. Demnach<br />
wird dort folgender Nebensatz gestrichen: „oder – falls die Erlaubnis für Mietwagen<br />
oder Krankenkraftwagen gelten soll – die erforderlichen Ortskenntnisse am Ort des<br />
Betriebssitzes besitzt; dies gilt nicht, wenn der Ort des Betriebssitzes weniger als<br />
50.000 Einwohner hat".<br />
Als Begründung führt der Gesetzgeber nur kurz aus: „Im Unterschied zum Fahrer von<br />
Taxen ist dem Fahrer eines Mietwagens und eines Krankenkraftwagens das Fahrtziel<br />
regelmäßig vor Antritt der Fahrt bekannt. Eine geeignete Fahrtroute kann bereits vor<br />
Fahrtantritt ausgewählt werden.“<br />
Der mit dieser Änderung verbundene künftige Wegfall der Ortskundeprüfung für<br />
Kranken- und Mietwagenfahrer wird von der <strong>Taxi</strong>branche seit Wochen heftig kritisiert.<br />
Vor allem in <strong>Berlin</strong>, wo Uber nach wie vor mit seinem Mietwagendienst UberX aktiv ist,<br />
ist eine weitere Schwemme an UberX-Mietwagenfahrern zu befürchten, wenn diese<br />
nun nicht mehr wegen fehlender Ortskenntnis ins <strong>Berlin</strong>er Umland ausweichen müssen.<br />
Wie soll dann noch die Rückkehrpflicht kontrolliert werden können?<br />
Angesichts dieser Entwicklung stellen sich ein paar Fragen, über<br />
die sich jeder mal Gedanken machen sollte: Ist die Industrie nicht<br />
in Zukunft in der Lage, mit Hilfe von Technik und Datenbanken alle<br />
Berufe zu ersetzen? Brauchen wir dann noch den Steuerberater, wenn<br />
es gute und relativ einfache Steuersoftware gibt? Brauchen wir noch<br />
Apotheken, wenn wir Medikamente verschrieben bekommen und<br />
der zukünftige Apotheker nur noch ein Verkäufer ist und kein Pharmazie-Absolvent<br />
mehr, der uns vor Ort beraten kann? Brauchen wir<br />
noch Rechtsberatungen, wenn wir Zugriff auf Datenbanken haben,<br />
um mit Schlagwörtern nach unseren Anliegen zu suchen?<br />
Die Reihe der Fragen ließe sich lange fortsetzen. Um es ad absurdum<br />
zu führen: Wozu brauchen wir Politiker, wenn ein Schauspieler die<br />
gleiche Arbeit verrichten kann wie jeder Politiker? Ronald Reagan und<br />
Arnold Schwarzenegger haben einen Super-Job als Politiker gemacht.<br />
Wenn wirtschaftliche Faktoren in der Politik eine so übergeordnete<br />
Rolle spielen, warum ersetzt man die Politiker nicht gleich durch<br />
CEOs, Manager und Geschäftsführer? Den Präsidenten könnte doch<br />
ein Tycoon mimen. Lächerlich? Mister Trump beweist das Gegenteil.<br />
Deutschland schafft sich wirtschaftlich ab, und dem kann unser<br />
System nur entgegenwirken, indem es Bildung und Verbrauchersicherheit<br />
groß schreibt. Die Qualität im Lande lässt nach.<br />
VW und Mercedes sind eher an manipulierten Softwareprogrammen<br />
interessiert, anstatt die deutsche Ingenieurskunst<br />
aufrecht zu erhalten und auf<br />
das nächste Level zu heben. Dürfen wir noch<br />
Qualität aus Deutschland erwarten, wenn<br />
die Politik die Qualitätsschraube lockert,<br />
anstatt sie zu wahren und die Mitbürger<br />
zu animieren, professionelle Ausbildung in<br />
Anspruch zu nehmen? Das Markenzeichen<br />
Deutschlands sollte stets Qualität bleiben<br />
und nicht ein heruntergewirtschafteter<br />
Arbeitsmarkt. <br />
md<br />
tt<br />
TAXI DEUTSCHLAND BERLIN E. V.<br />
Persiusstraße 7<br />
10245 <strong>Berlin</strong><br />
Tel. Sekr.: +49 (0)30 / 202 02 13 10<br />
Fax: +49 (0)30 / 202 02 13 11<br />
E-Mail: berlin@taxideutschland.eu<br />
www.taxideutschland.eu<br />
www.facebook.com/taxi.deutschland.eu<br />
Presserechtlich verantwortlich für diese<br />
Seite: Ertan Ucar<br />
Redaktion: Mem Deisel (md)<br />
TAXI JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong><br />
23
TAXIVERBAND BERLIN, BRANDENBURG E. V.<br />
GESCHÄFTE UNTER<br />
DEM DECKMANTEL<br />
DER MOBILITÄT<br />
Mietwagenkonzepte versprechen das Blaue vom<br />
Himmel, doch für einen Shuttle das Rad neu zu<br />
erfinden, ist nicht notwendig. Ökologische<br />
Lösungen und Verbraucherschutz gibt es nur mit<br />
dem <strong>Taxi</strong>gewerbe.<br />
Warum mit viel Geld ein kleines Start-Up<br />
fördern, wenn man auf eine ebenso umweltfreundliche<br />
<strong>Taxi</strong>struktur zurückgreifen kann?<br />
TAXIVERBAND BERLIN<br />
BRANDENBURG E. V.<br />
Franklinstraße 18<br />
10587 <strong>Berlin</strong><br />
Tel. Sekr.: +49 (0)30 / 24 33 54 08<br />
Tel. Kasse: +49 (0)30 / 86 09 07 70<br />
E-Mail: taxiverband@t-online.de<br />
www.taxiverband-berlin.de<br />
Presserechtlich verantwortlich für<br />
diese Seite: Detlev Freutel<br />
Redaktion: Detlev Freutel (df)<br />
Das Unternehmen „Clever Shuttle“<br />
betreibt seit dem vergangenen<br />
September innerhalb des <strong>Berlin</strong>er<br />
S-Bahn-Rings abends und nachts zehn Elektroautos<br />
vom Typ Nissan Leaf. Sie werden<br />
nach dem Prinzip Ride Sharing eingesetzt.<br />
Per App geben Nutzer ihre Fahrstrecke ein,<br />
und die Software sucht nach möglichen Mitfahrern<br />
mit ähnlichen Strecken. Wenn es<br />
passt, werden mehrere Fahrwünsche zusammengelegt,<br />
und die Nutzer teilen sich das<br />
Auto.<br />
Erinnerungen an das altehrwürdige Sammeltaxi<br />
werden wach. Doch so einfach ist<br />
das nicht, denn wir reden hier von Mietwagen,<br />
die normalerweise nach jeder Fahrt<br />
an den Firmensitz zurückkehren müssen.<br />
Da es auch nicht erlaubt ist, Sitzplätze einzeln<br />
zu „verkaufen“, geht Ride Sharing in<br />
Deutschland derzeit nur mit einer Ausnahmegenehmigung.<br />
Den zehn Wagen, die in<br />
<strong>Berlin</strong> unterwegs sind, hat das Landesamt<br />
für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten<br />
(LABO) eine „Genehmigung zur Erprobung<br />
gemäß § 2, Abs. 7 PBefG“ erteilt. Diese will<br />
Clever Shuttle nun auf 30 erweitern.<br />
Nach eigenen Angaben zahlt Clever<br />
Shuttle seinen Fahrern elf Euro pro Stunde.<br />
Alle seien fest angestellt. Das Angebot gibt<br />
es auch in Leipzig und München, sieben weitere<br />
Städte sind noch in diesem Jahr geplant.<br />
Investoren wurden bereits gewonnen, allen<br />
voran die Deutsche Bahn AG (DB). Der Vorstand<br />
Marketing der DB Fernverkehr, Dr.<br />
Michael Peterson, berät Clever Shuttle und<br />
will es in die DB integrieren. Aktuell hat sich<br />
auch Daimler über seine Tochterfirma Evo-<br />
Bus am Startup beteiligt. Gemeinsam sollen<br />
IT-Lösungen für das Management von Flotten<br />
entwickelt werden.<br />
Um in <strong>Berlin</strong> zu expandieren, müsste<br />
das LABO die Verdreifachung der eingesetzten<br />
Fahrzeuge genehmigen. Zu dem<br />
vorliegenden Antrag hat das LABO die<br />
<strong>Berlin</strong>er Gewerbevertreter im Rahmen des<br />
Anhörverfahrens jetzt um Stellungnahme<br />
gebeten (Antwort: siehe Seite 13).<br />
Doch damit nicht genug. Auch die <strong>Berlin</strong>er<br />
Verkehrsbetriebe (BVG) planen einen<br />
vergleichbaren Service. BVG-Chefin Sigrid<br />
Evelyn Nikutta sieht ihr Unternehmen<br />
„mittendrin“ in einer „Mobilitätsrevolution“<br />
und daher die Notwendigkeit, das eigene<br />
„Angebot mit neuen Mobilitätsdiensten [zu]<br />
ergänzen“. Dazu wird ein Partner gesucht.<br />
Mercedes-Benz sei Favorit, aber auch Uber<br />
war schon als Partner im Gespräch.<br />
Das Projekt wird von der Wirtschaftssenatorin<br />
und neuen BVG-Aufsichtsratsvorsitzenden<br />
Ramona Pop vorangetrieben und trifft<br />
auch in der eigenen Koalition nicht auf ungeteilte<br />
Zustimmung, da Uber als Partner nicht<br />
tragbar sei und das Angebot keine zusätzliche<br />
Konkurrenz zu <strong>Taxi</strong>s werden dürfe.<br />
Genau hier setzt auch die Kritik der Gewerbevertreter<br />
an: Warum sehen Senat, Bahn<br />
und BVG das <strong>Taxi</strong>gewerbe für einen derartigen<br />
Fahrdienst nicht als prädestinierten<br />
Partner? Wieso werden Knowhow und Potential<br />
der großen <strong>Taxi</strong>-Vermittlungszentralen<br />
nicht in Betracht gezogen? Weshalb werden<br />
die 8.000 <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>s nicht als vorhandene<br />
Ressourcen genutzt und effektiver ausgelastet,<br />
statt zusätzliche Fahrzeuge in den Verkehr<br />
zu bringen?<br />
Diese Effektivierung in Verbindung mit<br />
einer gezielt geförderten Elektrifizierung der<br />
<strong>Taxi</strong>flotte wäre das, was die neuen Mitbewerber<br />
zu bieten vorgeben: eine wahrhaft<br />
ökologische Lösung. <br />
df/sb<br />
FOTOMONTAGE: Stanislav Statsenko / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
24 JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong> TAXI
STONE BREWING<br />
BERLIN<br />
Im Marienpark 23<br />
12107 <strong>Berlin</strong> (Mariendorf)<br />
(Zufahrt von der Lankwitzer Str. über<br />
„Altes Gaswerk Mariendorf“)<br />
Zufahrt und Abholung der Fahrgäste<br />
bitte nur über den Parkplatz (einfach<br />
den Großen P-Schildern folgen).<br />
Brauereiführung inkl. Tasting (3.- €)<br />
täglich 17.30 Uhr (deutsch) und 18.30<br />
(englisch).<br />
Am Wochenende auch 13.30 Uhr bzw.<br />
14.30 Uhr<br />
In denkmalgeschützten Hallen auf dem ehemaligen GASAG-<br />
Gelände wird heute Stone-Bier gebraut.<br />
Lange Theke: 50 eigene und<br />
25 Gastbiere stehen zur Auswahl.<br />
STONE BREWING NACH<br />
DEUTSCHEM REINHEITSGEBOT<br />
Nicht alles, was aus Amerika zu uns herüberschwappt, ist Uber oder<br />
überflüssig. Es gibt auch Dinge aus den USA, die kann man den <strong>Berlin</strong>er<br />
<strong>Taxi</strong>fahrern durchaus empfehlen – ein Besuch in Mariendorf zum Beispiel.<br />
FOTOS: <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
Auf dem Marienpark-Gelände im Süden <strong>Berlin</strong>s hat sich letztes<br />
Jahr die „Stone Brewing <strong>Berlin</strong>“ niedergelassen, eine<br />
Privatbrauerei, die sich in den USA längst einen Kultnamen<br />
gemacht hat. Auf dem ehemaligen Gelände der GASAG werden unzählige<br />
Biersorten gebraut (90% nach dem deutschen Reinheitsgebot),<br />
bei denen ein hopfenlastiges Aroma und intensiver Geschmack im<br />
Vordergrund stehen. Von hier aus wird nach ganz Europa ausgeliefert.<br />
Die Brauerei kann täglich besichtigt werden, Führungen finden auf<br />
Deutsch und auf Englisch statt.<br />
Das allein wäre nun aber noch keine Empfehlung wert. Zum<br />
<strong>Taxi</strong>-<strong>Times</strong>-Touristentipp wird das, was die amerikanischen Brauerei-Inhaber<br />
rund um die Bierproduktion aufgebaut haben: Den Besucher<br />
erwartet nicht nur ein Lokal, sondern eine Event-Lokation, die<br />
in dieser Form sicherlich einzigartig für <strong>Berlin</strong> ist. In großen Gärten<br />
(5.000 Quadratmeter) sitzt man in voneinander abgegrenzten Bereichen<br />
auf Holzbänken, Steinen oder Baumstumpfen, kann passend<br />
zur natürlichen Umgebung ein reichhaltiges Essen aus Bioprodukten<br />
bestellen und aus bis zu 75 Biersorten auswählen. „Da kann es<br />
schon mal sein, dass der Kellner die Unterschiede sehr ausführlich<br />
erklären muss, wofür er sich auch gerne Zeit nimmt“, verspricht<br />
Service-Manager Florian Lange.<br />
Die Unterschiede liegen vor allem in der großen Menge Hopfen, die<br />
jedem Bier zugeführt werden (ohne dabei das deutsche Reinheitsgebot<br />
zu verletzen). Das macht den Geschmack eigenständig und den Bierpreis<br />
etwas teurer, was aber die Stammkunden nicht abschreckt, die<br />
vor allem aus den umliegenden Stadtteilen Mariendorf, Marienfelde<br />
und Steglitz kommen.<br />
Oder gleich aus Tennessee, Arizona, Memphis und sonst woher aus<br />
den USA. In Amerika ist Stone Brewing eine Kultmarke, und wenn<br />
US-Touristen mitbekommen, dass es in <strong>Berlin</strong> einen Ableger davon<br />
gibt, wollen sie dort unbedingt hin. Dann ist auch der Kauf eines<br />
Souvenirs aus dem kleinen Stone-Brewing-Shop absolute Pflicht, sei<br />
es ein Stone-Handtuch oder ein T-Shirt. Letzteres kostet 25 Euro und<br />
damit in etwa so viel wie eine <strong>Taxi</strong>fahrt von Mitte in den <strong>Berlin</strong>er<br />
Süden. Für den <strong>Taxi</strong>fahrer also immer eine lohnenswerte Tour. Und<br />
wenn danach der Gesetzgeber sowieso eine Pause vorschreibt, kann<br />
der Fahrer oder die Fahrerin im Biergarten oder Restaurant das Bier<br />
gleich selbst probieren. Eines der über 75 angebotenen Biere ist auch<br />
alkoholfrei. <br />
jh<br />
TAXI Fiskal- und Arbeitszeitlösung<br />
keine „INSIKA“ Nachbearbeitung notwendig<br />
✓ mobile Kasse mit Fahrzeugortung<br />
✓ Fahreranmeldung<br />
✓ Start / Ziel / Fahrttyp<br />
✓ Fahrpreis<br />
✓ Trinkgeldfunktion<br />
✓ Schichtabschluss mit Tachostand<br />
✓ Tagesumsatz, Monatsumsatz<br />
✓ Quittung Cloud gesteuert<br />
✓ sichere Archivierung<br />
optional<br />
✓ GDPdU Datei<br />
optional<br />
www.e-pos.de Tel.: 040 - 890 05 916<br />
TAXI JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong><br />
25
INKLUSION<br />
GROSSER BAHNHOF<br />
FÜR DAS INKLUSIONSTAXI<br />
Rollstuhltaxis beim Roll-Out<br />
Im Beisein von viel <strong>Berlin</strong>er Polit- und Gewerbeprominenz wurden am<br />
Hauptbahnhof die ersten fünf Rolli-<strong>Taxi</strong>s aus dem Projekt „Inklusionstaxi<br />
– <strong>Taxi</strong> für alle“ an <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>unternehmer übergeben.<br />
Zur Feier des Tages hatten sich an<br />
dem schlimmen Regentag Ende Juni<br />
alle Beteiligten am Projekt „Inklusionstaxi<br />
– <strong>Taxi</strong> für alle“ und weitere Gäste<br />
in einem Zeltpavillon mitten auf dem Washingtonplatz<br />
am Hauptbahnhof eingefunden.<br />
Die fünf Volkswagen Caddy (lang) standen<br />
hübsch aufgereiht zwischen Zelt und Bahnhof<br />
im Regen. Der Versuch, fröhlich ins <strong>Taxi</strong><br />
rollende Menschen mit Behinderung ins Bild<br />
zu setzen, wollte nicht so recht gelingen. Auf<br />
den Fotos waren vorwiegend bunte Schirme<br />
zu sehen.<br />
ES GEHT ENDLICH LOS<br />
Egal, alle Redner vom Sozialverband, den<br />
Behindertenverbänden, dem <strong>Taxi</strong>gewerbe,<br />
von der Autoindustrie und aus der Politik<br />
zeigten sich glücklich, das <strong>Taxi</strong> für alle ins<br />
Werk gesetzt zu haben, und dass es nun endlich<br />
losgeht.<br />
Lutz-Stephan Mannkopf, der Leiter des Projekts<br />
vom Sozialverband Deutschland (SoVD),<br />
lobte seinen Verband und die Unterstützung<br />
durch den Paritätischen Wohlfahrtsverband,<br />
ohne deren Engagement diese <strong>Taxi</strong>s nie auf<br />
die Straße gekommen wären. Er lobte auch<br />
den Hersteller Volkswagen für die vorbildliche<br />
Ausstattung der Wagen. Sie verfügen<br />
über einen Heckausschnitt mit Klapprampe<br />
und automatischen Befestigungsgurten. Darüber<br />
hinaus haben sie zwei ausschwenkbare<br />
Klappsitze im Fond, damit sie voll nutzbar<br />
bleiben, wenn kein Rollstuhl befördert wird.<br />
Ein Rolli-<strong>Taxi</strong> hat sogar einen elektrischen<br />
Schwenksitz auf der Beifahrerseite als Einstiegshilfe<br />
für besonders Gebrechliche bzw.<br />
für umsetzbare Rollstuhlfahrer.<br />
Das alles war nicht billig. Die Umrüstungen<br />
haben 12.000 bis 15.000 Euro pro <strong>Taxi</strong><br />
gekostet. Aber weder die Verbände noch die<br />
Behinderten haben für den Anfang eine primitive<br />
Billiglösung gewollt. Wer am Ende<br />
die Kosten trägt, darüber wird noch zu<br />
reden sein.<br />
Sprecherinnen der Behinderten zeigten<br />
sich erfreut darüber, dass nun bald auch<br />
Rollstuhlfahrer spontan ein <strong>Taxi</strong> bestellen<br />
können und sie nicht, wie heute, im Regen<br />
stehen bleiben, weil der Sonderfahrdienst<br />
überlastet ist. Andererseits kam auch wieder<br />
der Maximalanspruch, warum nicht alle<br />
Taxen barrierefrei werden sollen und warum<br />
das extra etwas kosten soll. Dafür wird dann<br />
immer das London-<strong>Taxi</strong> angeführt – und<br />
dabei vergessen, dass die Barrierefreiheit der<br />
London-<strong>Taxi</strong>s nur aus einer simplen Blechplatte<br />
besteht, die lose an das Auto angelegt<br />
wird. Dafür ist wirklich kein Zuschlag-Tarif<br />
gerechtfertigt. Die im Übrigen auch von den<br />
Behindertenverbänden gewünschte <strong>Berlin</strong>er<br />
Komfort-Ausstattung gibt es, wie erwähnt,<br />
nicht umsonst.<br />
Die beiden zum Festakt erschienenen<br />
Senatorinnen waren ebenfalls erfreut, dass<br />
die Inklusion nun auch im <strong>Taxi</strong>gewerbe Platz<br />
greift. Was die baldige Klärung der noch<br />
immer offenen Fragen angeht, dämpften sie<br />
aber die Stimmung. Ob und wie die teure<br />
Umrüstung der <strong>Taxi</strong>s subventioniert werden<br />
wird und, wenn ja, von welcher Senatsverwaltung,<br />
muss noch ausgehandelt werden.<br />
In Frage kommen die Ressorts Soziales,<br />
Verkehr und Wirtschaft. Auch die Tarifgestaltung<br />
ist noch offen.<br />
BARRIEREFREI GEHT<br />
NICHT MIT CNG<br />
Ein ganz anderes Problem kam beim<br />
„Großen Bahnhof“ gar nicht zur Sprache: Es<br />
gibt kein einziges barrierefrei umrüstbares<br />
<strong>Taxi</strong>-Fahrzeug mit einem umweltfreund-lichen<br />
Antrieb, kein Hybrid, kein CNG, und<br />
Elektro schon gar nicht. Angesichts drohender<br />
Dieselfahrverbote in Innenstädten<br />
könnte dieser Umstand die Investitionsbereitschaft<br />
der <strong>Taxi</strong>unternehmer in Rolli-<strong>Taxi</strong>s<br />
erheblich beeinträchtigen. Die Fahrzeughersteller<br />
kennen das Problem. Sie sind bei<br />
jeder sich bietenden<br />
Gelegenheit darauf<br />
hingewiesen worden.<br />
Vielleicht gibt es ja<br />
eine Sondergenehmigung<br />
für qualmende<br />
Rolli-<strong>Taxi</strong>s, wie einst<br />
beim Smog-Alarm.<br />
Damals durften <strong>Taxi</strong>s<br />
auch weiter fahren.<br />
Der Wille, das Inklusionstaxi<br />
zu einem<br />
Erfolg werden zu lassen,<br />
scheint jedenfalls<br />
allseits vorhanden zu<br />
sein. <br />
wh<br />
FOTOS: pixabay.com, Wilfried Hochfeld / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
26 JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong> TAXI
INKLUSION<br />
SENAT DÄMPFT<br />
DIE STIMMUNG<br />
Mobilität für alle – Das Projekt Inklusionstaxi ist<br />
ein Meilenstein, bei dem schon vieles klappt und<br />
noch manches klemmt.<br />
Endlich ist es so weit, die ersten fünf<br />
Inklusionstaxis wurden an ihre<br />
Betreiber übergeben und sind ab 1.<br />
<strong>August</strong> bestellbar. Der Senat war zum „Startschuss“<br />
gleich durch zwei Ressortchefinnen<br />
vertreten, Sozialsenatorin Elke Breitenbach<br />
und Verkehrssenatorin Regine Günther. Dass<br />
beide der Einladung gefolgt waren, war ein<br />
deutliches Bekenntnis des rot-rot-grünen<br />
Senats zum Inklusionstaxi und den Festlegungen<br />
im Koalitionsvertrag (Breitenbach:<br />
„Normalerweise wäre ich nicht gekommen,<br />
wenn ich sehe, dass der Veranstaltung schon<br />
eine Senatorin beiwohnt“).<br />
Trotzdem dämpften sie die Stimmung ein<br />
wenig, da noch nicht einmal klar sei, welche<br />
Verwaltung welche Aufgaben übernimmt.<br />
Stephan Berndt, der „Inklusions-Beauftragte“<br />
des <strong>Berlin</strong>er <strong>Taxi</strong>gewerbes, machte<br />
deutlich, dass kein Unternehmer investieren<br />
werde, bevor die Rahmenbedingungen<br />
geklärt seien. Er wünsche sich umgehend ein<br />
klares Konzept, einen verlässlichen Zeitplan,<br />
Festlegungen zur Investitionsförderung, zu<br />
Abrechnungssystem, Fahrpreisen, Selbstbeteiligung<br />
und Ausstattung des <strong>Taxi</strong>kontos.<br />
Vorschläge, Vom SoVD und dem <strong>Taxi</strong>gewerbe<br />
gemeinsam entwickelt, lägen der Politik<br />
längst vor.<br />
Die Fördermittel müssten dringend in den<br />
nächsten Doppelhaushalt eingeplant werden,<br />
dazu sei nur noch bis September Zeit. Die<br />
Senatorinnen blieben dabei: Von Seiten des<br />
Hico_04-2016.qxp_Layout 1 06.04.16 10:04 Seite 1<br />
Senats gebe es hinsichtlich der genauen<br />
Umsetzung noch viele offene Fragen, z. B.<br />
die Beteiligung der Behindertenverbände,<br />
die Verzahnung mit Sonderfahrdienst und<br />
ÖPNV und Bedingungen für die Investitionsförderung.<br />
Sie seien erst ein halbes Jahr<br />
im Amt und müssten viele Aufgaben erfüllen.<br />
Im Koalitionsvertrag sei festgelegt, das<br />
Projekt solle „innerhalb dieser Legislaturperiode“<br />
umgesetzt werden. Es seien also<br />
noch viereinhalb Jahre Zeit, Wort zu halten.<br />
Die „desolate und diskriminierende Situation<br />
für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer“<br />
müsse schnellstmöglich durch die<br />
Einführung von Inklusionstaxis behoben<br />
werden, mahnte Bärbel Reichelt vom <strong>Berlin</strong>er<br />
Behinderten-Verband. Am Sonderfahrdienst<br />
gebe es nicht nur „Kritik an den begrenzten<br />
Kapazitäten“, bei Inklusion gehe es auch<br />
darum, „den Menschen mit Behinderung<br />
keinen Sonderstatus in der Gesellschaft<br />
zuzuweisen“.<br />
Das <strong>Taxi</strong>gewerbe muss weiter versuchen,<br />
die Politik zu überzeugen, dass im Interesse<br />
der Betroffenen Eile geboten ist und Fördermittel<br />
deshalb schon in den nächsten Doppelhaushalt<br />
gehören. Sollte dies wirklich nicht<br />
möglich sein, muss der Senat dem Gewerbe<br />
zumindest eine Garantie abgeben, dass<br />
DIN-gerechte Einbauten ab dem 1.8.<strong>2017</strong> in<br />
Autos, die nicht älter als ein Jahr sind, nachträglich<br />
gefördert werden. Nur so kann das<br />
Projekt starten. <br />
sb<br />
Ein Fuß auf der Bremse, einer auf dem Gas:<br />
Sozialsenatorin Breitenbach (l.) und Verkehrssenatorin<br />
Günther (r.)<br />
„Die Politik muss Investitionssicherheit schaffen.“<br />
Stephan Berndt, Vorstandsmitglied der<br />
<strong>Taxi</strong>-„Innung“ und <strong>Taxi</strong>-<strong>Times</strong>-Redakteur<br />
– nur 1x in <strong>Berlin</strong> –<br />
FOTOS: Herbert Schlemmer<br />
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TAXI JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong><br />
27
NACHHALTIGKEIT<br />
GROSSES NACHDENKEN<br />
ÜBER NEUE MOBILITÄT<br />
In einer groß angelegten Konferenz hat das Bundesministerium für Bildung<br />
und Forschung (BMBF) zahlreiche Fachleute zum Nachdenken über Wege<br />
zur Mobilitätswende eingeladen.<br />
Die Städte ersticken im Verkehr und<br />
seinen Ausdünstungen. Die innerstädtische<br />
Durchschnittsgeschwindigkeit<br />
beträgt neun km/h. Der Verkehr<br />
trägt nichts zur CO2- Reduktion bei. Wir<br />
brauchen eine Aufbruchstimmung für eine<br />
neue Mobilität in der Energiewende. Es geht<br />
um Millionen Arbeitsplätze. Breitere Straßen<br />
sind nicht die Lösung. Das System Mobilität<br />
muss grundsätzlicher betrachtet werden.<br />
Dafür gibt es Forschungsmittel, wie der<br />
Staatssekretär im BMBF, Dr. Georg Schütte,<br />
am 22. Juni in seiner Begrüßungsrede sagte.<br />
Dr. Rainer Bomba, Staatssekretär im<br />
Bundesministerium für Verkehr und digitale<br />
Infrastrukur (wir kennen ihn vom Aufsichtsrat<br />
des BER) haute in dieselbe Kerbe.<br />
Die gewaltige Herausforderung Digitalisierung<br />
umfasst alles, und die Mobilität ist ein<br />
großer Faktor darin. Bei der Umwälzung der<br />
gesellschaftlichen Grundlage Mobilität müssen<br />
die Menschen mitgenommen werden. Die<br />
wissen, was für sie gut ist.<br />
NEUERUNGEN KOSTEN WÄHLER<br />
Was bedeutet das? Neuerungen par Ordre<br />
du Mufti bringen Verdruss und kosten Wähler.<br />
Bomba setzt auf Zeit. Von den 44 Millionen<br />
Autos in der Bundesrepublik werden<br />
jedes Jahr 3,5 Millionen erneuert. Da kann<br />
man sich ausrechnen, wie lange es dauert,<br />
bis sich eine neue, umweltverträgliche Technologie<br />
flächendeckend ausgebreitet hat.<br />
Man kann den Verbrenner nicht von heut<br />
auf morgen verbannen. Bahnbrechende neue<br />
Technologie brauche Jahre, sagte er.<br />
Voraussetzung dafür, dass diese Ausbreitung<br />
neuer Technologie auf „natürlichem“<br />
Wege überhaupt anfängt, wäre, dass die<br />
Autoindustrie etwas anbietet, von dem die<br />
Menschen glauben, dass es gut für sie ist.<br />
Nachdem die Politprominenz ihre Reden<br />
gehalten hatte und dann schnell verschwunden<br />
war, folgte ein zweitägiges, höchst<br />
anspruchsvolles Programm aus Vorträgen,<br />
Diskussionen und Arbeitskreisen in gelungener<br />
Ausgewogenheit von Theorie und Praxis.<br />
Prof. Dr. Achim Kampker berichtete von<br />
der Entwicklung des Streetscooters für die<br />
Post. Er war Leiter der Arbeitsgruppe, die den<br />
elektrischen Lieferwagen an der TH Aachen<br />
entworfen hat. Jetzt ist er an der Uni beurlaubt<br />
und organisiert stattdessen bei DHL<br />
den Einsatz des neuen Produkts.<br />
BVG FÄHRT ELEKTRISCH<br />
BVG-Chefin Dr. Sigrid Evelyn Nikutta verwies<br />
auf die lange Elektro-Tradition bei der<br />
BVG. Tram und U-Bahn fahren schon seit 100<br />
Jahren elektrisch, und der restliche Betrieb<br />
soll nach Möglichkeit folgen. Auch für Verkehrsformen<br />
jenseits herkömmlicher Linien<br />
sei die BVG prinzipiell offen.<br />
Viele weitere Praktiker und Vertreter aus<br />
Wissenschaft, Wirtschaft, Kommunen, Politik<br />
und Gesellschaft legten ihre Ideen zu vielen<br />
Aspekten einer nachhaltigen urbanen<br />
Mobilität dar und diskutierten sie auf dem<br />
Podium und mit den rund 350 Teilnehmern.<br />
Im Auditorium saß ebenfalls die geballte<br />
Kompetenz auf diesem Gebiet und steuerte<br />
in den Workshops ihren Teil zur Erstellung<br />
eines Themenkatalogs für künftige Verkehrsforschung<br />
bei.<br />
Die Zeiten, in denen sich Verkehrsforschung<br />
darauf beschränkte, an Kreuzungen<br />
die Verkehrsteilnehmer zu zählen, um daraus<br />
herzuleiten, wie breit die Straßen sein<br />
müssen und wie viele Busse dort fahren sollten,<br />
sind offenbar passé. In einer „<strong>Berlin</strong>er<br />
Erklärung“ unter dem Titel „Neues wagen!<br />
Mehr Mut für innovative Wege in der Mobilität“<br />
wurden zum Abschluss am 23. Juni<br />
Anforderungen und Ziele für eine anders<br />
geartete Verkehrsforschung genannt.<br />
Einige Kernsätze daraus: Forschung<br />
muss Mobilität als System betrachten. Der<br />
Kontext muss beachtet werden (Klimawandel,<br />
Dekarbonisierung, Digitalisierung der<br />
Arbeit). Kooperation zwischen Wissenschaft<br />
und Forschung auf der einen Seite und den<br />
Unternehmen, Kommunen und Bürgern auf<br />
der anderen Seite ist notwendig. Für Modellvorhaben<br />
müssen Experimentierräume her.<br />
Alle Beteiligten sollen sich anstrengen. Die<br />
Zeit drängt. <br />
wh<br />
Prof. Dr. Achim Kampker, „Erfinder“ des<br />
Streetscooters<br />
Viele Partner kümmern sich um urbane<br />
Mobilität, hier Dr. Michael Niedenthal<br />
vom Verband der Automobilindustrie.<br />
FOTOS: Wilfried Hochfeld / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
28 JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong> TAXI
NACHHALTIGKEIT<br />
DIE REVOLUTION<br />
LÄSST WARTEN<br />
Es liegt was in der Luft: zu viel CO 2<br />
. Das muss<br />
aufhören. Zwei Professoren diskutierten, wie das<br />
gehen kann, und setzen große Erwartungen in<br />
die digitale Mobilitätsrevolution.<br />
FOTOS: Wilfried Hochfeld / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong>, GRAFIK: panimoni - deposiphotos.de<br />
Im Rahmen einer Vortragsreihe von Infraneu<br />
(Hauptverband für den Ausbau der<br />
Infrastrukturen und Nachhaltigkeit)<br />
diskutierten Prof. Dieter Flämig und Prof.<br />
Andreas Knie am 13. Juni die Frage: „Führt<br />
die digitale Mobilitätsrevolution in die<br />
Nachhaltigkeitsgesellschaft?“<br />
Prof. Flämig ist Mitbegründer von Infraneu<br />
und hatte verschiedene politische und<br />
wissenschaftliche Positionen zum Thema<br />
Energie inne. Er hat ein Buch geschrieben<br />
über Energiewende und Nachhaltigkeitsgesellschaft.<br />
Prof. Knie ist Soziologie-Professor<br />
an der TU <strong>Berlin</strong> und Mitbegründer des<br />
InnoZ (Innovationszentrum für Mobilität<br />
und gesellschaftlichen Wandel) auf dem<br />
Euref-Campus. Er ist in verschieden Gremien<br />
zum Thema Mobilität und Wissenschaftspolitik<br />
tätig.<br />
DIE SCHWEINEREI IN DER LUFT<br />
Einig waren sich die beiden Professoren<br />
und das Auditorium, in dem weitere Professoren<br />
und einschlägige Aktivisten saßen,<br />
dass die Schweinerei mit der Luft eine andere<br />
werden muss. Luftverschmutzung, Klimaerwärmung<br />
und die fatalen Folgen sind unumstrittener<br />
Stand der Wissenschaft. Auch darüber,<br />
was eine Nachhaltigkeitsgesellschaft<br />
sein soll, herrschte Einigkeit. Die nachhaltige<br />
Gesellschaft wirtschaftet in Kreisläufen,<br />
die alles, was bislang Abfall war, sinnvoll<br />
weiter verwendet, und dadurch viel weniger<br />
von den begrenzten natürlichen Ressourcen<br />
verbraucht.<br />
Darüber, wie die zweifellos notwendige<br />
Mobilitätsrevolution eigentlich vonstatten<br />
gehen soll, kam wenig Konkretes heraus.<br />
Man klagte über die verkrusteten Verhältnisse<br />
in der Politik, der Verwaltung, der<br />
Industrie und der Gesellschaft. Digital soll<br />
es werden und elektrisch. Aber wie? Durch<br />
Autos mit fest eingebauten Batterien und<br />
Schnellladung oder mit Wechselbatterien,<br />
oder gleich mit Brennstoffzelle? Nichts<br />
von dem funktioniert zurzeit reibungslos.<br />
Schnellladen verkürzt die Lebensdauer von<br />
Prof, Dieter Flämig (sitzend), Prof. Andreas<br />
Knie (dozierend)<br />
Batterien enorm, bemerkte ein Professor vom<br />
Fach aus dem Publikum und erntete damit<br />
ungläubige Ablehnung. Oder rettet Uber digital<br />
die Welt? Revolution kümmert sich nicht<br />
um Gesetze!<br />
Die Verhältnisse, die schlechten, wurden<br />
in großer gedanklicher Freiheit überflogen.<br />
Den Abstand zwischen den Niederungen der<br />
Ebene und der beachtlichen gedanklichen<br />
Flughöhe der professoralen Revolutionäre zu<br />
überbrücken, ist eine Herausforderung – für<br />
wen eigentlich? Das Volk, das seine geliebten<br />
Gewohnheiten nicht aufgeben möchte? Die<br />
Politiker, die von eben diesem Volk wiedergewählt<br />
werden wollen? Irgendwie fehlt der<br />
Mobilitätsrevolution das revolutionäre Subjekt.<br />
Geht das Volk erst auf die Barrikaden,<br />
wenn ihm die Luft ausgeht?<br />
Der Grundstein ist gelegt. Die Klimaschutzabkommen<br />
sind unterschrieben.<br />
Eines Tages verlangen die Leute, was da<br />
verbindlich versprochen wurde. Geht es<br />
der Bundes-Diesel-Verbrenner-Republik wie<br />
der DDR? Die hatte einst die Schlussakte<br />
von Helsinki unterschrieben und nichts zu<br />
deren Umsetzung unternommen – bis das<br />
Volk aufstand und die verbindlich versprochenen<br />
Menschenrechte verlangte, alle,<br />
sofort. Die Folgen sind bekannt. Die nächste<br />
Revolution lässt warten. <br />
wh<br />
TAXI JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong><br />
29
WIRTSCHAFTLICHKEIT<br />
IST GÜNSTIGER<br />
AUCH GENAUSO GUT?<br />
Der Onlinehandel boomt, auch beim Verkauf von Kfz-Ersatzteilen. Aber<br />
besonders, wenn es um die Sicherheit geht, ist nicht Geiz, sondern<br />
Vorsicht „geil”. Ein Überblick.<br />
Mit dem Verkauf von Ersatzteilen für das Auto wird eine<br />
Menge Geld verdient, besonders im Internet. Und weil man<br />
im Netz vieles billiger bekommt, beklagen sich nicht wenige<br />
Kunden über die Reparaturrechnung, sei sie nun von einer Markenwerkstatt<br />
oder einer freien Werkstatt Ihrer Wahl. „Geht das denn nicht<br />
günstiger?“ Ja schon, aber dazu wäre dann noch einiges zu sagen.<br />
Zum Beispiel, welche Ersatzteile es auf dem Markt für Autoteile gibt,<br />
wodurch sich diese unterscheiden und welche Vor- und Nachteile mit<br />
den verschiedenen Teilen verbunden sind.<br />
Da wären zum einen die Originalteile. Der Name verrät es schon:<br />
Es geht um jene originalen Teile, die beim Bau der Autos verwendet<br />
werden. Sie können vom Fahrzeughersteller, beispielsweise von<br />
Mercedes-Benz, Toyota oder Volkswagen, entweder selbst produziert<br />
oder von einem anderen Hersteller, einem Kfz-Zulieferer, zugekauft<br />
und dann mit dem Markenlogo des Autobauers versehen werden.<br />
Am meisten verdient der Fahrzeughersteller mit den Originalteilen.<br />
BOSCH UND MERCEDES SIND MANCHMAL IDENTISCH<br />
Die sogenannten Identteile unterscheiden sich davon lediglich dem<br />
Namen nach, beziehungsweise durch das auf dem Teil abgebildete<br />
WAS DIE EXPERTEN EMPFEHLEN<br />
Bei den Alternativen zum Originalersatzteil<br />
ist die mangelnde Transparenz bezüglich<br />
der Qualität das Hauptproblem. Europas<br />
größter Verkehrsclub, der ADAC, rät von<br />
Ersatzteilen über „Online-Börsen – insbesondere<br />
Ebay oder ähnliche“ – ab, da die<br />
dort vertriebenen Bauteile „oft in Fernost“<br />
hergestellt werden und „hinsichtlich der<br />
Qualitätsansprüche teils höchst fragwürdig<br />
sind.“ Dabei sollte man der Formulierung<br />
„in Erstausrüster-Qualität“ keinen<br />
Glauben schenken.<br />
Lediglich bei der Reparatur von älteren<br />
Autos, und wenn es sich nicht um sicherheitsrelevante<br />
Teile wie handelt, könnte<br />
man laut ADAC auf diese Ersatzteile<br />
zurückgreifen. Der Verkehrsclub rät aber<br />
grundsätzlich zum „Kauf namhafter Marken-Ersatzteile<br />
im seriösen Fachgeschäft.“<br />
Auch der Verband der Automobilindustrie,<br />
der VDA, empfiehlt „Ersatzteile von namhaften<br />
(Teile-) Herstellern“, da diese auf<br />
Qualität achten würden und für Sachmängel<br />
ihrer Produkte geradestehen müssen.<br />
Bringt der Kunde selbst eingekaufte Teile<br />
mit in die Werkstatt, so weist der VDA<br />
darauf hin, dass „Werkstätten zwar für<br />
den Einbau, aber nicht für die Qualität“<br />
der mitgebrachten Teile haften. Allerdings<br />
erwähnt auch der VDA, dass industriell<br />
wiederaufbereitete Teile eine sinnvolle<br />
Alternative sein können.<br />
Werner Wernicke von TE <strong>Taxi</strong>teile <strong>Berlin</strong><br />
rät allen Autobesitzern und insbesondere<br />
<strong>Taxi</strong>unternehmen ebenfalls zu Ersatzteilen<br />
in Erstausrüsterqualität, also von namhaften<br />
Herstellern der Zulieferindustrie. Da<br />
könne man im freien Teilehandel leicht<br />
30 bis 50 Prozent im Vergleich zu den<br />
gleichen Teilen des Fahrzeugherstellers<br />
sparen, und das in vergleichbarer Qualität.<br />
Bei älteren Fahrzeugen spielt natürlich<br />
auch die zeitwertgerechte Instandhaltung<br />
mit Alternativmarken eine nicht unbedeutende<br />
Rolle.<br />
Auch hier gibt es viele bekannte Marken,<br />
die als Neuteil eine wirklich gute Qualität<br />
bieten, ohne Abstriche an Sicherheit und<br />
Haltbarkeit. Das Einsparpotential ist hier<br />
ganz erheblich.<br />
Zusammengefasst bedeutet das: Ersatzteile<br />
muss man nicht unbedingt beim<br />
teuren Vertragshändler kaufen, Markenersatzteile<br />
in Erstausrüsterqualität<br />
oder von bekannten Alternativmarken<br />
sind eine echte Alternative. Der seriöse<br />
Teile-Fachhandel, auch in einschlägigen<br />
Onlineshops, hat hier einiges zu bieten, so<br />
Wernicke.<br />
FOTO: Iurii - depositphotos.de<br />
30 JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong> TAXI
WIRTSCHAFTLICHKEIT<br />
FOTO: dashadima - depositphotos.de<br />
Logo, da diese Teile absolut bau- und funktionsgleich mit den Originalteilen<br />
sind. Die Identteile werden vom Kfz-Zulieferer des Fahrzeugherstellers<br />
gebaut. Nur steht hier eben nicht der Markenname<br />
des Autobauers, etwa Mercedes-Benz, sondern der des Zulieferers,<br />
zum Beispiel der Firma Bosch, auf den Teilen. Es sind die gleichen<br />
Teile, die auch im Neufahrzeug verbaut werden, da die Identteile<br />
auf denselben Maschinen und nach den gleichen Kriterien wie die<br />
Originalteile für den Fahrzeughersteller gefertigt werden. Allerdings<br />
wurde der Begriff des Identteils von der Gesetzgebung überholt; diese<br />
Teile werden mittlerweile ebenfalls als Originalteile bzw. Originalersatzteile<br />
bezeichnet. Nach Angaben<br />
des ADAC besteht<br />
bei sachgerechtem<br />
Einbau<br />
von Originalersatzteilen<br />
keine<br />
Gefahr des Verlusts<br />
der Garantie oder<br />
Gewährleistung.<br />
Bauteile, die in der Regel<br />
nicht sicherheitsrelevant<br />
sind, sind laut ADAC<br />
etwa Teile der<br />
Auspuffanlage,<br />
„Generatoren,<br />
Klimakompressoren<br />
und Teile der Innenausstattung“.<br />
Diese Bauteile sind auf<br />
jeden Fall interessant, wenn man<br />
sparen möchte und nach günstigen<br />
Gebrauchtteilen sucht.<br />
VORSICHT VOR GARANTIEVERLUST<br />
Dagegen könne es laut ADAC bei verwendeten Teilen, die vom Autohersteller<br />
nicht als Originalersatzteil freigeben wurden, im Einzelfall<br />
durchaus zu einer Verweigerung der Garantieleistung kommen.<br />
Ein Unterschied zu den Original- und Identteilen besteht, nicht nur<br />
dem Namen nach, gegenüber den Nachbauteilen. Diese Teile werden<br />
von Kfz-Teileherstellern gebaut. Der Hersteller der Nachbauteile hat<br />
aber – im Unterschied zum Zulieferer – nichts mit dem Bau der<br />
Original- und Identteile für die jeweiligen Automodelle zu tun. Die<br />
Nachbauteile sind den Original- bzw. Identteilen nachempfunden und<br />
erfüllen dieselbe Funktion. Dabei können die Teile von hochwertiger,<br />
aber auch von minderwertiger Qualität sein.<br />
Bei sogenannten Austauschteilen handelt es sich um Teile, die<br />
durch Bearbeitung aller dem Verschleiß unterliegenden Komponenten<br />
durch den Hersteller oder einen Spezialisten erneuert bzw. in<br />
den Neuzustand versetzt wurden. Die Qualität des Austauschteils<br />
entspricht laut ADAC der Qualität des entsprechenden Neuteils. Das<br />
Sparpotenzial ist hier besonders hoch. Es reicht von zehn bis zu<br />
50 Prozent, wenn man jeweils die unverbindliche Preisangabe des<br />
Herstellers zugrunde legt.<br />
Zu guter Letzt wären da noch die Gebrauchtteile. Bei diesen Teilen<br />
handelt es sich um ausgebaute, aber unbearbeitete Stücke eines<br />
Gebraucht- oder Unfallwagens, die noch einsatzfähig sind. Für den<br />
Einsatz von Gebrauchtteilen gibt es keine verbindlichen Qualitätsstandards.<br />
Diese Teile werden unter anderem von<br />
den Fahrzeugherstellern<br />
angeboten.<br />
Einige Autohersteller<br />
bieten aber<br />
auch eine zweite<br />
Produktschiene an.<br />
Laut ADAC werden<br />
dabei Ersatzteile in<br />
zwei unterschiedlichen<br />
Qualitätsstufen<br />
und zu unterschiedlichen<br />
Preisen<br />
verkauft. Der Hersteller<br />
kann damit eine zeitwertgerechte<br />
Reparatur vorschlagen,<br />
zum Beispiel für ältere Autos,<br />
die noch ein oder zweimal den<br />
TÜV schaffen müssen. Diese<br />
günstigeren Teile sind zwar von<br />
geringerer Qualität, erfüllen aber<br />
trotzdem die Anforderung des<br />
Fahrzeugherstellers. So haben Auspuffanlagen aus Stahl etwa eine<br />
geringere Haltbarkeit als jene aus Edelstahl.<br />
NICHT BEI SICHERHEITSRELEVANTEN<br />
TEILEN SPAREN<br />
Zu den gängigsten Ersatzteilen zählen die Bremsklötze und scheiben,<br />
der Luftfilter für den Motor, die Wasserpumpe, der Anlasser, die<br />
Lichtmaschine, der Kupplungssatz sowie der Katalysator.<br />
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass, je älter ein Fahrzeug<br />
ist, die günstigen Alternativen für Ersatzteile zunehmend infrage<br />
kommen, solange es sich dabei nicht um sicherheitsrelevante Teile,<br />
etwa um Bauteile der Bremse, Achsaufhängung oder Lenkung,<br />
handelt. Bei den neueren Fahrzeugen sollten es aber vom Hersteller<br />
anerkannte Ersatzteile sein, womit sich die Rechnung für den<br />
Werkstattbesuch trotzdem noch um einiges reduzieren lässt. Auch<br />
Nachfragen kostet in der Regel nichts. <br />
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TAXI JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong><br />
31
KOLUMNE<br />
UNVERSCHÄMTE<br />
TRINKGELDMUFFEL<br />
In vielen Branchen haben Beschäftigte Verständnis für die Sorgen und<br />
Nöte ihrer Berufskollegen. Für die der Kunden meist auch,<br />
aber das beruht nicht immer auf Gegenseitigkeit.<br />
An viele Dinge, die der Job so mit sich bringt, hab ich mich in<br />
meinem bald ausklingenden ersten Jahrzehnt als <strong>Taxi</strong>fahrer<br />
gewöhnt: seltsame Routenansagen, erstaunlich offenherzige<br />
Fahrgäste mit mehr als nur einem Tabubruch im Gepäck und natürlich,<br />
dass man das Trinkgeld wohl nie wird vorhersagen können. Wir<br />
alle hatten schon die liebreizende Omi aus dem Umland im Auto, die<br />
einem mit ihren Beteuerungen, man sei aber der allerherzigste <strong>Taxi</strong>fahrer<br />
der Welt, das Versprechen abringt, den Koffer noch in Etage<br />
fünf zu schleifen, um dort dann japsend mit 30 Cent zurückgelassen<br />
zu werden, die man zurücklegen soll für schlechte Zeiten.<br />
Und ebenso hatten wir andererseits schon diese langweiligen<br />
Fahrten mit finster dreinschauenden mundtoten Typen, die sich<br />
scheinbar Notizen über jeden Fehler machen und am Ende sagen:<br />
„Ich mag, dass Sie nicht die ganze Zeit quatschen, der Zehner hier<br />
ist für Sie!“ Tritt alles beizeiten mal auf, neben den vielen Durchschnittsgebern,<br />
10-Prozent-Ausrechnern und dem ein oder anderen<br />
totalen Trinkgeldmuffel.<br />
Von letzteren bin ich jetzt in nur einer Woche zweimal erwischt<br />
worden. Und zwar von den ganz besonderen: jenen, die Geld<br />
zurückfordern. Eine Kundin gab mir für eine 22,70-Euro-Tour 23<br />
Euro und meinte, das sei gut so – um dann fünf Sekunden später<br />
VERKEHRSRECHT BERLIN<br />
Rechtsanwalt Carsten Hendrych<br />
Fachanwalt für Verkehrsrecht<br />
Rechtsanwaltskanzlei<br />
Ruttge • Brettschneider •Tosberg • Hendrych<br />
Nürnberger Straße 49, 10789 <strong>Berlin</strong><br />
Telefon: (030) 883 4031 – Fax: (030) 882 4709<br />
E-Mail: hendrych@rbth-recht.de<br />
irritiert zu fragen, ob ich ihr das Wechselgeld nicht geben wolle.<br />
Ich halte nichts davon, den Kunden ihr Trinkgeld auf diese rabiate<br />
Weise abzunehmen, auch wenn sich bisweilen an der Halte Kollegen<br />
finden, die damit prahlen. Entsprechend unangenehm finde ich die<br />
Situation dann.<br />
SO ABSTRUS KANN MAN GAR NICHT DENKEN<br />
Der zweite Kunde war nochmal eine Spur verschärfter, man darf<br />
hier durchaus schon von Unverschämtheit sprechen, wobei ich ehrlich<br />
gesagt viel zu perplex war, um ihm das sofort vorzuwerfen. Wir<br />
hatten eine geradezu außergewöhnlich nette Fahrt um die 25 Euro<br />
hinter uns. Er war Tourist aus England, wir haben an jeder Ecke ein<br />
neues Gesprächsthema gefunden, er war von der Stadt, ebenso aber<br />
offensichtlich von meiner Dienstleistung begeistert. Ich hatte wie<br />
wohl alle <strong>Taxi</strong>fahrer in Großstädten dutzende solche Fahrten, die<br />
dann mit mindestens einem Fünfer extra beglichen wurden, auch an<br />
sowas gewöhnt man sich ja. Er nun zahlte den aufgelaufenen Betrag<br />
mit einem Plus von mageren 50 Cent und schien kein Rückgeld zu<br />
erwarten. An den genauen Wortlaut erinnere ich mich nicht mehr,<br />
aber wie gesagt: Ich halte das Geld nicht einfach zurück.<br />
Wir waren sowieso noch weiter am Reden, und erst als ich nach<br />
offensichtlichem Beenden des Bezahlvorgangs das Portemonnaie<br />
weggesteckt hatte, bat er mich, ihm doch bitte das Rückgeld auszuhändigen<br />
– allerdings nicht, ohne mir den Grund zu nennen. Und<br />
der war nicht das häufige mangelnde Kleingeld fürs letzte Bier oder<br />
dergleichen, sondern die <strong>Taxi</strong>fahrt am Vortag, bei der er sich vom<br />
Kollegen irgendwie ungerecht behandelt gefühlt hatte, weil dieser<br />
nicht auf die letzten 70 Cent des Fahrpreises hatte verzichten wollen<br />
und ihn oben im Hotelzimmer noch Geld suchen ließ. Und deswegen<br />
– in welchem Universum auch immer dieses Verhalten Sinn macht –<br />
bezahle er seine <strong>Taxi</strong>fahrten nun eben auf den Cent genau.<br />
Wenig verwunderlich, dass ich beim nächsten englischsprachigen<br />
Gast, der mir ein Ohr abkaute, irgendwie an diesen Gesellen denken<br />
musste und entsprechend skeptisch bezüglich Tip war. Aber der hat<br />
auf seinen Zehner einen lockeren Fünfer draufgelegt und mit einem<br />
Grinsen verkündet, er sei selbst <strong>Taxi</strong>fahrer. In Island. Sieht also aus,<br />
als ob's jetzt wieder weitergeht wie gewohnt. <br />
sash<br />
Der Autor Sascha Bors betreibt als „Sash“ einen eigenen <strong>Taxi</strong>blog.<br />
FOTO: Stanislav Statsenko / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
32 JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong> TAXI
LESETIPP<br />
DIE KANTSTRASSE<br />
Die bei Autofahrern wenig beliebte alternative Durchfahrtstraße zu<br />
Ku'damm und Bismarckstraße hat viel erlebt und durchaus ihre Reize.<br />
Ein Buch gibt Auskunft.<br />
Birgit Joches, die ehemalige Leiterin<br />
des Heimatmuseums Charlottenburg,<br />
hat ein Buch geschrieben über die<br />
Kantstraße. In Büchern über Straßen steht<br />
oft viel über Gebäude, Architektur und historische<br />
Ereignisse. In „Die Kantstraße“ steht<br />
das auch. Das Hauptaugenmerk richtet sich<br />
aber auf die Menschen, die in der Kantstraße<br />
gewohnt haben.<br />
Sehr viele mehr oder weniger bekannte<br />
Berühmtheiten finden Erwähnung, die teilweise<br />
Bahnbrechendes auf ihrem Fachgebiet<br />
geleistet haben und außerhalb ihres Fachgebiets<br />
inzwischen in Vergessenheit geraten<br />
sind, wie der Bildhauer Gustav Seitz, der die<br />
bronzene Käthe Kollwitz auf dem Kollwitzplatz<br />
geschaffen hat.<br />
Allgemeiner bekannt sind vielleicht Arnold<br />
Schönberg, Wilhelm Liebknecht, Carl von<br />
Ossietzky, Rudolf Diesel und Hermann<br />
Oberth. Selbst Albert Einstein ging in der<br />
Kantstraße ein und aus. Er war eng mit dem<br />
Mediziner Moritz Katzenstein befreundet, der<br />
in der Kantstraße wohnte.<br />
Man erfährt viel über die gesellschaftlichen<br />
Verhältnisse seit 1890. Der Aufstieg der Kantstraße<br />
zum Ort bürgerlichen Lebens begann<br />
mit dem Bau des Theaters des Westens. Das<br />
Haus bewirkte den Zuzug von Künstlern, Literaten,<br />
Wissenschaftlern, Ärzten und Juristen.<br />
Unter <strong>Taxi</strong>fahrern bekannt sind sicher die<br />
historischen Kantgaragen (Baujahr 1929/30)<br />
mit der immer offenen Tankstelle und dem<br />
<strong>Taxi</strong>betrieb. <br />
wh<br />
Birgit Jochens<br />
Die Kantstraße – Vom preußischen<br />
Charlottenburg zur <strong>Berlin</strong>er City West<br />
vbb Verlag für <strong>Berlin</strong>-Brandenburg<br />
26,– €<br />
BÜCHER FÜR NICHT-LESER<br />
Wer keine Lust auf lange Wälzer hat, aber trotzdem nicht auf Anregung,<br />
Information und Unterhaltung aus Büchern verzichten möchte,<br />
bekommt hier einen Tipp.<br />
FOTO: <strong>Berlin</strong> Story Verlag, GRAFIK: Stanislav Statsenko / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
Man kann natürlich auf Bände mit<br />
vielen Bildern und wenig Text oder<br />
gleich auf Comics zurückgreifen.<br />
Der zigste Bildband mit den Sehenswürdigkeiten<br />
<strong>Berlin</strong>s ist vielleicht fad. Comics sind<br />
meist für Kinder oder sehr utopisch. Zwischen<br />
Bildband und Comic gibt es ein Genre, das<br />
gerade eine moderne Wiedergeburt erlebt.<br />
Es nennt sich neudeutsch Graphic Novel, frei<br />
übersetzt: Bildroman.<br />
Graphic Novels sind richtige Bücher mit<br />
gezeichneten Geschichten jenseits von Micky<br />
Maus, Batman und Asterix. Sie befassen<br />
sich mit ernsthaften Themen, oft mit realem<br />
Hintergrund.<br />
Ein solches Buch ist „Westend – <strong>Berlin</strong><br />
1983“ von Jörg Ulbert und Jörg Maillet.<br />
Seine Geschichte spielt, wie der Titel vermuten<br />
lässt, im West-<strong>Berlin</strong> der 80er Jahre mit<br />
seiner links-alternativen Szene und seinem<br />
politischen und gesellschaftlichen Establishment,<br />
das auch unter der Bezeichnung „<strong>Berlin</strong>er<br />
Filz“ bekannt war.<br />
Hintergrund ist der Schmücker-Mord, der<br />
sich in diesen Jahren zu einem handfesten<br />
Skandal ausweitete. Der Student Ulrich<br />
Schmücker war 1974 im Grunewald erschossen<br />
worden. Er galt in linksterroristischen<br />
Kreisen als Verräter. Delikat war, dass alle an<br />
der Tat Beteiligten mehr oder weniger unter<br />
der Beobachtung diverser <strong>Berlin</strong>er und westdeutscher<br />
Geheimdienste standen, so dass<br />
die Vermutung nahelag, der Mord habe praktisch<br />
unter den Augen der Polizei stattgefunden.<br />
Die Mordwaffe tauchte seltsamerweise<br />
1989 in einem <strong>Berlin</strong>er Polizeitresor auf. In<br />
den Machenschaften um die bis heute nicht<br />
erfolgte Aufklärung dieses Falles bewegen<br />
sich die Figuren des gezeichneten Romans<br />
– anregend, informativ, spannend. wh<br />
Jörg Ulbert, Jörg Maillet<br />
Westend – <strong>Berlin</strong> 1983<br />
<strong>Berlin</strong> Story Verlag<br />
24,95 €<br />
TAXI JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong><br />
33
RÜCKBLICK<br />
HAB’S GESCHAFFT!<br />
Zehn Jahre Rauchverbot – eine Fahrt mit einem<br />
nikotinbelasteten <strong>Taxi</strong> ist seit dem 1. September<br />
2007 (theoretisch) nicht mehr möglich.<br />
Wir ziehen Bilanz.<br />
Es war eine Entscheidung mit weitreichender<br />
Wirkung, als in Teilen<br />
des öffentlichen Raumes, dort, wo<br />
viele Menschen sich auf sehr engem Raum<br />
zusammen aufhalten, das Rauchen verboten<br />
wurde. In Bus und Bahn war es seit Langem<br />
selbstverständlich, nicht zu rauchen, aber<br />
im <strong>Taxi</strong> und in Restaurants – da machte der<br />
Gesetzgeber wirklich mal Ernst.<br />
„Es gibt keine nach<br />
Rauch stinkenden<br />
Taxen mehr.“<br />
Kollege Metin Yılmaz, und Andreas Müller<br />
findet es überhaupt nicht in Ordnung, wenn<br />
Kollegen im <strong>Taxi</strong> rauchen. „Einen Fahrer<br />
musste ich entlassen, weil er sich mehrmals<br />
nicht daran gehalten hat“, sagt Andreas. Den<br />
schönsten Grund, ein positives 10-Jahres-Fazit<br />
zu ziehen, liefert jedoch Metin. „Hab's<br />
geschafft. Ich musste damals wegen meiner<br />
Zigarettensucht noch ständig draußen am<br />
<strong>Taxi</strong> rauchen, und das hat mich bei Regen<br />
und Kälte am meisten gestört. Dank dieses<br />
Verbotes rauche ich schon seit dem 14. Februar<br />
2009 überhaupt nicht mehr“. hs<br />
IMPRESSUM<br />
Verlag<br />
taxi-times Verlags GmbH,<br />
Frankfurter Ring 193 a<br />
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Geschäftsführer und V. i. S. d. P.<br />
Jürgen Hartmann (jh)<br />
FOTO UND FOTOMONTAGE: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
Bis heute gibt es immer wieder Probleme<br />
mit dem Rauchverbot. Nicht alle <strong>Taxi</strong>fahrer<br />
sind bereit, zum Rauchen auszusteigen. Auch<br />
manche Fahrgäste wollen rauchen, und die<br />
Fahrer/innen müssen es verneinen. Manch<br />
einer fängt dann an, mit dem Fahrer zu diskutieren.<br />
Im <strong>Juli</strong> 2014 wollte ein Fahrgast<br />
in Kreuzberg nicht akzeptieren, dass er im<br />
Wagen nicht rauchen darf und rastete völlig<br />
aus. Die Ehefrau konnte den Zigarettenliebhaber<br />
auch kein bisschen besänftigen, und<br />
schließlich musste ein Funkwagen gerufen<br />
werden. Glücklicherweise ging das Ganze<br />
glimpflich aus. Es wurde niemand ernsthaft<br />
verletzt.<br />
SO SCHLIMM IST ES AUCH<br />
WIEDER NICHT<br />
Inzwischen aber hört man viel seltener<br />
die Frage: „Darf ich rauchen?“ Die Fahrgäste<br />
mussten sich daran gewöhnen, und<br />
auch immer mehr Raucher sind inzwischen<br />
froh über das Verbot. „Stundenlang habe ich<br />
im Flieger nicht geraucht. Nun kann ich es<br />
auch bis nach Hause im <strong>Taxi</strong> aushalten. So<br />
schlimm ist es auch nicht, und im Auto rauche<br />
ich sowieso nie“, erzählt ein Fahrgast<br />
auf die Frage, ob er mit dem Rauchverbot<br />
gut klarkommt.<br />
Die meisten Kollegen stehen hinter dem<br />
Rauchverbot. „Es gilt immer, egal ob besetzt<br />
oder frei. Wenigstens gibt es keine nach<br />
Rauch stinkenden Taxen mehr“, sagt der<br />
<strong>Berlin</strong>s Kneipenkultur lebt auch zehn<br />
Jahre nach dem Rauchverbot noch.<br />
KEINE KNEIPEN-PLEITEN<br />
Die Wirte von Restaurants und<br />
Kneipen befürchteten vor und zur<br />
Einführung des Rauchverbots, die<br />
Umsätze würden einbrechen, wie es in<br />
anderen Städten zum Teil dann auch<br />
tatsächlich zu beobachten war. Doch<br />
in <strong>Berlin</strong> blieb es meist bei den Kosten<br />
für Umbauten, um den rauchenden<br />
Gästen einen Raucherraum zur<br />
Verfügung zu stellen. Ansonsten hieß<br />
es: Wer qualmen will, muss darauf verzichten<br />
oder sich vor die Tür begeben.<br />
Damit waren auch überraschend viele<br />
Raucher einverstanden. Sie gönnten<br />
sich zwar gerne ihre Zigarette, doch<br />
im Dauerdunst zu sitzen, fanden auch<br />
sie nicht immer angenehm. So blieb<br />
die befürchtete Pleite aus.<br />
Bankverbindung<br />
Stadtsparkasse München<br />
IBAN: DE89701500001003173828<br />
BIC: SSKMDEMM<br />
UST-ID: DE293535109<br />
Handelsregister: Amtsgericht München<br />
HRB 209524<br />
Redaktion (tt)<br />
Stephan Berndt (sb), Jürgen Hartmann (jh), Wilfried<br />
Hochfeld (wh), Axel Rühle (ar), Hayrettin Şimşek (hs)<br />
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Mitarbeiter dieser Ausgabe<br />
Michael Bauer (mb), Sascha Bors (sash),<br />
Florian Osrainik (fo)<br />
Grafik<br />
Stanislav Statsenko, info@inversi-design.de<br />
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Telefon: +49 (0)89 / 14 83 87 92<br />
Telefax: +49 (0)89 / 14 83 87 89<br />
Druck<br />
Chroma Druckerei, Przemysłowa 5,<br />
68-200 Żary, Polen<br />
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ISSN-Nr.: 2367-3842<br />
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<strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> DACH, <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> München<br />
Die <strong>Taxi</strong> <strong>Berlin</strong> TZB GmbH, Innung des <strong>Berlin</strong>er<br />
<strong>Taxi</strong>gewerbes e. V., <strong>Taxi</strong> Deutschland <strong>Berlin</strong><br />
e. V. und <strong>Taxi</strong>verband <strong>Berlin</strong> Brandenburg e. V.<br />
bekommen in <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> <strong>Berlin</strong> eigens gekennzeichnete<br />
Mitteilungsseiten, für deren Inhalte<br />
die Genannten im Sinne des Presserechtes selbst<br />
verantwortlich sind.<br />
34 JULI/AUGUST/ <strong>2017</strong> TAXI
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Sicherheit<br />
Erzwungenes Preisdumping<br />
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NIEDERLANDEN<br />
Übergriffe auf Fahrgäste<br />
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EIN TAXITARIF<br />
FÜR ALLE<br />
TAXI 2.7 –<br />
THE NEXT GENERATION<br />
Sperrzonen im Anmarsch<br />
Wahlfreiheit in Gefahr<br />
DAS EICHGESETZ<br />
UND SEINE TÜCKEN<br />
Zukunft im Blick<br />
DIE PERSPEKTIVE<br />
DER E-TAXIS<br />
ÜBERFALLSCHUTZ IN<br />
NIEDERSACHSEN<br />
Rückblick<br />
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