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Kunsthef-digital

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KUNSTHEFT<br />

FÜR SCHÜLER, JUGENDLICHE<br />

UND ERWACHSENE<br />

1


2 3<br />

Modell der Installation „Crazy Horse, eine disruptive Falle“<br />

Crazy Horse,<br />

eine disruptive<br />

Falle<br />

Wer den Kunstraum betritt,<br />

steht vor einer riesigen<br />

Holzkonstruktion. Sie wirkt<br />

auf die Besucher wie eine<br />

große Mausefalle. Eine<br />

bestimmte Funktion scheint<br />

das raumbeherrschende<br />

Objekt nicht zu erfüllen. Dennoch<br />

weckt es unsere<br />

Neugier und wir versuchen zu<br />

erkunden, was es damit auf<br />

sich hat. Das Werk scheint<br />

die Maße der ehemaligen<br />

Montagehalle, in der es<br />

aufgestellt ist, in verkleinerter<br />

Form aufzunehmen. Es<br />

nimmt damit Bezug auf den<br />

Raum, ohne dass wir wirklich<br />

begreifen, was wir erleben.<br />

Damit haben die Künstler, die<br />

es erschaffen haben, schon<br />

ein wesentliches Ziel erreicht:<br />

Sie wollen, wie bei vielen<br />

anderen ihrer Kunstwerke,<br />

die Betrachter verwirren und<br />

deren Wahrnehmung<br />

schärfen. Dazu wählen sie<br />

immer wieder öffentlich<br />

zugängliche Räume, um<br />

möglichst viele Menschen zu<br />

erreichen. In diesem Fall<br />

erweitern sie das Kunstwerk<br />

sogar bis in die Innenstadt<br />

von Dornbirn, wo ein zweites<br />

Kunstprojekt für Aufsehen<br />

sorgt und unsere Neugier<br />

weckt. Es nennt sich<br />

„Kritische Masse“ und zeigt<br />

Schwärme von Schwarzspechten,<br />

einer seltenen<br />

Vogelart, die an verschiedenen<br />

Stellen der Stadt in<br />

Hausfassaden stecken, ganz<br />

so, als ob sie sich im Blindflug


4 dort verfangen hätten. Englischen abgeleitete Wort 5<br />

Verwirrend ist der Titel des „disruptive“ bedeutet „auflösend,<br />

Werks: „Crazy Horse“ bedeutet<br />

zersetzend“. Es<br />

„verrücktes Pferd“ scheint, als wollten uns die<br />

und ist der Name eines Künstler selbst in eine Falle<br />

früheren Indianerführers locken, wenn wir versuchen,<br />

der Sioux, Tashunka Witko den Titel zu verstehen. In<br />

(1839-1877). Auch ein<br />

diesem <strong>Kunsthef</strong>t erfährst Du<br />

bekannter Tanz – und<br />

mehr über die Künstlergruppe<br />

Unterhaltungsclub in Paris<br />

und ihre Arbeiten. Es soll<br />

trägt den Namen „Crazy auch anregen, eigene Kunst<br />

Horse“. Das aus dem<br />

zu schaffen.<br />

Detailansicht der Montagehalle mit Installation „Crazy Horse, eine disruptive Falle“<br />

Arbeitsanregungen<br />

— Versuche die Wirkung der Installation zu beschreiben.<br />

Fotografiere das Werk aus verschiedenen Blickwinkeln.<br />

— Überlege weitere Möglichkeiten, wie sich die Wirkung eines Raumes durch einfache<br />

Mittel vollständig verändern lässt, z.B. Plastikplanen, Licht u.s.w.<br />

— Wähle einen Raum aus, den du durch Einbauten verwandeln möchtest, so dass die<br />

Besucher verstört werden. Fertige eine Zeichnung davon an oder baue ein Modell.


6 7


Eine „kritische Masse“<br />

8 9<br />

Abb. „Kritische Masse“<br />

Der Begriff der „kritischen<br />

Masse“ stammt aus der<br />

Atomphysik. Gemeint ist die<br />

Mindestmasse an Material,<br />

das für eine Kettenreaktion<br />

bei der Kernspaltung notwendig<br />

ist. Das kann sowohl<br />

für die Energiegewinnung<br />

genutzt werden aber auch<br />

zum Bau verheerender<br />

Bomben. Wenn die Künstler<br />

einem ihrer Projekte einen<br />

solchen Titel geben, wählen<br />

sie somit einen sehr<br />

zwiespältigen Begriff. Mit der<br />

kritischen Masse kann aber<br />

genauso gut eine Vielzahl an<br />

Dingen gemeint sein, die ab<br />

einer gewissen Menge ihres<br />

Vorkommens die Befürchtung<br />

weckt, schädlich zu<br />

sein. Die Künstler entschieden<br />

sich für eine Masse von<br />

Schwarzspechten, die wie<br />

eine Epidemie in die Stadt<br />

einfallen und als Schwarm an<br />

unterschiedlichsten Orten<br />

auftauchen. Wie Wurfgeschosse<br />

stecken sie in den<br />

Mauern und Fassaden. Oder<br />

haben sie sich eingebohrt?<br />

Die vielen kleinen Tierplastiken<br />

wecken Ängste und<br />

erzeugen in ihrer massenhaften<br />

Erscheinung eine gewisse<br />

Verunsicherung. Dabei sind<br />

sie völlig harmlos und<br />

gehören selbst zu den<br />

seltenen und schützenswerten<br />

Tierarten.<br />

Arbeitsanregungen<br />

— Überlege, von welchen Ängsten und Befürchtungen unsere Gesellschaft derzeit geprägt<br />

wird. Welche sind gerechtfertigt, welche übertrieben?<br />

— Im Film „Die Vögel“ von Alfred Hitchcock treten ebenfalls massenhaft bedrohliche Vögel<br />

auf. Suche im Internet nach einem Filmausschnitt und vergleiche die Wirkung mit dem<br />

Projekt „Kritische Masse“.<br />

— Auch der Künstler Stephan Balkenhol verwendet Vögel in seiner Installation (vgl. Abb.).<br />

Wie wirken sie im Vergleich zu den Schwarzspechten des Künstlertrios?<br />

— Schaffe selbst aus Ton eine Serie von kleinen Tierplastiken derselben Tierart und erprobe<br />

unterschiedliche Anordnungen bei der Präsentation (auch als Gruppenarbeit denkbar).<br />

— Suche in der Stadt Dornbirn nach den Schwarzspechten der Künstler und vergleiche die<br />

verschiedenen Orte. Halte sie fotografisch fest.


10 11<br />

Stephan Balkenhol: 57 Pinguine, Skulpturen aus Holz, 1991 (Quelle: http://www.zeit.de/online/2008/47/bg-balkenhol)


Die Kunst von<br />

Steinbrener / Dempf & Huber:<br />

Irritierend, verstörend, überraschend.<br />

12 13<br />

Abb.: To be in Limbo. Jesuitenkirche, Wien 2015<br />

Hier wird eine weitere Arbeit<br />

gezeigt, mit denen die drei<br />

Künstler ihr Publikum überraschten.<br />

Was sucht<br />

ein tonnenschwerer Stein<br />

in einer Kirche? Zeigt es<br />

ein Wunder oder ist es eine<br />

Bedrohung? Solche Fragen<br />

stellten die Besucher<br />

der Wiener Jesuitenkirche.<br />

Sie sahen sich durch einen<br />

scheinbar sehr schweren<br />

Stein in dem Gebäude<br />

bedroht. Allerdings wog<br />

die Plastik nur circa 700<br />

Kilogramm und war die<br />

täuschend echte Nachbildung<br />

eines Felsbrockens. Die<br />

Künstler spielten auch hier<br />

mit der Irritation der Betrachter.<br />

Zugleich nahmen<br />

die Künstler Bezug auf die<br />

Barockzeit, in der die Kirche<br />

gebaut wurde. Auch damals<br />

wurde oft mit Täuschungen<br />

gearbeitet. Was z.B. wie<br />

Marmor aussieht, ist oft nur<br />

bemaltes Holz. Vorbild für<br />

die Installation in der Wiener<br />

Jesuitenkirche waren Bilder<br />

mit schwebenden Steinen,<br />

wie sie der belgische Künstler<br />

René Magritte (1898 bis<br />

1967) malte. Er gehörte zu<br />

den Surrealisten, die in einer<br />

sehr genauen Weise eine<br />

Wirklichkeit malten, die es so<br />

nicht gab.<br />

Abb.: René Magritte: Chateau. Das Schloss in den Pyrenäen. 1959<br />

Arbeitsanregungen<br />

— Lass dich von den drei Künstlern anregen und setze einen Gegenstand in eine ungewohnte<br />

Umgebung. Du kannst auch mit dem Mittel der Collage arbeiten: Schneide das<br />

Objekt aus einem Foto aus und platziere es in einem anderen Raum.<br />

— Suche nach Bildbeispielen und Informationen zur Kunstströmung des Surrealismus.<br />

— Stelle einen plastischen Gegenstand her, der einem „echten“ Gegenstand täuschend<br />

ähnlich sieht (z.B. Gemüse, Obst, Metall...)<br />

— Fühlen wir uns manchmal zu Unrecht bedroht? Diskutiere die Frage mit anderen.


Das Künstlertrio<br />

Steinbrener/ Dempf & Huber<br />

14 Der Bildhauer Christoph wie „Politik trifft Kunst“<br />

bauer engagiert, die sonst in Zerstörung der Natur durch 15<br />

Steinbrener, der Fotograf (2012), „Wem gehört die<br />

Hollywood an der Produktion die menschliche Zivilisation<br />

und Grafiker Rainer Dempf Stadt Wien – Kunst im<br />

von Filmen beteiligt sind. Ein hin. Das Publikum wurde aus<br />

und der Architekt Martin öffentlichen Raum“ (2009)<br />

typisches Beispiel ist das im seiner heilen Welt herausgerissen<br />

Huber bilden zusammen eine oder „Schaurausch“ (2007)<br />

Jahr 2009 im Wiener Tiergarten<br />

und sah sich einer<br />

Künstlergruppe. Seit dem stehen für eine bestimmte<br />

Schönbrunn verwirklichte schockierenden Wirklichkeit<br />

Jahr 2005 haben sie an vielen Ausrichtung einer Kunst, die<br />

Projekt „Trouble in Paradise“ gegenüber, die bislang im<br />

Orten, vorrangig im öffentlichen<br />

sich einmischt und die<br />

(vgl. Abb.). Die Künstler Zoo ausgeblendet werden<br />

Raum, größere Kunst-<br />

Menschen mit wichtigen<br />

versenkten dort z.B. ein konnte. So verstehen es die<br />

projekte verwirklicht. Häufig Anliegen auf künstlerische<br />

Autowrack im Wassergraben drei Künstler immer wieder,<br />

stehen gesellschaftliche Weise konfrontiert. Das<br />

des Nashorngeheges und das Bewusstsein der Menschen<br />

Themen im Mittelpunkt ihres Künstlertrio plant seine<br />

stellten ein Giftfass in ein<br />

zu schärfen.<br />

Interesses. Titel von Ausstellungen<br />

Projekte sehr genau; nicht<br />

Aquarium. Damit wiesen sie<br />

und Publikationen selten werden Filmkulissen-<br />

auf die Gefährdung<br />

und<br />

Abb.: Steinbrener/Dempf & Huber Gruppenbild mit Darwin<br />

Arbeitsanregungen<br />

— Besuche die Website der Künstler unter www.steinbrener-dempf.com<br />

und suche nach weiteren Beispielen für ihre Kunst.<br />

— Entwickle weitere Ideen für Projekte, mit denen man Menschen auf wirkunsvolle<br />

künstlerische Art auf die Zerstörung der Umwelt oder auf die Totalvermarktung aller<br />

Lebensbereiche aufmerksam machen kann.


16 17<br />

Abb. „Trouble in Paradise“ 2009. Tiergarten Schönbrunn, Wien.


18 19<br />

Abb. „Trouble in Paradise“ 2009. Tiergarten Schönbrunn, Wien.


Ausstellung<br />

20Steinbrener/Dempf & Huber:<br />

Crazy Horse, eine disruptive Falle<br />

22. September bis 3. Dezember 2017<br />

Täglich von 10 bis 18 Uhr, Jahngasse 9, Dornbirn<br />

Parallel zur Ausstellung wird im öffentlichen Raum<br />

die Installation „Kritische Masse“ realisiert.<br />

Impressum<br />

Vermittlungsheft für Schüler, Jugendliche und Erwachsene<br />

Gesamtkonzept: Martin Oswald, Weingarten<br />

Herausgeber: Kunstraum Dornbirn, Thomas Häusle<br />

Inhalt / Redaktion: Herta Pümpel<br />

Fotos: Steinbrener/Dempf & Huber<br />

Gestaltung: proxi.me<br />

Alle Rechte vorbehalten © 2017<br />

www.kunstraumdornbirn.at

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