s'Magazin usm Ländle, 24. September 2017
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LITERATUR<br />
Führen Sie ein<br />
Doppelleben, HerrMörth?<br />
INTER<br />
VIEW<br />
Wolfgang Mörth schreibt gerne fürs Theater: Zu Stücken wie „Drei Sekunden“ und „Riot<br />
Dancer“ vom Aktionstheater steuerte er die Textgrundlage bei. Im vergangenen Jahr<br />
machte er Furore mit drei Männern auf der „Urologie“. Im Interview mit Angelika Drnek<br />
erzählt er, was Literatur kann –und zeigt es auch gleich eindrücklich vor.<br />
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Seine letzte Uraufführung<br />
im Kosmos Theater,<br />
„Urologie“, war ein Publikumsmagnet.<br />
Nicht nur<br />
Wolfgang Mörth ist gespannt,<br />
ob sich der Erfolg fortsetzen<br />
wird.<br />
Am 5. Oktober wirddie Uraufführung<br />
Ihres neuen Stücks, „Die Ermordung<br />
Bruno Kreiskys“, gefeiert. Eine Hommage<br />
an die 70er-Jahre?<br />
Auch, ich bin selbst in den 70er Jahren<br />
aufgewachsen, die ersten emotionalen<br />
Wellen haben mich damals<br />
überspült. Die beiden männlichen<br />
Figuren imStück sind ähnlich politisch<br />
sozialisiert wie ich –und das<br />
hat natürlich mit Bruno Kreisky zu<br />
tun. Bis heute messe ich alle Politiker<br />
an dieserFigur.Erist das Original,alle<br />
anderen sind mehr oder weniger<br />
gutgemachteKopien.<br />
Waszeichnet Kreisky aus?<br />
Kreisky war der erste Politiker, den<br />
ich wählendurfte. Er wareinestarke<br />
Medienfigur, konnte Politik kurz<br />
und knapp zum Ausdruck bringen,<br />
waralso so gesehenauch ein „Populist“.<br />
Er hatPolitik am eigenen Leib<br />
erlebt, war im Austrofaschismus<br />
und in der Nazizeit im Widerstand,<br />
musste ins Exil nach Schweden –<br />
und kam dann mit einer für Österreich<br />
untypischen weltoffenen Haltung<br />
zurück. Ich wäre damals lieber<br />
Schwede als Österreicher gewesen.<br />
Wieso schreiben Sie so gerne fürs<br />
Theater?<br />
Mit einem meiner ersten Texte,<br />
einem Theatertext, habe ich den<br />
Harder Literaturpreis gewonnen.<br />
Aber erst durch Martin Gruber<br />
und sein Aktionstheater bin ich<br />
wieder zum Theater gelangt. Es ist<br />
schön, als Schreibender auch Ensemblemitglied<br />
sein zu können<br />
und nicht nur allein hinterm<br />
Schreibtisch zu sitzen. Der Text<br />
wird bei den Proben zwar oft noch<br />
verändert, aber da bin ich uneitel.<br />
Leben Sie IhreEitelkeit andersaus?<br />
Natürlich. Zumindest versuche<br />
ich, mich nicht total gehen zu lassen.Das<br />
hat auch mit Stil und Kultiviertheit<br />
zu tun.<br />
Sind Sie sportlich?<br />
Ich gehe laufen und spiele gerne<br />
Tennis.Das kommt auch im Stück<br />
vor, die Lösung des Problems wird<br />
über Tennisausgemacht.<br />
Werspielt das schönste Tennis?<br />
In den 70er-Jahren war das Björn<br />
Borg. Er hat jeden Fehler und jede<br />
Niederlage stoisch hingenommen,<br />
während andere ihre Schläger am<br />
Platz zertrümmert haben.<br />
Zurück zur Literatur. Markus Gassers<br />
Hausgott ist Nabokov.Wer ist Ihrer?<br />
Nabokov ist wahrscheinlich eineder<br />
prägendsten Stilschulen, die man<br />
als schreibender Leser oder als lesender<br />
Schreiber genießen kann. Er<br />
ist so makellos. Den einen Autor<br />
aber gibt es für mich nicht.Die amerikanische<br />
Literatur ist heute wohl<br />
die wichtigste. Vergleichbar mit der<br />
französischen Literatur des 18. oder<br />
derrussischendes 19. Jahrhunderts.<br />
Politische Macht spiegelt sich inliterarischer<br />
Kraft wider. Sicher eine<br />
heikle These. Österreich ist ja eine<br />
ehemalige literarische Großmacht,<br />
ich denke daetwa anJoseph Roth:<br />
Wenn ich das Gefühl habe, dass ich<br />
beim Schreiben stilistisch schwach<br />
werde, muss ich nur zehn Seiten in<br />
einem Buch von Roth lesen, und<br />
schon bin ich wieder geeicht.<br />
Man spricht bei Literatur gerne vom<br />
Anspruchsvollen und Angesehenen.<br />
Viele haben aber noch Liebhabereien,<br />
die nicht so angesehen sind. Sie auch?<br />
Ja, Science Fiction. Mengenmäßig<br />
lese ich wohl mehr Science Fiction<br />
als Hochliteratur. Das liegt schon<br />
auch daran,dass es indiesemGenre<br />
kaum ein Buch unter 600 Seiten<br />
gibt. Das sind allerdings Nebenschauplätze,<br />
die vom Feuilleton<br />
gar nicht wahrgenommen<br />
<br />
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