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DIG MAG 1_2017_5777

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Deutsch­israelische Beziehungen<br />

Versöhnung ist entscheidend<br />

Von Dr. Rafael Seligmann<br />

Die Fähigkeit zu denken und<br />

zu sprechen, ist menschlich.<br />

Die Verweigerung des Gesprächs,<br />

aus welchen Gründen auch immer,<br />

ist falsch. Insofern war die Absage<br />

des Treffens mit dem deutschen<br />

Außenminister Sigmar Gabriel<br />

durch den israelischen Ministerpräsidenten<br />

Benjamin Netanyahu<br />

ein Fehler.<br />

Dr. Rafael Seligmann ist Schriftsteller und Politologe.<br />

Er ist Herausgeber der »Jewish Voice from Germany«<br />

In Zukunft gilt es, solche Fehlentscheidungen<br />

zu vermeiden, um das<br />

deutsch­israelische Verhältnis zu<br />

stabilisieren statt es zu belasten. Die<br />

deutsch­jüdischen Beziehungen beginnen<br />

nicht, wie einige meinen, mit Hitler.<br />

Sie reichen 1700 Jahre zurück! Seither<br />

leben Juden in Deutschland. Sie waren<br />

lange Zeit Verfolgungen ausgesetzt,<br />

doch anders als in allen anderen europäischen<br />

Ländern gab es in Deutschland<br />

stets eine jüdische Gemeinschaft.<br />

Die enge Beziehung der Juden zu ihrer<br />

deutschen Heimat spiegelt sich speziell<br />

in der jiddischen Sprache. Ihr Vokabular<br />

besteht überwiegend aus deutschen<br />

Wörtern, die mit hebräischen Lettern<br />

geschrieben werden. Wohin die Juden<br />

auswanderten oder fliehen mussten,<br />

ihre deutsch­jüdische Sprache nahmen<br />

sie stets mit sich.<br />

Juden waren Teil der deutschen Kultur,<br />

Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Politik.<br />

Man denke an Heinrich Heine, Max<br />

Liebermann, Albert Einstein, Fritz Haber,<br />

Ferdinand Lassalle, Walther Rathenau,<br />

Nelly Sachs. Ein Viertel der deutschen Nobelpreisträger<br />

waren Juden. Anfang der<br />

dreißiger Jahre entschied sich die Mehrheit<br />

der Deutschen für Hitlers Nazis.<br />

Die einen nahmen deren Judenfeindschaft<br />

in Kauf, die sich in Parolen wie<br />

»Juda verrecke!« äußerte, andere<br />

befürworteten den Antisemitismus. Der<br />

Völkermord war die Folge.<br />

Nach der Entstehung Israels 1948 und<br />

der Bundesrepublik Deutschlands im Folgejahr<br />

steuerten deren Regierungschefs<br />

David Ben Gurion und Konrad Adenauer<br />

einen damals durchaus umstrittenen<br />

Kurs der Versöhnung zwischen beiden<br />

Staaten. Ein Ergebnis war das Entschädigungsabkommen<br />

von 1952, das Israel<br />

half, die schwere Phase nach der Staatwerdung<br />

wirtschaftlich zu überstehen,<br />

und anderseits der Weltöffentlichkeit<br />

die Bereitschaft der BRD demonstrierte,<br />

tatkräftig den jüdischen Staat zu unterstützen.<br />

1966 nahmen beide Staaten diplomatische<br />

Beziehungen auf. Israel wurde<br />

in Deutschland immer beliebter. Doch<br />

Anfang der 80er Jahre kam es zum Streit<br />

über beabsichtigte deutsche Waffenlieferungen<br />

in arabische Staaten zwischen<br />

Helmut Schmidt und Menachem<br />

Begin. Israels Ansehen in Deutschland<br />

sank – und hat sich seither nicht wieder<br />

erholt. Dies darf nicht wieder geschehen!<br />

Der deutsch­israelische Alltag verbessert<br />

sich permanent. Deutschland ist nach<br />

den USA das beliebteste Land der Israelis.<br />

Immer mehr Deutsche besuchen Israel.<br />

Der Wissenschaftsaustausch zwischen<br />

beiden Staaten nimmt ständig zu. Das<br />

Weizmann­Institut in Rehovot ist einer<br />

der Leuchttürme der Kooperation. In<br />

Berlin leben zunehmend Israelis.<br />

Es bestehen politische Meinungsverschiedenheiten.<br />

Deutschland ist für eine<br />

Zweistaatenlösung. Die Mehrheit der<br />

Israelis ebenfalls. Doch in Israel hat man<br />

Angst. Auch Benjamin Netanyahu ist<br />

prinzipiell für einen palästinensischen<br />

Staat. Doch er befürwortet den Ausbau<br />

jüdischer Siedlungen auf arabischem<br />

Gebiet. Deutschland ist scharf dagegen.<br />

Deshalb sagte Berlin die deutsch­israelischen<br />

Regierungskonsultationen ab. Die<br />

Israelis waren bestürzt. Nun verweigerte<br />

Netanyahu das Gespräch mit Gabriel. Der<br />

deutsche Außenminister ist frei, jeden,<br />

auch jede kritische Organisation zu<br />

sprechen. Netanyahu hätte Gabriel seine<br />

Bedenken direkt mitteilen sollen.<br />

Die deutsch­jüdisch­israelische Auseinandersetzung<br />

ist wichtiger als das<br />

Prestigedenken einzelner Politiker.<br />

Daran müssen wir arbeiten.<br />

4 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2017</strong>/<strong>5777</strong>

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