O7 Daun Oktober 2017
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DORF MIT SUPERLATIVEN<br />
Gleich zwei Attraktionen hat Nürburg zu bieten: die Burg und den Ring. Das weiß jeder,<br />
der hier lebt und überhört geflissentlich das Jaulen der Motoren auf der Strecke.<br />
Nürburg ist eine Reise wert – wegen der schönen Eifellandschaft, wegen seiner Menschen und wegen des Rings.<br />
Wer das Besondere sucht, der ist in diesem<br />
180-Seelen-Dorf richtig. Die aufheulenden<br />
Motorengeräusche kann man nicht<br />
überhören. Fragt man Nürburger, dann stören<br />
die sowieso nur Ortsfremde ohne Benzin im<br />
Blut. Und die Dichte hochpreisiger Sportflitzer<br />
ist auch nicht zu übersehen. Zwei Ferrari<br />
stehen am Straßenrand – macht eine Dichte<br />
von 1:90. Und bei Flitzern der Marke Porsche<br />
kommt heute sogar einer auf 18 Einwohner.<br />
Aber was wäre dieser Ort ohne seine Menschen?<br />
Ursula Schmitz (73) ist hier aufgewachsen<br />
und betreibt schon seit 49 Jahren das Hotel<br />
am Tiergarten mit der legendären Pistenklause.<br />
Wer nicht hier zu Gast war, der war im<br />
internationalen Rennbetrieb weder Star noch<br />
Sternchen. Schließlich kann das Dorf auch<br />
mit seiner Promidichte punkten. Sogar Carl<br />
XVI. Gustaf König von Schweden war hier vor<br />
Jahren zu Gast mit einer Gruppe namens Ringrunners.<br />
Er ist auch über die Strecke geheizt,<br />
und „war ansonsten so privat wie alle anderen.<br />
Er wollte keine Sonderbehandlung“, sagt die<br />
Wirtin. Um den Hals trägt sie den Streckenverlauf<br />
des Nürburgrings in Miniatur aus Silber.<br />
„Das ist mein Ehering, ich bin tatsächlich mit<br />
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dem Ring verheiratet“, sagt sie strahlend. Diese<br />
Liebelei hat schon sehr früh begonnen. Sport<br />
Nummer 1 in der Kindheit war das Sammeln<br />
von Autogrammen bei den Rennfahrern. „Wir<br />
Ursula Schmitz zeigt ein Foto aus dem Jahr 1925 mit<br />
Großmutter Gertrud: „Hier in der Scheune haben die<br />
Rennfahrer nach dem Krieg bei uns im Stroh geschlafen.“<br />
Kirmes in Nürburg 1975: Das einzige Rennen, an dem<br />
Ursula Schmitz in jungen Jahren selbst teilgenommen<br />
hat, war das Schubkarrenrennen (sie fährt die Schubkarre<br />
links).<br />
Kinder aus Nürburg durften ja immer kostenlos<br />
rein“, erinnert sie sich. In ihrer Fotokiste hat sie<br />
schwarz-weiße Erinnerungen gesammelt – an<br />
Skilanglaufrennen am Ring, an Tischtennis am<br />
Ring und an die Schubkarrenrennen, die hier<br />
früher immer zur Kirmes gehörten. Als ein paar<br />
Jahre nach dem Krieg die Rennen wieder starteten,<br />
hatten ihre Eltern eine kleine Landwirtschaft<br />
mit sechs Kühen, einem Pferd und ein<br />
paar Hühnern. Damals haben sich Zuschauer<br />
und Rennfahrer in ihrer Scheune einen Platz<br />
gemietet für die Nacht: 60 Pfennig hat das<br />
gekostet. Weil es noch kein fließendes Wasser<br />
gab, hatte der Vater eine Leitung in den Hof mit<br />
einem Stopfen drauf gelegt. „Wer sich waschen<br />
wollte, musste zehn Pfennig extra zahlen und<br />
die durfte ich kassieren“, sagt Uschi Schmitz.<br />
Damals war sie ungefähr sechs Jahre alt, als<br />
sie von Schorsch Meier die zehn Pfennig fürs<br />
Waschen kassierte. Der bayerische Rennfahrer<br />
war 1949 zum Sportler des Jahres in Deutschland<br />
gekürt worden. Ihr hat das so viel Spaß<br />
gemacht, dass für sie feststand: sie wollte später<br />
in der Gastronomie arbeiten.<br />
Ortsbürgermeister Reinhold Schüssler (79)<br />
ist in Nürburg geboren – und er lässt sich bis