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BÜCHER ZU MUSIK<br />
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BÜCHER ZU MUSIK<br />
terten Elvis-Imitator, einen abermals exzentrischen<br />
japanischen Sammler, eine versierte<br />
Musikwissenschaftlerin und viele<br />
mehr. So ganz nebenbei erfährt der Leser<br />
im Verlauf der Geschichte viel Wissenswertes<br />
aus der Musikhistorie und ihren Akteuren<br />
und über den Bau und die verschiedenen<br />
Arten von Gitarren. Ein Buch für<br />
Gitarreros also? Nicht nur, denn «Vintage»<br />
ist auch für normal Musikaffine ein rasanter,<br />
spannender, witziger und sogar blutiger<br />
Lesegenuss.<br />
HIGH FIDELITY<br />
Nick Hornby<br />
320 Seiten, CHF 16.90<br />
Kiepenheuer & Witsch<br />
VINTAGE<br />
Grégoire Hervier<br />
400 Seiten, CHF 35.90<br />
Diogenes<br />
Klingende Bücher<br />
Zufall oder Absicht? Zurzeit werden Leseratten, die gleichzeitig Musikfans sind, bestens bedient.<br />
Wir picken einige Höhepunkte aus der Vielfalt neuer Bücher mit musikalischem Inhalt heraus.<br />
Musik und Schriftstellerei – das gehört irgendwie<br />
zusammen. Nicht umsonst werden<br />
sowohl Bücher als auch Songs geschrieben!<br />
Verquickt man die beiden «Schreibarten»,<br />
kommen eine ganze Menge verschiedener<br />
Genres heraus: Musiker-Biografien, Musikgeschichte,<br />
Musikgeschichten, Sammlerkataloge,<br />
Songbooks und natürlich Romane,<br />
die sich auf die eine oder andere Weise mit<br />
Musik beschäftigen.<br />
TEXT: ERIK BRÜHLMANN<br />
Die jung verstorbene Jazz-Legende Bix Beiderbecke<br />
stand wohl Pate für die Hauptfigur in Dorothy Bakers<br />
«Ich mag mich irren, aber ich finde dich fabelhaft».<br />
Der Klassiker<br />
Beim Thema Musikbücher kommt man um<br />
einen Klassiker nicht herum: «High Fidelity»<br />
von Nick Hornby. Dieses Buch macht<br />
klar, dass echte Musikfreaks halt eine ganz<br />
besondere Spezies darstellen. Ein wenig<br />
verschroben, ein wenig weltfremd, aber alles<br />
in allem eben doch sehr liebenswert.<br />
Und natürlich immer bereit, den passenden<br />
Song zu jeder nur denkbaren Situation präsentieren<br />
zu können – inklusiv aller nur<br />
möglichen Informationen, die zwar nichts<br />
zur Sache tun, aber für den echten Nerd<br />
ganz selbstverständlich dazugehören. Natürlich<br />
können auch Gelegenheitsmusikliebhaber<br />
diesen Roman, der eigentlich<br />
eine herzige Liebesgeschichte mit Hindernissen<br />
ist, bedenkenlos aus dem Regal ziehen.<br />
«High Fidelity» gibt es übrigens auch<br />
als sehenswerte Verfilmung mit John Cusack.<br />
Se non è vero ...<br />
Ein klein wenig spezifischer ist da schon der<br />
potenzielle Leserkreis von Grégoire Herviers<br />
«Vintage». Der Franzose mit einer Vorliebe<br />
für Rockmusik, Science-Fiction-Filme<br />
und Karate verquickt in seinem bereits dritten<br />
Roman geschickt Wahres und Erfundenes.<br />
Protagonist Thomas Dupré – Musiker,<br />
Teilzeitjournalist, Gelegenheits-Gitarrenflicker<br />
– wird von einem exzentrischen englischen<br />
Sammler auf die Jagd nach der sagenumwobenen<br />
Gibson Moderne von 1957<br />
geschickt. Ob diese Gitarre überhaupt je<br />
über den Reissbrettstatus hinaus gekommen<br />
ist, weiss niemand so genau, weder im<br />
Roman noch in der Realität. Dupré macht<br />
sich auf die Suche und trifft einen abgehalf-<br />
Altrocker in Frankreich<br />
Ebenfalls im Rock-Milieu spielt «Ein fast<br />
perfektes Wunder» von Andrea de Carlo.<br />
Oder eher im Altrocker-Milieu, denn die Bebonkers<br />
sind nicht mehr die Jungen Wilden,<br />
die sie einst waren. Auch wenn die meisten<br />
Bandmitglieder es noch gern wären. Nur<br />
Sänger Nick Cruickshank hat im Grund<br />
schon mit dem Rockerleben abgeschlossen,<br />
auch wenn er sich die grösste Mühe gibt,<br />
immer noch alle möglichen und unmöglichen<br />
Klischees den anderen zuliebe zu erfüllen.<br />
Ein paar Kilo Glacé bringen seine<br />
Rockerwelt jedoch arg ins Wanken – das<br />
Glacé und die nach Frankreich ausgewanderte<br />
Italienerin Milena Migliari, welche<br />
die Leckereien herstellt. Auch sie lebt so,<br />
wie es andere von ihr erwarten, weiss dies<br />
sogar, aber kann oder will daran nichts ändern.<br />
Was passiert also, wenn zwei so ähnliche<br />
und doch so verschiedene Charaktere<br />
aufeinandertreffen? Der Mailänder de Carlo<br />
schreibt mit seinem Roman ein amüsantes,<br />
scharfsinniges, feinfühliges literarisches<br />
Lied über die Menschen, die Liebe,<br />
EIN FAST<br />
PERFEKTES<br />
WUNDER<br />
Andrea de Carlo<br />
400 Seiten, CHF 35.90<br />
Diogenes<br />
FRIEDHOF DER<br />
KLAVIERE<br />
José Luis Peixoto<br />
328 Seiten, CHF 33.90<br />
Septime<br />
DIE TRIKONT-<br />
STORY<br />
Christof Meueler,<br />
Franz Dobler<br />
464 Seiten, CHF 41.90<br />
Heyne<br />
ICH MAG MICH<br />
IRREN, ABER<br />
ICH FINDE DICH<br />
FABELHAFT<br />
Dorothy Baker<br />
272 Seiten, CHF 28.90<br />
dtv<br />
DER GROSSE<br />
SCHNEIDEWIND<br />
Günter Schneidewind<br />
400 Seiten, CHF 21.90<br />
Kloepfer und Meyer<br />
das Fassbare und das Flüchtige. Wäre ein<br />
solcher Begriff nicht so absolut un-rockig<br />
und uncool, könnte man glatt von einem<br />
Frauenroman sprechen!<br />
Freud und Leid eines Jazzmusikers<br />
Lassen wir das mit dem Rock, wenden uns<br />
dem Jazz zu – und damit einem alten neuen<br />
Roman. Dorothy Bakers Buch «Ich mag<br />
mich irren, aber ich finde dich fabelhaft»<br />
erschien unter dem Originaltitel «Young<br />
Man with a Horn» nämlich bereits 1938 zum<br />
ersten Mal. Die Geschichte erzählt das Leben<br />
und den musikalischen Werdegang von<br />
Rick Martin. Als Weisser, der sich zur «Negermusik»<br />
hingezogen fühlt und nichts lieber<br />
tut, als erst Klavier, dann Trompete zu<br />
üben und zu spielen, hat er es schon als<br />
Kind nicht leicht. Wie so viele Künstler ist<br />
auch Rick in seinem Innersten eine gequälte<br />
Seele mit unglaublichem Talent, die sich<br />
auf ihrer Suche nach musikalischer Perfektion<br />
selbst zugrunde richtet. Auch wer mit<br />
Jazz nicht so viel anfangen kann, wird den<br />
Roman geniessen können. Denn Dorothy<br />
Baker versteht es meisterlich, die ganze Klaviatur<br />
der Schriftstellerei zu spielen und in<br />
eine ebenso komplexe wie mitreissende<br />
und etwas anrüchige Geschichte zu verpacken.<br />
Und wenn Jazz-Spezialisten beim Lesen<br />
Parallelen zwischen dem Protagonisten<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH