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Lesen1704

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DAS MAGAZIN DER<br />

BUCHHANDLUNGEN<br />

VON ORELL FÜSSLI<br />

Lesen<br />

NR. 4/2017<br />

IHR PERSÖNLICHES<br />

EXEMPLAR –<br />

MIT WETTBEWERB!<br />

«Die Figuren tun,<br />

was sie wollen»<br />

INTERVIEW MIT THRILLERKÖNIG SEBASTIAN FITZEK<br />

Dossier «Tiere lesen»<br />

DIE SCHÖNSTEN NEUERSCHEINUNGEN<br />

RUND UM TIERE<br />

Im Schaufenster<br />

NEUE WERKE VON DANIEL KEHLMANN,<br />

JULI ZEH UND MELINDA NADJ ABONJI<br />

Das pralle Leben<br />

DIE BESTEN KINDERBÜCHER<br />

FÜR DIE WINTERTAGE


2<br />

FILIALEN<br />

3<br />

EDITORIAL & INHALT<br />

AARAU ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Orell Füssli Meissner<br />

Bahnhofstrasse 41, 5000 Aarau<br />

Mo – Mi, Fr: 9.00 – 18.30 Uhr<br />

Do: 9 – 20 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr<br />

Orell Füssli Wirz<br />

Hintere Vorstadt 18, 5000 Aarau<br />

Mo – Mi, Fr: 9 – 18.30 Uhr<br />

Do: 9 – 20 Uhr | Sa: 8 – 17 Uhr<br />

BADEN –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Orell Füssli<br />

Langhaus beim Bahnhof, 5401 Baden<br />

Mo – Fr: 9 – 19 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr<br />

BASEL –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Orell Füssli Bahnhof SBB<br />

Passerelle, Güterstrasse 115, 4053 Basel<br />

Mo – Fr: 7 – 21 Uhr | Sa: 8 – 21 Uhr<br />

So: 9 – 20 Uhr<br />

Orell Füssli<br />

Freie Strasse 32, 4001 Basel<br />

Mo – Mi, Fr: 9 – 18.30 Uhr<br />

Do: 9 – 20 Uhr | Sa: 9 – 18 Uhr<br />

BERN ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Stauffacher<br />

Neuengasse 25 – 37, 3001 Bern<br />

Mo – Mi, Fr: 9 – 19 Uhr<br />

Do: 9 – 21 Uhr | Sa: 9 –17 Uhr<br />

Orell Füssli im Loeb<br />

Spitalgasse 47/51, 3001 Bern<br />

Mo – Mi: 9 – 19 Uhr | Do: 9 – 21 Uhr<br />

Fr: 9 – 20 Uhr | Sa: 8 – 17 Uhr<br />

Orell Füssli Bahnhof SBB<br />

Bahnhofplatz 10, 3001 Bern<br />

Mo – Sa: 7 – 22 Uhr | So: 9 – 22 Uhr<br />

BRIG ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

ZAP<br />

Furkastrasse 3, 3900 Brig<br />

Mo – Fr: 9 – 18.30 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr<br />

ZAP Bürostore<br />

Englischgrussstrasse 6, 3900 Brig<br />

Mo – Fr: 8.30 – 12 und 13.30 – 17 Uhr<br />

BRUGG –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Orell Füssli<br />

Neumarktplatz 12, 5200 Brugg<br />

Mo – Do: 9 – 18.30 Uhr | Fr: 9 – 19 Uhr<br />

Sa: 9 – 17 Uhr<br />

CHUR –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Orell Füssli Einkaufscenter City West<br />

Raschärenstrasse 35, 7000 Chur<br />

Mo – Fr: 9 – 20 Uhr | Sa: 8 – 18 Uhr<br />

EMMENBRÜCKE ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Orell Füssli Emmen Center<br />

Stauffacherstrasse 1, 6020 Emmenbrücke<br />

Mo, Di, Do: 9 – 18.30 Uhr<br />

Mi, Fr: 9 – 21 Uhr | Sa: 8 – 16 Uhr<br />

FRAUENFELD ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Orell Füssli Einkaufszentrum Passage<br />

Bahnhofplatz 70, 8500 Frauenfeld<br />

Mo – Fr: 8 – 20 Uhr | Sa: 8 – 18 Uhr<br />

SCHAFFHAUSEN ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Orell Füssli<br />

Vordergasse 77, 8200 Schaffhausen<br />

Mo – Mi, Fr: 9 – 18.30 Uhr<br />

Do: 9 – 20 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr<br />

SCHÖNBÜHL –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Orell Füssli Shoppyland<br />

Industriestrasse 10, 3321 Schönbühl<br />

Mo – Do: 9 – 20 Uhr | Fr: 9 – 21.30 Uhr<br />

Sa: 8 – 17 Uhr<br />

SIERRE ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

ZAP<br />

Place de la Gare 2, 3960 Sierre<br />

Mo – Fr: 9 – 12 und 13.30 – 18.30 Uhr<br />

Sa: 9 – 17 Uhr<br />

SPREITENBACH –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Orell Füssli Tivoli<br />

8957 Spreitenbach<br />

Mo – Sa: 9 – 20 Uhr<br />

ST. GALLEN –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Rösslitor Bücher<br />

Multergasse 1 – 3, 9001 St. Gallen<br />

Mo – Mi, Fr: 9 – 18.30 Uhr<br />

Do: 9 – 21 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr<br />

Orell Füssli Shopping Arena<br />

Zürcher Strasse 464, 9015 St. Gallen<br />

Mo – Mi, Fr: 9 – 19 Uhr,<br />

Do: 9 – 21 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr<br />

ST. MARGRETHEN ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Orell Füssli Einkaufszentrum Rheinpark<br />

9430 St. Margrethen<br />

Mo – Do: 9 – 19 Uhr | Fr: 9 – 21 Uhr<br />

Sa: 8 – 17 Uhr<br />

THUN –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Orell Füssli<br />

Bälliz 60, 3600 Thun<br />

Mo – Mi, Fr: 9 – 18.30 Uhr<br />

Do: 9 – 21 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr<br />

VISP ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

ZAP<br />

Bahnhofstrasse 21, 3930 Visp<br />

Mo – Fr: 9 – 12 und 13.30 – 18.30 Uhr<br />

Sa: 9 – 17 Uhr<br />

WINTERTHUR ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Orell Füssli Einkaufszentrum Rosenberg<br />

Schaffhauserstrasse 152, 8400 Winterthur<br />

Mo – Fr: 8.30 – 20 Uhr | Sa: 8 – 18 Uhr<br />

Orell Füssli Marktgasse<br />

Marktgasse 41, 8400 Winterthur<br />

Mo – Mi, Fr: 9 – 18.30 Uhr<br />

Do: 9 – 21 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr<br />

ZERMATT –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

ZAP<br />

Hofmattstrasse 3, 3920 Zermatt<br />

Mo – Fr: 9 – 12 Uhr und 14 – 18.30 Uhr<br />

Während der Saison:<br />

Mo – Fr: 9 – 12.30 Uhr und 14 – 19 Uhr<br />

So: 16 – 19 Uhr<br />

ZÜRICH ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Orell Füssli Kramhof<br />

Orell Füssli The Bookshop<br />

Füsslistrasse 4, 8001 Zürich<br />

Mo – Fr: 9 – 20 Uhr | Sa: 9 – 18 Uhr<br />

Orell Füssli am Bellevue<br />

Theaterstrasse 8, 8001 Zürich<br />

Mo – Fr: 9 – 20 Uhr | Sa: 9 – 18 Uhr<br />

Orell Füssli Flughafen<br />

Airport Center, 8060 Zürich-Flughafen<br />

Mo – Fr: 7 – 21 Uhr | Sa, So: 8 – 21 Uhr<br />

Orell Füssli Zürich Hauptbahnhof<br />

Shopville, Halle Landesmuseum, 8001 Zürich<br />

Mo – Fr: 7 – 21 Uhr | Sa: 8 – 21 Uhr<br />

So: 9 – 20 Uhr<br />

Orell Füssli Bahnhof Stadelhofen<br />

Stadelhoferstrasse 8, 8001 Zürich<br />

Mo – Fr: 8 – 20 Uhr | Sa: 9 – 19 Uhr<br />

So: 10 – 18 Uhr<br />

Orell Füssli Bahnhof Oerlikon<br />

Ladenpassage Mitte, Hofwiesenstrasse 369,<br />

8050 Zürich<br />

Mo – Fr: 7 – 21 Uhr<br />

Sa, So und an Feiertagen: 10 – 19 Uhr<br />

www.orellfüssli.ch 0848 849 848<br />

© Tim Flach / Knesebeck Verlag<br />

Liebe Leserin<br />

Lieber Leser<br />

27<br />

SACHBÜCHER, ROMANE, BILDBÄNDE: DIE SCHÖNSTEN<br />

NEUERSCHEINUNGEN RUND UM TIERE<br />

Dossier «Tiere lesen»<br />

Lesen ist eine stille Angelegenheit, ein Abenteuer,<br />

das man in der Regel ganz allein bestreitet. Und<br />

so ist es auch mit dem Schreiben: Die meisten Autorinnen<br />

und Autoren ziehen sich zum Schreiben<br />

in ihre eigene Welt zurück. Sie suchen dafür Stille<br />

und nicht selten auch Abgeschiedenheit.<br />

Aber es gibt auch Ausnahmen, und diese finden<br />

sich gegenwärtig auffallend oft: Schreibende,<br />

die sich zusammentun, um gemeinsam ein<br />

Werk zu verfassen. Vor allem im Krimi- und<br />

Thrillergenre ist Teamwork mittlerweile weit<br />

verbreitet. Mit «Schockfrost» haben jetzt auch<br />

die beiden Schweizer Krimiautorinnen Mitra<br />

Devi und Petra Ivanov einen gemeinsamen<br />

Thriller vorgelegt – und damit die Bestsellerlisten<br />

erobert.<br />

44<br />

DIE BESTEN KINDER-<br />

BÜCHER FÜR DIE WIN-<br />

TERTAGE<br />

Das pralle Leben<br />

10<br />

INTERVIEW MIT SEBA-<br />

STIAN FITZEK, AUTOR<br />

VON «FLUGANGST 7A»<br />

«Die Figuren<br />

tun, was sie<br />

wollen»<br />

Schreiben kann also durchaus ein sozialer Akt<br />

sein. Und das Lesen eben auch. Selbst wenn<br />

man ein Buch gern für sich selber liest, ist es<br />

einfach herrlich, sich mit anderen darüber zu<br />

unterhalten. Gern laden wir Sie ein, in unsere<br />

Filialen zu kommen und sich mit unseren Mitarbeitenden<br />

auszutauschen. Sagen Sie uns, was Ihnen<br />

am letzten Buch gefallen hat. Holen Sie sich<br />

Tipps für Ihr nächstes Leseabenteuer. Teilen<br />

Sie mit uns Ihre Leidenschaft – und machen wir<br />

das Lesen zu einem gemeinsamen Erlebnis! Wir<br />

freuen uns auf Sie.<br />

Herzlichst<br />

Coralie Klaus Boecker<br />

Leiterin Marketing & Kommunikation<br />

Orell Füssli Thalia AG<br />

4 Notizen<br />

15 Requiem für einen<br />

Gedemütigten<br />

«Schildkrötensoldat»<br />

von Abonji<br />

16 Solisten im Duett<br />

Ein auffallender<br />

Trend: Immer mehr<br />

Schreibende tun<br />

sich zusammen<br />

20 Dystopie, Gesellschaftsanalyse<br />

und Thriller<br />

«Leere Herzen» von<br />

Juli Zeh<br />

21 Ein neuer Blickwinkel<br />

«Tyll» von Daniel<br />

Kehlmann<br />

22 Klingende Bücher<br />

Neuerscheinungen<br />

rund um Musik<br />

36 Zwei Bücher<br />

zum Kaffee<br />

Die Debatte<br />

38 Das Buch zum Film<br />

Literatur jetzt<br />

im Kino<br />

40 In English, please!<br />

Englischsprachige<br />

Bücher<br />

46 Freude vor und<br />

nach dem Kochen<br />

Prächtige Kochbücher<br />

– als Geschenk<br />

für sich oder die<br />

Liebsten<br />

49 Gekauft!<br />

Kundinnen und<br />

Kunden zeigen ihre<br />

Neuerwerbung<br />

51 Per Kurzgeschichte<br />

nach Santa Fe<br />

Die Gewinnerin<br />

unseres Schreibwettbewerbs<br />

53 Das Beste zweier<br />

Welten<br />

Die App von Orell<br />

Füssli<br />

55 Kreuzworträtsel<br />

46 Veranstaltungen<br />

58 Der Lesen-<br />

Fragebogen<br />

Ausgefüllt von Jens<br />

Steiner<br />

Die nächste Ausgabe von Lesen, dem Magazin der Buchhandlungen von Orell Füssli,<br />

erscheint am 1. März 2018. Sie erhalten Lesen kostenlos in jeder Filiale.<br />

Bestellungen nehmen wir gern entgegen unter www.orellfüssli.ch,<br />

orders@orellfuessli.ch und Telefon 0848 849 848.<br />

IMPRESSUM<br />

HERAUSGEBER: Orell Füssli Thalia AG, Dietzingerstrasse 3, Postfach, 8036 Zürich<br />

GESAMTHERSTELLUNG UND REDAKTION: Textbüro Marius Leutenegger, Zürich<br />

GESTALTUNG : Strichpunkt GmbH, Winterthur<br />

COVERFOTO: Gene Glover<br />

JETZT FAN WERDEN:<br />

www.facebook.com/OrellFüssli<br />

Preisänderungen vorbehalten. Unsere aktuellen Verkaufspreise und<br />

eine umfassende Auswahl an Büchern, Filmen und Spielen fi nden Sie<br />

auf www.orellfüssli.ch.<br />

Bücher mit diesen Zeichen sind auch als eBook bzw.<br />

Hörbuch erhältlich.


129_31477_Pratchett_Atlas_Scheibenwelt.indd 50 28.08.17 13:41<br />

4<br />

NOTIZEN<br />

5<br />

NOTIZEN<br />

TEXT: MARIUS LEUTENEGGER<br />

© Edward Brooke-Hitching<br />

Man könnte ja meinen, Atlanten seien im Zeitalter von GPS und Google Map ein alter Hut.<br />

Mitnichten! Sie zählen noch immer zu den Paradedisziplinen der Buchbranche, deren Geschichte<br />

und Entwicklung sie entscheidend geprägt haben. Im Gegenteil scheint die Konkurrenz<br />

durch die neuen Medien dem guten alten Atlas sogar gut zu tun, denn gegenwärtig erscheint<br />

eine ganze Reihe besonders origineller Werke, auf die wir hier kurz verweisen.<br />

Der «Atlas der erfundenen Orte» von<br />

Edward Brooke-Hitching, erschienen bei<br />

dtv, kitzelt einige sehr menschliche Instinkte: die<br />

Neugier, die Schadenfreude, den Wunsch nach<br />

einer anderen Wirklichkeit, das Vergnügen an Fantastereien und<br />

Gerüchten – und grad auch noch die Faulheit, denn das üppig illustrierte<br />

Werk bietet einem auch dann viel Spass, wenn man nur<br />

die vielen Bilder anschaut und die hervorragenden wissenschaftlich-unterhaltsamen<br />

Texte links liegen lässt. Gezeigt wird eine<br />

Welt, die es nie gab: Insel, von deren Existenz Seeleute jahrhundertelang<br />

überzeugt waren, waghalsige Interpretationen weisser<br />

Flecken, die noch nie ein Mensch betreten hatte, gewaltige Seeungeheuer,<br />

deren Existenz einst von niemandem hinterfragt wurde.<br />

Zu tollen «Fake News» werden die Karten aber erst durch ihren<br />

wissenschaftlichen Anspruch: Minutiös genau präsentieren sie<br />

die Grenzen von El Dorado, die Lage des Garten Eden oder von<br />

Thule und die eindrückliche Ausdehnung des Königreichs des<br />

Priesters Johannes. So präzis kann man sich irren!<br />

Edward Hopper gilt als einer der grössten US-amerikanischen Maler des 20. Jahrhunderts.<br />

Sein Gemälde «Nighthawk» dürfte eines der meistzitierten Kunstwerke überhaupt sein.<br />

Trotzdem wird er gelegentlich noch als Illustrator bezeichnet. Das hat wohl auch mit dem<br />

Realismus seiner Bilder zu tun: Sie wirken derart narrativ, dass ihr hoher künstlerischer<br />

Gehalt auf den ersten Blick in den Hintergrund rückt.<br />

Der New Yorker Krimiautor Lawrence Block hat die erzählerische Kraft von Hoppers<br />

Bildern jetzt zu einer Tugend gemacht. Er suchte ein paar Meisterwerke zusammen, die ihm besonders<br />

gefielen, und fragte Schriftstellerkolleginnen und -kollegen an, ob sie dazu eine Story schreiben<br />

könnten. Herausgekommen ist die Kurzgeschichten-Sammlung «Nighthawks», erschienen bei<br />

Droemer – ein Hochgenuss! Joyce Carol Oates, Jeffery Deaver, Lee Child, Michael Connelly und viele<br />

mehr haben sich von den Gemälden zu fantasievollen Höchstleistungen inspirieren lassen. Stephen<br />

King zum Beispiel nimmt ein lieblich-romantisches Bild als Ausgangslage für eine besonders schwarze<br />

Story, Joe R. Landslade spinnt eine knackige Liebesgeschichte um ein Gemälde, das nichts mit Liebe zu<br />

tun zu haben scheint. Die Geschichten sind in so kräftigen Farben gehalten wie die Bilder – ein<br />

geglücktes Experiment!<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

Der «Atlas der erfunden Orte» rückt die Terra incognita in den Fokus – und<br />

das tut der «Atlas der ungezähmten Welt» von Chris Fitch, erschienen<br />

bei Brandstätter, ebenso. Nur mit dem Unterschied, dass es hier um real<br />

existierende Orte geht. Sie sind aber so unwirtlich oder schwer zu erreichen<br />

oder gefährlich, dass sie sich eine Wildheit erhalten haben, die man in unserer<br />

bis in Detail vermessenen Welt kaum noch erwarten würde. Die Orte erzählen<br />

faszinierende Geschichten – und regen ebenfalls ein Urbedürfnis an: jenes,<br />

Grenzen zu überschreiten, die Frontier zu verschieben und diese wilden Orte<br />

eben doch noch zu entdecken.<br />

«Nie war es aufregender, nie war es notwendiger, die Welt zu kartografieren»,<br />

fi ndet Alastair Bonnett, Professor für Sozialgeografie an der Universität<br />

Newcastle. Als Beweis legt er seinen bei Dumont erschienenen «Atlas unserer<br />

Zeit» vor. 50 mehr als eindrückliche Karten zeigen die dramatischen<br />

Veränderungen unseres Planeten. Wo geht am meisten Wald verloren? Wo<br />

wird (bescheiden) aufgeforstet? Wo ist die Luftverschmutzung am grössten?<br />

Vieles ist deprimierend an diesem Buch, aber zum Glück nicht alles. Manche<br />

Karten lassen einen auch einfach so nach Luft schnappen, etwa die hier gezeigte<br />

Darstellung des weltweiten Flugverkehrs oder der Blitzschläge. Dennoch: Das<br />

Buch sollte eigentlich Pflichtlektüre für alle sein, die nicht daran glauben wollen,<br />

wie sehr unser Planet unter Stress steht.<br />

Und zum Abschluss noch<br />

eine Empfehlung für echte<br />

Weltreisende: «Atlas<br />

Obscura», erschienen bei<br />

Mosaik. Das Autorenteam,<br />

das eine eigene Website<br />

zum Thema betreibt, hat dafür<br />

all jene Orte aufgesucht,<br />

«die uns zum Staunen» bringen.<br />

Ein schönes Kriterium –<br />

und mit welchem Erfolg<br />

waren Joshua Foer,<br />

Dylan Thuras und Ella<br />

Morton unterwegs! Von<br />

rund um den Globus haben<br />

sie die wunderlichsten<br />

Stätten zusammengetragen,<br />

und diese stellen sie uns<br />

nun in kurzen Porträts vor:<br />

den Atombunker Klevedon<br />

Hatch in Essex, den Heiligen<br />

Altar für erschlagene Insekten<br />

in Tokio, die schwimmende<br />

Schule in Nigeria und<br />

so hundertfach weiter –<br />

alles mit praktischen Reiseangaben<br />

versehen!<br />

Walter Moers hat geschafft, wovon viele Autoren träumen:<br />

Eine eigene Welt zu kreieren, die so raffi niert gebaut und faszinierend<br />

ist, dass darin beliebig viele Romane spielen können. Seine<br />

witzige Antwort auf Mittelerde heisst «Zamonien», und immer,<br />

wenn ein neuer Roman über diesen skurrilen Ort und seine noch<br />

viel skurrileren Bewohner erscheint, sind Leserinnen und Leser<br />

rund um den Erdball ein paar Tage lang kaum noch ansprechbar.<br />

Zuletzt konnte dieses Phänomen im August beobachtet werden,<br />

als der Knaus-Verlag Moers’ neuesten Streich publizierte,<br />

«Prinzessin Insomnia». Ernsthaft angekündigt ist mittlerweile auch<br />

der ersehnteste letzte Teil der «Buchhaim-Trilogie», «Das Schloss<br />

der Träumenden Bücher» – für 2024! Der Meister erlaubt sich<br />

hier wohl einen Scherz – wie sollen das seine Fans so lang<br />

aushalten? Immerhin müssen sie bis dahin aber nicht völlig darben.<br />

Gerade jetzt ist der erste Teil der Trilogie als Comic erschienen:<br />

«Die Stadt der Träumenden Bücher». Die Vorlage für<br />

die Graphic Novel ist vielleicht Moers’ Magnum Opus, und auch<br />

wenn die bildhafte Sprache des Mönchengladbachers prinzipiell<br />

Ewald Frie erzählt<br />

die Geschichte der<br />

Welt erstmals ganz<br />

voraussetzungslos<br />

aus einer wahrhaft<br />

globalen Perspektive.<br />

Athen rückt<br />

so an den Rand,<br />

aber das traumhaft<br />

schöne Kilwa<br />

in Afrika wird<br />

niemand vergessen,<br />

der dieses<br />

mit wunderbarer<br />

Leichtigkeit geschriebene<br />

Buch<br />

gelesen hat.<br />

464 S., 40 Illus. v.<br />

Sophia Martineck,<br />

28 Ktn. Geb.<br />

sFr 38,50 (UVP)<br />

ISBN 978-3-406-71169-5<br />

Ü<br />

DIE KALDAUNEN-<br />

INSELN<br />

NOTHINGFJORD<br />

B<br />

E<br />

B O<br />

R<br />

W<br />

R O<br />

G<br />

A<br />

L<br />

ZLOBENIEN<br />

E n t g e g e n g e<br />

D<br />

50<br />

s e t z t e r O z e a n<br />

D I E F R E I E N A T U R<br />

R A W I E N<br />

MOULDAWIEN<br />

GENNUA<br />

jede Illustration erübrigt, machen die sorgfältigen Illustrationen<br />

von Florian Biege viel Spass. Ein richtiges Feuerwerk von Einfällen<br />

und Kreativität lassen die beiden hier hochgehen.<br />

Man weiss es: Hinter jedem Meister steckt ... eine Frau? Nein,<br />

meistens ein noch grösserer Meister. Im Fall von Moers dürfte<br />

das wohl der Engländer Terry Pratchett sein, der ebenfalls<br />

eine formidable Welt schuf: die Scheibenwelt. Leider verstarb<br />

der bärtige Meistermeister vor zwei Jahren. Seither sind noch die<br />

allerletzten Romane von ihm erschienen, aber jetzt ist Ende<br />

Feuerwerk. Moment, noch nicht ganz: Goldmann hat soeben den<br />

tollen Band «Vollständiger und unentbehrlicher Atlas der<br />

Scheibenwelt» publiziert. Dabei handelt es sich nicht um die<br />

übliche morbide Geldmacherei mit dem Werk eines Toten, nein,<br />

Pratchett selber verfasste das Buch noch zu Lebzeiten. Es ist so<br />

heiter und geistreich wie alles andere von ihm – aber natürlich<br />

noch einen Zacken prächtiger mit all den wunderschönen<br />

Illustrationen und Karten!<br />

B R<br />

DIE NIMMERLANDE<br />

S I<br />

I N D I<br />

M U N T A B<br />

K Y T H I A<br />

In seinem grandios<br />

erzählten Buch<br />

entfaltet Bernd Roeck<br />

ein beeindruckendes<br />

Panorama der revolutionären<br />

Epoche<br />

der Renaissance.<br />

Zugleich erklärt er,<br />

wieso es in Europa<br />

zu dieser einzigartigen<br />

Verdichtung<br />

von weltbewegenden<br />

Ideen, spektakulären<br />

Entdeckungen und<br />

historischen Umwälzungen<br />

kommen<br />

konnte.<br />

1.304 S., 115 Abb.,<br />

davon 32 in Farbe. Ln.<br />

sFr 58,90 (UVP)<br />

ISBN 978-3-406-69876-7<br />

C.H.BECK<br />

www.chbeck.de


6<br />

NOTIZEN<br />

7<br />

NOTIZEN<br />

LEUTE, DIE DAS MÖGEN,<br />

MÖGEN AUCH ...<br />

So richtig gut<br />

schlemmen!<br />

\<br />

Neue Kochbücher<br />

aus dem AT Verlag<br />

Unser Schlaf ist gestört:<br />

Rund ein Drittel der Bevölkerung<br />

leidet unter Schlaflosigkeit,<br />

und generell schlafen<br />

wir weniger lang, als es für<br />

unser Wohlbefinden nötig<br />

wäre. Das hat zum einen mit<br />

der Moderne zu tun: Während<br />

die Schlafzyklen unserer<br />

Vorfahren noch eng an<br />

den Tageszyklus gekoppelt<br />

waren, können wir heute<br />

die Nacht problemlos zum<br />

Tag machen. Zum anderen<br />

ist Schlaf offensichtlich unpopulär:<br />

Kein Manager gibt<br />

in Interviews an, gern einmal<br />

etwas länger im Bett zu<br />

bleiben. Dynamisch, ruhelos<br />

und allzeit bereit haben wir<br />

zu sein. Höchste Zeit also,<br />

dass unsere lebenswichtige<br />

Ruhezeit wieder die<br />

Bedeutung erlangt, die sie<br />

eigentlich hat. Eine beredte<br />

Anwältin des Schlafs ist die<br />

Soziologin, Philosophin und<br />

Journalistin Katharina<br />

Kunzmann. Die selbsternannte<br />

Schlafmütze, die mit<br />

Leidenschaft den Blog diewillnurschlafen.de<br />

betreibt,<br />

hat jetzt ein so rotzfreches<br />

wie fundiertes Buch über<br />

den schönsten Drittel des<br />

Lebens geschrieben: «Ab<br />

ins Bett». Darin räumt<br />

sie mit Schlaf- und vor allem<br />

mit Nichtschlafmythen auf,<br />

sie gibt sinnvolle Tipps und<br />

steckt mit ihrer Begeisterung<br />

für das süsse Schlummern<br />

an: So süss pennen<br />

wie die will man auch<br />

einmal! Ein Buch, das unter<br />

jedes Kopfkissen gehört.<br />

Die Ostschweizerin Andrea Gerster fühlt sich in vielen<br />

Textformen daheim: Sie schreibt Theaterstücke, schafft<br />

textliche Kunstinstallationen, verfasst Kinder- und Jugendbücher<br />

und legt fast jährlich einen neuen Roman vor. Ihr<br />

neuestes Werk «Alex und Nelli» hat ein bisschen etwas<br />

von alledem. Die Sprache ist so schlank und eingängig wie<br />

bei einem Jugendbuch, die Dialoge sind so direkt und<br />

schmissig wie in einem Drama, die Kapitel sind so kurz<br />

wie bei einer Performance und das Thema ist eine grosse<br />

Kiste, wie es sich für einen Roman gehört – die grosse<br />

Liebe, das Aufeinander- und Auseinanderdriften zweier<br />

Planeten. Die Dreidimensionalität der Hauptfiguren lässt<br />

einem die Geschichte sehr ans Herz gehen, und man kann<br />

das Buch kaum weglegen, auch wenn (natürlich vielmehr:<br />

weil) es einen manchmal grad etwas sehr berührt. Es ist<br />

der Autorin zu wünschen, dass sie damit den schon lang<br />

verdienten Grosserfolg landet – «Alex und Nelli» ist eines<br />

dieser raren Bücher, die eigentlich fast allen gefallen<br />

könnten und die man bedenkenlos verschenken kann.<br />

Ein Buch mit dem Titel «Eine kurze Geschichte<br />

der böhmischen Raumfahrt» macht auf jeden Fall<br />

neugierig. Allein dieses Titels wegen haben wir uns des<br />

bei Klett-Clotta erschienenen Erstlings des heute in den<br />

USA lebenden Pragers Jaroslav Kalfař angenommen<br />

– und siehe da: ein Glücksgriff! Wir hielten dann zwar<br />

nicht die erwartete Satire in den Händen, dafür aber<br />

ein sehr dichtes, traumhaft-atmosphärisches und klug<br />

konstruiertes Buch, das irgendwo zwischen «2001» und<br />

«Gravity» angesiedelt ist. Die Geschichte: Eine kosmische<br />

Staubwolke bedroht die Erde, und 2018 schicken<br />

die Tschechen – im Roman eine technologische Grossmacht<br />

– den jungen Physiker Jakub ins All, um die Staubwolke<br />

zu analysieren. Er ist so einsam, wie man es allein<br />

im All nur sein kann, einzig die täglichen Videochats<br />

mit seiner Frau strukturieren noch seinen öden Alltag.<br />

Doch dann erfährt Jakub, quasi Lichtjahre von daheim<br />

entfernt und völlig hilfl os, dass ihn seine Frau verlässt.<br />

Im Raumschiff begegnet ihm dann ein spinnenähliches<br />

ausserirdisches Wesen. Ja, die Zusammenfassung klingt<br />

seltsam, dem Autor gelingt aber das Kunststück, vor<br />

diesem Hintergrund eine Geschichte über Schuld und<br />

Sühne zu entwickeln, die unter die Haut geht. Jakubs<br />

Vater war im alten kommunistischen Regime ein Folterknecht,<br />

und die familiäre Ursünde führt zu einer Kette<br />

von Leid und Rache, die Jakub auf sehr überraschende<br />

Weise zerreissen kann. Das ist mitreissend, tiefsinnig<br />

und intensiv – gut, hat der noch unbekannte Autor<br />

einen so attraktiven Titel gewählt!<br />

Der Norweger Karl Ove Knausgard ist mit seinem<br />

«Kampf»-Zyklus weltberühmt geworden. In sechs dicken<br />

Bänden bereitet er darin minutiös – und wirklich minutiös – seine<br />

eigene Geschichte und vor allem sein Verhältnis zu seinem<br />

Vater auf. Der über die Schmerzgrenze hinaus ehrliche Seelenstriptease<br />

hinterliess zweischneidige Gefühle, vor allem bei den Mitgliedern seiner<br />

Familie, die ungefragt zu subjektiven Porträts kamen. Mittlerweile ist der Zyklus<br />

abgeschlossen. Man könnte meinen, Knausgard hätte jetzt erst einmal genug von Mammutprojekten,<br />

aber von wegen: Jetzt nimmt er sich der Jahreszeiten an. Das führt zu weiteren<br />

vier Büchern. «Im Herbst» liegt bereits vor, «Im Winter» erscheint in diesen Tagen, die beiden<br />

anderen Bände sind für März 2018 angekündigt. Jedes der je rund 300 Seiten umfassenden Bücher ist<br />

eine Sammlung von Miniaturen zur jeweiligen Saison – Essays, Gedankensplitter und Alltagsbetrachtungen,<br />

die Knausgard aufs Papier bannen kann wie nur wenige. Er rückt seinen Blick und damit auch jenen<br />

der Leserinnen und Leser auf Kleinigkeiten, die man gern übersieht, die aber am Ende unser Leben<br />

ausmachen. Das tut er mit der gewohnten unerbittlichen Ehrlichkeit und mit der Fähigkeit, die Grenze<br />

zur Belanglosigkeit höchstens einmal knapp zu berühren. Nicht alles, was Knausgard schreibt, trifft –<br />

aber vieles regt an. Knausgard-Fans dürfen sich jedenfalls freuen.<br />

Mag man ein Buch besonders gut, ist es oft auch besonders<br />

schnell ausgelesen. Zum Glück können einem dann Fachleute<br />

andere Bücher mit vergleichbaren Qualitäten empfehlen.<br />

Zum Beispiel Sabine Obi. Die 44-Jährige arbeitet in der<br />

Filiale von Orell Füssli am Flughafen Zürich.<br />

«Guillaume Musso darf auf eine sehr treue Gemeinde von –<br />

zumeist weiblichen – Fans zählen. Ein Dauerbrenner ist<br />

sein vor rund zehn Jahren erschienener Roman ‹Wirst du da<br />

sein?›. Das Buch beginnt in Kambodascha, wo Hauptfigur<br />

Dr. Elliott Cooper einen kleinen Jungen rettet und zum Dank<br />

dafür vom Dorfvorsteher seltsame Pillen erhält. Mit ihnen,<br />

heisst es, könne man in die Vergangenheit reisen. Natürlich<br />

glaubt Elliott das nicht, doch daheim in den USA probiert er<br />

die Pillen eben doch aus. Denn er hat einen guten Grund, in<br />

die Vergangenheit zu reisen: Er verlor vor 20 Jahren seine<br />

Freundin durch einen dramatischen Unfall. Soll er jetzt dafür<br />

sorgen, dass sie nicht stirbt – damit aber auch verhindern,<br />

dass seine Tochter wohl nicht zur Welt kommt?<br />

Mir gefällt an diesem Buch das Element der Zeitreise. Es ist<br />

ja ein ewiges Dilemma bei solchen Geschichten: Wenn man<br />

in die Vergangenheit geht, um dort etwas zu ändern, hat das<br />

eben immer auf vielen Ebenen Konsequenzen. Glücklicherweise<br />

findet Elliott einen guten Weg.<br />

Wer ‹Wirst du da sein?› mochte, wird wohl auch an ‹Ivy &<br />

Abe› von Elizabeth Enfield Spass haben. Zeitreisen gibt es<br />

hier ebenfalls, aber sie sind ganz anderer Art: Das Buch erzählt<br />

in 10 Kapiteln, was aus den Liebenden Ivy und Abe hätte<br />

werden können. Bei jedem Kapitel sind die beiden Hauptfiguren<br />

ein paar Jahre jünger, im ersten Kapitel zählen beide<br />

etwa 60 Jahre, im letzten nur noch 6. Bei jedem Kapitel sind<br />

die Voraussetzungen anders. Einmal geht Abe immer<br />

fremd, ein anderes Mal sind die beiden frisch verheiratet<br />

und so weiter. Gleich bleibt immer das Umfeld. Das Buch ist<br />

sehr leicht und unterhaltsam geschrieben – der Ton ähnelt<br />

daher jenem von Musso.»<br />

DAS SIND DIE<br />

GEWINNER<br />

In jeder Ausgabe von Lesen<br />

finden Sie einen Kreuzworträtsel-Wettbewerb;<br />

in dieser<br />

Ausgabe auf Seite 55. Zu<br />

gewinnen gibt’s jeweils zehn<br />

Büchergutscheine im Wert<br />

von 20 bis 200 Franken. Beim<br />

letzten Wettbewerb – das<br />

Lösungswort lautete «Antiquitaetenhaendler»<br />

– wurden<br />

folgende drei Teilnehmende<br />

als Gewinner ausgelost:<br />

1. PREIS<br />

(200 FRANKEN):<br />

Ariane Winzenried, Liebefeld<br />

2. PREIS<br />

(100 FRANKEN):<br />

Ines Fleischmann, Bern<br />

3. PREIS<br />

(50 FRANKEN):<br />

Pia Kunz, Obergösgen<br />

Herzliche<br />

Gratulation!<br />

Die Gewinnerinnen und<br />

Gewinner der Preise 4 bis 10<br />

werden schriftlich benachrichtigt.<br />

Donna Hay<br />

Von Einfach zu Brillant<br />

400 Seiten, 291 Farbfotos, Gebunden<br />

978-3-03800-971-9<br />

Claudio Del Principe<br />

A Casa<br />

Gut kochen. Besser essen. Jeden Tag.<br />

350 Seiten, 100 Farbfotos<br />

978-3-03800-970-2<br />

Douce Steiner<br />

Rezepte fürsLeben<br />

200 Seiten, 100 Farbfotos,<br />

Gebunden mit Schutzumschlag<br />

978-3-03800-987-0<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

www.at-verlag.ch


8<br />

NOTIZEN<br />

9<br />

NOTIZEN<br />

Stephan Eicher<br />

& Martin Suter<br />

Jahrestage<br />

WAS LESEN SIE GERADE?<br />

Zwei Künstler von Weltformat<br />

machen Musik voller Poesie.<br />

EICHER<br />

Happy<br />

birthday,<br />

Péter<br />

Nadas:<br />

Am 14. Oktober konnte<br />

der ungarische – nein:<br />

europäische – Starschriftsteller<br />

seinen<br />

75. Geburtstag feiern.<br />

Pünktlich zum Wiegenfest<br />

veröffentlichte<br />

Rowohlt Nadas’ neue<br />

Lebenserinnerungen<br />

«Aufleuchtende<br />

Details». Ein in jeder<br />

Hinsicht gewichtiges<br />

Buch: Auf 1280 Seiten<br />

webt der Autor und<br />

ewige Anwärter auf den<br />

Literaturnobelpreis<br />

sein Leben in die dramatische<br />

Geschichte<br />

eines Kontinents ein.<br />

Der Edel-Verlag macht seinem Namen zuweilen alle Ehre: Er veröffentlicht<br />

immer wieder besonders hochwertige Bildbände, in denen es sich<br />

vorzüglich schwelgen lässt. Gerade sind zwei neue Titel erschienen,<br />

die hervorragend in unsere Jahrestage-Rubrik passen: Grossformatige<br />

Prachtwerke zu den 50-jährigen Bandjubiläen der Jacksons und von<br />

Pink Floyd. Sie sind tolle Zeitdokumente. Diese Frisuren! Diese<br />

Hosen! Vor allem aber: dieser Michael!<br />

© Dan Gottesman / 2017 Jacksons Entertainment<br />

Ein Autor,<br />

den man<br />

dem<br />

Schweizer<br />

Publikum nicht vorstellen<br />

muss, ist Martin Suter. Da<br />

verlieren wir doch gar nicht<br />

zu viele Worte über ihn,<br />

sondern gratulieren ihm<br />

schlicht zu seinem 70.<br />

Geburtstag am 29. Februar<br />

(auch wenn es diesen Tag<br />

gar nicht geben wird). Sein<br />

neuester Streich übrigens:<br />

«Song Book». Das Buch mit<br />

CD entstand in Zusammenarbeit<br />

mit Stephan Eicher.<br />

Foto: © Franco P Tettamanti<br />

Elke Heidenreich ist eine<br />

Frau, die polarisiert. Manchmal<br />

haut sie mit Aussagen<br />

ganz schön ins Kraut – als<br />

Mitglied des Literaturclubs<br />

von SRF ebenso wie als<br />

politisch denkender Mensch.<br />

Doch sie bringt fraglos viele<br />

zum Lesen, auch als Autorin.<br />

Der Fischer-Verlag hat<br />

gerade ihre Kurzgeschichtensammlung<br />

«Alles kein<br />

Zufall» neu als Taschenbuch<br />

herausgebracht – eine Liebeserklärung<br />

ans Leben. Am<br />

15. Februar feiert die Autorin<br />

ihren 75. Geburtstag.<br />

Am 28. Januar<br />

jährt sich der Tod<br />

von Adalbert<br />

Stifter zum 150.<br />

Mal. Der naturverbundene<br />

Österreicher, der von 1805 bis<br />

1868 lebte, zählt zu den wichtigsten<br />

Autoren des Biedermeiers.<br />

Seine entschleunigten<br />

– manche sagen auch: zuweilen<br />

etwas langatmigen – Werke<br />

werden vor allem von bemerkenswerten<br />

Landschaftsbeschreibungen<br />

geprägt. Unsere<br />

Empfehlung zum Einstieg ins<br />

Stifters Werk: «Bergkristall»,<br />

eine vom Insel-Verlag gerade<br />

neu aufgelegte Weihnachtsgeschichte,<br />

die zu den<br />

schönsten überhaupt zählt.<br />

SVEN FURRER, MODERATOR,<br />

COMEDIAN UND SCHAUSPIELER:<br />

DER TRAFIKANT<br />

Robert Seethaler<br />

256 Seiten, CHF 14.90<br />

Kein & Aber<br />

«Die Geschichte spielt 1937 in Österreich. Der 17-jährige<br />

Franz Huchel verlässt sein ländliches Heimatdorf,<br />

um in Wien als Lehrling in einer Trafik – einem kleinen<br />

Tabak- und Zeitungsgeschäft – sein Glück zu<br />

suchen. Dort begegnet er eines Tages dem Stammkunden<br />

Sigmund Freud, der ihn vom ersten Augenblick<br />

an fasziniert. Im Lauf der Zeit entwickelt sich eine<br />

ungewöhnliche Freundschaft zwischen den beiden<br />

unterschiedlichen Männern.<br />

Als sich Franz kurz darauf Hals über Kopf unglücklich<br />

in die Varietétänzerin Anezka verliebt, sucht er beim<br />

alten Professor Rat. Dabei stellt sich jedoch schnell<br />

heraus, dass dem weltbekannten Psychoanalytiker<br />

das weibliche Geschlecht ein mindestens ebenso<br />

grosses Rätsel ist wie Franz. Ohnmächtig fühlen sich<br />

beide auch angesichts der sich dramatisch zuspitzenden<br />

politisch-gesellschaftlichen Verhältnisse. Und<br />

schon bald werden Franz, Freud und Anezka jäh vom<br />

Strudel der Ereignisse mitgerissen.<br />

Die Geschichte von Franz ist in einem sehr leisen,<br />

zarten und poetischen Ton geschrieben. Es ist ein<br />

grosses Vergnügen, diese berührende Geschichte zu<br />

lesen – schon nur wegen der schnörkellosen Sprache.<br />

Die naive und unerfahrene Sichtweise des jugendlichen<br />

Franz lässt die Geschichte trotz der Präsenz des<br />

Monuments Sigmund Freud sehr menschlich und<br />

ohne Effekthascherei erscheinen.<br />

Eine Trouvaille rund um das Erwachsenwerden, das<br />

Ausziehen von zu Hause, den Einstieg ins Berufsleben,<br />

die erste grosse Liebe und die Ehrfurcht vor der<br />

Weisheit. Immer wieder treffe ich im Buch auf<br />

Momente, in denen ich mich selber sehe – lang ist’s<br />

her! Die Zeit, in der ‹Der Trafikant› spielt, ist aber so<br />

fragil, dass einem immer wieder vor Augen geführt<br />

wird, wie unbeschwert wir selber den grossen<br />

Themen des Lebens begegnen durften. Solche Bücher<br />

helfen mir, den Alltag zu entschleunigen!»<br />

… UND<br />

AUSSERDEM<br />

Ein Schwerpunkt dieser Ausgabe<br />

von Lesen sind Thriller –<br />

das grosse Interview etwa<br />

bestreitet Thrillerkönig Sebastian<br />

Fitzek. Thrillerfreundinnen<br />

und -freunden sei hier zur<br />

Abwechslung mal ein Spielchen<br />

empfohlen, das ihnen die<br />

Nackenhaare so sehr aufstellen<br />

kann wie eine literarische<br />

Schlachtplatte: tummple! Das<br />

Spiel ist wirklich fi es, weil man<br />

sein Gegenüber mit gemein<br />

platzierten kleinen Markern<br />

und Holzklötzchen zu riskanten<br />

Aktionen zwingen kann.<br />

Stürzt der Turm ein, gehen die<br />

Klötzchen an den Schuldigen.<br />

Wer keine Hölzchen mehr hat,<br />

gewinnt. Für einmal heisst es<br />

also: The loser takes it all!<br />

TUMMPLE!<br />

für 2 – 4 Spieler ab 8 Jahren<br />

CHF 23.90<br />

Carletto<br />

CD<br />

UND<br />

BUCH<br />

SUTER<br />

CD & Buch, 104 Seiten,<br />

Hardcover, ca. sFr. 36.–<br />

(unverbindliche Preisempfehlung)<br />

Mit SONG BOOK erfüllen<br />

sich Stephan Eicher und Martin<br />

Suter einen Herzenswunsch.<br />

Der Schriftsteller erweist sich<br />

dabei als musikalischer Mundart-Poet,<br />

der Chansonnier als<br />

feinfühliger Interpret.<br />

Buch mit CD.<br />

»Wir wollen mit unserem<br />

SONG BOOK den Leuten eine<br />

Freude bereiten.«<br />

Stephan Eicher<br />

»Die Songtexte für Stephan Eicher<br />

sind vielleicht die Arbeit, auf die ich<br />

am meisten stolz bin.«<br />

Martin Suter<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

Diogenes


11<br />

INTERVIEW<br />

Sebastian Fitzek ist der erfolgreichste deutschsprachige Thrillerautor. Lesen hat ihn in seinem<br />

Schreibbüro in Berlin besucht. Aktueller Anlass: der neue Roman «Flugangst 7A».<br />

INTERVIEW: MARIUS LEUTENEGGER<br />

FOTOS: GENE GLOVER<br />

«Die Figuren tun,<br />

was sie wollen»<br />

Es ist nicht einfach, mit Ihnen über einen neuen Thriller<br />

zu sprechen – man will ja nicht spoilern. Ich überlasse<br />

Ihnen daher gern die Verantwortung: Erzählen Sie,<br />

worum es in «Flugangst 7A» geht.<br />

Sebastian Fitzek: Ja, was darf man sagen?<br />

Vielleicht dies: Der Psychiater Mats Krüger lebt in<br />

Buenos Aires und muss zurück nach Berlin, weil<br />

seine Tochter dort ein Kind bekommt. Der Mann<br />

leidet unter massiver Flugangst und ist schon seit<br />

vielen Jahren nicht mehr in der Luft gewesen. Auf<br />

diesen Flug hat er sich darum minutiös vorbereitet,<br />

er studierte Baupläne und Absturzstatistiken – und er<br />

buchte gleich mehrere Flugtickets, weil die Platzierung<br />

je nach Vorfall über Tod und Leben entscheiden<br />

kann. Während des Flugs erhält Mats einen Anruf.<br />

Eine ehemalige Patientin von ihm befindet sich auf<br />

dem Flug – und er soll sie jetzt dazu bringen, das<br />

Flugzeug abstürzen zu lassen. Gelingt ihm das nicht,<br />

wird seine entführte Tochter getötet.<br />

Sie lassen sich für Ihre Romane oft von realen Ereignissen<br />

inspirieren. Bei dieser Geschichte scheint die<br />

Quelle klar zu sein: der Suizid des Germanwings-Piloten<br />

Andreas Lubitz, der seinen Airbus zerschellen liess<br />

und 150 Passagiere tötete ...<br />

Ja, die Germanwings-Katastrophe schwingt mit.<br />

Sie bewegte mich sehr, als Mensch und als Passagier.<br />

Wir unternehmen ja viel, um keine physischen Bomben<br />

an Bord zu haben – aber wir können uns trotzdem<br />

nie ganz sicher fühlen, weil viele Menschen eine<br />

Art psychologischen Sprengsatz in sich tragen, der<br />

von keinem Gerät entdeckt wird. Ich habe mich aber<br />

bemüht, keine zu starken Parallelen zum realen Drama<br />

zu ziehen, denn ich will weder psychisch Kranke<br />

stigmatisieren, noch das Leid der Opfer zu Unterhaltungszwecken<br />

missbrauchen. Es gibt bei mir keinen<br />

suizidgefährdeten Piloten, im Zentrum steht ein<br />

klaustrophobisches Psychoduell. Interessiert hat<br />

mich auch die Idee einer umgekehrten Therapie: Wie<br />

schnell geht es, das Fundament einer therapierten<br />

Psyche wieder zum Einsturz zu bringen?<br />

Warum stand ausgerechnet die Germanwings-Katastrophe<br />

am Anfang Ihres neuen Romans? Es gibt unzählige<br />

Ereignisse, die Sie zu Romanen inspirieren könnten.<br />

Welche Nachrichten wecken Ihr Interesse?<br />

Solche, die eine persönliche Betroffenheit auslö-<br />

Sebastian<br />

Fitzek<br />

kam 1971 in Berlin-<br />

Grunewald zur Welt.<br />

In diesem Stadtteil<br />

lebt er noch heute,<br />

zusammen mit seiner<br />

Frau und den drei<br />

gemeinsamen Kindern.<br />

Er studierte Jura und<br />

arbeitete beim Radio.<br />

2006 erschien sein<br />

erster Psychothriller<br />

«Die Therapie»,<br />

der ihn sofort zur<br />

Nummer 1 unter<br />

den deutschsprachigen<br />

Thrillerautoren<br />

machte. Mittlerweile<br />

wurde der Roman<br />

in über 20 Sprachen<br />

übersetzt. Auch alle<br />

folgenden seiner über<br />

ein Dutzend Romane<br />

landeten auf den<br />

vordersten Plätzen<br />

der Bestsellerlisten,<br />

zuletzt «Das Paket».<br />

Die Thriller bieten<br />

auch guten Filmstoff;<br />

demnächst kommt<br />

«Abgeschnitten» mit<br />

Moritz Bleibtreu ins<br />

Kino, RTL setzt «Passagier<br />

23» und «Das<br />

Joshua-Profil» um.<br />

sen. Ich habe zwar keine Flugangst, aber zumindest<br />

Flugsorge – weil ich weiss: Wir gehören da nicht hin,<br />

auf eine Höhe von 10’000 Metern. Aber Sie haben<br />

Recht, Ideen und Inspirationen gibt es zuhauf. Ich<br />

habe einen einfachen Mechanismus: Ich schreibe<br />

eine Idee nicht auf, und wenn sie wieder und wieder<br />

anklopft, will sie offenbar verwirklicht werden. So<br />

war es auch mit dem Thema für «Flugangst 7A».<br />

Als ich am Flughafen beim Sicherheitscheck stand,<br />

dachte ich: Warum wird eigentlich Zahnseide nicht<br />

konfisziert? Sie könnte ja auch eine Waffe sein. Und<br />

wer von meinen Mitreisenden ist psychisch instabil?<br />

Es ist einfach nicht alles beherrschbar. Und wir alle<br />

können an einen Punkt gelangen, an dem wir zerbrechen<br />

– an dem wir zum Mord fähig werden.<br />

Mit wie vielen Geschichten gehen Sie gleichzeitig<br />

schwanger?<br />

Mit acht, neun. Die meisten entstehen aus dem<br />

Alltag heraus. Kürzlich konnte ich unser Haus nicht<br />

verlassen; uns wurde ein neues Schliesssystem<br />

aufgeschwatzt, und weil die Batterie in meinem<br />

Schlüssel alle war, funktionierte nichts mehr. Da<br />

dachte ich: Das ist eine gute Idee! Eine Familie wacht<br />

auf und kommt nicht mehr aus ihrem Haus raus. Die<br />

Scheiben lassen sich nicht zerschlagen, und es fliesst<br />

auch kein Wasser mehr. Wer hat das arrangiert – und<br />

warum? Wegen des Drogenkonsums der Tochter?<br />

Einer Affäre der Frau? Dem Schwarzgeldkonto des<br />

Manns?<br />

Sie sprechen sehr freimütig über diese Idee – haben Sie<br />

keine Angst, sie könnte Ihnen geklaut werden?<br />

Nun, Ideen lassen sich bei uns ja nicht schützen,<br />

insofern ist sie noch nichts wert. Ich rede gern über<br />

meine Ideen, das gehört für mich zum Entstehungsprozess.<br />

Rückmeldungen bringen mich weiter.<br />

Viele Krimis und Thriller spielen an abgeriegelten Orten,<br />

von denen niemand weg kann – man denke an Agatha<br />

Christies Thriller «Und dann gab’s keines mehr», an<br />

den Film «Air Force One» oder an Ihr Buch «Passagier<br />

23». Ist die Ausgangslange, die auch «Flugangst 7A»<br />

prägt, nicht etwas ausgelutscht?<br />

Letztlich ist alles schon einmal geschrieben worden.<br />

Aber die Figuren sind nie auserzählt. Menschen<br />

haben heute andere Probleme als vor 500 Jahren,<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH


12<br />

INTERVIEW<br />

13<br />

INTERVIEW<br />

und neue Entwicklungen bieten neue Möglichkeiten,<br />

Geschichten zu erzählen. Sind die Figuren relevant<br />

und die Umstände interessant, wirkt ein Setting nie<br />

ausgelutscht.<br />

«Flugangst 7A» ist raffiniert konzipiert. Entwerfen Sie<br />

Ihre Geschichte am Reissbrett?<br />

Habe ich mich für eine Geschichte entschieden,<br />

entwerfe ich ein Exposé von 10 bis 20 Seiten – eine<br />

grobe Zusammenfassung der Handlung, der Charaktere,<br />

ihrer Motive und Konflikte. Dann beginne ich<br />

mit dem Schreibprozess, der in der Regel etwa drei<br />

Monate dauert und mich voll in Beschlag nimmt – ich<br />

bin dann sozial sehr inkompatibel. Habe ich etwa 80<br />

Seiten verfasst, löse ich mich aber meist komplett<br />

vom Exposé. Das hat damit zu tun, dass die Figuren<br />

ein Eigenleben entwickeln und ich zu ihrem Beobachter<br />

werde.<br />

Mögen Sie diesen Moment?<br />

Dieser Wendepunkt ist immer auch mit der Sorge<br />

verbunden, dass man sich völlig verzettelt oder nicht<br />

mehr weiterkommt. Ich brauche ein Gerüst, aber<br />

ich weiss, dass dieses Gerüst gesprengt wird. Bei<br />

«Passagier 23» nahmen die Figuren bald ein derart<br />

starkes Eigenleben an, dass ich nach 80 Seiten wieder<br />

von vorn beginnen musste. Man kann die Figuren<br />

nicht zwingen, etwas zu tun, was sie nicht wollen. Als<br />

Autor bin ich eigentlich Gott der Geschichte, aber der<br />

Leser merkt, wenn man die Figuren einfach Stöckchen<br />

springen lässt. Bei «Passagier 23» war es dann<br />

so, dass ich mir sagte: Gut ist, dass die Figur jetzt lebt.<br />

Schlecht ist, dass sie darum sterben muss. Solche<br />

Rückschläge sind der Preis, den ich dafür zahlen<br />

muss, dass ich mir in meinem Konzept immer weisse<br />

Felder lasse. Diesen Preis zahle ich aber gern, denn<br />

wäre alles von Anfang an klar, wäre der Schreibprozess<br />

nur noch das stoische und uninteressante<br />

Abarbeiten einer Geschichte, die ich schon kenne.<br />

Sie haben nicht nur viele Geschichten im Kopf, Sie<br />

schreiben auch viel: Ihr letzter Roman «Das Paket»<br />

erschien vor gerade einmal einem Jahr.<br />

Ich höre immer wieder, ich sei ein Vielschreiber.<br />

Das muss man relativieren. Verglichen mit Ken Follet<br />

oder Stephen King leide ich an Schreibhemmung.<br />

Ich finde es aber schon wichtig, viel zu schreiben.<br />

Ein Profifussballer muss auch wöchentlich ein Hochleistungsspiel<br />

absolvieren und dazwischen ständig<br />

trainieren. Es gibt eben immer noch etwas zu lernen.<br />

Ich bin mit keinem meiner Bücher wirklich zufrieden<br />

und will mich ständig verbessern.<br />

Finden Sie denn, Sie schreiben heute besser als früher?<br />

Das können nur die Leser beantworten. Ist glaube,<br />

es gibt keine Kurve, das mäandert dahin. Aber ich<br />

sehe schon eine Entwicklung. Der erste Entwurf ist<br />

immer Mist und war das schon immer, aber früher<br />

brauchte ich sieben Anläufe, bis ich mit einem Buch<br />

einigermassen zufrieden war. Jetzt sind es noch drei.<br />

Flugangst 7A<br />

Sebastian Fitzek<br />

224 Seiten, CHF 28.90<br />

Droemer<br />

Sie schreiben einen Bestseller am anderen. Gibt es eine<br />

Erfolgsformel?<br />

Nein. Als etablierter Autor hat man den Vorteil<br />

eines Vertrauensvorschusses, und es würde mich ja<br />

interessieren, was geschähe, wenn ich einen alten<br />

Bestseller von mir abtippen und ihn unter einem<br />

Pseudonym ein paar Verlagen schicken würde. Ich<br />

glaube, mein Erfolg hat nur zu 5 Prozent mit meinem<br />

Talent zu tun, 95 Prozent sind Glück. Als Debütant<br />

hat man nur einen Schuss frei; sitzt der nicht, ist man<br />

für immer weg. Ich hätte das ja auch beinahe erlebt.<br />

Die ersten zwei Monate nach Erscheinen meines<br />

Erstlings «Die Therapie» ging nichts, die Buchhändler<br />

wollten ihre Exemplare zurückschicken.<br />

Dann erschien auf Büchereule.de eine begeisterte<br />

Besprechung, und die Mundpropaganda setzte ein.<br />

Auch der Verlag engagierte sich von da an besonders<br />

– vorher waren die Verlagsleute noch überzeugt,<br />

ein Psychothriller aus Deutschland könne niemals<br />

funktionieren.<br />

Warum haben Thriller im deutschsprachigen Raum<br />

nicht die Bedeutung erlangt wie zum Beispiel in Skandinavien<br />

oder England?<br />

Meine Theorie: Bei uns hat man aus gutem<br />

Grund lange Zeit lang davon Abstand genommen,<br />

Verbrechen und Unterhaltung zu mischen. Schriftsteller<br />

setzten sich eher mit den Verbrechen im Nationalsozialismus<br />

auseinander, als sich Verbrechen<br />

auszudenken.<br />

Haben Sie selber eine Erklärung dafür, warum so viele<br />

Menschen Thriller mögen? Dieses Genre beschäftigt<br />

sich ja vorwiegend mit Situationen, die man im richtigen<br />

Leben vermeiden will.<br />

Solche Bücher haben eine Blitzableiterfunktion.<br />

Unser drittes Kind war eine Frühgeburt, und als meine<br />

Frau und ich sorgenvoll am Brutkasten standen,<br />

sagte uns eine Krankenschwester: Es nützt nichts<br />

wenn Sie auf den Monitor starren. Gehen Sie ins<br />

Kino! Und tatsächlich: Das funktionierte. Wir sahen<br />

uns Horrorfilme an. Mir haben schon viele Leserinnen<br />

und Leser geschrieben, dass meine Bücher<br />

sie vom Alltag ablenken würden. Und ich glaube,<br />

Ablenkung ist wichtig. Die ständige Auseinandersetzung<br />

mit Problemen kann auch dazu führen, dass<br />

sich Strukturen verhärten.<br />

Manche Figuren lassen Sie schwer leiden – etwa Nele,<br />

die hochschwangere Tochter von Mats. Sie hat Aids,<br />

wird entführt und grausam gedemütigt. Haben Sie kein<br />

Mitleid mit Ihren Figuren?<br />

Mir geht es natürlich nicht darum, eine Figur<br />

zu quälen. Mich interessiert aber, wie Menschen<br />

damit umgehen, wenn sie Gewalt ausgesetzt sind.<br />

Wir alle tragen eine Maske, die mal besser und mal<br />

weniger gut sitzt. Unter Gewalt werden wir auf unser<br />

Kern-Ich reduziert. Mich interessieren auch weniger<br />

die Gewalttaten an sich als deren Folgen – und mich<br />

interessiert der Täter auch weniger als das Opfer.<br />

Seltsamerweise findet das Opfer heute oft wenig<br />

Beachtung, das ist in der Literatur ähnlich wie in der<br />

Realität. Bei «Das Schweigen der Lämmer» weiss<br />

jeder, wer Hannibal Lecter ist. Aber wie heisst denn<br />

die Frau, die da im Brunnen sitzt?<br />

Beeindruckt hat mich in «Flugangst 7A», wie Sie<br />

Geburtswehen beschreiben. Wer hat Ihnen die Bilder<br />

vermittelt, die Sie verwenden?<br />

Ich war bei der Geburt aller unserer Kinder<br />

dabei. Ich hätte schon beim ersten Kind nach der<br />

Hälfte der Wehen gesagt, das tue ich mir nicht an. Als<br />

Autor muss man sich in eine Situation hineinfühlen<br />

können. Aber klar, ich habe den Text meiner Frau<br />

vorgelegt und sie gefragt, ob ich da einigermassen<br />

richtig liege.<br />

Generell hat man den Eindruck, Sie recherchierten aufwändig<br />

– fürs neue Buch über Psychotherapien, Gifte,<br />

Flugzeugabstürze, Fleischproduktion. Warum ist es bei<br />

einem Roman so wichtig, dass die Fakten stimmen?<br />

Einiges stimmt ja auch nicht. Ich will nicht, dass<br />

jemand mein Buch zum Vorbild nimmt, um ein Flugzeug<br />

zum Absturz zu bringen oder sich umzubringen.<br />

Aber ich bin überzeugt, dass eine Lüge erst dann<br />

gut ist, wenn sie einen wahren und glaubwürdigen<br />

Kern hat. Eine Handlung muss innerhalb der Lüge,<br />

die eine solche Geschichte darstellt, möglich sein.<br />

Eine riesige Fangemeinde fiebert jeweils Ihrem nächsten<br />

Thriller entgegen. Hätten Sie selber aber nicht<br />

Lust, einmal etwas ganz anderes zu schreiben?<br />

Dass ich Thrillerautor bin, ist keine bewusste<br />

Entscheidung, Ich hätte auch Komödien schreiben<br />

können. Komödien und Thriller liegen sowieso nah<br />

beieinander. In beiden Genres spielt das Timing eine<br />

entscheidende Rolle, und es geht um überraschende<br />

Pointen. Komödien lägen mir auch nahe, weil ich<br />

früher beim Radio als Gag-Autor arbeitete. Aber mir<br />

drängt sich momentan einfach keine Komödie auf.<br />

Eine Komödie zu schreiben, wäre jetzt keine Bauch-,<br />

sondern eine Kopfentscheidung – und dann entstünde<br />

eben ein Reissbrettroman. Packe ich neues Buch<br />

an, frage ich mich immer: Könnte ich nur noch ein<br />

einziges Buch schreiben, wäre es dann dieses? Und<br />

so ist mein nächstes Buch bis jetzt immer auch mein<br />

nächster Thriller gewesen.<br />

Sie lassen Menschen Schreckliches tun. Welches ist<br />

eigentlich die brutalste Tat, die Sie selber verübt haben?<br />

Hmm ... gute Frage. Ich fand es schon brutal,<br />

meinen Zahn mit einer Nagelfeile abzufeilen,<br />

nachdem dieser abgebrochen war. Ansonsten ...<br />

Nun, wofür ich mich manchmal tatsächlich schäme,<br />

ist meine mangelnde Impulskontrolle im Auto. Ich<br />

kann wirklich loslegen, wenn ich mich im Verkehr<br />

ungerecht behandelt fühle. Und dann vergesse ich<br />

zuweilen auch, dass ich nicht gerade ein Riese bin.<br />

«PACKE ICH EIN<br />

NEUES BUCH AN,<br />

FRAGE ICH MICH<br />

IMMER: KÖNNTE<br />

ICH NUR NOCH<br />

EIN EINZIGES BUCH<br />

SCHREIBEN,<br />

WÄRE ES DANN<br />

DIESES?»<br />

Weitere Bücher von<br />

Sebstian Fitzek<br />

DAS PAKET<br />

Sebastian Fitzek<br />

368 Seiten, CHF 16.90<br />

Knaur<br />

Die junge Psychiaterin Emma Stein wurde in<br />

einem Hotelzimmer vergewaltigt – vom<br />

Serientäter «Friseur». Nur in ihrem kleinen<br />

Haus am Rande des Berliner Grunewalds fühlt<br />

sie sich noch sicher – bis der Postbote sie eines<br />

Tags bittet, ein Paket für ihren Nachbarn<br />

anzunehmen.<br />

PASSAGIER 23<br />

Sebastian Fitzek<br />

432 Seiten, CHF 14.90<br />

Knaur<br />

Martin Schwartz, Polizeipsychologe, hat vor<br />

fünf Jahren auf mysteriöse Weise Frau und<br />

Sohn auf einem Kreuzfahrtschiff verloren.<br />

Mitten in einem Einsatz bekommt er den Anruf<br />

einer seltsamen alten Dame: Er müsse<br />

unbedingt an Bord kommen, es gebe Beweise<br />

dafür, was seiner Familie zugestossen sei.<br />

DIE THERAPIE<br />

Sebastian Fitzek<br />

270 Seiten, CHF 14.90<br />

Knaur<br />

Josy, die zwölfjährige Tochter des bekannten<br />

Psychiaters Viktor Larenz, verschwindet unter<br />

mysteriösen Umständen. Der trauernde Viktor<br />

zieht sich in ein abgelegenes Ferienhaus zurück.<br />

Doch eine schöne Unbekannte spürt ihn dort<br />

auf. Sie wird von Wahnvorstellungen gequält.<br />

Darin erscheint ihr immer wieder ein kleines<br />

Mädchen. Viktor beginnt mit der Therapie, die<br />

zum dramatischen Verhör wird ...<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH


14<br />

BUCHTIPPS<br />

15<br />

SCHAUFENSTER<br />

Requiem für einen Gedemütigten<br />

Für ihren letzten Roman «Tauben fl iegen auf» erhielt die Zürcherin Melinda Nadj Abonji den Schweizer und<br />

den Deutschen Buchpreis. Fürs neue Buch liess sie sich Zeit. Jetzt endlich liegt «Schildkrötensoldat» vor – eine<br />

traurig schöne Geschichte über den ewigen Konfl ikt zwischen zarter Empfi ndung und brutalen Zwängen.<br />

TEXT: HANSPETER KÜNZLER<br />

MATTHEW WEINER<br />

Alles über Heather<br />

In seinem ersten Roman erzählt<br />

Matthew Weiner, der Schöpfer<br />

von «Mad Men», von Mark und<br />

Karen Breakstone. Die beiden<br />

haben spät geheiratet und bekommen<br />

eine Tochter, Heather.<br />

Die kleine Familie lebt offenbar<br />

ein sorgenfreies Leben in Manhattan,<br />

doch das Dreieck Vater-Mutter-Kind<br />

erweist sich als<br />

labil; Heather verändert sich in<br />

der Pubertät und wendet sich von<br />

der Mutter ab, was diese nicht<br />

verkraftet.<br />

Parallel dazu entwickelt Matthew<br />

Weiner die Geschichte von<br />

Bobby Klasky. Das Kind einer<br />

drogensüchtigen Prostituierten<br />

wächst alles andere als idyllisch<br />

auf. Bobbys Lebensweg führt<br />

ihn nach einer Vergewaltigung<br />

ins Gefängnis, wo ihm der letzte<br />

Rest Menschlichkeit abhanden<br />

kommt. Als sich die Geschichte<br />

von Bobby mit jener von Heather<br />

kreuzt, kommt es zur Katastrophe.<br />

128 Seiten, CHF 21.40<br />

Rowohlt<br />

978-3-498-09463-8<br />

TIM KROHN<br />

Erich Wyss übt den<br />

freien Fall<br />

Es ist heiss in der Stadt, und der<br />

Besuch von Efgenia Costas Familie<br />

sorgt für viel Fischgeruch<br />

sowie Ärger im Treppenhaus.<br />

Doch dann wird es wirklich<br />

ernst: Ein plötzlicher Todesfall<br />

und die Nachricht vom Anschlag<br />

auf das World Trade Center haben<br />

für die elf Bewohnerinnen<br />

und Bewohner eines Zürcher<br />

Mietshauses die unterschiedlichsten<br />

Folgen. Die Schauspielerin<br />

Selina May erfährt, dass<br />

ihr Filmprojekt vertagt wird,<br />

Julia gehen Aufträge verloren,<br />

Pit macht wieder Musik. Moritz<br />

reist nicht wie geplant nach New<br />

York, dafür fliegt Hubert Brechbühl<br />

spontan nach Istanbul.<br />

Tim Krohn führt mit diesem<br />

Band sein gross angelegtes literarisches<br />

Projekt fort. Klug, sensibel<br />

und bisweilen auch schalkhaft<br />

ordnet er 68 menschliche<br />

Regungen den verschiedenen<br />

Figuren zu. Der Auftaktband seines<br />

Projekts, «Herr Brechbühl<br />

sucht eine Katze», war wochenlang<br />

in den Schweizer Bestsellerlisten.<br />

496 Seiten, CHF 35.90<br />

Galiani<br />

978-3-86971-151-5<br />

KATHARINE NORBURY<br />

Die Fischtreppe<br />

Als Neugeborenes wird Katharine<br />

Norbury in einem Kloster<br />

zurückgelassen. Ihre Adoptiveltern<br />

ziehen sie liebevoll auf, und<br />

doch vermisst Katharina Norbury<br />

stets etwas Unnennbares.<br />

Nach der Diagnose einer schweren<br />

Krankheit und einer Fehlgeburt<br />

beschliesst sie, zusammen<br />

mit ihrer 9-jährigen Tochter Evie<br />

einem Flusslauf von der Mündung<br />

bis zur Quelle zu folgen.<br />

Was als Trauerarbeit gedacht ist,<br />

wird mehr und mehr zur Sinnsuche.<br />

Schliesslich findet Katharine<br />

ihren eigenen Ursprung.<br />

Der 2015 veröffentlichte Debütroman<br />

«The Fish Ladder» erhielt<br />

in Grossbritannien mehrere<br />

Auszeichnungen. Katharine<br />

Norbury hatte als Produktionsassistentin<br />

gearbeitet, bevor sie<br />

sich im Zuge einer schweren<br />

Krankheit eigenen Schreibprojekten<br />

zuwandte.<br />

280 Seiten, CHF 31.90<br />

Matthes & Seitz<br />

978-3-95757-452-7<br />

HANNAH KENT<br />

Wo drei Flüsse sich<br />

kreuzen<br />

Irland 1825: Die 14-jährige Mary<br />

soll der verwitweten Bäuerin<br />

Nora und ihrem schwer behinderten<br />

Enkel Michael zur Hand<br />

gehen. Der kleine Junge, so munkelt<br />

man im Dorf, sei ein Wechselbalg,<br />

ein Feenkind, und mache<br />

die Kühe krank. Mary gibt nichts<br />

auf das Gerede, doch als Nora davon<br />

hört, reift in der einsamen,<br />

verzweifelten Frau eine ungeheuerliche<br />

Idee: Gelingt es ihr,<br />

den Wechselbalg zu vertreiben,<br />

würde sie den gesunden Michael<br />

wiederbekommen und endlich<br />

wieder eine echte Familie haben.<br />

Getrieben von Angst und Aberglaube<br />

und unterstützt durch<br />

die geheimnisvolle Kräuterfrau<br />

Nance ist Nora bald bereit, alles<br />

zu versuchen – und Mary fällt es<br />

immer schwerer, sich gegen die<br />

beiden Frauen durchzusetzen.<br />

432 Seiten, CHF 28.90<br />

Droemer Knaur<br />

978-3-426-19979-4<br />

Ganz blau sind die Augen des Zoltán Kertész, neun<br />

Jahre alt, auch Zoli genannt. So blau, dass er den «wolkenlosen<br />

Himmel getrunken haben» muss, heisst es.<br />

Dass ihm der Rotz von der Nase hängt, merkt er nicht,<br />

da kann die Mutter noch so lang schreien. Denn Zoli<br />

– «verdreckt und erhaben» – ist mit etwas Wichtigerem<br />

beschäftigt, nämlich der täglichen, rituellen<br />

Übergabe eines huhnfrischen Eis an seinen Hund<br />

Tango. Beobachtet wird er dabei von seiner Cousine<br />

Hanna, die unangemeldet zu Besuch gekommen ist in<br />

dieses verlotterte Haus in einem unscheinbaren Ort<br />

in Jugoslawien. Später an diesem Tag küssen sich die<br />

beiden, zum ersten und letzten Mal im Leben. Die<br />

Schule sei ein Hindernis aus Zahlen und Buchstaben,<br />

gesteht Zoli der Cousine. Sie stellen sich ihm in den<br />

Weg, wenn er ein neues Wort entdeckt hat, das er sich<br />

in Ruhe auf der Zunge zergehen lassen will. «Du<br />

weisst doch, wovon ich spreche?», fragt Zoli. «Ich<br />

wusste es und wusste es nicht», erinnert sich Hanna,<br />

jetzt, viele Jahre später, als sie zu Zolis Grab gereist ist,<br />

um über den Weg seiner Geschichte auch etwas über<br />

sich selber und ihre Welt zu erkennen.<br />

Aus der Heimat ausgesperrt<br />

Melinda Nadj Abonji wurde als Teil der ungarischen<br />

Minderheit im damals jugoslawischen, heute serbischen<br />

Becsej geboren. Als sie fünf Jahre alt war, zog<br />

die Familie nach Zürich. Der Krieg in der Heimat setzte<br />

eine Zäsur in ihrem Leben: «1989 fiel die Mauer,<br />

und alle dachten: Alles bricht auf, man kann hinaus<br />

und sich verbünden», sagt sie. «Aber dann, 1991, kam<br />

eine neue Mauer, die bedeutete, dass wir von unserem<br />

Geburtsland abgeschnitten waren.» In Zürich studierte<br />

Abonji Germanistik; sie schloss mit einer Arbeit<br />

über Marieluise Fleisser ab. 2004 erschien ihr Debüt-Roman<br />

«Im Schaufenster im Frühling». Sechs<br />

Jahre später sicherte sie sich mit «Tauben fliegen auf»<br />

ihre Stellung in der deutschsprachigen Literatur.<br />

Melinda Nadj Abonji lässt<br />

ihre Hauptfigur sich in einen<br />

Panzer zurückziehen.<br />

© Gaëtan Bally Suhrkamp Verlag<br />

SCHILDKRÖTEN-<br />

SOLDAT<br />

Melinda Nadj Abonji<br />

173 Seiten, CHF 28.90<br />

Suhrkamp<br />

Aus einem Wort heraus<br />

Gewöhnlich schäle sich ein Titel langsam aus der<br />

Schreibarbeit heraus, sagt Abonji. Beim «Schildkrötensoldat»<br />

war es anders: Irgendwann war ihr das<br />

Wort eingefallen. Es stellte sie vor Rätsel und schickte<br />

sie auf Entdeckungsreise. Die Geschichte, die dabei<br />

herausgekommen ist, ist furchtbar. Zoltán Kertész ist<br />

der Sohn eines «Halbzigeuners» und einer Tagelöhnerin<br />

mit lotterigem Eheverständnis. Zolis Neigung zum<br />

Träumen, seine Liebe zu Tieren und Blumen – das ungarische<br />

«Kertész» bedeutet auf deutsch «Gärtner» –<br />

lenkt ihn schon als Kind von den Beschäftigungen ab,<br />

die man von einem Buben und Schüler erwartet.<br />

Dann fällt er auch noch vom Motorrad seines Vaters<br />

und verletzt sich am Kopf. Danach sei nichts mehr gewesen<br />

wie früher. Immer mehr zieht sich Zoltán angesichts<br />

der täglichen Erniedrigungen in seinen Panzer<br />

zurück. Schliesslich wittern die Eltern Hoffnung im<br />

schwelenden Konflikt im Land: Das Militär soll einen<br />

rechten Mann aus Zoltán machen. Auch hier leidet<br />

er – es kann gar nicht anders sein.<br />

Sieg des befreiten Geists<br />

Aber es gibt einen Menschen, Soldat Frigyes Jenö, der<br />

ihn ein bisschen versteht. Während eines Gewaltmarsches<br />

wird dieser aber buchstäblich zu Tode gezerrt<br />

und gestossen. Ausgerechnet Zoli, der Geplagte, fühlt<br />

sich schuldig am Tod seines Freunds. Zugedröhnt von<br />

Psychopharmaka erstickt er schliesslich daheim am<br />

Küchentisch beim Essen. «Der Roman ist ein Nachdenken<br />

über den militarisierten Geist», sagt Melinda<br />

Nadj Abonji. Er könnte vor lauter Traurigkeit kaum<br />

auszuhalten sein. Dass er es nicht ist, dass er im Gegenteil<br />

von Leben nur so strotzt und dieses Leben<br />

grosszügig an den Leser und die Leserin weiterreicht,<br />

ist Abonjis wunderbarer Sprache zu verdanken. Die<br />

Bilder aus dem Inneren von Zoli werden mit atemberaubend<br />

poetischer Sprachfreude aufs Papier gezaubert.<br />

Die schillernde Schönheit dieser Sprache<br />

transzendiert das düstere Gesellschaftsbild, das gezeichnet<br />

wird, und lässt trotz allem auf den Sieg des<br />

befreiten Geists hoffen.<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH


16<br />

SCHREIBENDE PAARE<br />

17<br />

SCHREIBENDE PAARE<br />

Solisten im Duett<br />

Der erfolgreiche neue Psychothriller «Schockfrost» hat gleich zwei Urheberinnen: Mitra Devi und Petra Ivanov.<br />

Die beiden Schweizer Krimiautorinnen liegen mit ihrem Gemeinschaftswerk im Trend, denn seit einiger Zeit<br />

erscheinen immer mehr Bücher, die im Team geschrieben wurden. Doch wie schreibt man eigentlich ein Buch<br />

zu zweit – und warum tut man das überhaupt?<br />

Ein Buch zu schreiben, ist meist eine einsame<br />

Angelegenheit. Gehen Autorinnen und<br />

Autoren mit einem Buch schwanger, ziehen<br />

sie sich oft zurück. Das bestätigt auch Thriller-Spezialist<br />

Sebastian Fitzek: «Während<br />

des Schreibprozess werde ich sozial sehr<br />

inkompatibel», sagt er in unserem Interview<br />

ab Seite 10. Doch es gibt auch Autoren,<br />

die gern mit anderen Autoren arbeiten und<br />

gemeinsam ein Buch schreiben. Solches<br />

Teamwork liegt gar im Trend, auch wenn es<br />

nicht immer offensichtlich ist. Viele wissen<br />

zum Beispiel wohl nicht, dass sich hinter<br />

dem Namen Erik Axl Sund, der auf den Büchern<br />

der erfolgreichen «Victoria-Bergmann-Trilogie»<br />

prangt, gleich zwei Köpfe<br />

INTERVIEW: LUKAS TOBLER UND NENA MORF<br />

Die Schweden Maj Sjöwall und Per Wahlöö veröffentlichten 1965 ihren<br />

ersten gemeinsam geschriebenen Roman «Roseanna».<br />

verbergen, nämlich Jerker Eriksson und<br />

Hakan Axlander Sundquist. Auch der Autor<br />

Lars Kepler, der zuletzt den Kriminalroman<br />

«Hasenjagd» veröffentlichte, ist kein echter<br />

Lars – das Pseudonym steht für das Autoren-Ehepaar<br />

Alexandra und Alexander<br />

Ahndoril.<br />

des Familienensemble aus Mutter und<br />

Kind. Der moderne Klassiker unter den Autorenteams<br />

schlechthin ist das deutsche<br />

Schriftstellerehepaar, das sich hinter dem<br />

Pseudonym Iny Lorentz verbirgt: Iny Klocke<br />

und Elmar Wohlrath haben sich auf<br />

Fantasy und Historische Romane spezialisiert<br />

und mit «Die Wanderhure» einen Dauererfolg<br />

verfasst. Und es gibt auch ein erfolgreiches<br />

schweizerisches Autorenteam:<br />

Dieses Jahr haben die beiden Krimiautorinnen<br />

Petra Ivanov und Mitra Devi zusammen<br />

«Schockfrost» veröffentlicht.<br />

Ein gelungenes Debüt<br />

Für beide Schriftstellerinnen ist «Schock-<br />

Der Trend ist international<br />

Aber nicht nur Schweden tun sich fürs<br />

Schreiben zusammen: Pünktlich zu Weihnachten<br />

ist das neuste Werk des beliebten<br />

US-amerikanischen Mutter-Tochter-Duos P.<br />

J. Tracy, «Cold Kill», auf Deutsch erschienen.<br />

Auch die deutschen Autorinnen Hanna<br />

und Nora Ziegert bilden ein schreibenfrost»<br />

der erste Roman, den sie in einem<br />

Zweiergespann geschrieben haben – und<br />

für beide ist es zudem der erste Thriller. «Im<br />

Gegensatz zum Kriminalroman gibt es beim<br />

Thriller keinen Ermittler, sondern es geht<br />

um eine Figur, die in Gefahr ist», so Pertra<br />

Ivanov. «Und auch der Rhythmus ist anders<br />

als bei einem Krimi.» In «Schockfrost» tritt<br />

keine der Figuren aus den beliebten Krimiserien<br />

der beiden Autorinnen auf. «Wir erfanden<br />

ein komplett neues Personal», bestätigt<br />

Mitra Devi. Die Geschichte handelt<br />

von einer alleinerziehenden Psychiaterin,<br />

deren Leben nach einem Treppensturz immer<br />

mehr aus den Fugen gerät. Zweifel<br />

schleichen sich in ihr Leben ein, bis sie niemandem<br />

mehr trauen kann – am allerwenigsten<br />

sich selbst. Als ihr 15-jähriger Sohn<br />

krank wird und verschwindet, beginnt ein<br />

atemloser Wettlauf gegen die Zeit, einen gesichtslosen<br />

Gegner – und gegen den eigenen<br />

Wahnsinn. Petra Ivanov und Mitra Devi<br />

ist mit ihrem ersten gemeinsamen Werk<br />

«Schockfrost» ein mitreissender Psychothriller<br />

gelungen, der einer aussergewöhnlich<br />

guten Zusammenarbeit entsprungen<br />

scheint.<br />

Es schreibt sich weiter<br />

Wie hat sich diese gestaltet? Die beiden Erfolgsautorinnen<br />

haben eine eher klassische<br />

Vorgehensweise gewählt: Sie wechselten<br />

einander beim Schreiben ab und verfassten<br />

in chronologischer Reihenfolge ein Kapitel<br />

nach dem anderen. Weil die Geschichte aus<br />

den verschiedenen Perspektiven einer<br />

Handvoll Hauptfiguren erzählt wird, teilten<br />

die Schriftstellerinnen die Figuren untereinander<br />

auf. So konnten sie jeweils deren<br />

Charaktere entwickeln und aus deren Sicht<br />

die Geschichte weitererzählen. «Petra entwarf<br />

ein Kapitel und schickte es mir zum<br />

Gegenlesen; ich gab ihr eine Rückmeldung<br />

und schrieb weiter», so Mitra Devi. Auch<br />

das schwedische Bestseller-Duo Erik Axl<br />

Sund geht so vor. Abwechselnd zu schreiben<br />

bedeutete für die Autorinnen, sich auf andere<br />

Sichtweisen und einen neuen Schreibstil<br />

einzulassen. Wohl auch deshalb entschieden<br />

sie sich für Neuland, was das<br />

Genre betrifft. «Völlig neu und sehr schön<br />

war zudem auch, dass ich mich zurücklehnen<br />

konnte, wenn ich wieder ein Kapitel<br />

fertig hatte», so Petra Ivanov. «Denn ich<br />

wusste: Das Buch schreibt sich weiter, obwohl<br />

ich jetzt nichts mache.»<br />

Es geht auch anders<br />

Nicht alle schreibenden Paare teilen sich<br />

die Arbeit wie Mitra Devi und Petra Ivanov<br />

oder Erik Axl Sund nach Kapiteln auf. Einige<br />

Die Schweizer Autorinnen Pertra Ivanov (l.) und<br />

Mitra Devi lieferten mit «Schockfrost» ihren ersten gemeinsamen<br />

Roman ab – einen herausragenden<br />

Psychothriller.<br />

arbeiten noch enger zusammen. Wenn Iny<br />

Lorentz – die ausserordentlich produktiv<br />

sind – mit dem Schreiben eines neuen<br />

Buchs beginnen wollen, können sie auf eine<br />

gemeinsam erarbeitete Liste von über 70<br />

Ideen zurückgreifen. Dann liegt der Ball zunächst<br />

bei Elmar Wolrath. Er kümmert sich<br />

um die Recherche, die den Historischen Romanen<br />

zugrunde liegt, und er entwirft auf<br />

dieser Basis in enger Absprache mit Iny Klocke<br />

einen Rohtext. Wenn diese erste Version<br />

steht, übernimmt die Frau. Sie «schleift»<br />

den Rohtext in mehreren Schritten zurecht<br />

und legt ihn nach jedem Arbeitsgang wieder<br />

ihrem Mann vor. «Zuletzt steht der Roman<br />

so, wie wir ihn uns beide vorstellen»,<br />

sagen die beiden.<br />

Manchmal knallt’s<br />

So harmonisch gehen aber nicht alle schreibenden<br />

Eheleute miteinander um. Das<br />

deutsche Ehepaar Nina George und Jens<br />

Kramer, das gemeinsam das Duo Jean Bagnol<br />

bildet, macht hin und wieder bei einem<br />

Streit um den Text ein Glas kaputt. «Beim<br />

Schreiben kochen die Emotionen manchmal<br />

richtig hoch», sagt Jens Kramer. Das<br />

liegt auch an ihrer Herangehensweise: Arbeiten<br />

die beiden etwa an einem Dialog zwischen<br />

dem Ermittler und dem Bösewicht,<br />

sprechen sie ihn mehrmals nach, bis sie mit<br />

den Formulierungen zufrieden sind – und<br />

versetzen sich so in die emotionale Situation,<br />

die sie beschreiben wollen. Aber die beziehungsgefährdenden<br />

Methoden werden<br />

durch das Resultat gerechtfertigt: Dieses<br />

Jahr ist bereits der dritte Teil ihrer erfolgreichen<br />

Provence-Krimi-Reihe rund um Commissaire<br />

Mazan erschienen.<br />

SCHOCKFROST<br />

Devi & Ivanov<br />

288 Seiten, CHF 22.90<br />

Unionsverlag<br />

HASENJAGD<br />

Lars Kepler<br />

656 Seiten, CHF 31.90<br />

Lübbe<br />

DIE SCHULDIGEN<br />

Hanna und Nora<br />

Ziegert<br />

272 Seiten, CHF 19.90<br />

Penguin<br />

COMMISSAIRE<br />

MAZAN UND<br />

DIE SPUR DES<br />

KORSEN<br />

Jean Bagnol<br />

384 Seiten, CHF ???<br />

Droemer Knaur<br />

SCHATTEN-<br />

SCHREI<br />

Erik Axl Sund<br />

448 Seiten, CHF 18.90<br />

Goldmann<br />

COLD KILL –<br />

NICHTS IST JE<br />

VERGESSEN<br />

P. J. Tracy<br />

352 Seiten, CHF 14.90<br />

Rowohlt<br />

DIE WANDER-<br />

HURE<br />

Iny Lorentz<br />

624 Seiten, CHF 16.90<br />

Droemer Knaur<br />

MAIGLÖCKCHEN-<br />

WEISS<br />

Schünemann & Volic<br />

352 Seiten, CHF 33.90<br />

Diogenes<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH


18<br />

SCHREIBENDE PAARE<br />

19<br />

BUCHTIPPS<br />

Die vielen Formen von Teamwork<br />

Noch etwas anarchischer arbeiten Schünemann<br />

& Volic, deren neuester Milena-Lukin-Krimi<br />

«Maiglöckchenweiss» gerade<br />

erschienen ist: Sie sitzen gemeinsam<br />

am Tisch und erzählen einander Geschichten.<br />

Gefällt eine gut, schreibt Jelena Volic<br />

sie auf. Dieser erste Entwurf sei allerdings<br />

noch viel zu ausführlich, sagt sie. Christian<br />

Schünemann kommt die Aufgabe des Kürzens<br />

zu. Steht dann die zweite Version, folgt<br />

während Monaten die gemeinsame Feinarbeit.<br />

Diese findet, weil Schünemann in Berlin<br />

und Volic zumeist in Belgrad wohnt, per<br />

SMS oder E-Mail statt. Eine andere Methode<br />

haben die Köpfe hinter Lars Kepler eingeschlagen.<br />

Sie sitzen gemeinsam in einem<br />

Büro und schreiben immer 20 Minuten an<br />

ihrem Text weiter, dann wechseln sie die<br />

Plätze und schreiben weiter. Das machen<br />

sie etwa 40 Mal – pro Tag. Am Ende steht ein<br />

Text, der komplett gemeinsam verfasst<br />

wurde.<br />

Es findet sich kein Unterschied<br />

Wie auch immer die schreibenden Duos<br />

sich die Arbeit aufteilen: Meistens stehen<br />

OCEAN DRIVE 7<br />

James Patterson, David Ellis<br />

James Patterson gilt als<br />

einer der erfolgreichsten<br />

Autoren der Welt – und<br />

schreibt oft im Team.<br />

Auch bei den Titeln, die<br />

nur unter seinem Namen<br />

erscheinen, helfen mehrere Mitarbeiter<br />

mit. Sein neustes Buch «Ocean Drive 7»<br />

spielt im Reichenviertel von Long Island,<br />

wo eine ungelöste Mordserie nach langer<br />

Zeit plötzlich wieder aktuell wird.<br />

512 Seiten, CHF 17.90<br />

Goldmann<br />

DIE TERRORISTEN<br />

Sjöwall Wahlöö<br />

Es gibt heute kaum einen<br />

Ermittler in der skandinavischen<br />

Krimiliteratur,<br />

der sich nicht an Kommissar<br />

Martin Beck orientiert.<br />

Seine Erschaffer Sjö-<br />

sich zwei Stimmen gegenüber, die auf die<br />

eine oder andere Art zu einem Ganzen verschmelzen<br />

sollen. Manche Leser und Leserinnen<br />

mögen bei der Lektüre eines Romans,<br />

der aus mehreren Federn stammt,<br />

nach Hinweisen suchen: Gibt es Stilbrüche<br />

oder gar Fehler in der Stringenz? Lassen<br />

sich Hinweise finden, welche Autorin bei<br />

der einen oder anderen Textpassage die<br />

Nase vorn hatte? Gerade bei der Vorgehensweise<br />

von Petra Ivanov und Mitra Devi liegt<br />

die Vermutung nahe, dass der aufmerksame<br />

Leser die jeweiligen Kapitel der richtigen<br />

Autorin zuordnen kann. Denn hier<br />

wandert der Text nicht so oft hin und her,<br />

wie es etwa bei Schünemann & Volic oder<br />

gar Lars Kepler mit ihrem 20-Minuten-Takt<br />

der Fall ist. Bei «Schockfrost» war jede der<br />

Autorinnen für ihre Figuren und ihre Kapitel<br />

in erster Linie selbst verantwortlich.<br />

Dennoch ist der Roman stimmig und stringent,<br />

als sei er in einem Guss geschrieben<br />

worden. Die Schriftstellerinnen sehen in<br />

ihren intensiven Gesprächen und einem<br />

ständigen Austausch den Grund dafür, dass<br />

sich ihre unterschiedlichen Stile immer<br />

mehr angeglichen haben.<br />

WEITERE BÜCHER VON AUTORENDUOS<br />

wall/Wahlöö waren Pioniere, wenn es<br />

darum ging, in einem Krimi die düstere Seite<br />

der brüchigen Gesellschaft darzustellen.<br />

Zum Glück legt Rowohlt die Serie rund um<br />

Martin Beck neu auf, zum Beispiel «Die Terroristen»<br />

von 1975.<br />

494 Seiten, CHF 14.90<br />

Rowohlt<br />

BLUTROTER SONNTAG<br />

Nicci French<br />

Auch hinter dem Pseudonym<br />

Nicci French verbirgt<br />

sich ein Duo. Das Ehepaar<br />

Nicci Gerrard und Sean<br />

French sorgt mit seinen<br />

Psychothrillers weltweit<br />

für Aufsehen, schon 8 Millionen Exemplare<br />

der Titel ihrer Frieda-Klein-Serie haben die<br />

beiden verkauft. In siebten Teil «Blutroter<br />

Sonntag» möchte jemand Frieda Klein einschüchtern:<br />

In ihrem Zuhause wird eine<br />

Leiche gefunden, und verschiedene Menschen<br />

aus ihrem Umfeld werden Opfer von<br />

Ein kniffliges Rätsel<br />

Auffallend ist, dass Autorenteams fast ausschliesslich<br />

Krimis, Thriller oder Historische<br />

Romane verfassen. Warum gerade diese<br />

Felder oft von Teams beackert werden, ist<br />

nicht klar. Die Unterstellung, Krimis oder<br />

Thriller seien simpler strukturiert und deshalb<br />

einfacher im Duo zu schreiben, ist angesichts<br />

der Komplexität vieler Titel von<br />

Schreibduos vermessen. Vielleicht lässt<br />

sich das Phänomen einfach mit grösserer<br />

Offenheit seitens dieser Autorinnen und<br />

Autoren erklären, vielleicht braucht der<br />

Trend noch Zeit, um andere Literaturformen<br />

zu erfassen. Klar hingegen scheint,<br />

dass das Schreiben im Team nicht nur bei<br />

den genannten Genres funktioniert. Um<br />

uns selbst davon zu überzeugen, haben wir<br />

den hier vorliegenden Artikel nach dem<br />

Vorbild Ivanov & Devi zu zweit geschrieben.<br />

Können Sie die Absätze nach Verfasser oder<br />

Verfasserin sortieren?<br />

Gewaltverbrechen – plötzlich sind alle, die<br />

Frieda liebt, bedroht.<br />

448 Seiten, CHF 22.90<br />

Bertelsmann<br />

BULLENBRÜDER<br />

Rath & Rai<br />

Weniger ernst geht es in diesem<br />

Krimi zu und her. Holger<br />

ist Kriminalhauptkommissar,<br />

sein Bruder Charlie<br />

ist ein etwas weniger seriöser<br />

Privatermittler. Als ein<br />

Berliner Unterweltboss tot aufgefunden<br />

wird, könnte Charlie mit seinen dubiosen<br />

Verbindungen weiterhelfen, aber vielleicht<br />

nicht immer gemäss den von Holger hochgelobten<br />

Vorschriften. Hans Rath und Edgar<br />

Rai sind zwei auch im Einzelpack erfolgreiche<br />

Schriftsteller und erweisen sich mit<br />

«Bullenbrüder» als brillantes Duo.<br />

320 Seiten, CHF 28.90<br />

Wunderlich<br />

LUKAS HOLLIGER<br />

Das kürzere Leben<br />

des Klaus Halm<br />

Ein arbeitsloser Filmvorführer<br />

verschanzt sich in seiner Wohnung<br />

in Basel. Nur das Arbeitsamt<br />

und die Einsamkeit treiben<br />

ihn aus dem Haus. Eines Tags fällt<br />

ihm ein Mann auf, den er von nun<br />

an verfolgt: Klaus Halm. Dieser<br />

wirkt bei aller Unscheinbarkeit<br />

wie sein exaktes Gegenbild. Mit<br />

Frau, Kind und Arbeit hat er aber<br />

alles, was dem erzählenden Filmvorführer<br />

fehlt. Immer weiter<br />

versenkt sich dieser in das minuziös<br />

beobachtete Leben des Klaus<br />

Halm.<br />

Das Romandebüt des Dramatikers<br />

Lukas Holliger ist ein virtuoses<br />

Spiel mit ungreifbaren Identitäten,<br />

bei denen sich der Erzähler<br />

selbst nicht mehr sicher ist, wer<br />

hier eigentlich wessen Leben<br />

lebt.<br />

300 Seiten, CHF 33.90<br />

Zytglogge<br />

978-3-7296-0949-5<br />

STEF STAUFFER<br />

Marthas Gäste<br />

Martha weiss nicht, welcher Tag<br />

heute ist. Auch nicht, ob sie bereits<br />

gegessen hat oder warum<br />

die Tabletten schon wieder fehlen.<br />

Aber sie erinnert sich – an<br />

ihren Mann, an ihre Brüder und<br />

Schwestern, an die Eltern und<br />

die Kinder, an die vergangene<br />

Zeit, als die Verwandtschaft bei<br />

ihr im Haus ein- und ausging<br />

und sie am Stubentisch deren<br />

Geschichten erfuhr. Erzählend<br />

lässt Martha die Vergangenheit<br />

zu ihrer Gegenwart werden.<br />

Die Geschichte ihrer Familie<br />

aus der Berner Landschaft, die<br />

sich von den 1910er- bis in die<br />

1990er-Jahre erstreckt, zieht in<br />

den Bann. Es geht um Geld und<br />

Liebe, Tod und Zukunftspläne,<br />

Familie und Freundschaft.<br />

Martha erzählt so frischweg,<br />

dass sie selbst zur schillerndsten<br />

Persönlichkeit des Hauses wird.<br />

224 Seiten, CHF 33.90<br />

Zytglogge<br />

978-3-7296-0934-1<br />

JENS STEINER<br />

Mein Leben als<br />

Hoffnungsträger<br />

Philipp hat eine Lehre zum Mechatroniker<br />

abgebrochen und<br />

ist aus seiner WG rausgeflogen,<br />

weil die Mitbewohner seinen<br />

Putzfimmel nicht mehr ertrugen.<br />

Dann wird Uwe, der Leiter<br />

des städtischen Recyclinghofs,<br />

auf Philipp aufmerksam – und<br />

sieht in ihm sofort seinen neuen<br />

Hoffnungsträger. Auf dem Hof<br />

arbeiten auch Arturo und João,<br />

die aus dem Kreislauf der Waren<br />

ihren eigenen, nicht ganz legalen<br />

Nutzen ziehen. Bald wollen<br />

sie auch Philipp für ihre Sache<br />

gewinnen. Doch dann läuft ein<br />

Grossprojekt aus dem Ruder –<br />

und die aufgeräumte Welt des<br />

Recyclinghofs gerät gehörig ins<br />

Wanken.<br />

Mit seinem vierten Roman ist<br />

Jens Steiner ein hintersinnig komisches<br />

Kammerspiel für vier<br />

Figuren gelungen. In diesem<br />

wird die Generation «Weiss noch<br />

nicht» mit den Konsequenzen<br />

einer Warenwirtschaft konfrontiert.<br />

Diese verspricht Wachstum,<br />

während sich der Mensch<br />

im Überfluss selbst erstickt.<br />

192 Seiten, CHF 26.90<br />

Arche<br />

978-3-7160-2764-6<br />

JÜRGEN DOMIAN<br />

Dämonen<br />

«Die Stille und der Tod, das sind<br />

meine Themen», sagt Autor Jürgen<br />

Domian, dessen Buch «Interview<br />

mit dem Tod» ein Bestseller<br />

wurde. «Mit Hansen gehe ich diesen<br />

Themen jetzt auf den Grund.»<br />

Jürgen Domian erzählt die Geschichte<br />

eines Manns, der das<br />

Leben satt hat. Er ist gesund und<br />

nicht depressiv. Aber er sieht keinen<br />

Sinn darin, weiterzumachen.<br />

In einer Winternacht in Lappland<br />

will er sich nackt in den Schnee<br />

legen und sterben.<br />

Schon im Sommer bricht er deshalb<br />

auf in den Norden. Doch statt<br />

den Frieden des Abschieds bringt<br />

dieser Rückzug den Kampf: Die<br />

Dämonen der Stille fallen ihn an<br />

und fordern ihren Tribut.<br />

192 Seiten, CHF 24.40<br />

Gütersloher Verlagshaus<br />

978-3-579-08691-0<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH


20<br />

SCHAUFENSTER<br />

21<br />

SCHAUFENSTER<br />

Dystopie, Gesellschaftsanalyse<br />

und Thriller<br />

Juli Zeh beherrscht ganz verschiedene Genres. Mit ihrem neusten Buch «Leere Herzen» legt sie jetzt einen gewagten<br />

Politthriller vor, der in der nahen Zukunft angesiedelt ist – in einer Zukunft, vor der uns die Autorin warnt.<br />

Ein neuer Blickwinkel<br />

Till Eulenspiegel gehört zu den bekanntesten Figuren der deutschen Literaturgeschichte. Daniel Kehlmann<br />

erfi ndet sie neu – und setzt sie frech in einen historischen Kontext, in dem sie sich noch nie bewegte.<br />

TEXT: LUKAS TOBLER UND MARIUS LEUTENEGGER<br />

TEXT: LUKAS TOBLER<br />

Die deutsche Erfolgsautorin Juli Zeh hat sich schon in<br />

vielen Genres der Literatur versucht: Mit «Nullzeit»<br />

schrieb sie einen fesselnden Psychothriller, in «Corpus<br />

Delicti» versuchte sie sich an der Dystopie mit Science-Fiction-Elementen,<br />

und mit ihrem letzten grossen<br />

Roman «Unterleuten» wagte sie sich an das Genre des<br />

Gesellschaftsromans. Mit ihrem neusten Buch «Leere<br />

Herzen» legt sie jetzt einen Politthriller vor, der Dystopie,<br />

Gesellschaftsanalyse und Pageturner-Spannung<br />

vereint und mit dieser Kombination – leider – brandaktuell<br />

ist.<br />

Waschmaschine vor Wahlrecht<br />

«Leere Herzen» spielt in einer nahen Zukunft, die Juli<br />

Zeh aus aktuellen politischen Ereignissen ableitet. Inzwischen<br />

hat sich eine zweite Wirtschaftskrise ereignet<br />

und in Deutschland die «Besorgte Bürger Bewegung»<br />

an die Macht gespült. Aber nicht alles hat sich zum<br />

Schlechten gewandt: Die Verbrüderung von Trump und<br />

Putin beendete den Syrienkrieg, der amerikanische<br />

Isolationismus ermöglichte eine Zweistaatenlösung in<br />

Israel und Palästina, und im Schatten eines Wirtschaftskriegs<br />

zwischen EU und USA blühte der Nahe Osten auf<br />

– womit Daesh «auf eine handvoll dekadenter Warlords<br />

geschrumpft» ist. Diese Welt bildet die Kulisse für den<br />

Roman von Juli Zeh, der sich aber nicht darauf beschränkt,<br />

eine Zukunftsspekulation zu sein. Denn «Leere<br />

Herzen» dreht sich nicht primär um politische Ereignisse,<br />

sondern um die Gesellschaft und ihre Menschen.<br />

Diese würden in «Leere Herzen» zu einer grossen<br />

Mehrheit lieber auf ihr Wahlrecht als auf ihre Waschmaschine<br />

verzichten; «sie leben ihr Leben und stecken<br />

den Kopf in den Sand, weil sie damit in einer Welt, in<br />

der man jemanden wie Trump nicht einfach scheisse<br />

finden kann, nichts Besseres anzufangen wissen».<br />

Das Geschäft mit dem Tod<br />

Eine der Bewohnerinnen und Bewohner dieser Welt ist<br />

Britta, die mit ihrem Mann und ihrem Kind der Gesellschaft<br />

den Rücken gekehrt hat und im Familienleben in<br />

einer mittelgrossen Stadt Zuflucht sucht. Denn «dem<br />

21. Jahrhundert entsprechen Mittelstädte, mittelgross,<br />

mittelwichtig und bis ins kleinste Detail dem Pragmatismus<br />

gehorchend». Der Pragmatismus ist für die<br />

desillusionierte Britta ihr Wert-Ersatz: Sie hält nichts<br />

von Gutmenschentum, Selbstverbesserung und ande-<br />

Juli Zeh setzt sich sowohl<br />

politisch als auch in ihren<br />

Bücher intensiv mit der heutigen<br />

Gesellschaft auseinander. In<br />

ihrem neuen Roman hat sie eine<br />

Warnung in ein beklemmendes<br />

Zukunftsszenario verpackt.<br />

© Thomas Müller<br />

LEERE HERZEN<br />

Juli Zeh<br />

352 Seiten, CHF 28.90<br />

Luchterhand<br />

ren ehemaligen Maximen der Gesellschaft. Damit ist<br />

sie eine Reminiszenz an das nihilistische Mädchen Ava<br />

aus Zehs zweitem Roman «Spieltrieb». Gemeinsam mit<br />

ihrem guten Freund Babak betreibt Britta eine kleine,<br />

äusserst erfolgreiche Firma, die sie beide zu Reichtum<br />

geführt hat. Was genau diese Firma aber anbietet, weiss<br />

niemand genau – und das ist auch gut so. Denn Britta<br />

macht sich den Pragmatismus in ihrem Geschäftsmodell<br />

zu Nutze und betreibt gemeinsam mit Babak ein<br />

Geschäft mit dem Tod. Doch nach langer Zeit unangefochtener<br />

Monopolstellung wird plötzlich alles anders.<br />

Eine konkurrierende Firma drängt mit Gewalt auf den<br />

Markt und bringt das eingespielte Team mit brutalen<br />

Mitteln in Bedrängnis. Plötzlich schweben Britta und<br />

Babak in Gefahr. Die Geschäftsfrau wird aber nicht nur<br />

mit Bedrohung und wirtschaftlicher Konkurrenz konfrontiert,<br />

sondern vor allem auch mit ihren eigenen<br />

Werten: Ihr Gegenspieler zwingt sie dazu, ihre nihilistische<br />

Ideologiefreiheit zu hinterfragen – und er bringt<br />

damit ihr ganzes Lebensmodell ins Rütteln. «Leere<br />

Herzen» ist damit nicht einfach «nur» ein spannender<br />

Thriller, der Roman ist auch die Charakterstudie einer<br />

Frau, die sich aus Verdruss sowohl der Moral als auch<br />

der Politik entzogen hat und jetzt mit den Konsequenzen<br />

kämpfen muss.<br />

Volle Hände, leere Herzen<br />

Die 43-jährige promovierte Juristin Juli Zeh ist für ihr<br />

politisches Engagement bekannt: Immer wieder hat<br />

sie Stellungnahmen veröffentlicht, sie nimmt an Talkshows<br />

teil, wählte im Auftrag der SPD als Mitglied der<br />

Bundesversammlung den Bundespräsidenten und<br />

veröffentlichte 2014 den politisch geprägten Essayband<br />

«Nachts sind das Tiere». «Leere Herzen» ist eine<br />

gekonnte Verdichtung des politischen Engagements<br />

zu guter und unterhaltsamer Literatur, die wie immer<br />

bei Zeh vor aphoristischen Hochglanzsätzen nur so<br />

strotzt. Die von ihr entworfene Zukunft zeigt die Richtung<br />

auf, in die sich unsere Gesellschaft bewegt; sie<br />

warnt uns davor, bald so wie Britta mit vollen Händen<br />

und leeren Herzen in die Vergangenheit zu blicken:<br />

«Damals war Trump noch nicht Alltag, sondern Skandal;<br />

Begriffen wie Pluralismus, Gleichheit, Integration<br />

wohnte noch Bedeutung inne. So erstaunlich es<br />

Britta aus heutiger Sicht erscheint: Damals gab es etwas,<br />

woran sie glaubte.»<br />

Till Eulenspiegel ist, man kann es nicht anders sagen,<br />

ein Superstar der Literaturwelt. Unzählige Schriftsteller<br />

haben sich seiner schon angenommen, von Hans<br />

Sachs über Johann Nestroy und Erich Kästner bis zu<br />

Christa Wolf. Es gibt Eulenspiegel-Opern und -Filme,<br />

eine «Sinfonische Dichtung» von Richard Strauss und<br />

Eulenspiegel-Comics. Indessen: Eulenspiegel selber<br />

gab es wohl nie. Basis aller Eulenspiegeleien ist die 1510<br />

erschiene Schwanksammlung «Ein kurtzweilig Lesen<br />

von Dil ulenspiegel», über deren Urheberschaft keine<br />

Klarheit herrscht. Doch auch dieses Buch hat einen Vorläufer,<br />

den 1240 geschriebenen Schwankroman «Der<br />

Pfaffe Amis» eines Autoren namens «Der Stricker». Die<br />

Eulenspiegel-Figur ist also bald einmal 1000 Jahre alt.<br />

Fiktion und Fakten<br />

Dass sie nichts von ihrem Reiz eingebüsst hat, beweist<br />

Daniel Kehlmann mit seinem neuen Roman «Tyll». Der<br />

43-jährige Autor erfindet das Leben von Ulenspiegel<br />

neu und lässt ihn als Sohn eines Müllers zur Zeit des<br />

Dreissigjährigen Kriegs – also im 17. Jahrhundert – in<br />

armen Verhältnissen aufwachsen. Schon früh zeigt Tyll<br />

artistisches Talent. Als sein Vater mit der Kirche in Konflikt<br />

gerät, ist Tyll gezwungen, das ländliche Leben hinter<br />

sich zu lassen. Von da an zieht Ulenspiegel im ganzen<br />

Land umher und macht sich als Hofnarr und<br />

Wanderkünstler seinen Schalk zunutze. Daniel Kehlmann<br />

erzählt manche bekannte Eulenspiegel-Anekdote<br />

nach, etwa jene mit dem sprechenden Esel; vor allem<br />

aber nutzt er die vielen Begegnungen Tylls dazu, eine<br />

Vielzahl weiterer Personen einzuführen. Ab Tylls<br />

Flucht vom elterlichen Hof wechselt der Fokus des Erzählers<br />

zwischen mehreren Figuren hin und her. Da<br />

sind etwa der Universalgelehrte Athanasius Kircher,<br />

der Arzt und Schriftsteller Paul Flemming oder das unglückliche<br />

Königspaar Elisabeth und Friedrich von<br />

Böhmen. Rund um die Figur des Tyll entfaltet sich damit<br />

das Panorama eines vom Krieg versehrten Europas.<br />

Kehlmann erweist sich dabei als versierter Kenner der<br />

Geschichte; die historischen Bezüge stimmen, und<br />

auch fast alle wichtigen Figuren beruhen auf Personen,<br />

die es wirklich gab.<br />

Ein typischer Kehlmann<br />

Der neue Roman reiht sich nahtlos ins bisherige Werk<br />

des österreichisch-deutschen Erfolgsautors ein. Zum<br />

einen ist es nicht das erste Mal, dass Daniel Kehlmann<br />

Der vielfach ausgezeichnete<br />

deutsch-österreichische Autor<br />

Daniel Kehlmann hat sich in<br />

seinem neuen Roman einer<br />

uralten, historisch aber nicht<br />

belegten Figuren angenommen:<br />

des umherstreifenden Schalks Till<br />

Eulenspiegels.<br />

TYLL<br />

Daniel Kehlmann<br />

480 Seiten, CHF 31.90<br />

Rowohlt<br />

Historisches als Stoff nutzt: Schon in seinem äusserst<br />

erfolgreichen Roman «Die Vermessung der Welt» verwob<br />

er Fiktion und Geschichte gekonnt miteinander.<br />

Und auch der Perspektivenwechsel, der sich durch<br />

«Tyll» zieht, kennt man aus früheren Werken: Auch in<br />

seinen letzten beiden Romanen «Ruhm. Ein Roman in<br />

neun Geschichten» und «F» erzählte Kehlmann Geschehnisse<br />

aus verschiedenen Blickwinkeln. In seinem<br />

neuen Buch hat er jetzt diese Erzählstruktur mit dem<br />

Genre des Historischen Romans verknüpft – und er<br />

zeigt sich damit von seiner besten Seite. «Tyll» ist ein<br />

vielschichtiger, komplex strukturierter und sehr unterhaltsamer<br />

Roman. Man darf ihn fraglos als einen Höhepunkt<br />

der langen Geschichte einer nie auserzählten Figur<br />

bezeichnen.<br />

Das Original: «Dil ulenspiegel» auf der Buchausgabe von 1515.<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH


22<br />

BÜCHER ZU MUSIK<br />

23<br />

BÜCHER ZU MUSIK<br />

terten Elvis-Imitator, einen abermals exzentrischen<br />

japanischen Sammler, eine versierte<br />

Musikwissenschaftlerin und viele<br />

mehr. So ganz nebenbei erfährt der Leser<br />

im Verlauf der Geschichte viel Wissenswertes<br />

aus der Musikhistorie und ihren Akteuren<br />

und über den Bau und die verschiedenen<br />

Arten von Gitarren. Ein Buch für<br />

Gitarreros also? Nicht nur, denn «Vintage»<br />

ist auch für normal Musikaffine ein rasanter,<br />

spannender, witziger und sogar blutiger<br />

Lesegenuss.<br />

HIGH FIDELITY<br />

Nick Hornby<br />

320 Seiten, CHF 16.90<br />

Kiepenheuer & Witsch<br />

VINTAGE<br />

Grégoire Hervier<br />

400 Seiten, CHF 35.90<br />

Diogenes<br />

Klingende Bücher<br />

Zufall oder Absicht? Zurzeit werden Leseratten, die gleichzeitig Musikfans sind, bestens bedient.<br />

Wir picken einige Höhepunkte aus der Vielfalt neuer Bücher mit musikalischem Inhalt heraus.<br />

Musik und Schriftstellerei – das gehört irgendwie<br />

zusammen. Nicht umsonst werden<br />

sowohl Bücher als auch Songs geschrieben!<br />

Verquickt man die beiden «Schreibarten»,<br />

kommen eine ganze Menge verschiedener<br />

Genres heraus: Musiker-Biografien, Musikgeschichte,<br />

Musikgeschichten, Sammlerkataloge,<br />

Songbooks und natürlich Romane,<br />

die sich auf die eine oder andere Weise mit<br />

Musik beschäftigen.<br />

TEXT: ERIK BRÜHLMANN<br />

Die jung verstorbene Jazz-Legende Bix Beiderbecke<br />

stand wohl Pate für die Hauptfigur in Dorothy Bakers<br />

«Ich mag mich irren, aber ich finde dich fabelhaft».<br />

Der Klassiker<br />

Beim Thema Musikbücher kommt man um<br />

einen Klassiker nicht herum: «High Fidelity»<br />

von Nick Hornby. Dieses Buch macht<br />

klar, dass echte Musikfreaks halt eine ganz<br />

besondere Spezies darstellen. Ein wenig<br />

verschroben, ein wenig weltfremd, aber alles<br />

in allem eben doch sehr liebenswert.<br />

Und natürlich immer bereit, den passenden<br />

Song zu jeder nur denkbaren Situation präsentieren<br />

zu können – inklusiv aller nur<br />

möglichen Informationen, die zwar nichts<br />

zur Sache tun, aber für den echten Nerd<br />

ganz selbstverständlich dazugehören. Natürlich<br />

können auch Gelegenheitsmusikliebhaber<br />

diesen Roman, der eigentlich<br />

eine herzige Liebesgeschichte mit Hindernissen<br />

ist, bedenkenlos aus dem Regal ziehen.<br />

«High Fidelity» gibt es übrigens auch<br />

als sehenswerte Verfilmung mit John Cusack.<br />

Se non è vero ...<br />

Ein klein wenig spezifischer ist da schon der<br />

potenzielle Leserkreis von Grégoire Herviers<br />

«Vintage». Der Franzose mit einer Vorliebe<br />

für Rockmusik, Science-Fiction-Filme<br />

und Karate verquickt in seinem bereits dritten<br />

Roman geschickt Wahres und Erfundenes.<br />

Protagonist Thomas Dupré – Musiker,<br />

Teilzeitjournalist, Gelegenheits-Gitarrenflicker<br />

– wird von einem exzentrischen englischen<br />

Sammler auf die Jagd nach der sagenumwobenen<br />

Gibson Moderne von 1957<br />

geschickt. Ob diese Gitarre überhaupt je<br />

über den Reissbrettstatus hinaus gekommen<br />

ist, weiss niemand so genau, weder im<br />

Roman noch in der Realität. Dupré macht<br />

sich auf die Suche und trifft einen abgehalf-<br />

Altrocker in Frankreich<br />

Ebenfalls im Rock-Milieu spielt «Ein fast<br />

perfektes Wunder» von Andrea de Carlo.<br />

Oder eher im Altrocker-Milieu, denn die Bebonkers<br />

sind nicht mehr die Jungen Wilden,<br />

die sie einst waren. Auch wenn die meisten<br />

Bandmitglieder es noch gern wären. Nur<br />

Sänger Nick Cruickshank hat im Grund<br />

schon mit dem Rockerleben abgeschlossen,<br />

auch wenn er sich die grösste Mühe gibt,<br />

immer noch alle möglichen und unmöglichen<br />

Klischees den anderen zuliebe zu erfüllen.<br />

Ein paar Kilo Glacé bringen seine<br />

Rockerwelt jedoch arg ins Wanken – das<br />

Glacé und die nach Frankreich ausgewanderte<br />

Italienerin Milena Migliari, welche<br />

die Leckereien herstellt. Auch sie lebt so,<br />

wie es andere von ihr erwarten, weiss dies<br />

sogar, aber kann oder will daran nichts ändern.<br />

Was passiert also, wenn zwei so ähnliche<br />

und doch so verschiedene Charaktere<br />

aufeinandertreffen? Der Mailänder de Carlo<br />

schreibt mit seinem Roman ein amüsantes,<br />

scharfsinniges, feinfühliges literarisches<br />

Lied über die Menschen, die Liebe,<br />

EIN FAST<br />

PERFEKTES<br />

WUNDER<br />

Andrea de Carlo<br />

400 Seiten, CHF 35.90<br />

Diogenes<br />

FRIEDHOF DER<br />

KLAVIERE<br />

José Luis Peixoto<br />

328 Seiten, CHF 33.90<br />

Septime<br />

DIE TRIKONT-<br />

STORY<br />

Christof Meueler,<br />

Franz Dobler<br />

464 Seiten, CHF 41.90<br />

Heyne<br />

ICH MAG MICH<br />

IRREN, ABER<br />

ICH FINDE DICH<br />

FABELHAFT<br />

Dorothy Baker<br />

272 Seiten, CHF 28.90<br />

dtv<br />

DER GROSSE<br />

SCHNEIDEWIND<br />

Günter Schneidewind<br />

400 Seiten, CHF 21.90<br />

Kloepfer und Meyer<br />

das Fassbare und das Flüchtige. Wäre ein<br />

solcher Begriff nicht so absolut un-rockig<br />

und uncool, könnte man glatt von einem<br />

Frauenroman sprechen!<br />

Freud und Leid eines Jazzmusikers<br />

Lassen wir das mit dem Rock, wenden uns<br />

dem Jazz zu – und damit einem alten neuen<br />

Roman. Dorothy Bakers Buch «Ich mag<br />

mich irren, aber ich finde dich fabelhaft»<br />

erschien unter dem Originaltitel «Young<br />

Man with a Horn» nämlich bereits 1938 zum<br />

ersten Mal. Die Geschichte erzählt das Leben<br />

und den musikalischen Werdegang von<br />

Rick Martin. Als Weisser, der sich zur «Negermusik»<br />

hingezogen fühlt und nichts lieber<br />

tut, als erst Klavier, dann Trompete zu<br />

üben und zu spielen, hat er es schon als<br />

Kind nicht leicht. Wie so viele Künstler ist<br />

auch Rick in seinem Innersten eine gequälte<br />

Seele mit unglaublichem Talent, die sich<br />

auf ihrer Suche nach musikalischer Perfektion<br />

selbst zugrunde richtet. Auch wer mit<br />

Jazz nicht so viel anfangen kann, wird den<br />

Roman geniessen können. Denn Dorothy<br />

Baker versteht es meisterlich, die ganze Klaviatur<br />

der Schriftstellerei zu spielen und in<br />

eine ebenso komplexe wie mitreissende<br />

und etwas anrüchige Geschichte zu verpacken.<br />

Und wenn Jazz-Spezialisten beim Lesen<br />

Parallelen zwischen dem Protagonisten<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH


24<br />

BUCHTIPPS<br />

25<br />

BÜCHER ZU MUSIK<br />

und dem legendären Jazzmusiker Bix Beiderbecke<br />

(1903–1931) entdecken, liegen sie<br />

damit absolut richtig. Auch wenn «Ich mag<br />

mich irren, aber ich finde dich fabelhaft»<br />

keine eigentliche Musikerbiografie ist.<br />

IVY LORENTZ<br />

Die Widerspenstige<br />

Um ihr Erbe betrogen und auf der<br />

Flucht vor einer erzwungenen<br />

Ehe gibt Johanna von Allersheim<br />

sich als Mann aus. Zuflucht finden<br />

sie und ihr Zwillingsbruder<br />

Karl schliesslich bei Adam Osmanski,<br />

einem entfernten Cousin<br />

und Festungskommandanten in<br />

Polen, der die Geschwister allerdings<br />

nicht eben freundlich willkommen<br />

heisst.<br />

Nicht ahnend, dass Adam über<br />

ihre Identität Bescheid weiss, beschliesst<br />

Johanna, ihre Tarnung<br />

aufrechtzuerhalten. Adam spielt<br />

ihr Spiel mit, bewundert er doch<br />

widerwillig den Mut der jungen<br />

Frau. Plötzlich ergeht der Befehl<br />

an alle Männer der Festung,<br />

sich dem königlichen Heer anzuschliessen,<br />

denn die Truppen<br />

des Osmanischen Reiches ziehen<br />

gegen Wien – zu spät für Johanna,<br />

ihr wahres Geschlecht aufzudecken.<br />

688 Seiten, CHF 28.90<br />

Droemer Knaur<br />

978-3-426-66383-7<br />

UWE TIMM<br />

Ikarien<br />

Deutschland 1945: Der junge<br />

Michael Hansen kehrt als<br />

US-amerikanischer Offizier in<br />

sein Geburtsland zurück und<br />

übernimmt einen Auftrag des<br />

Geheimdiensts. Er soll herausfinden,<br />

welche Rolle ein bedeutender<br />

Wissenschaftler im<br />

Nazireich spielte. Von einem früheren<br />

Weggefährten lässt sich<br />

Hansen die Geschichte einer<br />

Freundschaft erzählen, die Ende<br />

des 19. Jahrhunderts in Breslau<br />

beginnt und mitten hinein in<br />

die Auseinandersetzung um die<br />

beste gesellschaftliche Ordnung<br />

führt: Hier ein Sozialismus nach<br />

Marx, dort das utopische Projekt<br />

der Gemeinde Ikarien, die von<br />

einem französischen Revolutionär<br />

in Amerika gegründet wird.<br />

Das neue Werk des deutschen<br />

Schriftstellers ist eine so erschreckende<br />

wie berührende<br />

Geschichte von der Suche nach<br />

einem anderen Leben.<br />

512 Seiten, CHF 31.90<br />

Kiepenheuer & Witsch<br />

978-3-462-05048-6<br />

MARISSA STAPLEY<br />

Das Glück an<br />

Regentagen<br />

Die Familie Summers betreibt<br />

seit drei Generationen eine Pension<br />

am Sankt-Lawrence-Strom.<br />

Mae Summers ist Waise und<br />

wächst mit dem Nachbarsjungen<br />

Gabe bei ihren Grosseltern<br />

im Summers Inn auf. Aus der<br />

Kindheitsfreundschaft entwickelt<br />

sich die erste grosse Liebe<br />

– eine Liebe, die wegen Gabes<br />

plötzlichem Verschwinden zerbricht.<br />

Als besondere Umstände Mae<br />

nach über einem Jahrzehnt<br />

nach Alexandra Bay zurückkehren<br />

lassen, hofft sie, Trost im<br />

Summers Inn zu finden. Doch<br />

stattdessen steht Mae vor den<br />

Scherben der Ehe ihrer Grosseltern,<br />

und sie gerät in einen Sog<br />

aus Geheimnissen der Vergangenheit.<br />

Enthüllt wird eine Version<br />

der Vergangenheit, die ihre<br />

Zukunft verändern wird. Wenn<br />

Geheimnisse die Liebe zerreissen,<br />

kann die Wahrheit sie wieder<br />

zusammenfügen?<br />

304 Seiten, CHF 19.90<br />

Rowohlt<br />

978-3-499-29170-8<br />

KERSTIN GIER<br />

Wolkenschloss<br />

Hoch oben in den Schweizer<br />

Bergen liegt das Wolkenschloss:<br />

ein altehrwürdiges Grandhotel.<br />

Längst hat es seine Glanzzeiten<br />

hinter sich, doch wenn zum Jahreswechsel<br />

der berühmte Silvesterball<br />

stattfindet und Gäste aus<br />

aller Welt anreisen, knistert es<br />

unter den prächtigen Kronleuchtern<br />

und in den weitläufigen Fluren<br />

nur so vor Aufregung.<br />

Die 17-jährige Fanny hat wie der<br />

Rest des Personals alle Hände<br />

voll zu tun, den Gästen einen luxuriösen<br />

Aufenthalt zu bereiten.<br />

Doch ihr entgeht nicht, dass viele<br />

dieser Gäste nicht das sind, was<br />

sie vorgeben zu sein. Schon bald<br />

steckt Fanny mittendrin in einem<br />

lebensgefährlichen Abenteuer,<br />

bei dem sie nicht nur ihren Job zu<br />

verlieren droht, sondern auch ihr<br />

Herz.<br />

500 Seiten, CHF 32.90<br />

Fischer fjb<br />

978-3-8414-4021-1<br />

Die Sache mit den Klavieren<br />

Vielen Menschen ist Jazz zu kompliziert, zu<br />

komplex, ja, sogar ganz einfach nicht nachvollziehbar.<br />

Spielen diese sicherlich begnadeten<br />

Musiker dort oben auf der Bühne<br />

wirklich alle denselben Song zur selben<br />

Zeit? So ähnlich ergeht es einem auch beim<br />

Lesen von José Luis Peixotos Roman «Friedhof<br />

der Klaviere». Der titelgebende Raum<br />

steht voller alter Klaviere und entwickelt<br />

sich zum Dreh- und Angelpunkt für mehrere<br />

Generationen der Lázaros. Im Friedhof<br />

der Klaviere zieht man sich zurück, liest<br />

heimlich «Schundliteratur», begeht Ehebruch.<br />

Um diesen Raum herum entspinnt<br />

der vielseitig schreibende Portugiese Peixoto<br />

eine wortgewaltige Familiensaga um Liebe,<br />

Schmerz, Verletzung, Leben und Tod.<br />

Wie ein Jazzmusiker tut er dies jedoch nicht<br />

geradlinig, sondern springt zwischen Protagonisten,<br />

Zeiten und Generationen munter<br />

hin und her. Das Ganze zu einem kompletten<br />

Bild zusammenzusetzen, überlässt er<br />

seinem Publikum. Und wie beim Jazz ist der<br />

Roman nicht gerade leicht verdaulich, ja,<br />

geradezu eine hochkomplexe Lektüre –<br />

aber auch eine, die sich zu lesen lohnt.<br />

Musikgeschichte(n)<br />

Wie eingangs gesagt: Die Fusion von Musik<br />

und Literatur endet nicht notwendigerweise<br />

in einem Roman. Das beweist zum Beispiel<br />

«Der Grosse Schneidewind». Autor<br />

Günter Schneidewind – er dürfte in der<br />

Schweiz weniger bekannt sein – ist ein Musikjournalist,<br />

der für den deutschen Radiosender<br />

SWR arbeitet. Er ist ein ausgewiesener<br />

Fachmann auf dem Gebiet der Rock- und<br />

Popmusik; bei Kollegen und Hörern gilt er<br />

sogar als wandelndes Musiklexikon. Mit seinem<br />

«Grossen Schneidewind» lässt er uns<br />

nun an seinem immensen Wissen teilhaben.<br />

Aber nicht etwa in Form lexikalischer<br />

Einträge, sondern anhand von Begegnungen<br />

mit den Musikgrössen dieser Welt. Heraus<br />

kommen persönliche Erlebnisse, Erzählungen<br />

und Geschichten, von denen<br />

einige bekannter, andere weniger bekannt<br />

sind. Alle gesammelt in unzähligen Gesprächen,<br />

Begegnungen und Interviews mit<br />

Stars wie Neil Diamond, Enya, Toto, Jimmy<br />

Page und vielen mehr. So verrät zum Beispiel<br />

Joe Cocker, dass er «With a Little Help<br />

from My Friends» immer erst am Ende eines<br />

Sets spielt, weil der markige Urschrei im<br />

Song seine Stimme so sehr mitnimmt; oder<br />

dass Udo Lindenberg ... Genug verraten,<br />

schliesslich durfte man früher im Plattenladen<br />

auch nur immer eine Seite der Schallplatte<br />

probehören!<br />

Alles auf links!<br />

Zum Abschluss noch der eine Song, der irgendwie<br />

nicht zum Rest der Schallplatte<br />

passt und sich nirgends so richtig einordnen<br />

lässt. Trikont ist ein Independent-Musikverlag,<br />

der in den streitbaren 1960er-Jahren<br />

in München aus dem gleichnamigen<br />

Buchverlag entstand. Das Label galt damals<br />

als eine der ersten Adressen für Schriften<br />

und eben auch Musik aus der Protest- und<br />

Alternativbewegung um 1968. Nicht ohne<br />

Grund lautet der Untertitel von «Die Trikont-Story»<br />

«Musik, Krawall & andere schöne<br />

Künste». Die Autoren Christof Meueler<br />

und Franz Dobler haben ein Buch zusammengestellt,<br />

das wild und etwas anarchisch<br />

daherkommt und ebenso Verlags- wie Gesellschaftsgeschichte<br />

ist. Von den ersten<br />

Kampfschriften und Protestplatten wie<br />

«Kampflieder der Arbeitersache München»<br />

über frühe Veröffentlichungen der legendären<br />

Band «Ton Steine Scherben» bis zu<br />

den Aktivitäten des Labels in der Neuzeit ist<br />

die «Trikont-Story» eine echte Achterbahnfahrt,<br />

die Kindheits- und Jugenderinnerungen<br />

für die Älteren und ganz viele Wow-Effekte<br />

für die Jüngeren bereithält.<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH


26<br />

BUCHTIPPS<br />

28 Protagonisten mit Fell, Schuppen<br />

und Saugnäpfen<br />

Die Mitglieder der Lesen-Redaktion präsentieren<br />

einander – und Ihnen! – neue Romane und Sachbücher<br />

rund um Tiere.<br />

Dossier<br />

© «Die Watvögel Europas»,<br />

Nis Lundmark Jensen<br />

MAJA LUNDE<br />

Die Geschichte<br />

der Bienen<br />

Wie gehen wir mit der Natur um<br />

und welche Zukunft hinterlassen<br />

wir unseren Kindern? Maja Lunde<br />

stellt einige der drängendsten<br />

Fragen unserer Zeit und erzählt<br />

ergreifend vom unsichtbaren<br />

Band zwischen der Geschichte<br />

der Menschheit und jener der<br />

Bienen.<br />

England 1852: Der Biologe und<br />

Samenhändler William scheint<br />

als Forscher gescheitert, doch<br />

dann hat er eine Idee: ein völlig<br />

neuartiger Bienenstock, der alles<br />

verändern könnte. USA 2007:<br />

Der Imker George arbeitet hart,<br />

um seinen Hof für seinen Sohn<br />

zu vergrössern. Dieser will aber<br />

lieber Journalist werden. Dann<br />

verschwinden eines Tags alle Bienen.<br />

China 2098: Die Arbeiterin<br />

Tao bestäubt Bäume von Hand,<br />

denn Bienen gibt es längst nicht<br />

mehr. Nach einem mysteriösen<br />

Unfall ihres Sohns steht plötzlich<br />

alles auf dem Spiel: dessen Leben<br />

und die Zukunft der Menschheit.<br />

512 Seiten, CHF 28.90<br />

btb<br />

978-3-442-75684-1<br />

ADAM SCHWARZ<br />

Das Fleisch der<br />

Welt oder Die Entdeckung<br />

Amerikas<br />

durch Niklaus von<br />

Flüe<br />

Wer hat Amerika entdeckt? Ein<br />

Schweizer! Schelmenroman,<br />

Roadmovie und Historischer<br />

Roman in einem: Jungautor<br />

Adam Schwarz lässt den Nationalheiligen<br />

Niklaus von Flüe auf<br />

Abwege kommen.<br />

Seine Familie ist schockiert, als<br />

Niklaus beschliesst, sie zu verlassen,<br />

um Eremit zu werden.<br />

Doch das Leben auf dem Bauernhof<br />

nimmt seinen Gang – bis<br />

Niklaus drei Jahre nach seinem<br />

Verschwinden überraschend zurückkehrt.<br />

Nicht, um zu bleiben,<br />

nein, er nimmt seinen ältesten<br />

Sohn mit, um eine letzte Pilgerreise<br />

zu unternehmen. Seine<br />

Visionen führen die beiden immer<br />

weiter nach Westen. Als sie<br />

am Atlantik ankommen, glaubt<br />

Sohn Hans, die Reise sei nun zu<br />

Ende. Ein Irrtum, denn Niklaus<br />

möchte sich mit einem Floss auf<br />

den Ozean wagen.<br />

262 Seiten, CHF 35.90<br />

Zytglogge<br />

978-3-7296-0957-0<br />

GEORG WEBER (HG.)<br />

Rebellion unter<br />

Laubenbögen –<br />

Die Berner<br />

1986er-Bewegung<br />

1968 beginnt eine Zeit des Aufbruchs<br />

– auch in Bern. So provoziert<br />

der junge Direktor der<br />

Kunsthalle, Harald Szeemann,<br />

das bürgerliche Publikum mit<br />

modernen Kunstformen und<br />

löst damit heftige Reaktionen<br />

aus. Die Ausstellung «When<br />

Attitudes Become Form» führt<br />

gar zu einem internationalen<br />

Skandal. Indessen werden neue<br />

kulturelle, politische und soziale<br />

Gedanken in den Kellertheatern<br />

und in den Literatencafés<br />

in Bern entwickelt. Auch in der<br />

entstehenden Berner Rockmusik<br />

und bei den Diskussionen in<br />

der Junkere 37 verankern sich<br />

die neuen Themen.<br />

Georg Weber wirft 50 Jahre später<br />

einen Blick zurück auf die<br />

turbulente Epoche, stellt ihre<br />

Berner Schauplätze vor und beleuchtet,<br />

wie die Umbrüche in<br />

der Hauptstadt bis heute nachwirken.<br />

250 Seiten, CHF 41.90<br />

Zytglogge<br />

978-3-7296-0960-0<br />

ESKIL ENGDAL, KJETIL SÆTER<br />

Fisch-Mafi a<br />

Das Geschäft mit dem Antarktisdorsch<br />

ist illegal – und lukrativ.<br />

Genau wie Drogenhandel.<br />

Von Polizei und Behörden unbehelligt,<br />

spült eine Flotte von<br />

Piraten-Trawlern ihren Eignern<br />

zweistellige Millionenbeträge in<br />

die Taschen. Jahr für Jahr –<br />

dem «weissen Gold» sei Dank.<br />

Der Umweltorganisation Sea<br />

Shepherd ist es gelungen, den<br />

Trawler «Thunder» zu stellen. Bevor<br />

dessen Kapitän sein Schiff eigenhändig<br />

versenkte, konnte Sea<br />

Shepherd wichtige Dokumente<br />

und Beweise von Bord retten.<br />

Die preisgekrönten Journalisten<br />

Engdal und Sæter schildern in ihrem<br />

Buch «Fisch-Mafia» die dramatischen<br />

Ereignisse auf See und<br />

nehmen im Anschluss die Spur zu<br />

den Eignern des Schiffs auf.<br />

339 Seiten, CH 38.90<br />

Campus<br />

978-3-593-50671-5<br />

32 Bildgewaltige<br />

Tierwelt<br />

Tiere gibt es buchstäblich in<br />

allen Grössen und Farben.<br />

Daher sind sie ein ideales<br />

Thema für prächtige<br />

Bildbände.<br />

Tiere lesen<br />

Die meisten Menschen haben zu Tieren eine intensive Beziehung: Sie lieben<br />

Katzen, ekeln sich vor Spinnen, fürchten Schlangen, bewundern Pferde oder<br />

schützen Tiger. Kein Wunder, ist die Welt der Bücher auch eine Welt der<br />

Tiere. Wir haben die schönsten Neuerscheinungen rund um Tiere für Sie<br />

zusammengetragen.<br />

© Tim Flach / Knesebeck Verlag<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH


28<br />

DOSSIER<br />

29<br />

DOSSIER<br />

Protagonisten mit Fell,<br />

Schuppen und Saugnäpfen<br />

Für unsere Rezensions-Rubrik «Hin und Her» haben wir uns diesmal Neuerscheinungen ausgesucht,<br />

in denen Tiere die Hauptrolle spielen – eine vielfältige Sammlung von Romanen und Sachbüchern,<br />

vergnüglichen oder berührenden Titeln. Natürlich legen wir diese nicht nur einander, sondern ganz<br />

besonders Ihnen ans tierliebende Herz.<br />

Liebe Tierfreunde<br />

TEXT: ERIK BRÜHLMANN, MARKUS GANZ, CHRISTINA HWANG, MARIUS LEUTENEGGER,<br />

NENA MORF, RACHELLE NKOU, LUKAS TOBLER<br />

Ich beginne unser literarisches Pingpong<br />

mit einem Sachbuch – auch wenn<br />

der Titel ebenso gut zu einem Spionagethriller<br />

passen würde. Aber Lisa Warnecke<br />

ist Biologin und forscht intensiv auf<br />

dem Gebiet des Winterschlafens. Klingt<br />

nach einem anstrengenden Buch, ich<br />

weiss. Aber tatsächlich ist «Das Geheimnis<br />

der Winterschläfer» allerbestes Infotainment!<br />

Die Autorin verfolgt im Lauf<br />

des Buchs die Winterschlafgewohnheiten<br />

von Igel, Fledermaus, Lemur und<br />

Bilchbeutler – ein kleines australisches<br />

Beuteltier. Beim Lesen hievt sie einen<br />

auf höchst unterhaltsame Weise auf den<br />

neusten Stand der Forschung, räumt<br />

mit Vorurteilen und Halbwahrheiten<br />

auf und bringt einem die unbekannten<br />

Seiten dieser Tiere näher.<br />

Das eigentlich Sensationelle an diesem<br />

Buch sind für mich aber die unzähligen<br />

extrem spannenden Informationen aus<br />

der Tierwelt, die mit dem eigentlichen<br />

Thema nur am Rand zu tun haben. Sie<br />

sind praktisch in jedem Kapitel zu finden.<br />

Wusstet ihr zum Beispiel, dass jedes<br />

fünfte Säugetier eine Fledermaus<br />

ist? Es gibt nämlich rund 5000 Säugetierarten,<br />

davon sind etwa 1000 Fledermausarten.<br />

Oder dass sich in der Nähe<br />

von Winnipeg, Kanada, jedes Jahr 50'000<br />

Strumpfbandnattern gleichzeitig aus<br />

den Winterhöhlen aufmachen, um Sonne<br />

zu tanken? Oder dass 97 Prozent aller<br />

Tierarten Wirbellose sind? Solche<br />

Wow-Effekte liefert dieses Buch zuhauf,<br />

auch für jene unter uns, die im Biologie-Unterricht<br />

lieber die Wolken am<br />

Himmel gezählt haben.<br />

En Gruess<br />

Erik<br />

DAS GEHEIMNIS DER<br />

WINTERSCHLÄFER<br />

Lisa Warnecke<br />

205 Seiten, CHF 29.90<br />

C.H. Beck<br />

Liebe fleissige Lesebienchen<br />

Kein Wort verliert Erik da über Fische!<br />

Dabei ist das doch die artenreichste<br />

Klasse der Tiere – und einige der vielen<br />

Arten halten ebenfalls Winterschlaf.<br />

Nun, was Erik versäumte, hole ich jetzt<br />

gern nach, und wie es meine Art ist:<br />

gleich im Übermass.<br />

Die Berliner Journalistin Arezu Weitholz<br />

weilte vor ein paar Jahren mit ihrer<br />

Mutter an der Ostsee und liess en passant<br />

einen Spruch fallen: «Wenn ich die<br />

See seh, brauch ich kein Meer mehr.»<br />

Die Mutter fand das verständlicherweise<br />

lustig, und Arezu Weitholz wurde dadurch<br />

angestachelt, fröhlich weiterzureimen.<br />

An einem der folgenden<br />

Freitage schickte sie ein «Frisches Fischgedicht»<br />

an acht Freunde, daraus<br />

wurde eine wöchentliche Tradition für<br />

bald 600 Leute.<br />

Jetzt liegen die allerbesten Fischgedichte<br />

im hübschen meerblauen Band «Der<br />

Fisch ist ein Gedicht» vor. Auch wenn<br />

ich mit Vergleichen vorsichtig bin: Dass<br />

Arezu Weitholz von Kritikern zuweilen<br />

in die Nähe von Robert Gernhardt und<br />

Joachim Ringelnatz gerückt wird, kann<br />

man verstehen. Die Frau hat es wirklich<br />

drauf. Das haben auch schon andere gemerkt;<br />

die Fisch-Autorin ist nämlich<br />

auch Songwriterin und arbeitet zum<br />

Beispiel eng mit Herbert Grönemeyer<br />

zusammen.<br />

Fische sind zudem ein ideales Thema<br />

für ein solches Buch. Irgendwie ist das ja<br />

die ulkigste Tierklasse überhaupt (neben<br />

den kurligen Amphibien natürlich,<br />

aber die lösen ja eher Mitleid denn freche<br />

Sprüche aus), und dank ihrer Vielfalt<br />

lässt sich an ihnen die ganze Fülle<br />

des Seins festmachen, von der Liebe<br />

über die Organspende bis zur Grippewelle.<br />

Jetzt möchtet ihr sicher noch ein Beispiel<br />

für ein Fischgedicht kredenzt bekommen.<br />

Aber sorry: Ich habe zwar oft<br />

lachen müssen, aber alle Gedichte<br />

gleich wieder vergessen. Da geht es mir<br />

wohl wie der kleinen Krake Kasimir,<br />

über die Arezu Weiholz berichtet: «Die<br />

kleine Krake Kasimir / ist ein bisschen<br />

schlicht. / Sie kann sich keine Reime<br />

merken / und auch kein Gedicht.» Tja!<br />

Herzlichst,<br />

Marius<br />

DER FISCH IST<br />

EIN GEDICHT<br />

Arezu Weitholz<br />

200 Seiten, CHF 27.90<br />

Kunstmann<br />

Liebe Bücherwürmer, lieber Marius<br />

Herausforderung angenommen – hier<br />

kommt meine fischige Empfehlung!<br />

Okay, da schmücke ich mich jetzt ein<br />

wenig mit fremden Schuppen, denn die<br />

Empfehlung kommt eigentlich von Armand<br />

Marie Leroi, der sich wiederum<br />

zum Laichplatz der Naturwissenschaft<br />

vorwagt und das Denken und Wirken<br />

von Aristoteles untersucht. Ja genau, jenes<br />

antiken Forschers, den man gemeinhin<br />

als den Vater der Naturwissenschaft<br />

betrachtet.<br />

Offenbar waren Fische so etwas wie ein<br />

Steckenpferd der alten Griechen. So gibt<br />

es zum Beispiel von einem gewissen Archestratos<br />

ein Werk über Fische – in<br />

Versform! Und als Objekt der kulinarischen<br />

Begierde, wie Leroi es formuliert,<br />

waren die Tiere sowieso äusserst beliebt.<br />

Unser Freund Aristoteles hingegen<br />

pflegte seine Fische lieber zu sezieren<br />

als zu essen. Seine Fischfakten<br />

schrieb er unter anderem in der «Historia<br />

animalium» nieder. Warum haben<br />

Fische Kiemen und keine Lungen? Warum<br />

haben sie Flossen? Warum legen<br />

sie so viele Eier? Wie sehen sie aus und<br />

was fressen sie?<br />

Ein caveat muss ich aber schon loswerden:<br />

Aquarienfreunde sollten vielleicht<br />

erst einen Blick ins Buch werfen, bevor<br />

sie es kaufen. Denn trotz aller Fischreferenzen<br />

ist «Die Lagune» kein Tierbuch<br />

im eigentlichen Sinn. Es geht in der<br />

Hauptsache um Aristoteles, um sein<br />

Denken, um seine Arbeit, um seine Zeit<br />

und seinen Einfluss – ein Buch, das ich<br />

eher Historikern und Philosophen als<br />

Anglern und Fischfans ans Herz legen<br />

würde. Andererseits bekam das Werk<br />

von den Financial Times über den Guardian<br />

bis zum New Scientist überall so<br />

viel Lob, dass man in diesem Fall schon<br />

mal den Fisch im Sack kaufen kann!<br />

En Gruess<br />

Erik<br />

Liebe Leseratten<br />

DIE LAGUNE ODER<br />

WIE ARISTOTELES<br />

DIE NATURWISSEN-<br />

SCHAFTEN ERFAND<br />

Armand Marie Lerois<br />

528 Seiten, CHF 51.90<br />

Konrad Theiss<br />

Meiner Meinung nach nehmen die Fische<br />

jetzt ein wenig zu viel Platz ein hier,<br />

denn auch wenn sie zugegebenermassen<br />

herrlich ulkig sind: Mit den Vögeln können<br />

sie nicht mithalten. Nicht einmal mit<br />

den Meisen. Das wird allen klar, die «Das<br />

verborgene Leben der Meisen» des Norwegers<br />

Andreas Tjernsaugen lesen.<br />

Der gelernte Soziologe und enthusiastische<br />

Hobby-Ornithologe hat sich ein<br />

ganzes Jahr lang intensiv mit Blau- und<br />

Kohlmeisen beschäftigt und sich zum<br />

Ziel gesetzt, einem breiten Publikum seine<br />

Faszination näherzubringen. Tatsächlich<br />

ist ihm das mindestens in meinem<br />

Fall gelungen.<br />

Das liegt daran, dass Tjernsaugen die<br />

neusten Erkenntnisse der Forschung<br />

verständlich und unterhaltsam erzählt<br />

und immer mit Erlebnissen aus seinem<br />

Alltag und eigenen Beobachtungen verbindet.<br />

Aus diesem Nebeneinander von<br />

Autor und Meise erscheint das Verhalten<br />

der Tiere umso menschlicher. Bei<br />

Tjernsaugen werden die Kohl- und Blaumeisen<br />

zu fühlenden, denkenden und<br />

kalkulierenden Akteuren. Ihr Verhalten<br />

ist für mich jetzt voller Sinn, und ich verstehe,<br />

weshalb diese Tiere fremdgehen,<br />

weshalb sie singen, wie sie singen und<br />

weshalb sie ihre Nester mit Säugetierfell<br />

bedecken.<br />

Untermalt wird das Ganze mit historischem<br />

Kontext: Mit unterhaltsam erklärter<br />

Evolutionstheorie, ein wenig Genealogie<br />

der Vögel – und natürlich einem<br />

Gastauftritt des guten Aristoteles. Es<br />

bleiben also fast keine Wünsche offen!<br />

Es grüsst Lukas<br />

DAS VERBORGENE<br />

LEBEN DER MEISEN<br />

Andreas Tjernsaugen<br />

232 Seiten, CHF 27.90<br />

Insel<br />

Liebe Kollegen mit der spitzen<br />

Tintenfeder<br />

Wenn Erik schreibt, dass jedes fünfte<br />

Säugetier eine Fledermaus ist, sehe ich<br />

meine Angst aus Kindstagen bestätigt.<br />

Albträume gar verursachten mir damals<br />

die Riesenkalmare, wie sie Jules Verne<br />

beschrieb. Bald lernte ich die Tintenfische<br />

– so heisst die Unterklasse – zumindest<br />

essend lieben. Der Genuss wird mir<br />

allerdings dadurch vergällt, dass Kraken<br />

recht intelligent sind. Nun schreibt<br />

Sy Montgomery in «Rendezvous mit einem<br />

Oktopus», dass diese sogar eine<br />

Seele haben sollen.<br />

Ich finde die Verklärung von Tieren<br />

fragwürdig. Trotzdem hat mich dieses<br />

Buch fasziniert. Die amerikanische Autorin<br />

beschreibt nicht nur die aussergewöhnlichen<br />

Eigenheiten dieser<br />

Weichtiere, die drei Herzen haben<br />

und mit ihren 1600 Saugnäpfen bis<br />

zu 25’000 Kilogramm heben können.<br />

Sie schildert vor allem ihre<br />

Begegnungen mit Kraken, etwa wie<br />

diese sie mit den Saugnäpfen abtasten,<br />

«sanft, aber nachdrücklich,<br />

wie der Kuss eines Unbekannten».<br />

Es seien Wesen<br />

mit Bewusstsein<br />

und Persönlichkeit.<br />

So<br />

spritzte ein<br />

Krake eine<br />

bestimmte<br />

Person stets<br />

mit Salzwasser<br />

an – auch<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH


30<br />

DOSSIER<br />

31<br />

DOSSIER<br />

nach mehrmonatiger<br />

Abwesenheit wieder.<br />

Nach der Lektüre bin ich<br />

mir nicht mehr so sicher, lieber<br />

Marius, ob Kraken nicht zumindest<br />

einen Sinn für Poesie haben.<br />

Hin- und hergerissen,<br />

Markus<br />

RENDEZVOUS MIT<br />

EINEM OKTOPUS<br />

Sy Montgomery<br />

336 Seiten, CHF 41.90<br />

Mare<br />

Geschätzte Büchernärrinnen<br />

und -Narren<br />

Ich bin ganz auf Sy Montgomerys Welle!<br />

Während Markus in seiner Kindheit offenbar<br />

von Tier-Albträumen gequält<br />

wurde, war ich als Kind felsenfest davon<br />

überzeugt, dass jedes Tier, auch ein<br />

Stofftier, eine Seele und Superkräfte hat.<br />

In meinen Kinderträumen waren Tiere<br />

stets meine Retter. An eine Krake erinnere<br />

ich mich dabei jedoch nicht – dafür<br />

an Vögel und Katzen.<br />

Letzteren hat sich auch das Ehepaar<br />

Hermien Stellmacher und Joachim<br />

Schulz verschrieben: Gerade haben sie<br />

zusammen den Ratgeber «Wie wir Katzen<br />

die Welt sehen» herausgebracht.<br />

Witzigerweise haben sie dafür die Perspektive<br />

umgedreht: Sie beschreiben die<br />

Goes und No-Goes in der Katz-<br />

Mensch-Beziehung aus der Perspektive<br />

der Vierbeiner. Das Buch offenbart mit<br />

viel Humor, wer sich hier wen hält – und<br />

unter welchen Bedingungen die komplexe<br />

Beziehung funktionieren kann.<br />

Die Katzenperspektive reicht vom alten<br />

Ägypten über die Anarchie in den<br />

1970er- und 1980er-Jahren bis in die Zukunft<br />

der Katzen-Weltherrschaft, in der<br />

das Internet wohl «Catnet» heissen<br />

wird. Dieses Buch sollte natürlich jede<br />

Katze lesen – denn es kann viel dazu beitragen,<br />

«dass sich unsere geliebten<br />

Zweibeiner jederzeit zurechtfinden».<br />

Ich finde, der Ratgeber ist aber auch für<br />

Menschen interessant. Endlich einmal<br />

erfahren wir, was Katzen, diese schwer<br />

zu lesenden Tiere, über uns denken!<br />

Miau Miau<br />

Eure Rachelle<br />

WIE WIR KATZEN DIE<br />

WELT SEHEN<br />

Hermien Stellmacher,<br />

Joachim Schulz<br />

129 Seiten, CHF 17.90<br />

Insel<br />

Liebe Tierleserinnen und -leser<br />

Wie ihr wisst, bin ich ein Hundefreund,<br />

die Perspektive von Katzen ist mir ziemlich<br />

einerlei – deshalb schnell for something<br />

completly different. Bücher<br />

sind ja so etwas wie der Asiatische Elefant<br />

unter den Medien: langlebig, sympathisch<br />

– aber halt doch etwas bedroht.<br />

So, wie es sehr gute Gründe gibt, dem<br />

Asiatischen Elefanten das Überleben zu<br />

sichern, gibt es auch viele Argumente,<br />

dem Buch eine Zukunft zu geben. Gleich<br />

39 solcher Argumente – und hoffentlich<br />

bald noch viele mehr – liefert der Verlag<br />

Matthes & Seitz: Seine Reihe «Naturkunden»<br />

ist schlicht und einfach wunderbar,<br />

sozusagen der Paradiesvogel oder<br />

die Norwegische Waldkatze unter den<br />

Buchserien. Da geben sich ein paar Leute<br />

offensichtlich sehr viel Mühe, uns etwas<br />

Schönes zu bescheren.<br />

Zahlreiche Titel der Reihe sind einzelnen<br />

Tierarten gewidmet. Ziehen wir<br />

zum Beispiel einmal «Schafe» aus dem<br />

Regal. Schon die Ausstattung des handlichen<br />

Bändchens ist fabelhaft, die Typographie<br />

hat erlesene Qualität, die Bilder<br />

sind sorgfältig zusammengestellt<br />

– und der Text ist hinreissend. Nie hätte<br />

ich gedacht, dass es auf weniger als 140<br />

Seiten so viel Spannendes über Schafe<br />

zu berichten gibt. Oder nehmen wir vorsichtig<br />

das «Handwörterbuch der Vogellaute»<br />

zur Hand – als Buch-Süchtiger<br />

würde man dieses mehr als originelle<br />

Bändchen am liebsten inhalieren. Man<br />

kann sich daran weder sattsehen und<br />

sattlesen. Und den Leineneinband will<br />

man einfach streicheln und streicheln<br />

und streicheln ...<br />

Ja, ich klinge schwer verliebt, und dem<br />

Urteil eines Verliebten sollte man nie<br />

trauen. Skepsis eurerseits wäre also verständlich.<br />

Ich kann dazu nur sagen:<br />

Geht doch in die nächste Filiale von<br />

Orell Füssli und schaut euch die Reihe<br />

selber an! Nehmt aber genug Geld mit.<br />

Schwärmerisch,<br />

Marius<br />

SCHAFE<br />

Eckhard Fuhr<br />

Naturkunden 31<br />

136 Seiten, CHF 26.90<br />

Matthes & Seitz<br />

Liebe Schwärmerinnen<br />

und Schwärmer<br />

Dem Urteil eines Verliebten sollte man<br />

wahrlich nicht trauen – doch in diesem<br />

Fall kann ich Marius’ Enthusiasmus gut<br />

verstehen. Denn ich durfte das «Handwörterbuch<br />

der Vogellaute» kurz begutachten<br />

– und hielt es ähnlich sanft und<br />

bewundernd in den Händen, wie ich ein<br />

kleines Vögelchen halten würde.<br />

Gelesen habe ich aber etwas ganz anderes:<br />

Und «Das Fell des Bären» von Matteo<br />

Righetto rührte mich nicht weniger.<br />

Der Roman spielt in den rauen Bergen<br />

der Dolomiten und erzählt von einem<br />

Jungen, dem sein Vater fehlt und der in<br />

der Natur Trost findet. Und er erzählt<br />

von einem ungeheuren Bären – fast zu<br />

gross, zu grausam, zu teuflisch, um<br />

wahr zu sein. Vater und Sohn brechen<br />

mit klapprigen Schiessgewehren auf,<br />

um den Teufelsbären zu erlegen. Auf<br />

dieser Jagd, inmitten der so wunderschönen<br />

wie erbarmungslosen<br />

Natur<br />

und weit weg von<br />

den Menschen, finden<br />

sie einander<br />

endlich wieder.<br />

Der erste Roman des<br />

italienischen Literaturdozenten<br />

Matteo<br />

Righetto war in Italien ein<br />

grosser Erfolg und wurde verfilmt. Die<br />

Leser und Leserinnen lernen bei der<br />

Lektüre nichts über die Anzahl der Säugetiere,<br />

die Eigenheiten der Weichtiere<br />

oder die eigentümliche Sicht der Katzen;<br />

indessen ist «Das Fell des Bären»<br />

eine wundersame Annäherung an die<br />

Natur und ihre Bewohner – zu denen<br />

auch wir Menschen zählen.<br />

Bis bald und mit lieben Grüssen euch<br />

Zweibeinern!<br />

Nena<br />

DAS FELL DES BÄREN<br />

Matteo Righetto<br />

160 Seiten, CHF 28.90<br />

Karl Blessing Verlag<br />

Liebe Freunde des besten<br />

Freunds des Menschen<br />

Wer von euch noch etwas mehr in die<br />

Natur eintauchen möchte – allerdings<br />

in eine Welt mit eisigster Kälte von bis<br />

zu Minus 50 Grad –, wird von «Abenteuer<br />

Yukon Quest» von Nicolas Vanier begeistert<br />

sein. Welch mitreissende Geschichte!<br />

Vanier ist ein Musher, also ein Lenker<br />

eines Hundeschlittens. Mit seinen 14<br />

Hunden startet er in Whitehorse in Kanada,<br />

und innerhalb von nur 12 Tagen<br />

abenteuert er im Rahmen des Rennens<br />

Yukon Quest ins 1600 Kilometer entfernte<br />

Fairbanks in Alaska. Man kann<br />

sich vorstellen, wie gross die Herausforderungen<br />

sind – denn bei aller Vorbereitung<br />

lässt sich vieles einfach nicht vorhersehen.<br />

Manche Hunde ziehen sich<br />

Verletzungen zu, einige müssen sogar<br />

an Auffangstationen zurückgelassen<br />

werden. Oder die Tiere wollen nicht<br />

richtig fressen. Und da das Rennen während<br />

der Nacht weitergeht, wird der<br />

Musher so hundemüde, dass er gar an<br />

Halluzinationen leidet.<br />

Ich habe schon viele Hundebücher gelesen,<br />

aber selten ist mir die Beziehung<br />

von Hund und Mensch so nahe gegangen<br />

wie hier. Nicolas ist sich immer bewusst,<br />

dass die Hunde nicht darum gebeten<br />

haben, an diesem Rennen<br />

teilzunehmen – und er unternimmt daher<br />

alles, damit der Spass am Laufen<br />

und das Vergnügen an dieser Reise für<br />

alle möglichst gross bleibt. Auch für uns<br />

Leserinnen und Leser!<br />

Tief beeindruckt,<br />

Christina<br />

Liebe Leute<br />

ABENTEUER YUKON<br />

QUEST<br />

Nicolas Vanier<br />

288 Seiten, CHF 32.90<br />

Malik<br />

Irre sportliche Leistungen sind ja gut<br />

und recht. Aber jetzt sollten wir Sesselhocker<br />

wieder in jenen Lebensraum zurückkehren,<br />

in dem wir uns heimisch<br />

fühlen: in jenen der Literatur! Vor etwas<br />

über einem Jahr veröffentlichte der<br />

Wiener Martin Thomas Pesl sein «Buch<br />

der Schurken». Darin widmete er den<br />

«100 genialsten Bösewichten der Literatur»<br />

je eine vergnügliche Doppelseite.<br />

Jetzt hat Pesl nachgelegt – gleich passend<br />

zu unserem Dossierthema: «Das<br />

Buch der Tiere» umfasst «100 animalische<br />

Streifzüge durch die Weltliteratur».<br />

Die Auswahl ist erneut so wunderbar beliebig<br />

– oder sagen wir: persönlich – wie<br />

beim Vorläufer, und die kurzen Betrachtungen<br />

des Autors sind auch diesmal so<br />

treffend wir süffisant. Erstaunlich, wo<br />

überall Tiere eine wichtige Rolle spielen:<br />

In «Hundert Jahre Einsamkeit»<br />

(Ameisen) ebenso wie im Alten Testament<br />

(Schlange), im Dekamaron (Falke)<br />

und bei Harry Potter (Hedwig!). Pesl<br />

porträtiert sie mit viel Freude und Einfallsreichtum.<br />

Ich tät mal sagen: Für Literaturprofessoren<br />

ist das nichts. Aber<br />

dem einfachen Lesevolk, zu dem ich<br />

mich gern zähle, bietet «Das Buch der<br />

Tiere» ein tolles Buffet mit mundgerechten<br />

Snacks!<br />

Mampfend,<br />

Marius<br />

DAS BUCH DER TIERE<br />

Martin Thomas Pesl<br />

244 Seiten, CHF 36.90<br />

Edition Atelier<br />

Liebe Tierentdecker, liebe Rachelle<br />

Auch ich durfte in die magische Welt der<br />

Katzen eintauchen. Ich las aber keinen<br />

Katzenratgeber, sondern eine Geschichte<br />

so wunderlich wie poetisch, dass ich<br />

dort jederzeit erholsame Ferien vom<br />

Alltag machen konnte.<br />

Mr. Widow verleiht Katzen. Rund 40 leben<br />

bei ihm zu Hause und können entliehen<br />

werden – zum Vorlesen, zur Inspiration,<br />

zum Spielen und so weiter.<br />

Laut Mr. Widow sollten eigentlich alle<br />

eine Katze haben. Denn Katzen heilen<br />

unsere seelischen Wunden und rücken<br />

unsere Perspektiven zurecht.<br />

Eines Nachts findet Mr. Widow in einer<br />

Mülltonne neben lauthals miauenden<br />

Kätzchen eine Frau. Sie nennt sich Nancy<br />

und bringt eine so dubiose wie gefährliche<br />

Vergangenheit mit. Wird die<br />

eigensinnige Magie von Mr. Widows<br />

Katzen reichen, um Nancys Schicksal<br />

zum Guten zu wenden?<br />

«Mr. Widows Katzenverleih» der deutschen<br />

Autorin Antonia Michaelis ist ein<br />

wundervoll märchenhafter Roman über<br />

Freundschaft, Liebe und Freiheit. Dabei<br />

bleibt die Erzählung stets am Boden der<br />

Tatsachen. Und wer schon einmal eine<br />

glücklich schnurrende Katze auf dem<br />

Bauch liegen hatte, weiss, dass die Magie<br />

der Katzen nichts als eine Tatsache<br />

ist.<br />

Verzaubert,<br />

Nena<br />

MR. WIDOWS<br />

KATZENVERLEIH<br />

Antonia Michaelis<br />

448 Seiten, CHF 28.90<br />

Droemer Knaur<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH


32<br />

DOSSIER<br />

33<br />

DOSSIER<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen<br />

Liebe Liebhaber domestizierter Tiere<br />

Ich muss gestehen: Ich bin leider kein<br />

grosser Freund von Haustieren; sie<br />

kommen mir vermenschlicht vor. Also<br />

ehrlich, «die Magie der Katzen»? Viel<br />

faszinierender finde ich ihre wilden und<br />

selbstbestimmten Pendants. Allerdings<br />

zugegebenermassen auch erst seit einer<br />

Woche, nämlich seit ich das Buch «Die<br />

Weisheit der Wölfe» von Elli H. Radinger<br />

gelesen habe.<br />

Die renommierte Wolfsexpertin klärt<br />

uns darin kurzweilig über das Verhalten<br />

der Wölfe auf, wie sie es in mehreren<br />

tausend Begegnungen beobachtet hat.<br />

Sie zeigt uns, dass der Wolf nicht einfach<br />

ein blutrünstiger Killer, sondern auch<br />

Familientier, Charakterkopf und Liebhaber<br />

ist. Die Autorin geht sogar so weit,<br />

Wölfe als «die besseren Menschen» zu<br />

bezeichnen, und sie versucht dann, aus<br />

dem Wolfsverhalten Lehren für den<br />

Menschen abzuleiten.<br />

Zugegebenermassen sind diese philosophischen<br />

Lehrstücke nicht wahnsinnig<br />

überzeugend, sie fallen gegenüber dem<br />

objektiv informativen Teil ab. Das ändert<br />

aber nichts daran, dass «Die Weisheit<br />

der Wölfe» gerade für euch Hundeverrückten<br />

eine sehr empfehlenswerte<br />

Lektüre ist – und dem Sprichwort «Der<br />

Mensch ist dem Menschen ein Wolf»<br />

eine unerwartet positive Wendung gibt.<br />

Es grüsst der Wolfsexperte<br />

Lukas<br />

DIE WEISHEIT DER<br />

WÖLFE<br />

Elli H. Radinger<br />

288 Seiten, CHF 29.90<br />

Ludwig<br />

Lukas, Lukas, ich bin natürlich entsetzt:<br />

Da herzt du meinen alten Hund jeden<br />

Mittag, wenn du Mitarbeiter im Studentenmodus<br />

ins Büro kommst – und jetzt<br />

erfahre ich, dass du Hunde gar nicht<br />

magst? Tss! Dann ärgere ich dich doch<br />

gern gleich mit noch einem Hundebuch,<br />

das erst noch eine echte Trouvaille<br />

ist: «Drei Mann in einem Boot». Wobei:<br />

So eine richtige Entdeckung ist<br />

dieser Roman von 1889 nicht. Schliesslich<br />

wurde er rund um den Globus schon<br />

millionenfach verkauft, und der Guardian<br />

setzte ihn auf einer Liste der «100<br />

besten Bücher aller Zeiten» auf Rang 25.<br />

Aber hey: Mir war das Buch bislang unbekannt,<br />

und das reicht mir natürlich<br />

völlig aus, um bereits von einer Trouvaille<br />

zu sprechen. Abgesehen davon<br />

hat Manesse den Roman gerade neu aufgelegt.<br />

Autor Jerome K. Jerome ist so etwas wie<br />

eine Mischung aus Mark Twain und Loriot.<br />

Gutgelaunt tut er so, als beschriebe<br />

er eine Bootsfahrt dreier Freunde auf<br />

der Themse. Tatsächlich ist der Ausflug<br />

aber nur die Kulisse für eine endlose Ansammlung<br />

von Abschweifungen, Anekdoten<br />

und geistreichen Gedankensplittern.<br />

Manchmal behaupten Kritiker ja,<br />

sie hätten beim Lesen lauthals lachen<br />

müssen – aber in meinem Fall ist das<br />

keine Behauptung, sondern die schlichte<br />

Wahrheit. Ein wenig erinnerte mich<br />

dieses sagenhaft lustige Werk an den<br />

noch viel berühmteren Roman «Tristram<br />

Shandy» von Laurence Sterne, den<br />

man wohl ohne rot zu werden als das sogar<br />

allerbeste Buch aller Zeiten bezeichnen<br />

kann.<br />

Ihr fragt euch nach meiner euphorischen<br />

Zusammenfassung: Wo ist der<br />

angedrohte Hund? Die Antwort ist einfach:<br />

Die drei Freunde werden von einem<br />

Terrier namens Montmorency begleitet,<br />

der es nun wirklich in sich hat.<br />

«Kann er sich irgendwo hineinzwängen,<br />

wo er besonders wenig zu gebrauchen<br />

ist, wo er hervorragend lästig sein,<br />

die Leute verrückt machen und sich alles<br />

Mögliche an den Kopf werfen lassen<br />

kann, dann hat er den Eindruck, sein<br />

Tag sei nicht umsonst gewesen.» Einen<br />

solchen Eindruck hatte ich auch – nach<br />

dieser Lektüre!<br />

Kichernd,<br />

Marius<br />

DREI MANN IN<br />

EINEM BOOT<br />

Jerome K. Jerome<br />

384 Seiten, CHF 31.90<br />

Manesse<br />

Bildgewaltige Tierwelt<br />

Tiere sind süss, faszinierend, manchmal beängstigend und etwas gruslig – oder einfach nur schön. Und<br />

aus all diesen Gründen eignen sie sich perfekt dafür, in Kunst und Fotografi e ins Bild gesetzt zu werden.<br />

TEXT: ERIK BRÜHLMANN<br />

«Die Watvögel Europas» mit faszinierenden Fotos von Lars Gejl und Nis Lundmark Jensen lässt keine Wünsche von Vogelfans offen.<br />

Tiere gehören zu den wohl ältesten<br />

Kunstmotiven. In der berühmten Höhle<br />

von Lascaux bei Montignac in Frankreich<br />

finden sich zum Beispiel Darstellungen<br />

von Auerochsen, Wildpferden,<br />

Hirschen und Bären, die vor rund 20'000<br />

Jahren gemalt wurden. Die alten Ägypter<br />

wiederum hinterliessen unzählige<br />

Darstellungen von Katzen, Käfern, Vögeln<br />

und Reptilien – mehr oder minder<br />

naturgetreu übertragen. Sehr fantasievoll<br />

gerieten Tierdarstellungen teilweise<br />

in Griechenland, Rom oder auch<br />

noch im europäischen Mittelalter. Da<br />

verschmelzen Löwe und Adler zum<br />

Greifen; Löwe, Ziege und Schlange zur<br />

Chimära; Pferd und Vogel zum Pegasus.<br />

Illustrierte Vogelwelten<br />

Je weiter die Naturwissenschaften voranschritten,<br />

desto wichtiger wurde es,<br />

die Tierwelt zu beobachten und mit zunehmender<br />

Genauigkeit abzubilden –<br />

Fotokameras gab es ja noch nicht. Vögel<br />

waren dabei stets beliebte Motive für<br />

Tierbeobachter, Künstler und Illustratoren.<br />

Zwar sitzen die Piepmätze nur selten<br />

lang genug an einer Stelle, um sie<br />

wirklich in Ruhe malen zu können.<br />

Doch ihr prächtiges Gefieder erlaubt<br />

Künstlerinnen und Künstlern, sich auf<br />

der ganzen Farbpalette auszutoben. Wie<br />

das aussehen kann, zeigt der Prachtband<br />

«Vögel – Geschichte und Meisterwerke<br />

der Vogelillustration» mit Beispielen<br />

aus der Bibliothek des Natural<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH


34<br />

DOSSIER<br />

35<br />

DOSSIER<br />

VÖGEL – GESCHICH-<br />

TE UND MEISTER-<br />

WERKE DER VOGEL-<br />

ILLUSTRATION<br />

Jonathan Elphick<br />

224 Seiten, CHF 69.90<br />

Haupt<br />

«Vom Leben der Tiere» – dank des hochwertigen Drucks und der eindrücklichen grossformatigen Bilder ein typisches Lieblingsbuch von Bibliophilen.<br />

History Museum in London. Neben einem<br />

historischen Überblick zeichnet<br />

das Buch auch die Entwicklung der Vogelillustration<br />

nach, angefangen von<br />

den fantasievollen Bildnissen des Mittelalters<br />

bis zu den modernen wissenschaftlichen<br />

Darstellungen. Als Bonus<br />

enthält die Schmuckbox 36 prächtige<br />

Drucke. Ein ideales Geschenk für Vogelund<br />

Kunstliebhaber sowie naturgeschichtlich<br />

Interessierte.<br />

Vom Pinsel zum Foto<br />

Die Erfindung der Fotokamera führte<br />

natürlich rasch dazu, dass auch Tiere<br />

abgelichtet wurden. In der Frühzeit der<br />

Fotografie blieben entsprechende Versuche<br />

allerdings meist unbefriedigend –<br />

zu lang waren die Belichtungszeiten, zu<br />

ungeduldig die tierischen Motive. Erst<br />

1906 veröffentliche «National Geographic»<br />

die ersten Tierfotografien. Heute<br />

kann man zwar mit fast jedem Handy<br />

ablichten, was kreucht und fleucht. Es<br />

braucht jedoch immer noch erfahrene<br />

und gut gerüstete Fotografen, um wirklich<br />

ausdrucksstarke und faszinierende<br />

Tierbilder zu schiessen.<br />

DIE WATVÖGEL<br />

EUROPAS<br />

Lars Gejl<br />

376 Seiten, CHF 59.90<br />

Haupt<br />

Die Welt der Watvögel<br />

Ein solcher ist Lars Gejl, wie sein Buch<br />

«Die Watvögel Europas» beweist. Watvögel<br />

heissen auch Regenpfeiferartige<br />

oder Limikolen. Sie sind fast überall auf<br />

der Welt anzutreffen, und die meisten<br />

von ihnen gehören zu den Zugvögeln. In<br />

Europa brüten 44 Watvogelarten, weitere<br />

38 aus Asien und Nordamerika sind<br />

zuweilen als Gäste bei uns anzutreffen.<br />

All diese Arten werden in diesem reich<br />

bebilderten Nachschlagewerk präzis<br />

beschrieben. 670 Fotos und 189 Silhouetten<br />

erfreuen Vogelliebhaber, über<br />

44 QR-Codes lassen sich die Vogelstimmen<br />

aufrufen. Aber das Buch ist mehr<br />

als nur ein Identifizierungswerk für Ornithologen,<br />

denn die Bilder sind auch<br />

eine wahre Freude für natur- und landschaftsfotografisch<br />

interessierte Menschen.<br />

Bedrohte Tiewelt<br />

Dass die Natur zuweilen brutal ist, dürfte<br />

sich herumgesprochen haben. Noch<br />

brutaler ist, wie der Mensch die Natur<br />

mutwillig oder auch fahrlässig verstümmelt.<br />

Auch hier sind Tierbilder gefragt –<br />

IN GEFAHR.<br />

BEDROHTE TIERE<br />

IM PORTRÄT<br />

Tim Flach, Jonathan Baillie<br />

336 Seiten, CHF 89.90<br />

Knesebeck<br />

einerseits, um auf Missstände aufmerksam<br />

zu machen, andererseits, um zu<br />

zeigen, was jeden Tag verloren geht.<br />

Immer mehr Tiere gelten als bedroht;<br />

unzählige stehen gar vor dem Aussterben.<br />

Das gilt für die bekannten Pandas<br />

und Tiger ebenso wie für die eher unbekannten<br />

Grottenolme und Baumhummer.<br />

Welch grosser Verlust jede ausgestorbene<br />

Tierart ist, zeigt das Buch «In<br />

Gefahr. Bedrohte Tiere im Porträt». Der<br />

britische Fotograf Tim Flach lässt mit<br />

seinen Nahaufnahmen das Herz jedes<br />

Tierfreunds höher schlagen; der renommierte<br />

Zoologe Jonathan Baillie<br />

sorgt mit seinen Texten dafür, dass das<br />

Buch eben nicht nur ein weiterer Tierbildband<br />

ist. Welchen Gefahren sind<br />

welche Tiere ausgesetzt? Und was unternehmen<br />

wir Menschen, um bedrohten<br />

Tieren zu helfen? In diesem prächtigen<br />

Buch erfährt man es.<br />

Hommage an Katzen<br />

Katzen zu verstehen, ist eine Kunst, die<br />

nicht jedem gelingt. Es ist sicher kein<br />

Zufall, dass die ägyptische Katzengöttin<br />

Bastet sowohl als zornige als auch als<br />

KATZEN IN<br />

DER KUNST<br />

Angus Hyland,<br />

Caroline Roberts<br />

160 Seiten, CHF 27.90<br />

DuMont<br />

VOM LEBEN DER<br />

TIERE. WIE SIE<br />

HANDELN, WAS SIE<br />

FÜHLEN<br />

Pablo Salvaje<br />

72 Seiten, CHF 29.90<br />

Prestel<br />

© Pablo Salvaje / Prestel<br />

zerstörerische, wütende Göttin dargestellt<br />

wird. Andererseits gibt es aber immerhin<br />

viele Künstler, die es verstehen,<br />

Katzen in ihrem Wesen zu erfassen und<br />

dieses Wesen auf Papier oder Leinwand<br />

zu bringen. Über 100 solcher künstlerischen<br />

Versuche sind im kleinen, aber<br />

feinen Band «Katzen in der Kunst» zusammengefasst.<br />

Da klaut die Katze in<br />

Sebastiano Lazzaris «Stilleben mit Katze»<br />

(ca. 1770) ein Stück Wurst vom Tisch;<br />

dort tragen die Katzen in Midori Yamadas<br />

modernen Gemälden stilsicher<br />

edles Weiss. Das pure Gegenteil ist Vania<br />

Zouravilovs «Scharze Katze» (2006). Und<br />

Paul Klee bringt in «Katze und Vogel»<br />

(1928) zwei Erzfeinde zusammen. Eine<br />

Katze führt zur nächsten, wie Ernest Hemingway<br />

einmal sagte – in diesem Buch<br />

ganz bestimmt!<br />

Künstlerisch und aufklärerisch<br />

wertvoll<br />

Ebenfalls einen künstlerischen Ansatz<br />

verfolgt der Spanier Pablo Salvaje, der<br />

vor allem für seine künstlerischen<br />

Drucktechniken bekannt ist. Auch er<br />

möchte mit «Vom Leben der Tiere. Wie<br />

sie handeln, was sie fühlen» mehr als<br />

nur ein «Bilderbuch» anbieten, und er<br />

beschäftigt sich deshalb in sieben Kapiteln<br />

mit Themen wie Liebe, Rhythmen,<br />

Überleben, Wandlung, Lebensraum,<br />

Wasser und Schätze. Die Texte sind<br />

kurz, prägnant und für Tierfreunde jeden<br />

Alters zu verstehen. Und die Illustrationen<br />

sind ebenso etwas für kunstaffine<br />

Menschen wie für Eltern, die ihren<br />

Sprösslingen die Welt der Tiere näher<br />

bringen möchten. Ein Buch, das ohne<br />

Hochglanz auskommt, dafür aber durch<br />

eine Menge Sinnlichkeit überzeugt.<br />

Aus «Vögel – Geschichte und Meisterwerke der Vogelillustration»:<br />

Graureiher, Raufussbussard, Nashornpelikan<br />

Das Buch «Katzen in der Kunst» ist eine einzige<br />

Hommage an die Stubentiger.<br />

Alle Bilder «Vogelillustrationen» © The Trustees of the Natural History Museum London<br />

Alle Bilder «Katzen in der Kunst» © Owen Smith, Sebastiano Racnhetti, Karen Hollingsworth<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH


36<br />

DEBAT TE<br />

37<br />

DEBATTE<br />

Simone, du hast «Der Junge auf dem Berg» mitgebracht,<br />

das neue Buch von John Boyne. Der irische Autor wurde<br />

mit der KZ-Geschichte «Der Junge im gestreiften Pyjama»<br />

weltberühmt. Der Titel der Neuerscheinung lässt<br />

eine Verbindung zum Bestseller vermuten ...<br />

Simone Wullschleger (SW): Ja, die gibt es: Beide<br />

Bücher erzählen die Geschichte eines Buben zur<br />

Nazizeit. Hier ist Pierrot die Hauptfigur. Der Sohn<br />

eines Deutschen und einer Französin wächst in den<br />

1930er-Jahren in Paris auf und wird zum Waisenkind.<br />

Erst lebt er bei einer jüdischen Familie, dann holt ihn<br />

seine Tante zu sich in das «Haus auf dem Berg» –<br />

das ist nichts weniger als die Sommerresidenz von<br />

Adolf Hitler am Obersalzberg, wo die Tante Haushälterin<br />

des Führers ist. Pierrot, der inzwischen Peter genannt<br />

wird, kommt bei Hitler gut an, und der Diktator<br />

indoktriniert den Buben nach und nach mit seinem<br />

Gedankengut. Bald wird Peter ein kleiner Tyrann auf<br />

dem Berghof, schliesslich verrät er gar seine eigene<br />

Familie.<br />

Ist das eine wahre Geschichte?<br />

SW: Nein, es ist eine fiktive Geschichte voller<br />

historischer Fakten.<br />

Bücher rund um Nazis und Holocaust gibt es unzählige.<br />

Ist das jetzt einfach noch ein Hitler-Roman mehr?<br />

Céline Tapis (CT): Wie gesagt, es gibt Parallelen<br />

zum «Jungen im gestreiften Pyjama» – auch formal,<br />

denn hier wie dort wird wenig Konkretes über den<br />

Schrecken der Nazidiktatur gesagt, dieser schwingt<br />

einfach mit. «Der Junge auf dem Berg» ist aber viel<br />

zeitloser als der Vorläufer. Es geht um eine ganz<br />

grundsätzliche Frage: Wie verändern wir uns, wenn<br />

wir mit Macht in Kontakt kommen? Pierrot wird durch<br />

die Anerkennung von Hitler zu einer völlig anderen<br />

Person. Das Thema der Beeinflussung durch einen<br />

charismatischen Menschen ist hochaktuell – wenn<br />

man etwa sieht, wie immer mehr Menschen rechten<br />

Politikern nachlaufen oder wie sich bislang unauffällige<br />

junge Männer zum IS locken lassen. John Boyne beschreibt<br />

den Prozess der Verwandlung sehr eindrücklich,<br />

wie es ganz allmählich zu einer Radikalisierung<br />

kommt. Am Ende denkt man: Wäre Pierrot in Paris<br />

geblieben, wäre alles anders herausgekommen. Ich<br />

kann mir gut vorstellen, dass gerade viele jugendliche<br />

Leserinnen und Leser durch dieses Buch wichtige Erkenntnisse<br />

gewinnen, dass sie eigene Werte hinterfragen<br />

und sich Gedanken darüber machen, wie sie sich<br />

in vergleichbaren Situationen verhalten würden.<br />

Wie ist es dir beim Lesen ergangen, Simone?<br />

SW: Es ist schlicht schockierend, wie sich Pierrot<br />

entwickelt. Ich war entsetzt, und dieses Buch liess<br />

Zwei<br />

Bücher<br />

zum<br />

Kaffee<br />

Was machen<br />

Buchhändlerinnen<br />

in einer Kaffeepause?<br />

Sie plaudern<br />

über Bücher. Zum<br />

Beispiel im Starbucks<br />

im Kramhof<br />

Zürich. Lesen<br />

hat sich dort zu<br />

Céline Tapis und<br />

Simone Wullschleger<br />

gesetzt.<br />

AUFZEICHNUNG:<br />

MARIUS LEUTENEGGER<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

mich nicht mehr los – ich konnte etwa zwei Wochen<br />

lang nichts anderes mehr lesen.<br />

Hast du es seit der Lektüre oft empfohlen?<br />

SW: Ja, an Bibliotheken, aber auch als Klassenlektüre<br />

– dafür eignet es sich super. Es gibt dazu Unterrichtsmaterialien.<br />

Ich empfehle das Buch aber auch<br />

Erwachsenen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen<br />

wollen, die eine andere Perspektive suchen als<br />

jene, die ein klassischer Historischer Roman bietet<br />

– und die sich mit dem Thema auseinandersetzen<br />

wollen, ohne dass sie zu viele Gewaltdarstellungen<br />

über sich ergehen lassen müssen.<br />

CT: Na, das Buch ist schon expliziter als «Der<br />

Junge im gestreiften Pyjama», aber dennoch verkraftbar.<br />

Zumindest von den Bildern her, die es heraufbeschwört<br />

– bezüglich Emotionen ist es allerdings harte<br />

Kost. Man verliert ein wenig den Glauben an den<br />

Menschen, wenn man es liest.<br />

Warum?<br />

SW: Es nimmt einem die Illusion.<br />

CT: Es lässt einen zumindest genauer hinschauen.<br />

Immerhin ist das Ende dann einigermassen versöhnlich.<br />

Das Buch zeigt auf, wie böse Menschen werden<br />

können – aber auch, dass man Einflüssen nicht komplett<br />

ausgeliefert ist.<br />

Céline, dein Buch für unsere Runde ist «Nichts als<br />

die Nacht» von John Williams. Der 1994 verstorbene<br />

US-Amerikaner wurde mit seinen drei Romanen «Stoner»,<br />

«Butcher’s Crossing» und «Augustus» posthum<br />

weltberühmt. «Nichts als die Nacht» ist das letzte Buch<br />

von ihm, das jetzt auch ins Deutsche übertragen wurde<br />

– obwohl es vor den drei anderen entstanden ist. Ich<br />

nehme an, Céline, du hast dieses Buch gewählt, weil es<br />

von John Williams stammt?<br />

CT: Ja. «Stoner» und «Butcher’s Crossing» haben<br />

mich absolut begeistert – «Augustus» habe ich noch<br />

nicht gelesen. Am meisten bewundere ich an Williams,<br />

dass er die Geschichte eines absolut gewöhnlichen<br />

Menschen mit einem belanglosen Leben erzählen<br />

kann – und man sie irrsinnig gern liest. Er verleiht<br />

dem Gewöhnlichen einen besonderen Reiz.<br />

SW: Mit geht es ähnlich. «Butcher’s Crossing» ist<br />

eines meiner Lieblingsbücher. Williams beschreibt<br />

das echte Leben auf packende Weise.<br />

CT: Allerdings muss ich zugeben, dass ich zu<br />

Beginn einige Mühe mit «Nichts als die Nacht» hatte.<br />

Das Buch ist geprägt von Flashbacks sowie traum- und<br />

rauschhaften Sequenzen; das erste Kapitel erzählt<br />

einen Traum, und ich verstand zunächst überhaupt<br />

nichts. Hauptfigur Arthur, anfangs 20, ist ein Student,<br />

der viel Zeit hat, sich herumtreibt und zu viel trinkt.<br />

Céline Tapis, 26, lebt in Bern. Nach der Matura absolvierte sie<br />

eine Buchhändlerlehre in Basel; sie hat Germanistik und Kulturmanagement<br />

studiert und arbeitet gegenwärtig zu 50 Prozent<br />

bei Stauffacher Bern.<br />

Das Buch beschreibt einen einzigen Tag in seinem Leben.<br />

Arthur erhält einen Brief von seinem Vater, von<br />

dem er schon lang nichts mehr gehört hat, und die<br />

beiden treffen einander am Abend im Restaurant. Die<br />

Konversation zwischen ihnen ist seltsam. Im Verlauf<br />

der Geschichte erfährt man allmählich, dass etwas<br />

Schlimmes mit der Mutter passiert ist. Im Restaurant<br />

stellt der Vater dann auch seine aktuelle Affäre vor,<br />

die der Mutter frappant gleicht. Arthur flüchtet in eine<br />

Bar und trifft dort auf eine schöne und rätselhafte<br />

Frau, die ihn abermals an seine Mutter erinnert.<br />

Das klingt eigentlich nach einem typischen Williams: eine<br />

ganz alltägliche Geschichte.<br />

SW: Man merkt sehr, dass der Autor beim Verfassen<br />

dieses Erstlings erst 22 Jahre alt war. Die Sprache<br />

ist noch nicht so ausgereift wie in den späteren Werken.<br />

«Nichts als die Nacht» ist dafür ein sehr leidenschaftliches<br />

Buch, und es beschäftigt sich mehr als die<br />

Nachfolger mit dem Innenleben.<br />

Das ist ja nichts Schlechtes.<br />

SW: Ja, aber zuweilen hat mich der Text auch ein<br />

wenig verstört, durch diesen Wechsel von traumhaften<br />

und realistischen Sequenzen. Ganz zu Beginn<br />

dachte ich noch: «Oh nein, das ist nicht, was ich<br />

erwartet habe.» Aber dann packte es mich doch.<br />

CT: Mich beeindruckt, was ein 22-Jähriger hier<br />

DER JUNGE AUF<br />

DEM BERG<br />

John Boyne<br />

304 Seiten, CHF 24.90<br />

Fischer KJB<br />

NICHTS ALS DIE<br />

NACHT<br />

John Williams<br />

160 Seiten, CHF 26.90<br />

dtv<br />

Simone Wullschleger, 24, lebt in Buchs. Nach der Matura machte<br />

sie die Lehre zur Buchhändlerin, weil «ich Bücher liebe, alle<br />

Bücher!» Heute arbeitet sie bei Orell Füssli Brugg und ist dort<br />

für Kinder- und Jugendbücher, fremdsprachige Literatur und<br />

DVDs zuständig.<br />

fertigbrachte. Williams schrieb das Buch im burmesischen<br />

Dschungel, während er sich von einem Flugzeugabsturz<br />

erholte. Ich glaube, diese Situation hat zur<br />

starken Intensität des Buchs beigetragen. «Nichts als<br />

die Nacht» ist sicher das leidenschaftlichste Werk von<br />

Williams.<br />

SW: Ja, da musste offenbar einfach etwas raus.<br />

Die Verwirrung von Arthur, der unter einem Trauma<br />

leidet, bringt Williams hervorragend herüber – und<br />

auch, wie Verdrängtes immer wieder mit Macht an die<br />

Oberfläche dringt.<br />

CT: Das Buch erinnerte mich etwas an «Der Fänger<br />

im Roggen» von J. D. Salinger – es beschreibt den<br />

Schwebezustand eines jungen Menschen, der noch<br />

keine Ahnung davon hat, wo sein Leben hinführt.<br />

Arthur trägt mit seinem entsetzlichen Trauma noch<br />

eine zusätzliche Bürde, welche die Identitätsfindung<br />

erschwert. Mir gefallen auch die Figuren, die auf- und<br />

abtauchen, und die düstere Stimmung. Man bekommt<br />

selber ein wenig das Gefühl, man sei betrunken. Kurzum:<br />

ein mitreissendes Buch!<br />

SW: Mich hat es auch sehr gepackt. Die Art, wie<br />

Williams Stimmungen schafft, ist toll. Mir gefällt<br />

auch, wie Arthur einmal sagt, er wolle sein Innenleben<br />

hinaus in die Welt kehren, damit die anderen in<br />

verstehen könnten. Das finde ich schon sehr interessant:<br />

Man kennt ja nur seine eigene Realität, aber<br />

dieses Buch bringt einem eine andere etwas näher.<br />

Nimm dir Zeit für<br />

die schönsten<br />

Seiten des Lebens<br />

Besuche auch unsere Starbucks Coffee Houses<br />

in den Orell Füssli Buchhandlungen<br />

im Kramhof und am Bellevue in Zürich.<br />

© 2017 Starbucks Coffee Company. All rights reserved.


38<br />

FILME<br />

39<br />

FILME<br />

Das Buch zum Film<br />

Literatur und Kino befruchten einander: Viele Filme basieren auf erfolgreichen Romanen – und mancher Kinoerfolg<br />

löst neues Interesse an der Buchvorlage aus. Wir zeigen, welche Stoffe alle Fans von guten Geschichten<br />

in den nächsten Monaten sowohl auf Papier als auch auf der Leinwand geniessen können.<br />

«Die kleine Hexe»<br />

© Zodiac Pictures<br />

DIE KLEINE HEXE<br />

Otfried Preussler<br />

128 Seiten, CHF 17.90<br />

Thienemann<br />

«Dieses bescheuerte Herz»<br />

© 2017 Constantin Film Verleih GmbH / Jürgen Olczyk<br />

TEXT: LUKAS TOBLER UND NENA MORF<br />

Die kleine Hexe ist gerade einmal 127 Jahre alt. Viel zu jung, um<br />

an der Walpurgisnacht teilzunehmen. Frech wie sie ist, setzt sie<br />

sich aber einfach darüber hinweg, schleicht sich ein – und wird<br />

erwischt. Als Strafe muss sie innerhalb eines Jahrs beweisen,<br />

dass sie eine gute Hexe ist. Dabei stösst sie auf ziemlich viel<br />

Widerstand.<br />

Die Bücher von Otfried Preussler sind längst Klassiker. Und auch<br />

auf der Leinwand haben seine Geschichten schon unzählige Besucherinnen<br />

und Besucher verzaubert, zuletzt in den Verfilmungen<br />

von «Krabat» und «Das kleine Gespenst». Dieselben Produzenten<br />

dieser beiden Filme haben sich jetzt auch «Die kleine Hexe»<br />

vorgenommen: ein Muss für alle Fans des berühmten Kinderbuchautoren.<br />

DIESES BESCHEUERTE<br />

HERZ<br />

Daniel Meyer, Lars Amend<br />

352 Seiten, CHF 28.90<br />

Fischer Krüger<br />

Der Bestseller «Dieses bescheuerte Herz» liess kaum jemanden<br />

unberührt. Das Buch erzählt die wahre Geschichte des 30-jährigen<br />

Lars und des 15-jährigen Daniel. Lars ist ein Lebemann,<br />

Daniel hingegen leidet unter einem schweren Herzfehler und<br />

weiss, dass er nicht mehr lang leben wird.<br />

Mit seinem eigenen Tod konfrontiert, hat Daniel eine Liste mit<br />

Dingen geschrieben, die er unbedingt noch erleben will. Ein<br />

fremdes Mädchen küssen zum Beispiel. Der doppelt so alte<br />

Lars hilft ihm dabei, diese Wünsche zu erfüllen. Es entsteht<br />

eine einzigartige Freundschaft zwischen den beiden Männern,<br />

und schliesslich schreiben sie ihre Erlebnisse gemeinsam auf.<br />

Jetzt hat die berührende Geschichte den Weg auf die Leinwand<br />

gefunden.<br />

KINOSTART: 1. FEBRUAR 2018<br />

KINOSTART: 21. DEZEMBER 2017<br />

© Ascot Elite<br />

SUBMERGENCE<br />

J. M. Ledgard<br />

208 Seiten, CHF 15.40<br />

Vintage<br />

© 2017 Twentieth Century Fox Film Corporation<br />

Der letzte Teil von «The Maze Runner» bringt uns in das tödlichste aller Labyrinthe.<br />

«Submergence»<br />

James Moore und Danielle Flinders finden sich im Roman «Submergence»<br />

von J. M. Ledgard in Grenzsituationen wieder. James<br />

Moore wird in Somalia von Jihadisten gefangen gehalten, Danielle<br />

Flinders betreibt vor den Küsten Grönlands Tiefseeforschung.<br />

Was die beiden verbindet, ist ein einziges Treffen und die Liebe,<br />

die sie seither füreinander empfinden und die beiden ein kleiner<br />

Hoffnungsschimmer in düsteren Zeiten ist.<br />

Das Buch des Schotten J. M. Ledgard wurde mit einer absoluten<br />

Starbesetzung verfi lmt. Die beiden Hauptrollen übernehmen<br />

Alicia Vikander und James McAvoy, Regie führt Wim Wenders.<br />

Zu hoffen bleibt, dass auch bald eine deutsche Übersetzung des<br />

Romans vorliegt, er von der New York Times als eines der «100<br />

Notable Books of 2013» gelistet wurde.<br />

KINOSTART: 15. FEBRUAR 2018<br />

DIE AUSERWÄHLTEN –<br />

IN DER TODESZONE<br />

James Dashner<br />

456 Seiten, CHF 28.90<br />

Carlsen<br />

«The Maze Runner:<br />

The Death Cure»<br />

Die dystopische Science-Fiction-Trilogie «The Maze Runner»<br />

ist ein internationaler Bestseller. Bei uns wurde sie als «Die<br />

Auserwählten» ein Grosserfolg. Nachdem die Trilogie in der<br />

Buchvorlage bereits seit längerem abgeschlossen ist, liegt jetzt<br />

bald auch der letzte Teil der dreiteiligen Verfi lmung vor: «The<br />

Death Cure».<br />

Das Finale der Serie handelt von der Flucht aus dem vielleicht<br />

tödlichsten aller bisher vorgekommenen Labyrinthe: der Last<br />

City. Die Herausforderung ist riesig. Aber wenn die Freunde alle<br />

Gefahren überwinden, werden sie vielleicht endlich Antworten<br />

auf die Fragen erhalten, mit denen sie seit Beginn der Trilogie<br />

konfrontiert sind.<br />

KINOSTART: 1. FEBRUAR 2018<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH


40<br />

ENGLISH BOOKS<br />

41<br />

ENGLISH BOOKS<br />

In English, please!<br />

Orell Füssli has many employees with a profound knowledge of English books. They love to<br />

share with you their love of English in “Lesen”: This time, Alma Baumgartner from Stauffacher<br />

in Berne recommends some exceptional books.<br />

AUTHOR: ERIK BRÜHLMANN<br />

THE WITCHWOOD<br />

CROWN<br />

Tad Williams<br />

736 pages, CHF 34.40<br />

Daw Books<br />

“Here’s a classic Tad Williams: epic fantasy that we hope<br />

will unfold into a four-book cycle. The Witchwood Crown<br />

begins a few decades after the events in Memory, Sorrow,<br />

and Thorn – the story cycle Williams concluded an almost<br />

unbelievable 24 years ago. So fans who have read this will<br />

encounter more than just a few well-known characters. But<br />

don’t worry, you can read and understand The Witchwood<br />

Crown without knowing the prequels. Simon is King of<br />

Osten Ard, and his wife, Miriamele, recently lost their child.<br />

Grandson Morgan is now heir to the throne, pampered and<br />

shepherded by the King and Queen while trying to fi nd his<br />

own way in life. Perhaps most terrifying of all, the Norns –<br />

the long-vanquished elvish foe – are stirring once again,<br />

preparing to reclaim the mortal-ruled lands that once were<br />

theirs ...<br />

Bookseller Alma Baumgartner, 31, is head of the<br />

English department at Stauffacher in Berne. “We are<br />

like a bookshop within a bookshop. We cater for<br />

all kinds of readers, from school kids to expats and<br />

the occasional celebrity – and that’s what makes<br />

working here so much fun!”<br />

“Turtle Alveston is only 14 years old. Her<br />

mother has died, her dad is all she has left,<br />

in the best and the worst sense of the word.<br />

She goes to school, but she doesn’t have any<br />

friends there. She lets nobody come too<br />

close, lest they should intrude in her daddy-centred<br />

world and shatter it. A possibility<br />

she could not possibly contemplate.<br />

Everything changes when Turtle meets Jacob<br />

and Brett, two high-school-boys who<br />

open up her world with their extrovert, joyful<br />

personalities. Suddenly Turtle wants her<br />

world to change – a fight that soon becomes<br />

an emotional and physical rollercoaster<br />

ride. And in the end …<br />

My Absolute Darling is Gabriel Tallent’s first<br />

novel. He worked on it for almost a decade.<br />

Every sentence, every word, every punctuation<br />

mark is placed with greatest care. Tallent<br />

grew up in Mendocino, California, and<br />

Gabriel Tallent: a huge talent!<br />

MY ABSOLUTE DARLING<br />

Gabriel Tallent<br />

432 pages,<br />

CHF 24.90<br />

Riverhead<br />

he chose to let his story take place in that<br />

area, too. But the story is not biographical –<br />

At least I hope not!<br />

The novel is far from an easy read, because<br />

it’s extremely dense and intense. At times<br />

Turtle’s sadness and hopelessness are almost<br />

too much to bear. The author is brutally<br />

honest when he presents Turtle’s emotional<br />

world, and to read of her love-hate<br />

relationship with her father, who abuses<br />

her, is heartbreaking. Sometimes it’s really<br />

hard not to put the book aside!<br />

It all changes when Jacob and Brett enter<br />

the scene – they’re the long-awaited silver<br />

lining for both Turtle and the reader. When<br />

the father disappears for a while I so hoped<br />

that this would be the end of him and that I’d<br />

never have to see him again. But he returns,<br />

of course, and brings another young girl<br />

with him. I won’t spoil the ending, but I will<br />

say that it too is absolutely intense. My Absolute<br />

Darling keeps readers suspended between<br />

a state of wanting to read on and quitting.<br />

The subject matter hits home in<br />

heartrending way, so readers need to be<br />

strong. With its intricately woven plot and<br />

masterful use of language, the novel is<br />

much more than your usual psycho thriller<br />

though readers of this genre might also<br />

want to pick this up. Highly recommended<br />

– it’s been quite a while since I’ve read a<br />

book as fascinating as this!”<br />

OUR YOUNG MAN<br />

Edmund White<br />

304 pages, CHF 18.90<br />

Bloomsbury UK<br />

LILLIAN BOXFISH<br />

TAKES A WALK<br />

Kathleen Rooney<br />

276 pages, CHF 19.90<br />

Daunt Books Publishing<br />

This novel has Tad Williams written all over it: from how<br />

the plot is constructed to the way the story is told and to<br />

the development of the characters. In other words: read it!”<br />

“Edmund White has been writing books for more than 40<br />

years. He is well-known for his gay literature, but Our Young<br />

Man is not only for lovers of this genre. White worked at<br />

Vogue for ten years, and this is clearly evident in his latest<br />

novel set in the glamorous fashion world of 1980s New<br />

York. Guy is a French model who relocates to the Big<br />

Apple. Curiously, he looks much younger than his years, so<br />

people take him for a teenager rather than a man in his<br />

early twenties.<br />

Dorian Gray immediately springs to mind, of course, and<br />

White cleverly plays with this connection. But unlike Dorian<br />

Gray, Guy doesn’t need a magical portrait to look young. In<br />

this book, seemingly insignifi cant details often end up being<br />

important for the bigger picture. The novel paints a<br />

humorous portrait of the world of fashion back in the day. It<br />

offers a glimpse into a life between disco glamour and aids.”<br />

“New York resident, Lillian Boxfi sh is 85 and feels like a<br />

change. It’s New Years Eve 1984 and rather than visiting her<br />

usual favorite restaurant, she decides to take a walk. It’s a<br />

trip down memory lane, visiting the places linked to her life<br />

– a walk through time and space. Once one of the highest<br />

paid women advertising executive, a well received poet she<br />

resigned from her career for the sake of starting a family.<br />

What I like about this book – apart from the lovely main<br />

character – is how author Kathleen Rooney succeeds in<br />

painting a vivid picture of the city and of life in it. Both are<br />

changing with time, readers feel like they’re right in the<br />

middle of it, seeing, tasting and smelling this vibrant,<br />

ever-changing New York. The novel covers all the<br />

important women’s issues from the last few decades – and<br />

will fi nd it’s target audience easily.”<br />

THE NEW YORK TIMES<br />

BESTSELLERS<br />

Combined Print and E-Book Fiction:<br />

1. J. D. Robb: Secrets in Death<br />

2. Kyle Mills: Enemy of the State<br />

3. John Le Carré: A Legacy of Spies<br />

4. Stephen King: It<br />

5. Christine Feehan: Dark Legacy<br />

Combined Print and E-Book<br />

Nonfi ction:<br />

1. Jeanette Walls: The Glass Castle<br />

2. Neil deGrasse Tyson: Astrophysics for<br />

People in a Hurry<br />

3. J. D. Vance: Hillbilly Elegy<br />

4. Kurt Andersen: Fantasyland<br />

5. Atul Gawande: Being Mortal<br />

English Books<br />

at Orell Füssli<br />

Customers at Orell Füssli love to read<br />

English books – and we are happy to provide<br />

them with what they want. English<br />

Departments carrying the entire range of<br />

fiction and nonfiction books can be found<br />

at the following Orell Füssli stores:<br />

• Orell Füssli Kramhof Zürich<br />

• Stauffacher Bern<br />

• Orell Füssli Loeb Bern<br />

• Orell Füssli Basel<br />

• Rösslitor St. Gallen<br />

A smaller selection of popular English<br />

books can also be found at most of our<br />

other stores. Please don’t hesitate to ask<br />

if you can’t find the book you are looking<br />

for. We are happy to find every available<br />

title for you. Do you prefer to shop online?<br />

There is an English books section on<br />

our website www.orellfüssli.ch as well.<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH


42<br />

BUCHTIPPS<br />

43<br />

BUCHTIPPS<br />

ALEXANDRA LAVIZZARI<br />

Und Harry?<br />

Eine Siebenjährige erlebt, wie<br />

ihr Vater erschossen wird. Im<br />

Garten eines Ferienhauses im<br />

Tessin findet sie ihn tot vor den<br />

Sträuchern, die er eben noch geschnitten<br />

hat. In der Hand hält<br />

er ein eigenartiges Holzpferdchen,<br />

das die Tochter reflexhaft<br />

einsteckt und der Polizei verheimlicht.<br />

Der Mord bleibt ungeklärt,<br />

das Trauma ihrer Kindheit<br />

lässt sie nicht mehr los.<br />

Längst erwachsen geworden,<br />

nimmt die Tochter von Basel aus<br />

die Ermittlungen wieder auf.<br />

Gibt es in Wales den entscheidenden<br />

Hinweis zu entdecken, wie<br />

ein altes Foto sie denken lässt?<br />

Und wer ist dieser Harry? Weiss<br />

er etwas, und wo ist er zu finden?<br />

Alexandra Lavizzaris dichter<br />

Roman um ein rätselhaftes Verbrechen<br />

ist ein hintergründiges<br />

Spiel mit den Gattungskriterien<br />

des Detektivromans.<br />

320 Seiten, CHF 35.90<br />

Zytglogge<br />

978-3-7296-0966-2<br />

PIERRE LEMAITRE<br />

Drei Tage und ein<br />

Leben<br />

Ende Dezember 1999 verschwindet<br />

im französischen Ort Beauval<br />

der sechsjähriger Rémi.<br />

Eine grosse Suchaktion wird gestartet,<br />

Nachbarn und Freunde<br />

durchkämmen den angrenzenden<br />

Wald nach Spuren des Knaben.<br />

Doch am dritten Tag fegt ein<br />

Jahrhundertsturm über das Dorf<br />

hinweg und zwingt die Einwohner<br />

zurück in ihre Häuser. Während<br />

dieser Tage bangt Antoine<br />

darum, entdeckt zu werden.<br />

Denn nur er weiss, was an jenem<br />

Tag wirklich geschah, und nur er<br />

könnte davon erzählen.<br />

Mit grosser Sensibilität spürt<br />

Pierre Lemaitre dem grausamen<br />

Schicksal seines jungen Protagonisten<br />

nach und stellt die Frage,<br />

wie es sich mit grosser Schuld<br />

leben lässt.<br />

272 Seiten, CHF 28.90<br />

Klett Cotta<br />

978-3-608-98106-3<br />

ANNE FRASIER<br />

Ich bin nicht tot<br />

Die US-amerikanische Bestsellerautorin<br />

Anne Frasier legt einen<br />

Thriller vor, der die Grenzen<br />

der Psyche auslotet. Drei Jahre<br />

lang war Detective Jude Fontaine<br />

in einer unterirdischen Zelle eingesperrt,<br />

sie hatte nur zu ihrem<br />

sadistischen Entführer Kontakt.<br />

Nach ihrer Flucht verspürt sie<br />

ein unstillbares Verlangen nach<br />

Gerechtigkeit. Obwohl ihre Kollegen<br />

an ihrer psychischen Gesundheit<br />

zweifeln, nimmt Jude<br />

ihre Arbeit in der Mordkommission<br />

wieder auf. Auch ihr neuer<br />

Partner, Detective Uriah Ashby,<br />

traut Judes Zurechnungsfähigkeit<br />

nicht, doch ein Mörder ist<br />

unterwegs und ermordet junge<br />

Frauen.<br />

Die Detectives haben keine<br />

Wahl: Sie müssen zusammenarbeiten,<br />

um den Psychopathen<br />

zu stellen, bevor er sein nächstes<br />

Opfer findet. Und niemand<br />

kennt sich mit Psychopathen so<br />

gut aus wie Jude ...<br />

400 Seiten, CHF 14.90<br />

Heyne<br />

978-3-453-43906-1<br />

DONATO CARRISI<br />

Der Nebelmann<br />

In einer Winternacht irrt der römische<br />

Sonderermittler Vogel<br />

mit blutbesudeltem Hemd durch<br />

die nebligen Wälder am Rand eines<br />

Dorfs. Dreissig Jahre zuvor<br />

waren hier mehrere Kinder verschwunden,<br />

und es besteht der<br />

dringende Verdacht, dass der<br />

Mörder von damals – im Dorf<br />

nur «Der Nebelmann» genannt –<br />

wieder aktiv geworden ist. Als<br />

Vogel aufgegriffen wird, gibt er<br />

an, einen Unfall gehabt zu haben.<br />

Doch das Blut auf seinem<br />

Hemd stammt nicht von ihm.<br />

Ein Psychiater wird gerufen, um<br />

ihn zu befragen. Vogel beginnt<br />

zu erzählen – und sein Bericht<br />

ist ungeheuerlich.<br />

Der italienische Autor Donato<br />

Carrisi studierte Jura und spezialisierte<br />

sich auf Kriminologie<br />

und Verhaltensforschung. Sein<br />

Thriller wurde in Italien über<br />

hunderttausend Mal verkauft.<br />

336 Seiten, CHF 28.90<br />

Atrium<br />

978-3-85535-016-2<br />

URS AUGSTBURGER<br />

Helvetia 2.0<br />

Dringt die unverwechselbare<br />

Stimme von Anders Droka zu<br />

nachtschlafender Zeit aus dem<br />

Äther, gehen die Herzen seiner<br />

Hörer auf. Nicht jedoch die der<br />

Berater, die ein grosses Geschäft<br />

aus der Digitalisierung machen<br />

wollen. Nachdem Droka eines<br />

Mords verdächtigt wird und<br />

aus Zürich fliehen muss, kontaktiert<br />

ihn Peter Bender, ein<br />

Jugendfreund. Dieser arbeitet<br />

mittlerweile für einen milliardenschweren<br />

Unternehmer und<br />

sorgt im Hintergrund dafür, dass<br />

ein Schweizer Medienhaus nach<br />

dem anderen in rechtskonservative<br />

Hände fällt. Nun greift<br />

Bender selber nach der Macht.<br />

Steckt er hinter dem Mord?<br />

Ein hochaktueller Schweiz-<br />

Thriller über die mafiösen Verflechtungen<br />

von rechtskonservativer<br />

Politik und digitalen<br />

Medien.<br />

300 Seiten, CHF 28.90<br />

Tropen<br />

978-3-608-50344-9<br />

THOMAS ELBEL<br />

Der Todesmeister<br />

Der Bestsellerautor legt mit<br />

«Der Todesmeister» seinen ersten<br />

Thriller um den Berliner Ermittler<br />

Viktor von Puppe vor.<br />

An der Oberbaumbrücke wird<br />

die Leiche eines jungen Mädchens<br />

angespült. Der Körper<br />

weist grausame Folter- und<br />

Missbrauchsspuren auf. Es<br />

handelt sich um die Nichte des<br />

Berliner Justizsenators, und sie<br />

scheint nicht das einzige Opfer<br />

ihres Peinigers zu sein: Im Internet<br />

tauchen Videos auf, in denen<br />

junge Frauen auf perverse Weise<br />

zu Tode gequält werden. Viktor<br />

von Puppe, frisch aus dem Innenministerium<br />

zum Berliner<br />

LKA gewechselt, steht unter<br />

Druck. Doch in höheren Kreisen<br />

scheint nicht jeder an einer Aufklärung<br />

interessiert zu sein ...<br />

512 Seiten, CHF 14.90<br />

Blanvalet<br />

978-3-7341-0414-5<br />

DAVID LAGERCRANTZ<br />

NACH STIEG LARSSON<br />

SPRECHER: DIETMAR WUNDER<br />

Verfolgung<br />

2013 entschieden der schwedische<br />

Originalverlag und Stieg<br />

Larssons Familie, den Bestsellerautor<br />

David Lagercrantz mit<br />

den Folgeromanen der Millennium-Reihe<br />

zu beauftragen. Nun<br />

heisst es wieder: Lisbeth Salander<br />

und Mikael Blomkvist gegen<br />

den Rest der Welt! Das Hörbuch<br />

wird von Dietmar Wunder gelesen,<br />

der unter anderen Robert<br />

Downey Jr. und Daniel Craig seine<br />

Stimme leiht.<br />

Lisbeth Salander, die eine kurze<br />

Strafe im Frauengefängnis Flodberga<br />

absitzt, gerät ins Visier der<br />

Anführerin der Insassinnen. Indessen<br />

hat ihr langjähriger Mentor<br />

Unterlagen zutage gefördert,<br />

die neues Licht auf ihre Kindheit<br />

und die Behörden werfen. Salander<br />

bittet Mikael Blomkvist,<br />

sie bei der Recherche zu unterstützen.<br />

MP3-CD, 10 Stunden<br />

Laufzeit, CHF 35.90<br />

Random House Audio<br />

9783837138832<br />

STEPHEN KING, OWEN KING<br />

SPRECHER: DAVID NATHAN<br />

Sleeping Beauties<br />

In einer spektakulären Vater-<br />

Sohn-Zusammenarbeit entfesseln<br />

Stephen und Owen King<br />

eine katastrophale Endzeitvision:<br />

Was wäre, wenn die Frauen<br />

einfach aus dieser Welt verschwinden<br />

würden?<br />

In einer Zukunft, die so real und<br />

nah ist, dass sie unsere Gegenwart<br />

sein könnte, passiert etwas,<br />

wenn die Frauen einschlafen:<br />

Sie werden in eine Art Kokon<br />

eingewoben. Weckt man sie<br />

auf oder versucht man, den Kokon<br />

zu entfernen, werden sie<br />

zu brutalen Bestien; und während<br />

sie schlafen, gehen sie an<br />

einen anderen Ort. Eine Frau,<br />

die mysteriöse Evie, ist jedoch<br />

immun gegen die Schlafkrankheit.<br />

Ist Evie eine medizinische<br />

Anomalie, die studiert werden<br />

sollte? Oder ist sie ein Dämon,<br />

der getötet werden muss? Das<br />

Hörbuch wird gelesen von David<br />

Nathan, einem der gefragtesten<br />

Hörbuchsprecher im deutschsprachigen<br />

Raum.<br />

MP3-CD, 15 Stunden<br />

Laufzeit, CHF 36.40<br />

Random House Audio<br />

9783837139822<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH


44<br />

Kinderwelt<br />

© Carlsen © Carlsen<br />

45<br />

Kinderwelt<br />

Das pra e<br />

Leben<br />

Diesmal stellen wir in unserer Kinderbuch-Rubrik drei Bücher vor,<br />

die ausnahmsweise keinen thematischen Zusammenhang haben.<br />

Dennoch verbindet sie etwas: Unsere Kinderbuch-Fachfrau Pia Allenspach<br />

von der Buchhandlung Rösslitor in St. Gallen ist von allen drei<br />

Neuerscheinungen restlos begeistert!<br />

«Die US-amerikanischen Autorin Cynthia Rylant hat<br />

schon über 100 Kinderbücher verfasst und unzählige<br />

Preise eingeheimst. Ihr neuestes Werk heisst<br />

‹Leben› und ist alles andere als ein typisches Kinderbuch.<br />

Es führt die kleinen und grossen Betrachterinnen<br />

und Betrachter anhand des Lebens der Tiere<br />

durch die Höhen und Tiefen der Existenz. Die Illustrationen<br />

von Brendan Wenzel finde ich herrlich plakativ,<br />

stimmungsvoll und lebhaft. Das Buch ist zuweilen<br />

AUFZEICHNUNG: MARIUS LEUTENEGGER<br />

Leben<br />

Cynthia Rylant (Text), Brendan<br />

Wenzel (Illustrationen)<br />

ab 4 Jahren<br />

48 Seiten, CHF 21.90<br />

NordSüd<br />

richtig philosophisch, aber auf eine Weise, die selbst<br />

kleinen Kindern zuzutrauen ist – dadurch bietet es unendlich<br />

viele Impulse für Gespräche mit ihnen. Was<br />

macht einen traurig? Was ist toll am Leben? Gerade in<br />

schwierigen Situationen ist das Buch bestimmt eine<br />

gute Hilfe, um mit den Kindern über ihre Empfindun-<br />

gen zu plaudern. Ich empfehle dieses schöne Werk<br />

aber auch als Geschenk für Erwachsene, denn wir<br />

alle haben ja etwas davon, wenn wir uns Gedanken<br />

zum Leben machen.<br />

In «Pelle und Pinguine» von Henning Callser muss Papa Eisbär nach Süden ziehen,<br />

um für seinen Sohn einen Singvogel zu finden. Kein einfaches Unterfangen!<br />

Mein zweiter Tipp ist ‹Pelle und Pinguine – Kein lem, sagt Papa Eisbär› von Henning Callser. Der kleine<br />

Eisbär Pelle hat zu nichts Lust, er liegt nur in seiner<br />

Höhle und seufzt vor sich hin. Sein Vater ist darüber<br />

ratlos, die Mutter verzweifelt. Sie schickt Papa Eisbär<br />

los, beim weisen Walross einen Ratschlag zu holen.<br />

Dieser lautet: Pelle braucht einen Singvogel, der sein<br />

Herz mit Vogelgezwitscher erfüllt und ihn wieder froh<br />

macht! Sofort reist Papa Eisbär Richtung Süden. Doch<br />

Pelle einen Vogel zu beschaffen, der für ihn singt, er-<br />

Probweist<br />

sich als viel schwieriger als gedacht.<br />

Das Buch ist wunderbar frech und eignet sich ideal<br />

zum Vorlesen – denn dank der vielen Situationskomik<br />

haben auch Erwachsene ihren Spass daran. Mama<br />

Eisbär hat eindeutig die Hosen an, und Papa Eisbär<br />

beweist ausnehmend viel Engagement bei seinen Unternehmungen,<br />

die zunächst fast immer schief gehen!<br />

Pe e und Pinguine –<br />

Kein Problem,<br />

sagt Papa Eisbär<br />

Henning Callser<br />

ab 5 Jahren<br />

120 Seiten, CHF 19.90<br />

Hanser<br />

Pia Allenspach, 40, betreut die<br />

Kinder- und Jugendabteilung in<br />

der Buchhandlung Rösslitor in St.<br />

Gallen. «Als ich mit 15 Jahren die<br />

Lehre zur Buchhändlerin begann,<br />

las ich gern Jugendbücher – und<br />

ich bin diesem Genre bis heute<br />

treu geblieben», sagt die Romanshornerin.<br />

«Der Bereich ist sehr<br />

dankbar, denn viele Kundinnen<br />

und Kunden stehen der riesigen<br />

Menge an Neuerscheinungen<br />

etwas hilflos gegenüber und sind<br />

froh, wenn man sie auf die Rosinen<br />

hinweist!»<br />

Eine grossartige Inspirationsquelle für Gespräche mit Kindern: «Leben» von Cynthia Rylant mit Illustrationen von Brendan Wenzel.<br />

© NordSüd<br />

Der weltbeste Detektiv<br />

Caroline Carlson<br />

ab 10 Jahren<br />

320 Seiten, CHF 21.90<br />

Ueberreuther<br />

Auch noch einen Tipp gefällig für ältere Kinder, die selber lesen? Bitte:<br />

‹Der welt-<br />

beste Detektiv› von Caroline Carlson. Vom etwas unattraktiven Cover sollte man<br />

sich nicht abschrecken lassen, denn die Geschichte ist wirklich toll. Der Waisenbub<br />

Toby lebt bei seinem Onkel Gabriel in der Schnüfflergasse. Wie alle in dieser Gasse<br />

versucht der Onkel als Detektiv sein Geld zu verdienen. Leider aber gibt es einfach<br />

zu viele Detekteien und zu wenig ungeklärte Fälle. Die Geschäfte laufen schlecht,<br />

und Toby hat Angst, sein Zuhause zu verlieren. Darum meldet er sich heimlich bei<br />

einem Wettbewerb um die Nachfolge des legendären Detektivs Hugo Abercrombie<br />

an. Als Preis winken 10’000 Pfund und der Titel ‹weltbester Detektiv›. Gemeinsam<br />

mit Ivy, einer furchtlosen Nachwuchsdetektivin, steigt Toby ins Rennen. Doch dann<br />

geschieht ein echter Mord. Der Tote: Hugo Abercrombie ...<br />

Diese Abenteuergeschichte ist ein einziges Lesevergnügen voller Spannung, witziger<br />

Einfälle und skurriler Figuren. Die Protagonisten nehmen einen sofort für sich<br />

ein. Toby ist eher zurückhaltend, Ivy dafür extrem vorlaut. Die Geschichte spielt zwar<br />

zu Sherlock-Holmes-Zeiten, der Plot ist klassisch mit einem zu lösenden Rätsel, die<br />

Figuren aber sind alles andere als altertümlich – und die Sprache hat auch nichts<br />

Altbackenes. So macht Lesen richtig Spass!»<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

© Ueberreuther<br />

Toby wäre gern der weltbeste Detektiv.<br />

Ob er das Zeug dazu hat, kann er<br />

schon bald beweisen – im Buch von<br />

Caroline Carlson.


46<br />

KOCHEN<br />

47<br />

KOCHEN<br />

Freude vor und nach<br />

dem Kochen<br />

Ein Genre, das mit besonders vielen prächtigen Neuerscheinungen besticht, ist jenes des Kochbuchs.<br />

Viele Kochbücher sind Kulturführer, Sachbuch und Bildbände in einem – und eignen sich rund ums<br />

Jahr auch als hochwertige Geschenke. Wir stellen einige herausragende neue Titel vor.<br />

CHINA – Das Kochbuch<br />

Kei Lum Chan,<br />

Diora Fong Chan<br />

720 Seiten, CHF 51.90<br />

Phaidon<br />

TEXT: LUKAS TOBLER UND MARIUS LEUTENEGGER<br />

Originelles Rezept aus «Honig – Das Kochbuch»: Honig-Schwarzwurzeln mit Salbei-Zitronen-Sauce.<br />

Chinesische Restaurants und Take-Aways findet man<br />

an jeder Ecke. Wer aber meint, dank der überall angebotenen<br />

Sweet-and-Sour-Pfannen und Szechuan-Poulets<br />

die chinesische Küche zu kennen, hat weit gefehlt.<br />

Eindrücklich vor Augen führt uns dies das<br />

schöne 700-seitige Werk «China. Das Kochbuch». Das<br />

chinesische Autorenduo Kei Lum Chan und Diora<br />

Fong Chan hat dafür 650 authentische Rezepten aus<br />

ganz China zusammengetragen. Sie alle sollen sich<br />

dafür eignen, zuhause nachgekocht zu werden. Dieses<br />

Versprechen ist allerdings mit Vorsicht zu geniessen<br />

– die «Weichschildkröte mit Huhn» zum Beispiel<br />

könnte auch für ambitionierte Hobbyköche schwierig<br />

umzusetzen sein. Wer aber Lust hat, seinen Horizont<br />

über die Standards hinaus zu erweitern, wird hier definitiv<br />

fündig – und lernt damit nicht nur die regionale<br />

Kulinarik des Lands, sondern auch einen wichtigen<br />

Teil dessen Kultur kennen.<br />

Ferien zwischen Buchdeckeln<br />

Italien gilt als das Belpease, und für Menschen, die<br />

Kultur, grossartige Landschaften, ein angenehmes<br />

Leben und eine hervorragende Küche mögen, zählt es<br />

wohl zu den Paradiesen auf unserem Globus. Zumal<br />

das Land in Stiefelform auch mit einer enormen Vielfalt<br />

trumpft. Zu den allerschönsten unten den schönen<br />

Gegenden zählt die Amalfiküste. Schon Goethe<br />

schwärmte von diesem «Land, in dem die Zitronen<br />

blühen», und die Begeisterung für den Landstrich<br />

zwischen Neapel und Salerno ist seither ungebrochen.<br />

Weiter ankurbeln dürfte sie das schöne Kochbuch<br />

«Neapel und die Amalfiküste». Autorin Tara Stevens<br />

stellt neben den Klassikern der Gegend, in der<br />

die Pizza erfunden wurde, auch hierzulande eher unbekannte<br />

Gerichte wie etwa das gefüllte Osterbrot<br />

«Tortano del matese» vor. Ergänzt werden die vielen<br />

gut erläuterten Rezepte durch Informationen über<br />

die typischen Zutaten der Region – und durch wunderschöne<br />

Bilder der Gegend.<br />

Endlich! Endlich!<br />

Hat jemand gesagt, was im oberen Abschnitt über Italien<br />

stehe, lasse sich ebenso gut auf Frankreich münzen?<br />

Das bestreitet hier niemand. Die französische<br />

Küche ist aus gutem Grund eine der berühmtesten<br />

der Welt. Dazu trug erstaunlicherweise eine Amerikanerin<br />

bei: Julia Child. Das Leben der passionierten<br />

Köchin wurde vor einigen Jahren gar verfilmt, mit<br />

NEAPEL UND DIE<br />

AMALFIKÜSTE<br />

Tara Stevens<br />

272 Seiten, CHF 42.90<br />

Phaidon<br />

FRANZÖSISCH<br />

KOCHEN<br />

Julia Child<br />

700 Seiten, CHF 61.90<br />

Echtzeit<br />

YUMMY BOOKS!<br />

In 50 Rezepten durch die<br />

Weltliteratur<br />

332 Seiten, CHF 24.90<br />

Suhrkamp<br />

HONIG – Das Kochbuch<br />

Eva Derndorfer,<br />

Elisabeth Fischer<br />

240 Seiten, CHF 49.90<br />

Brandstätter<br />

Meryl Streep in der Hauptrolle. Erstaunlicherweise<br />

war Childs 1961 erstmals erschienenes Standardwerk<br />

«Mastering the Art of French Cooking» auf Deutsch<br />

aber noch nie zu haben. Der Echtzeit-Verlag hat diese<br />

eigenartige Lücke nun endlich geschlossen. Endlich<br />

können also auch wir herausfinden, warum «Mastering<br />

the Art of French Cooking» eines der einflussreichsten<br />

Kochbücher der Geschichte ist: weil Child<br />

darin leicht verständliche Rezepte vereint, die sowohl<br />

authentisch als auch massentauglich sind.<br />

Koch-Kultur mal zwei<br />

Wer gern gute Bücher liest, ist in der Regel auch dem<br />

guten Essen nicht abgeneigt. Literaturinteressierte<br />

dürfte daher ihre helle Freude an «Yummy Books! In<br />

50 Rezepten durch die Weltliteratur» von Cara Nicoletti<br />

haben. Die leseverrückte New Yorkerin hat 50 Rezepte<br />

von Gerichten, die in ihren Lieblingsbüchern<br />

vorkommen, zusammengetragen. Dazu zählen Luxusgerichte<br />

wie «Austern mit Gurken-Mignonette»<br />

aus «Anna Karenina» ebenso wie das kontextbedingte<br />

eher etwas bescheidene «Schwarzbrot mit Roggenmehl»<br />

aus «Les Misérables». Jedes Gericht ergänzt die<br />

Autorin mit einem kurzen persönlicher Text, in dem<br />

sie anekdotisch ihre Erinnerung an die Lektüre teilt<br />

und den Unwissenden erklärt, wo genau das genannte<br />

Gericht vorkommt. Das macht «Yummy Books!» zu einem<br />

wirklich unterhaltsamen Buch und tröstet locker<br />

über den Makel hinweg, dass nur ein Teil der Rezepte<br />

wirklich Lust aufs Kochen macht.<br />

Mehr als Honig-Rezepte<br />

Wer sich weniger für Kultur als für kultivierte Natur<br />

interessiert, greift besser zu «Honig. Das Kochbuch»<br />

von Eva Derndorfer und Elisabeth Fischer. Der Titel<br />

ist Programm: Auf über 200 Seiten dreht sich hier alles<br />

um das Lebenswerk der Bienen. Die präsentierten Rezepte<br />

sind ebenso überraschend wie reizvoll und bieten<br />

Experimentierfreudigen eine ganze Palette an<br />

Inputs, zum Beispiel die «in Honig-Gin gebeizte<br />

Lachsforelle» oder die «Waldhonig-Teriyaki-Sauce».<br />

Die Bezeichnung Kochbuch greift in diesem Fall aber<br />

zu kurz, denn neben den Honig-Rezepten findet man<br />

einen Bienenstock voller Informationen rund um die<br />

Insekten und ihr klebrig-süsses Lebensmittel. «Honig»<br />

lässt neugierigen Köchinnen und Bienen-Interessierten<br />

keine Wünsche offen.<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH


48<br />

BUCHTIPPS<br />

49<br />

GEKAUFT!<br />

Wir fragen Kundinnen und Kunden an der Kasse der Filiale von Orell Füssli<br />

in Brugg: Was haben Sie gerade kauft – und warum?<br />

AUFZEICHNUNG UND FOTOS: ERIK BRÜHLMANN<br />

RUDI BEISER<br />

Baum und Mensch<br />

Heilkraft, Mythen<br />

und Kulturgeschichte<br />

unserer Bäume<br />

Menschen und Bäume – sie stehen<br />

seit Jahrtausenden in einer<br />

besonderen Beziehung. Bäume<br />

waren nicht nur Bau- und Brennholz.<br />

Sie spendeten Medizin,<br />

Nahrung und Schutz und waren<br />

Inspiration für Erleuchtungen<br />

und Wohnsitz der Götter und<br />

Geister. Der Autor Rudi Beiser<br />

beleuchtet 34 unserer wichtigsten<br />

Baumarten und unternimmt<br />

eine spannende Reise durch<br />

Wald- und Kulturgeschichte,<br />

Mythen und Legenden, Brauchtum<br />

und Heilkunde. Zudem<br />

verrät der Autor besondere Rezepte<br />

zu Baum-Heilmitteln und<br />

Baum-Genüssen.<br />

Rudi Beiser beschäftigt sich seit<br />

rund 40 Jahren mit Heilkräutern<br />

und Wildpflanzen. 20 Jahre lang<br />

betrieb der heutige Dozent die La<br />

Luna Kräutermanufaktur, in der<br />

er hochwertige Kräutertees in<br />

Demeter-Qualität produzierte.<br />

256 Seiten, CHF 41.90<br />

Ulmer Eugen<br />

978-3-8186-0072-3<br />

MARIANNE KÜNZLE<br />

Uns Menschen in<br />

den Weg gestreut<br />

Die Spanische Grippe fordert<br />

1919 weltweit Millionen von<br />

Menschenleben, auch in der<br />

Schweiz sterben Tausende. Nur in<br />

der St. Gallischen Pfarrgemeinde<br />

Wangs stirbt niemand – hier trinken<br />

alle eine von Johann Künzle<br />

angefertigte Teemischung. Neben<br />

seiner Tätigkeit als Pfarrer<br />

nutzt Johann Künzle sein immenses<br />

Wissen über Pflanzen,<br />

um Kranke mit Kräuteranwendungen<br />

zu behandeln. Dank ihm<br />

wird das Kräutersammeln in der<br />

armen ländlichen Gemeinde<br />

zum florierenden Geschäft, viele<br />

Dorfbewohner finden ein zusätzliches<br />

Auskommen.<br />

Der sorgfältig recherchierte<br />

biographische Roman «Uns<br />

Menschen in den Weg gestreut»<br />

beleuchtet das Schaffen des<br />

Kräuterpfarrers und zeichnet<br />

zugleich ein vielschichtiges Bild<br />

der politischen Debatte, die der<br />

umtriebige Pfarrer ausgelöst hat.<br />

351 Seiten, CHF 37.90<br />

Zytglogge<br />

978-3-7296-0952-5<br />

HERBERT ADRIAN ORTNER<br />

Die Birke<br />

Dieser umfassende Band über<br />

die Birke vernetzt Disziplinen<br />

wie Botanik, Naturheilkunde<br />

und Forstwissenschaft. Aspekte<br />

aus der Etymologie, Religion<br />

und Geschichte werden ebenso<br />

unterhaltsam erläutert wie die<br />

forstwirtschaftliche Nutzung<br />

und Verwendungsmöglichkeiten<br />

der Birke. Eindrucksvolle<br />

Bilder begleiten die Leserinnen<br />

und Leser auf einen so informativen<br />

wie unterhaltsamen<br />

Streifzug, der manches Geheimnis<br />

lüftet: Warum war der Weihnachtsbaum<br />

ursprünglich eine<br />

Birke? Weshalb reiten Hexen auf<br />

Birkenbesen?<br />

Herbert Adrian Ortner greift auf<br />

überliefertes Fachwissen, aktuelle<br />

wissenschaftliche Studien<br />

und eigene berufliche Erfahrung<br />

zurück. Der Bogen spannt<br />

sich von global verbreiteten<br />

Birkenarten bis hin zur anthroposophischen<br />

und chinesischen<br />

Medizin.<br />

288 Seiten, CHF 38.90<br />

ott<br />

978-3-7225-0147-5<br />

CLAIRE SCULLY, JACOPO PASOTTI<br />

Geliebte Alpen,<br />

gefährdete Alpen –<br />

Ausmalen,<br />

entdecken, schützen<br />

In enger Kooperation mit dem<br />

WWF Schweiz hat die renommierte<br />

Künstlerin Claire Scully<br />

50 der meistgefährdeten Tiere,<br />

Pflanzen und Landschaften der<br />

Alpen zusammengestellt. In diesem<br />

Malbuch werden diese schön<br />

gestalteten Objekte grossformatig<br />

dargestellt – und mit wichtigen<br />

Hintergrundinformationen<br />

versehen.<br />

Der erfahrene Umweltjournalist<br />

Jacopo Pasotti ergänzt die Zeichnungen<br />

mit sorgfältig recherchierten<br />

Texten auf Deutsch,<br />

Englisch, Französisch und Italienisch.<br />

Er hilft den Leserinnen<br />

und Lesern zu verstehen, was die<br />

Motive derart einzigartig macht<br />

und warum sie bedroht sind. Wer<br />

dieses so ansprechende wie spannende<br />

Buch kauft, unterstützt damit<br />

den Einsatz des WWF Schweiz<br />

in den Alpen.<br />

112 Seiten, CHF 27.90<br />

Bergli Books<br />

978-3-03869-028-3<br />

Lea Meier, 43,<br />

Würenlingen<br />

«Die CD ist ein Geschenk<br />

für die Freundin<br />

meiner Tochter.<br />

Diese hat Geburtstag,<br />

und da meine Tochter<br />

die Bücher liest, fand<br />

sie die CD ein ideales<br />

Geschenk.»<br />

Mein Lotta-Leben.<br />

Der Schuh des Känguru<br />

Alice Pantermüller<br />

90 Minuten, CHF 17.90<br />

JUMBO Neue Medien<br />

Andi Stur, 55, Brugg<br />

«Ich lebte in Schottland, meine<br />

Frau stammt aus Schottland – da<br />

fand ich, der Kalender sei ideal<br />

für die Küche.»<br />

Scotland 2018<br />

CHF XX.XX<br />

teNeues<br />

Felix Altorfer, 52,<br />

Freienwil<br />

«Das Buch<br />

ist ein Geschenk zum<br />

85. Geburtstag meiner<br />

Mutter. Sie interessiert<br />

sich für Maria Theresia,<br />

und das Buch ist für<br />

sie vom Umfang her zu<br />

bewältigen.»<br />

Maria Theresia.<br />

Die Macht der Frau<br />

Élisabeth Badinter<br />

304, Seiten, CHF 36.90<br />

Zsolnay<br />

Hanni Schiegg, 68, Hausen AG<br />

«Ich mag solche Sagas!<br />

Ich habe nun die ersten<br />

drei Bände gekauft,<br />

drei weitere warten<br />

noch.»<br />

Spiel der Zeit<br />

Jeffrey Archer<br />

560 Seiten, CHF 14.90<br />

Heyne<br />

Martina Meinecke, 50, Brugg<br />

«Wir reisen in den Herbstferien<br />

mit der ganzen Familie nach<br />

Madrid – das erste Mal!»<br />

MERIAN momente Reiseführer Madrid<br />

Thomas Büser<br />

192 Seiten, CHF 24.90<br />

Travel House Media<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH


50<br />

BUCHTIPPS<br />

51<br />

ILLETRISMUS<br />

Per Kurzgeschichte nach Santa Fe<br />

Zusammen mit dem Zürcher Verlag Nagel & Kimche hat Orell Füssli einen Schreibwettbewerb<br />

ausgerichtet. Hauptpreis: ein Schreibseminar bei der Bestseller-Autorin Milena Moser in den USA.<br />

TEXT: ERIK BRÜHLMANN<br />

PAPST FRANZISKUS<br />

Das Glück in<br />

diesem Leben<br />

Nächstenliebe, Vertrauen, Brüderlichkeit<br />

und Demut: Für Papst<br />

Franziskus führen diese grundlegenden<br />

christlichen Werte zum<br />

eigenen Glück. In der heutigen<br />

Gesellschaft werden sie allerdings<br />

viel zu oft vernachlässigt.<br />

Papst Franziskus zeigt uns am Bespiel<br />

der Lebensgeschichte Jesu<br />

und anderer christlicher Texte,<br />

dass es nicht ums Besitzen geht,<br />

sondern ums Sein. Und nur indem<br />

wir die inneren Werte leben,<br />

können wir das Glück im Leben<br />

finden.<br />

Papst Franziskus wurde 2013 zum<br />

266. Oberhaupt der katholischen<br />

Kirche gewählt. Er ist der erste<br />

Jesuit und der erste Lateinamerikaner<br />

auf dem Stuhl Petri. Zuvor<br />

war er Erzbischof von Buenos<br />

Aires.<br />

288 Seiten, CHF 19.90<br />

Kösel<br />

978-3-466-37217-1<br />

DANIEL PITTET<br />

Pater, ich vergebe<br />

Euch!<br />

Vier Jahre lang wurde Daniel<br />

Pittet vom Kapuziner-Priester<br />

Pater Joël misshandelt, zu pornografischen<br />

Fotos gezwungen<br />

und immer wieder vergewaltigt.<br />

In seinem Buch beschreibt Pittet<br />

sein Martyrium in allen Details.<br />

Der Bericht schockiert und wirft<br />

Fragen auf: Warum hat niemand<br />

geholfen? Wie kann ein Mensch<br />

so etwas tun? Und noch mehr:<br />

Wie kann ein Mensch so etwas<br />

überleben?<br />

Pittets Geschichte ist nicht nur<br />

die Geschichte eines unmenschlichen<br />

Leidens, sondern auch<br />

die einer unglaublichen Stärke.<br />

Denn er hat seinen Glauben<br />

nicht verloren und seinem Peiniger<br />

sogar vergeben. Sein Buch<br />

deckt deshalb nicht nur auf, was<br />

Missbrauch wirklich bedeutet,<br />

sondern erzählt vor allem vom<br />

Überleben und Weiterleben.<br />

240 Seiten, CHF 31.90<br />

Herder<br />

978-3-451-37914-7<br />

NADIA MURAD<br />

Ich bin eure Stimme<br />

Am 3. August 2014 endet das Leben,<br />

wie Nadia Murad es kannte.<br />

Truppen des IS überfallen ihr<br />

Dorf Kocho im Norden Iraks. Sie<br />

töten die Älteren und verschleppen<br />

die Jüngeren. Kleine Jungen<br />

sollen als Soldaten ausgebildet<br />

werden, die Mädchen werden<br />

als Sklavinnen verkauft.<br />

An diesem Tag verliert Nadia<br />

Murad 44 Angehörige. Drei Monate<br />

ist sie in der Gewalt des IS,<br />

sie wird Opfer von Demütigung,<br />

Folter, Vergewaltigung. Nur<br />

mit Glück und unvorstellbarem<br />

Mut gelingt ihr die Flucht. Sie<br />

schafft es in ein Flüchtlingslager<br />

und kommt von dort aus nach<br />

Deutschland. Nadia Murad wurde<br />

2016 für den Friedensnobelpreis<br />

nominiert. Nun erzählt sie<br />

ihre bewegende Geschichte.<br />

304 Seiten, CHF 28.90<br />

Droemer Knaur<br />

978-3-426-21429-9<br />

CARL CAMPEAU<br />

Meine Seele<br />

kriegt ihr nie<br />

Der Jurist und Philosoph Carl<br />

Campeau stammt aus Kanada.<br />

Er ist jahrelang für die UN in den<br />

gefährlichsten Ländern der Welt<br />

im Einsatz. Bis er in Syrien von<br />

Terroristen der Al-Nusra-Front<br />

entführt wird. Carl Campeau<br />

wird gefoltert, zur Konversion<br />

zum Islam gezwungen und immer<br />

wieder scheinexekutiert. Irgendwann<br />

kann er fliehen, doch<br />

in Deutschland kreuzt sich sein<br />

Weg abermals mit einem seiner<br />

Geiselnehmer: Dieser wird als<br />

anerkannter Flüchtling festgenommen.<br />

Es kommt zu einem<br />

aufsehenerregenden Prozess,<br />

der durch die internationalen<br />

Medien geht.<br />

Ein herausragendes Buch, das mit<br />

der Konversion einen anderen<br />

Aspekt in den Fokus setzt als vergleichbare<br />

Bücher. Und das die<br />

Geschichte eines Manns erzählt,<br />

der nicht nur um sein Leben und<br />

seinen Glauben, sondern auch<br />

um Gerechtigkeit kämpft.<br />

176 Seiten, CHF 26.90<br />

Herder<br />

978-3-451-37964-2<br />

Viele Buchfans versuchen sich am Schreiben<br />

– wenn auch meist nur für sich selbst und im<br />

stillen Kämmerlein. Trotzdem ist die Szene<br />

der nicht publizierten Autorinnen und Autoren<br />

gross, aktiv und äusserst kreativ. Gut<br />

möglich, dass da der nächste John Grisham<br />

oder die nächste J.K. Rowling darunter sind.<br />

Schreiben Sie!<br />

Orell Füssli und der Verlag Nagel & Kimche<br />

wollten die Probe aufs Exempel machen. Anfangs<br />

Jahr riefen sie alle Kundinnen und<br />

Kunden mit Premium Card von Orell Füssli<br />

auf, ihre beste Kurzgeschichte einzuschicken.<br />

Das Thema: «Zuhause». Die Preise:<br />

Zehnmal jeweils zwei signierte Bücher der<br />

Schweizer Bestseller-Autorin Milena Moser<br />

– und als Hauptpreis ein einwöchiges<br />

Schreibseminar mit Milena Moser in Santa<br />

Fe, inklusive Flug und Hotel!<br />

Die Gewinnschreiberin<br />

361 Autorinnen und Autoren folgten dem<br />

Aufruf und schickten eine Kurzgeschichte<br />

ein. Vertreter von Nagel & Kimche sowie von<br />

Orell Füssli haben mittlerweile die besten 10<br />

Geschichten herausgefiltert. Der erste Preis<br />

geht in den Kanton Freiburg: an Karin Ledermann<br />

aus Murten. In ihrer Kurzgeschichte<br />

«Es ist Montag – oder?» beschreibt sie Alltags-Szenen<br />

eines Ehepaars, bei dem die Frau<br />

an Demenz erkrankt ist. «Es war mir wichtig,<br />

das alltägliche Leben von beiden Seiten zu<br />

beleuchten», sagt die Autorin, die im administrativen<br />

Bereich im Gesundheitswesen tätig<br />

ist. «Deshalb liess ich beide zu Wort kommen<br />

– den fürsorglichen Ehemann und die<br />

Frau, die im Anfangsstadium der Krankheit<br />

realisiert, dass ihr Gehirn sie zusehends im<br />

Stich lässt.»<br />

Übung macht die Siegerin<br />

Karin Ledermann konnte zuerst nicht fassen,<br />

dass sie gewonnen hat. «Es braucht auch immer<br />

etwas Glück. Die anderen prämierten<br />

Geschichten waren sicher ebenso gut. Entscheidend<br />

ist aber, dass wir für den Wettbewerb<br />

etwas leisten mussten. Wir haben nicht<br />

einfach mit einem Zufallslos in der Tombola<br />

Karin Ledermann freut sich – zusammen mit Christina Müller von Nagel & Kimche (links)<br />

und Roland Baumberger, dem Filialleiter der Buchhandlung Stauffacher in Bern.<br />

gewonnen.» Die Autorin hat dem Glück aber<br />

fleissig unter die Arme gegriffen: Sie schreibt<br />

schon seit ihrer Kindheit. Zudem besucht die<br />

58-Jährige immer wieder Schreibseminare<br />

und -workshops im In- und Ausland. «Ich bin<br />

gespannt, was mich bei Milena Moser erwartet!»,<br />

sagt sie. Sie freue sich sehr auf Santa Fe.<br />

Kein Muss<br />

Eine Vollzeit-Schriftstellerkarriere plant Karin<br />

Ledermann nicht: «Ich schreibe leidenschaftlich<br />

gern, arbeite an meinem zweiten<br />

Buch und wünschte mir, mehr Zeit dafür zu<br />

haben», sagt sie. «Andererseits denke ich,<br />

dass der Druck für jemanden, der vom<br />

Schreiben leben will oder muss, sehr gross<br />

ist.» Sie schätzt es deshalb, dass das Schreiben<br />

immer Freude sein kann – und nie ein<br />

Muss sein muss.<br />

Alle Geschichten online<br />

Die prämierten Geschichten können auf<br />

www.orellfüssli.ch/Schreibwettbewerb gelesen<br />

werden. In der nächsten Ausgabe von<br />

Lesen werden wir über Karin Ledermanns<br />

Schreibseminar mit Milena Moser in Santa<br />

Fe berichten.<br />

Besser<br />

schreiben<br />

dank<br />

Milena<br />

Moser<br />

Zum 50. Geburtstag<br />

schenkte<br />

sich Milena<br />

Moser ein neues Umfeld: Sie wanderte in die<br />

USA aus. Heute lebt sie in Santa Fe in New<br />

Mexico. Ihren Weg dorthin hat sie in zwei<br />

Büchern beschrieben: «Das Glück sieht immer<br />

anders aus» und «Hinter diesen blauen<br />

Bergen». So wenig, wie sie in der neuen Heimat<br />

auf das Schreiben verzichtet, so wenig<br />

hat sie auch eine andere Tätigkeit aufgegeben:<br />

das Durchführen von Schreibkursen. «Wer<br />

schreiben will, der kann!», lautet ihre Devise.<br />

Im einwöchigen Kurs teilt Milena Moser mit<br />

den Teilnehmenden ihre Erfahrungen, Probleme<br />

und Rettungsmanöver. «In meinen Kursen<br />

gibt es keine Regeln, kein Schreiben nach<br />

Zahlen», sagt die Autorin.«In der Kreativität<br />

gibt es keine Sicherheit, dafür jede Freiheit.<br />

Bei mir kann man nichts falsch machen.» Die<br />

meisten ihrer Kurse in traumhaft schönem<br />

Ambiente sind jeweils frühzeitig ausgebucht.<br />

www.milenamoser.com<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH


52<br />

BUCHTIPPS<br />

53<br />

OFT<br />

Das Beste zweier Welten<br />

Die App von Orell Füssli bietet eine Vielfalt an praktischen Funktionen.<br />

Sie verbindet die Qualitäten der Filialen von Orell Füssli mit den Vorteilen von www.orellfuessli.ch.<br />

TEXT: LUKAS TOBLER UND ERIK BRÜHLMANN<br />

JESPER JUUL<br />

Essen kommen<br />

Familientisch –<br />

Familienglück<br />

Gemeinsame Mahlzeiten sind<br />

eine wertvolle Zutat nicht nur<br />

für Nähe und Harmonie in der<br />

Familie, sondern auch für die<br />

Entwicklung von Kindern. Jesper<br />

Juul zeigt, wie es gelingt, dass sich<br />

alle am Tisch wohl fühlen und<br />

warum eine gesunde, entspannte<br />

Ess- und Tischkultur die Lösung<br />

vieler Konflikte sein kann. Was ist<br />

etwa zu tun, wenn das Kleinkind<br />

kein Gemüse und der Teenager<br />

nur Spaghetti essen will?<br />

Der innovative Familientherapeut<br />

macht Lust auf ausgewogenes<br />

Essen zusammen mit der<br />

Familie, nicht zuletzt dank einer<br />

Auswahl praxiserprobter Rezepte<br />

aus seiner skandinavischen<br />

Heimat. Der Bestseller-Autor hat<br />

über 35 Jahre Erfahrung in der<br />

Arbeit mit Familien und ist in<br />

Fachkreisen hoch angesehen.<br />

240 Seiten, CHF 28.90<br />

Beltz<br />

978-3-407-86478-9<br />

MATHIAS MORGENTHALER<br />

Out of the Box<br />

Für seine Kolumne «Beruf und<br />

Berufung» hat Mathias Morgenthaler<br />

über tausend Interviews<br />

mit Menschen geführt, die beruflich<br />

Neues wagen. In «Out of<br />

the Box» erzählen sie nun davon,<br />

wie sie persönlich ihre Berufung<br />

gefunden haben und wie sie ihren<br />

Berufsalltag gestalten.<br />

Mathias Morgenthaler zieht<br />

gleichzeitig Bilanz: Der Grundstein<br />

für eine sogenannte Anpassungskarriere<br />

wird laut dem<br />

Autor früh gelegt, und in unserer<br />

Gesellschaft kommt es vor allem<br />

auf Leistung an. Aber muss<br />

das so sein? Dieses Buch zeigt<br />

anschaulich die grosse Vielfalt<br />

möglicher Arbeitsformen und<br />

erinnert daran, dass Beruf nicht<br />

einfach ein Job ist, sondern die<br />

persönliche Entscheidung für<br />

eine Lebensform.<br />

200 Seiten, CHF 33.90<br />

Zytglogge<br />

978-3-7296-0968-6<br />

EIN AUFSTELLER FÜR<br />

KATZENLIEBHABER<br />

#Katzen<br />

Dieses farbenfrohe und stimmig<br />

kreierte Ringbuch ist für jeden<br />

Katzenfreund und jede Katzenfreundin<br />

eine wahre Freude.<br />

Denn der freche Aufsteller fängt<br />

all die amüsanten, herzerwärmenden<br />

und inspirierenden<br />

Momente ein, die Katzen zu so<br />

faszinierenden und liebenswerten<br />

Tieren machen. Die süssen,<br />

lustigen und eleganten Fotos<br />

werden mit frechen Anmerkungen<br />

in Deutsch und Englisch<br />

kombiniert. So sorgt das Buch<br />

#Katze für viel Abwechslung und<br />

Heiterkeit – und ist gleichzeitig<br />

sehr schön anzusehen.<br />

Das hochwertige Ringbuch lässt<br />

sich als Dekoration auf dem<br />

Schreibtisch oder im Regal aufstellen.<br />

Eine stabile Spiralbindung<br />

ermöglicht ein einfaches<br />

Umblättern.<br />

144 Seiten, CHF 14.90<br />

Groh<br />

978-3-8485-1842-5<br />

EIN AUFSTELLER FÜR<br />

HUNDELIEBHABER<br />

#Hunde<br />

Dieses fröhlich und abwechslungsreich<br />

gestaltete Ringbuch<br />

ist für jeden Hundefreund und<br />

jede Hundefreundin genau das<br />

Richtige. Denn der edle Aufsteller<br />

zeigt all die wunderbaren Eigenschaften<br />

des besten Freunds<br />

des Menschen – vom Hundeblick<br />

zum Dahinschmelzen bis zu lustigen<br />

Chaosmomenten. Die schönen,<br />

inspirierenden und witzigen<br />

Bilder laden immer wieder zum<br />

Schmunzeln ein.<br />

Das hochwertige Ringbuch lässt<br />

sich als Dekoration auf dem<br />

Schreibtisch oder im Regal aufstellen.<br />

Eine stabile Spiralbindung<br />

ermöglicht ein einfaches<br />

Umblättern.<br />

144 Seiten, CHF 14.90<br />

Groh<br />

978-3-8485-1841-8<br />

Die Kompetenz eines erfahrenen Buchhändlers<br />

oder einer leidenschaftlichen Buchhändlerin<br />

kann durch keinen Algorithmus der<br />

Welt ersetzt werden – Lesen ist eine Angelegenheit<br />

von Menschen. Aber auch der Onlineshop<br />

orellfüssli.ch bietet gewichtige Vorteile.<br />

Zum Beispiel eine enorme Auswahl:<br />

Seine 8 Millionen Produkte hätten wohl in<br />

keinem Ladenlokal der Welt Platz. Die App<br />

von Orell Füssli verknüpft nun die Vorzüge<br />

des Webportals mit dem Fachwissen der<br />

Buchhändlerinnen und Buchhändler.<br />

Zunächst sind da die Möglichkeiten der digitalen<br />

Welt. Die App ermöglicht, bequem vom<br />

Sofa, vom Tram oder vom Lieblingscafé aus<br />

durch alle 8 Millionen Produkte des Online-Shops<br />

zu stöbern. «Die App hat den Vorteil,<br />

dass man damit den ganzen Online-Shop<br />

auf dem Handy oder dem Tablet hat – aber<br />

eben nicht mit dem Umweg über einen Browser»,<br />

erklärt Rahel Meier, Produktverantwortliche<br />

für die App. Für Übersichtlichkeit<br />

sorgt die Personalisierung der App: Präferierte<br />

Buchkategorien erscheinen bereits auf<br />

der Startseite.<br />

Ein Rechner mag heutzutage viel können, die<br />

Schönheit eines Buchs erfassen kann er<br />

Inserat FK<br />

nicht. Dafür sind die Buchhändlerinnen und<br />

Buchhändler von Orell Füssli da – auch in der<br />

App. Dort sind all ihre Bewertungen und<br />

Empfehlungen, die sie online hinterlegt haben,<br />

verfügbar. Und wer mit bestimmten Mitarbeitenden<br />

von Orell Füssli besonders gute<br />

Erfahrungen gemacht hat, kann deren Bewertungen<br />

gleich zur Startseite hinzufügen.<br />

«Das Highlight der App ist aber der Buchkompass»,<br />

findet Rahel Meier. Dieser beantwortet<br />

nämlich die oft gestellte Frage: «Welches<br />

Buch ist denn so ähnlich wie jenes, das<br />

ich gerade fertig gelesen habe?» Die Zuordnungen<br />

und Bewertungen beruhen nicht<br />

etwa auf programmierten Algorithmen, sondern<br />

tatsächlich auf den Einschätzungen von<br />

Buchhändlerinnen und Buchhändlern.<br />

Die App für Handys und Tablets ist kostenlos<br />

im App Store und bei Google Play erhältlich.<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH


55<br />

DAS LITERATUR-KREUZWORTRÄTSEL<br />

h<br />

h<br />

Unser Rätsel lösen Sie leichter, wenn Sie die Beiträge in diesem Heft gelesen haben. Unter allen<br />

richtigen Eingaben verlosen wir zehn Gutscheinkarten im Wert von 20 bis 200 Franken.<br />

h<br />

Unsere<br />

Weihnachtsgeschenke<br />

sind da!<br />

Finden Sie das passende Geschenk auf<br />

www.opernhaus.ch/geschenke<br />

✁<br />

Lösungswort:<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21<br />

Bitte geben Sie diese Seite bis zum 3. Januar 2018 bei Orell Füssli, Stauffacher, ZAP oder bei Rösslitor Bücher<br />

ab. Sie können das Lösungswort auch per E-Mail senden an: lesen@orellfuessli.ch.<br />

Pro Person ist nur eine Teilnahme möglich. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Mit der Angabe Ihrer E-Mail-Adresse<br />

akzeptieren Sie die Teilnahmebedingungen. Die Orell Füssli Thalia AG ist berechtigt, angegebene Daten zu speichern und für den Versand des<br />

kostenlosen Newsletters von orellfüssli.ch sowie zu Markt- oder Meinungsforschungszwecken zu nutzen.<br />

Vorname / Name<br />

Adresse / PLZ / Ort<br />

E-Mail


56<br />

VERANSTALTUNGEN<br />

57<br />

VERANSTALTUNGEN<br />

Bild: Luis Morales<br />

DEZEMBER<br />

1. ORELL FÜSSLI BASEL 19 – 22 UHR<br />

Shopping-Abend<br />

VIP-Anlass für alle Kundinnen und Kunden<br />

mit Premium Card<br />

1. ZAP BRIG ABENDS<br />

Shopping-Abend<br />

VIP-Anlass für alle Kundinnen und Kunden<br />

mit Premium Card<br />

2. STAUFFACHER BERN 10–11 UHR<br />

Children’s Hour<br />

with Sybil Gluck or Joe Quinn in the English<br />

Bookshop<br />

2. ORELL FÜSSLI BOOKSHOP 10 – 11 UHR<br />

KRAMHOF ZÜRICH<br />

Christmas Story Hour<br />

Stories, cookies and fun. Join us every fi rst<br />

Saturday of the month for our storytelling<br />

hour; for 3 – 5 year olds<br />

2. ORELL FÜSSLI CHUR 10.30 – 11.30 UHR<br />

Märlistunde<br />

Kinder, kommt vorbei und hört zu! Jeden<br />

ersten Samstag im Monat<br />

2. ORELL FÜSSLI BASEL 14 – 16 UHR<br />

Handanalyse<br />

mit Barbara Vassalli, monatliche Kurzberatungen<br />

5. ZAP ZERMATT ABENDS<br />

Shopping-Abend<br />

VIP-Anlass für alle Kundinnen und Kunden<br />

mit Premium Card<br />

5. ZAP BRIG 19.30 UHR<br />

«Bauernopfer – Eine<br />

mörderische Intrige»<br />

Buchvernissage mit Werner Ryser,<br />

Moderation Rico Erpen<br />

5. ORELL FÜSSLI AM 20.30 – 23 UHR<br />

BELLEVUE ZÜRICH<br />

Shopping-Abend<br />

VIP-Anlass für alle Kundinnen und Kunden<br />

mit Premium Card<br />

6. STAUFFACHER BERN 15 – 16 UHR<br />

Kinderkiste<br />

Erzähl- und Bastelstunde mit Liliana<br />

Trautmann für Kinder von 3 bis 6 Jahren<br />

6. ORELL FÜSSLI KRAMHOF 17 – 19 UHR<br />

ZÜRICH<br />

Sprechstunde Graphologie<br />

mit Iris Meier, dipl. Graphologin, Kurzberatung<br />

6. ORELL FÜSSLI 18.30 – 21 UHR<br />

SCHAFFHAUSEN<br />

Shopping-Abend<br />

VIP-Anlass für alle Kundinnen und Kunden<br />

mit Premium Card<br />

LM Kloster Einsiedeln Anzeige Lesen Orell Füssli 208x90 V.pdf 1 10.08.17 09:49<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

6. STAUFFACHER BERN 20 UHR<br />

«Der schmale Grat der<br />

Hoffnung»<br />

Lesung mit Jean Ziegler<br />

7. ORELL FÜSSLI KRAMHOF 17 – 19 UHR<br />

ZÜRICH<br />

Handanalyse<br />

mit Barbara Vassalli, Kurzberatung<br />

SÄMTLICHE TERMINE<br />

FÜR HANDANALYSE, GRA-<br />

PHOLOGIE, ASTROLOGIE<br />

USW. FINDEN SIE AUF<br />

UNSERER WEBSITE:<br />

www.orellfüssli.ch/veranstaltungen<br />

7. ORELL FÜSSLI WIRZ AARAU 19 – 22 UHR<br />

Shopping-Abend<br />

VIP-Anlass für alle Kundinnen und Kunden<br />

mit Premium Card<br />

9. ORELL FÜSSLI BASEL 14 – 16 UHR<br />

Sprechstunde Astrologie<br />

mit Mona Grigolo, dipl. psych. Astrologin<br />

SFER, Kurzberatungen<br />

12. ZAP VISP 19 – 21.30 UHR<br />

Shopping-Abend<br />

VIP-Anlass für alle Kundinnen und Kunden<br />

mit Premium Card<br />

13. RÖSSLITOR ST. GALLEN 19 – 21.30 UHR<br />

Shopping-Abend<br />

VIP-Anlass für alle Kundinnen und Kunden<br />

mit Premium Card<br />

13. STAUFFACHER BERN 20 UHR<br />

«Schildkrötensalat»<br />

Lesung mit Melinda Nadj Abonji<br />

15. ZAP BRIG 19.30 UHR<br />

«Gommer Winter»<br />

Lesung mit Kaspar Wolfensberger<br />

16. ORELL FÜSSLI CHUR 11 – 16 UHR<br />

Glücksrad<br />

Kinder, versucht euer Glück – und gewinnt<br />

Preise<br />

17. ORELL FÜSSLI BASEL 14 – 16 UHR<br />

Sprechstunde Graphologie<br />

mit Iris Meier, dipl. Graphologin, monatliche<br />

Kurzberatungen<br />

20. STAUFFACHER BERN 15 – 16 UHR<br />

L’heure qui «conte»<br />

Si tu aimes les histoires, viens en découvrir<br />

des nouvelles; pour enfants de 3 à 6 ans<br />

28. STAUFFACHER BERN 17 – 20 UHR<br />

Astrologische Kurzberatungen<br />

mit Irène Krapf von Blücher, jeden letzten<br />

Donnerstag des Monats<br />

JANUAR<br />

6. STAUFFACHER BERN 10 – 11 UHR<br />

Children’s Hour<br />

with Sybil Gluck or Joe Quinn in the English<br />

Bookshop<br />

23. ORELL FÜSSLI BASEL 19.30 UHR<br />

«Verarsch mich nicht –<br />

Gedankenlesen in der<br />

Beziehung»<br />

Vortrag von Gabriel Palacios<br />

FEBRUAR<br />

3. STAUFFACHER BERN 10 – 11 UHR<br />

Children’s Hour<br />

with Sybil Gluck or Joe Quinn in the English<br />

Bookshop<br />

MÄRZ<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />

STAUFFACHER BERN 10 – 11 UHR<br />

Children’s Hour<br />

with Sybil Gluck or Joe Quinn in the English<br />

Bookshop<br />

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NEUHEITEN UND AKTUELLE<br />

ANGEBOTE?<br />

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Gier, Abzocker,<br />

Wirtschaftskriminelle:<br />

Eliane Rauschs<br />

zweiter Fall<br />

Juristin Eliane Rausch verfolgt hartnäckig<br />

ihren Traum, Richterin zu<br />

werden. Nach vier Jahren Arbeit<br />

am Bezirksgericht wechselt sie als<br />

Gerichtsschreiberin ans Handelsgericht<br />

in Zürich. Ihr zweiter Fall, der<br />

das schamlose Tun der Abzocker<br />

und Heuschrecken in der Geschäftswelt<br />

aufzeigt, droht zu ihrem<br />

persönlichen Desaster zu werden.<br />

Doch da eröffnen sich<br />

unerwartet neue Chancen.<br />

Kurt Früh<br />

Die dunklen Seiten<br />

der Heuschrecken<br />

edition punktuell.<br />

130 x 200 mm, brosch., 296 Seiten,<br />

Fr. 22.–, ISBN 978-3-905724-55-4


58<br />

DER LESEN-FRAGEBOGEN<br />

Unser Fragebogen über Bücher, Lesen und Schreiben geht an Autorinnen und Autoren aus der<br />

Schweiz, die kürzlich ein neues Buch veröffentlicht haben. Diesmal hat ihn Jens Steiner ausgefüllt.<br />

© Anikka Bauer<br />

Jens Steiner kam 1975<br />

in Zürich zur Welt – als<br />

Sohn eines Schweizers und<br />

einer Dänin. Er studierte<br />

Germanistik, Philosophie und<br />

Vergleichende Literaturwissenschaft,<br />

arbeitete als Lehrer<br />

und Lektor und ist heute<br />

hauptberuflicher Schriftsteller.<br />

Sein neuer Roman:<br />

MEIN LEBEN ALS<br />

HOFFNUNGSTRÄGER<br />

Jens Steiner<br />

192 Seiten, CHF 26.90<br />

Arche<br />

Welches ist in Ihrer Erinnerung das erste Buch, das Sie<br />

lasen?<br />

«Varenka» von Bernadette Watts. Eine russische<br />

Geschichte vom Krieg und von der Kraft des Glaubens,<br />

wunderschön illustriert.<br />

Welches Buch haben Sie am häufigsten gelesen?<br />

«Catch 22» von Joseph Heller. Eine amerikanische<br />

Geschichte vom Krieg und von der subversiven<br />

Kraft der Verzweiflung. Erstaunlich, wie furchtlos<br />

Heller die Widerwärtigkeit und die Güte des Menschen<br />

einander gegenüberstellt – und dabei eine<br />

ganz eigene Komik entwickelt.<br />

Welches Buch hätten Sie gern selber geschrieben – und<br />

warum?<br />

«Der Baron auf den Bäumen» von Italo Calvino.<br />

Ein adliger Rebell, der seiner Lebtag nicht von den<br />

Bäumen herunterkommt und dennoch ein grosser<br />

Menschenfreund bleibt – für mich eine Jahrhundertidee.<br />

Mit welchem Autor, welcher Autorin würden Sie gern<br />

einen Abend verbringen?<br />

Frédérique Audoin-Rouzeau alias Fred Vargas.<br />

Diese drei Bücher muss man gelesen haben:<br />

«Die rote Zora und ihre Bande» von Kurt Held<br />

mit zehn. «Der erste Mensch» von Albert Camus<br />

mit zwanzig. «A Sand County Almanach» von Aldo<br />

Leopold mit dreissig.<br />

Welche literarische Figur ist Ihnen besonders<br />

sympathisch?<br />

Doc aus «Cannery Row» von John Steinbeck.<br />

Welche literarische Figur ist Ihnen besonders<br />

unsympathisch?<br />

Moe aus «Calvin & Hobbes» von Bill Watterson.<br />

Wo lesen Sie am liebsten?<br />

Auf einem Klappliegestuhl, der eine uralte<br />

Steppdecke meiner Grossmutter als Überwurf trägt.<br />

Aus der Decke steigen ab und zu hauchfeine Düfte,<br />

die Bilder aus fernen Kindheitstagen evozieren.<br />

Herrlich!<br />

Lesen Sie jedes Buch bis zum Ende – auch ein<br />

schlechtes?<br />

Meine Zeit ist mir für schlechte Bücher zu<br />

schade. Manchmal lese ich auch gute nicht zu Ende –<br />

zumindest vorläufig. Sie sind zu kostbar, um aufs Mal<br />

zu Ende gelesen zu werden!<br />

Sammeln Sie ausgelesene Bücher oder geben Sie diese<br />

weiter?<br />

Beides. Manche Bücher muss man einfach behalten,<br />

selbst wenn man sie nie wieder liest. Und andere<br />

gibt man sehr gern weiter.<br />

Lesen Sie noch Klassiker? Wenn ja: Welche?<br />

Aber sicher. In letzter Zeit Herman Bang, Denis<br />

Diderot und Emily Dickinson.<br />

Wären Sie nicht Schriftsteller geworden, wären Sie<br />

heute ...<br />

... Landstreicher, Nichtsnutz oder Herumtreiber.<br />

Oder gleich alles zusammen.<br />

Was ist schön am Beruf des Schriftstellers?<br />

Dass alle glauben, man sei ein landstreichender,<br />

nichtsnutziger Herumtreiber. Unter diesem ranzigen<br />

Deckmantel lässt sich angenehm fleissig sein.<br />

Wenn Sie schreiben: Können Sie abschalten, oder<br />

verfolgt Sie Ihr Projekt rund um die Uhr?<br />

Rund um die Uhr nicht gerade, aber nah dran.<br />

Ideen trudeln nun mal ein, wann sie wollen. Als ihr<br />

Abnehmer muss ich den Stift jederzeit zur Hand<br />

haben.<br />

Wer liest Ihre Texte zuerst – und warum?<br />

Verrat ich nicht.<br />

Wessen Urteil ist für Sie besonders wichtig?<br />

Verrat ich ebenfalls nicht.<br />

Wie belohnen Sie sich, wenn Sie ein Werk<br />

abgeschlossen haben?<br />

Indem ich gleich mit dem nächsten anfange.<br />

Nichts ist so schön wie die ersten Seiten eines neuen<br />

Buchs zu schreiben.<br />

Schämen Sie sich für einen Ihrer veröffentlichten Texte?<br />

Schämen tue ich mich nicht für sie, aber sie sind<br />

mir alle irgendwann peinlich.<br />

Erleichtert oder erschwert ein geglücktes Werk Ihre<br />

nächste Arbeit?<br />

Ich weiss nicht genau, was «geglückt» heisst.<br />

Positive Rückmeldungen geben mir jedenfalls Mut<br />

fürs nächste Buch. Sie erhöhen allerdings auch die<br />

Chance auf gnadenlose Verrisse zum nächsten Buch,<br />

scheint mir.<br />

LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH

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