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DAS MAGAZIN DER<br />
BUCHHANDLUNGEN<br />
VON ORELL FÜSSLI<br />
Lesen<br />
NR. 4/2017<br />
IHR PERSÖNLICHES<br />
EXEMPLAR –<br />
MIT WETTBEWERB!<br />
«Die Figuren tun,<br />
was sie wollen»<br />
INTERVIEW MIT THRILLERKÖNIG SEBASTIAN FITZEK<br />
Dossier «Tiere lesen»<br />
DIE SCHÖNSTEN NEUERSCHEINUNGEN<br />
RUND UM TIERE<br />
Im Schaufenster<br />
NEUE WERKE VON DANIEL KEHLMANN,<br />
JULI ZEH UND MELINDA NADJ ABONJI<br />
Das pralle Leben<br />
DIE BESTEN KINDERBÜCHER<br />
FÜR DIE WINTERTAGE
2<br />
FILIALEN<br />
3<br />
EDITORIAL & INHALT<br />
AARAU ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Orell Füssli Meissner<br />
Bahnhofstrasse 41, 5000 Aarau<br />
Mo – Mi, Fr: 9.00 – 18.30 Uhr<br />
Do: 9 – 20 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr<br />
Orell Füssli Wirz<br />
Hintere Vorstadt 18, 5000 Aarau<br />
Mo – Mi, Fr: 9 – 18.30 Uhr<br />
Do: 9 – 20 Uhr | Sa: 8 – 17 Uhr<br />
BADEN –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Orell Füssli<br />
Langhaus beim Bahnhof, 5401 Baden<br />
Mo – Fr: 9 – 19 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr<br />
BASEL –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Orell Füssli Bahnhof SBB<br />
Passerelle, Güterstrasse 115, 4053 Basel<br />
Mo – Fr: 7 – 21 Uhr | Sa: 8 – 21 Uhr<br />
So: 9 – 20 Uhr<br />
Orell Füssli<br />
Freie Strasse 32, 4001 Basel<br />
Mo – Mi, Fr: 9 – 18.30 Uhr<br />
Do: 9 – 20 Uhr | Sa: 9 – 18 Uhr<br />
BERN ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Stauffacher<br />
Neuengasse 25 – 37, 3001 Bern<br />
Mo – Mi, Fr: 9 – 19 Uhr<br />
Do: 9 – 21 Uhr | Sa: 9 –17 Uhr<br />
Orell Füssli im Loeb<br />
Spitalgasse 47/51, 3001 Bern<br />
Mo – Mi: 9 – 19 Uhr | Do: 9 – 21 Uhr<br />
Fr: 9 – 20 Uhr | Sa: 8 – 17 Uhr<br />
Orell Füssli Bahnhof SBB<br />
Bahnhofplatz 10, 3001 Bern<br />
Mo – Sa: 7 – 22 Uhr | So: 9 – 22 Uhr<br />
BRIG ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
ZAP<br />
Furkastrasse 3, 3900 Brig<br />
Mo – Fr: 9 – 18.30 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr<br />
ZAP Bürostore<br />
Englischgrussstrasse 6, 3900 Brig<br />
Mo – Fr: 8.30 – 12 und 13.30 – 17 Uhr<br />
BRUGG –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Orell Füssli<br />
Neumarktplatz 12, 5200 Brugg<br />
Mo – Do: 9 – 18.30 Uhr | Fr: 9 – 19 Uhr<br />
Sa: 9 – 17 Uhr<br />
CHUR –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Orell Füssli Einkaufscenter City West<br />
Raschärenstrasse 35, 7000 Chur<br />
Mo – Fr: 9 – 20 Uhr | Sa: 8 – 18 Uhr<br />
EMMENBRÜCKE ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Orell Füssli Emmen Center<br />
Stauffacherstrasse 1, 6020 Emmenbrücke<br />
Mo, Di, Do: 9 – 18.30 Uhr<br />
Mi, Fr: 9 – 21 Uhr | Sa: 8 – 16 Uhr<br />
FRAUENFELD ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Orell Füssli Einkaufszentrum Passage<br />
Bahnhofplatz 70, 8500 Frauenfeld<br />
Mo – Fr: 8 – 20 Uhr | Sa: 8 – 18 Uhr<br />
SCHAFFHAUSEN ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Orell Füssli<br />
Vordergasse 77, 8200 Schaffhausen<br />
Mo – Mi, Fr: 9 – 18.30 Uhr<br />
Do: 9 – 20 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr<br />
SCHÖNBÜHL –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Orell Füssli Shoppyland<br />
Industriestrasse 10, 3321 Schönbühl<br />
Mo – Do: 9 – 20 Uhr | Fr: 9 – 21.30 Uhr<br />
Sa: 8 – 17 Uhr<br />
SIERRE ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
ZAP<br />
Place de la Gare 2, 3960 Sierre<br />
Mo – Fr: 9 – 12 und 13.30 – 18.30 Uhr<br />
Sa: 9 – 17 Uhr<br />
SPREITENBACH –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Orell Füssli Tivoli<br />
8957 Spreitenbach<br />
Mo – Sa: 9 – 20 Uhr<br />
ST. GALLEN –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Rösslitor Bücher<br />
Multergasse 1 – 3, 9001 St. Gallen<br />
Mo – Mi, Fr: 9 – 18.30 Uhr<br />
Do: 9 – 21 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr<br />
Orell Füssli Shopping Arena<br />
Zürcher Strasse 464, 9015 St. Gallen<br />
Mo – Mi, Fr: 9 – 19 Uhr,<br />
Do: 9 – 21 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr<br />
ST. MARGRETHEN ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Orell Füssli Einkaufszentrum Rheinpark<br />
9430 St. Margrethen<br />
Mo – Do: 9 – 19 Uhr | Fr: 9 – 21 Uhr<br />
Sa: 8 – 17 Uhr<br />
THUN –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Orell Füssli<br />
Bälliz 60, 3600 Thun<br />
Mo – Mi, Fr: 9 – 18.30 Uhr<br />
Do: 9 – 21 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr<br />
VISP ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
ZAP<br />
Bahnhofstrasse 21, 3930 Visp<br />
Mo – Fr: 9 – 12 und 13.30 – 18.30 Uhr<br />
Sa: 9 – 17 Uhr<br />
WINTERTHUR ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Orell Füssli Einkaufszentrum Rosenberg<br />
Schaffhauserstrasse 152, 8400 Winterthur<br />
Mo – Fr: 8.30 – 20 Uhr | Sa: 8 – 18 Uhr<br />
Orell Füssli Marktgasse<br />
Marktgasse 41, 8400 Winterthur<br />
Mo – Mi, Fr: 9 – 18.30 Uhr<br />
Do: 9 – 21 Uhr | Sa: 9 – 17 Uhr<br />
ZERMATT –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
ZAP<br />
Hofmattstrasse 3, 3920 Zermatt<br />
Mo – Fr: 9 – 12 Uhr und 14 – 18.30 Uhr<br />
Während der Saison:<br />
Mo – Fr: 9 – 12.30 Uhr und 14 – 19 Uhr<br />
So: 16 – 19 Uhr<br />
ZÜRICH ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />
Orell Füssli Kramhof<br />
Orell Füssli The Bookshop<br />
Füsslistrasse 4, 8001 Zürich<br />
Mo – Fr: 9 – 20 Uhr | Sa: 9 – 18 Uhr<br />
Orell Füssli am Bellevue<br />
Theaterstrasse 8, 8001 Zürich<br />
Mo – Fr: 9 – 20 Uhr | Sa: 9 – 18 Uhr<br />
Orell Füssli Flughafen<br />
Airport Center, 8060 Zürich-Flughafen<br />
Mo – Fr: 7 – 21 Uhr | Sa, So: 8 – 21 Uhr<br />
Orell Füssli Zürich Hauptbahnhof<br />
Shopville, Halle Landesmuseum, 8001 Zürich<br />
Mo – Fr: 7 – 21 Uhr | Sa: 8 – 21 Uhr<br />
So: 9 – 20 Uhr<br />
Orell Füssli Bahnhof Stadelhofen<br />
Stadelhoferstrasse 8, 8001 Zürich<br />
Mo – Fr: 8 – 20 Uhr | Sa: 9 – 19 Uhr<br />
So: 10 – 18 Uhr<br />
Orell Füssli Bahnhof Oerlikon<br />
Ladenpassage Mitte, Hofwiesenstrasse 369,<br />
8050 Zürich<br />
Mo – Fr: 7 – 21 Uhr<br />
Sa, So und an Feiertagen: 10 – 19 Uhr<br />
www.orellfüssli.ch 0848 849 848<br />
© Tim Flach / Knesebeck Verlag<br />
Liebe Leserin<br />
Lieber Leser<br />
27<br />
SACHBÜCHER, ROMANE, BILDBÄNDE: DIE SCHÖNSTEN<br />
NEUERSCHEINUNGEN RUND UM TIERE<br />
Dossier «Tiere lesen»<br />
Lesen ist eine stille Angelegenheit, ein Abenteuer,<br />
das man in der Regel ganz allein bestreitet. Und<br />
so ist es auch mit dem Schreiben: Die meisten Autorinnen<br />
und Autoren ziehen sich zum Schreiben<br />
in ihre eigene Welt zurück. Sie suchen dafür Stille<br />
und nicht selten auch Abgeschiedenheit.<br />
Aber es gibt auch Ausnahmen, und diese finden<br />
sich gegenwärtig auffallend oft: Schreibende,<br />
die sich zusammentun, um gemeinsam ein<br />
Werk zu verfassen. Vor allem im Krimi- und<br />
Thrillergenre ist Teamwork mittlerweile weit<br />
verbreitet. Mit «Schockfrost» haben jetzt auch<br />
die beiden Schweizer Krimiautorinnen Mitra<br />
Devi und Petra Ivanov einen gemeinsamen<br />
Thriller vorgelegt – und damit die Bestsellerlisten<br />
erobert.<br />
44<br />
DIE BESTEN KINDER-<br />
BÜCHER FÜR DIE WIN-<br />
TERTAGE<br />
Das pralle Leben<br />
10<br />
INTERVIEW MIT SEBA-<br />
STIAN FITZEK, AUTOR<br />
VON «FLUGANGST 7A»<br />
«Die Figuren<br />
tun, was sie<br />
wollen»<br />
Schreiben kann also durchaus ein sozialer Akt<br />
sein. Und das Lesen eben auch. Selbst wenn<br />
man ein Buch gern für sich selber liest, ist es<br />
einfach herrlich, sich mit anderen darüber zu<br />
unterhalten. Gern laden wir Sie ein, in unsere<br />
Filialen zu kommen und sich mit unseren Mitarbeitenden<br />
auszutauschen. Sagen Sie uns, was Ihnen<br />
am letzten Buch gefallen hat. Holen Sie sich<br />
Tipps für Ihr nächstes Leseabenteuer. Teilen<br />
Sie mit uns Ihre Leidenschaft – und machen wir<br />
das Lesen zu einem gemeinsamen Erlebnis! Wir<br />
freuen uns auf Sie.<br />
Herzlichst<br />
Coralie Klaus Boecker<br />
Leiterin Marketing & Kommunikation<br />
Orell Füssli Thalia AG<br />
4 Notizen<br />
15 Requiem für einen<br />
Gedemütigten<br />
«Schildkrötensoldat»<br />
von Abonji<br />
16 Solisten im Duett<br />
Ein auffallender<br />
Trend: Immer mehr<br />
Schreibende tun<br />
sich zusammen<br />
20 Dystopie, Gesellschaftsanalyse<br />
und Thriller<br />
«Leere Herzen» von<br />
Juli Zeh<br />
21 Ein neuer Blickwinkel<br />
«Tyll» von Daniel<br />
Kehlmann<br />
22 Klingende Bücher<br />
Neuerscheinungen<br />
rund um Musik<br />
36 Zwei Bücher<br />
zum Kaffee<br />
Die Debatte<br />
38 Das Buch zum Film<br />
Literatur jetzt<br />
im Kino<br />
40 In English, please!<br />
Englischsprachige<br />
Bücher<br />
46 Freude vor und<br />
nach dem Kochen<br />
Prächtige Kochbücher<br />
– als Geschenk<br />
für sich oder die<br />
Liebsten<br />
49 Gekauft!<br />
Kundinnen und<br />
Kunden zeigen ihre<br />
Neuerwerbung<br />
51 Per Kurzgeschichte<br />
nach Santa Fe<br />
Die Gewinnerin<br />
unseres Schreibwettbewerbs<br />
53 Das Beste zweier<br />
Welten<br />
Die App von Orell<br />
Füssli<br />
55 Kreuzworträtsel<br />
46 Veranstaltungen<br />
58 Der Lesen-<br />
Fragebogen<br />
Ausgefüllt von Jens<br />
Steiner<br />
Die nächste Ausgabe von Lesen, dem Magazin der Buchhandlungen von Orell Füssli,<br />
erscheint am 1. März 2018. Sie erhalten Lesen kostenlos in jeder Filiale.<br />
Bestellungen nehmen wir gern entgegen unter www.orellfüssli.ch,<br />
orders@orellfuessli.ch und Telefon 0848 849 848.<br />
IMPRESSUM<br />
HERAUSGEBER: Orell Füssli Thalia AG, Dietzingerstrasse 3, Postfach, 8036 Zürich<br />
GESAMTHERSTELLUNG UND REDAKTION: Textbüro Marius Leutenegger, Zürich<br />
GESTALTUNG : Strichpunkt GmbH, Winterthur<br />
COVERFOTO: Gene Glover<br />
JETZT FAN WERDEN:<br />
www.facebook.com/OrellFüssli<br />
Preisänderungen vorbehalten. Unsere aktuellen Verkaufspreise und<br />
eine umfassende Auswahl an Büchern, Filmen und Spielen fi nden Sie<br />
auf www.orellfüssli.ch.<br />
Bücher mit diesen Zeichen sind auch als eBook bzw.<br />
Hörbuch erhältlich.
129_31477_Pratchett_Atlas_Scheibenwelt.indd 50 28.08.17 13:41<br />
4<br />
NOTIZEN<br />
5<br />
NOTIZEN<br />
TEXT: MARIUS LEUTENEGGER<br />
© Edward Brooke-Hitching<br />
Man könnte ja meinen, Atlanten seien im Zeitalter von GPS und Google Map ein alter Hut.<br />
Mitnichten! Sie zählen noch immer zu den Paradedisziplinen der Buchbranche, deren Geschichte<br />
und Entwicklung sie entscheidend geprägt haben. Im Gegenteil scheint die Konkurrenz<br />
durch die neuen Medien dem guten alten Atlas sogar gut zu tun, denn gegenwärtig erscheint<br />
eine ganze Reihe besonders origineller Werke, auf die wir hier kurz verweisen.<br />
Der «Atlas der erfundenen Orte» von<br />
Edward Brooke-Hitching, erschienen bei<br />
dtv, kitzelt einige sehr menschliche Instinkte: die<br />
Neugier, die Schadenfreude, den Wunsch nach<br />
einer anderen Wirklichkeit, das Vergnügen an Fantastereien und<br />
Gerüchten – und grad auch noch die Faulheit, denn das üppig illustrierte<br />
Werk bietet einem auch dann viel Spass, wenn man nur<br />
die vielen Bilder anschaut und die hervorragenden wissenschaftlich-unterhaltsamen<br />
Texte links liegen lässt. Gezeigt wird eine<br />
Welt, die es nie gab: Insel, von deren Existenz Seeleute jahrhundertelang<br />
überzeugt waren, waghalsige Interpretationen weisser<br />
Flecken, die noch nie ein Mensch betreten hatte, gewaltige Seeungeheuer,<br />
deren Existenz einst von niemandem hinterfragt wurde.<br />
Zu tollen «Fake News» werden die Karten aber erst durch ihren<br />
wissenschaftlichen Anspruch: Minutiös genau präsentieren sie<br />
die Grenzen von El Dorado, die Lage des Garten Eden oder von<br />
Thule und die eindrückliche Ausdehnung des Königreichs des<br />
Priesters Johannes. So präzis kann man sich irren!<br />
Edward Hopper gilt als einer der grössten US-amerikanischen Maler des 20. Jahrhunderts.<br />
Sein Gemälde «Nighthawk» dürfte eines der meistzitierten Kunstwerke überhaupt sein.<br />
Trotzdem wird er gelegentlich noch als Illustrator bezeichnet. Das hat wohl auch mit dem<br />
Realismus seiner Bilder zu tun: Sie wirken derart narrativ, dass ihr hoher künstlerischer<br />
Gehalt auf den ersten Blick in den Hintergrund rückt.<br />
Der New Yorker Krimiautor Lawrence Block hat die erzählerische Kraft von Hoppers<br />
Bildern jetzt zu einer Tugend gemacht. Er suchte ein paar Meisterwerke zusammen, die ihm besonders<br />
gefielen, und fragte Schriftstellerkolleginnen und -kollegen an, ob sie dazu eine Story schreiben<br />
könnten. Herausgekommen ist die Kurzgeschichten-Sammlung «Nighthawks», erschienen bei<br />
Droemer – ein Hochgenuss! Joyce Carol Oates, Jeffery Deaver, Lee Child, Michael Connelly und viele<br />
mehr haben sich von den Gemälden zu fantasievollen Höchstleistungen inspirieren lassen. Stephen<br />
King zum Beispiel nimmt ein lieblich-romantisches Bild als Ausgangslage für eine besonders schwarze<br />
Story, Joe R. Landslade spinnt eine knackige Liebesgeschichte um ein Gemälde, das nichts mit Liebe zu<br />
tun zu haben scheint. Die Geschichten sind in so kräftigen Farben gehalten wie die Bilder – ein<br />
geglücktes Experiment!<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
Der «Atlas der erfunden Orte» rückt die Terra incognita in den Fokus – und<br />
das tut der «Atlas der ungezähmten Welt» von Chris Fitch, erschienen<br />
bei Brandstätter, ebenso. Nur mit dem Unterschied, dass es hier um real<br />
existierende Orte geht. Sie sind aber so unwirtlich oder schwer zu erreichen<br />
oder gefährlich, dass sie sich eine Wildheit erhalten haben, die man in unserer<br />
bis in Detail vermessenen Welt kaum noch erwarten würde. Die Orte erzählen<br />
faszinierende Geschichten – und regen ebenfalls ein Urbedürfnis an: jenes,<br />
Grenzen zu überschreiten, die Frontier zu verschieben und diese wilden Orte<br />
eben doch noch zu entdecken.<br />
«Nie war es aufregender, nie war es notwendiger, die Welt zu kartografieren»,<br />
fi ndet Alastair Bonnett, Professor für Sozialgeografie an der Universität<br />
Newcastle. Als Beweis legt er seinen bei Dumont erschienenen «Atlas unserer<br />
Zeit» vor. 50 mehr als eindrückliche Karten zeigen die dramatischen<br />
Veränderungen unseres Planeten. Wo geht am meisten Wald verloren? Wo<br />
wird (bescheiden) aufgeforstet? Wo ist die Luftverschmutzung am grössten?<br />
Vieles ist deprimierend an diesem Buch, aber zum Glück nicht alles. Manche<br />
Karten lassen einen auch einfach so nach Luft schnappen, etwa die hier gezeigte<br />
Darstellung des weltweiten Flugverkehrs oder der Blitzschläge. Dennoch: Das<br />
Buch sollte eigentlich Pflichtlektüre für alle sein, die nicht daran glauben wollen,<br />
wie sehr unser Planet unter Stress steht.<br />
Und zum Abschluss noch<br />
eine Empfehlung für echte<br />
Weltreisende: «Atlas<br />
Obscura», erschienen bei<br />
Mosaik. Das Autorenteam,<br />
das eine eigene Website<br />
zum Thema betreibt, hat dafür<br />
all jene Orte aufgesucht,<br />
«die uns zum Staunen» bringen.<br />
Ein schönes Kriterium –<br />
und mit welchem Erfolg<br />
waren Joshua Foer,<br />
Dylan Thuras und Ella<br />
Morton unterwegs! Von<br />
rund um den Globus haben<br />
sie die wunderlichsten<br />
Stätten zusammengetragen,<br />
und diese stellen sie uns<br />
nun in kurzen Porträts vor:<br />
den Atombunker Klevedon<br />
Hatch in Essex, den Heiligen<br />
Altar für erschlagene Insekten<br />
in Tokio, die schwimmende<br />
Schule in Nigeria und<br />
so hundertfach weiter –<br />
alles mit praktischen Reiseangaben<br />
versehen!<br />
Walter Moers hat geschafft, wovon viele Autoren träumen:<br />
Eine eigene Welt zu kreieren, die so raffi niert gebaut und faszinierend<br />
ist, dass darin beliebig viele Romane spielen können. Seine<br />
witzige Antwort auf Mittelerde heisst «Zamonien», und immer,<br />
wenn ein neuer Roman über diesen skurrilen Ort und seine noch<br />
viel skurrileren Bewohner erscheint, sind Leserinnen und Leser<br />
rund um den Erdball ein paar Tage lang kaum noch ansprechbar.<br />
Zuletzt konnte dieses Phänomen im August beobachtet werden,<br />
als der Knaus-Verlag Moers’ neuesten Streich publizierte,<br />
«Prinzessin Insomnia». Ernsthaft angekündigt ist mittlerweile auch<br />
der ersehnteste letzte Teil der «Buchhaim-Trilogie», «Das Schloss<br />
der Träumenden Bücher» – für 2024! Der Meister erlaubt sich<br />
hier wohl einen Scherz – wie sollen das seine Fans so lang<br />
aushalten? Immerhin müssen sie bis dahin aber nicht völlig darben.<br />
Gerade jetzt ist der erste Teil der Trilogie als Comic erschienen:<br />
«Die Stadt der Träumenden Bücher». Die Vorlage für<br />
die Graphic Novel ist vielleicht Moers’ Magnum Opus, und auch<br />
wenn die bildhafte Sprache des Mönchengladbachers prinzipiell<br />
Ewald Frie erzählt<br />
die Geschichte der<br />
Welt erstmals ganz<br />
voraussetzungslos<br />
aus einer wahrhaft<br />
globalen Perspektive.<br />
Athen rückt<br />
so an den Rand,<br />
aber das traumhaft<br />
schöne Kilwa<br />
in Afrika wird<br />
niemand vergessen,<br />
der dieses<br />
mit wunderbarer<br />
Leichtigkeit geschriebene<br />
Buch<br />
gelesen hat.<br />
464 S., 40 Illus. v.<br />
Sophia Martineck,<br />
28 Ktn. Geb.<br />
sFr 38,50 (UVP)<br />
ISBN 978-3-406-71169-5<br />
Ü<br />
DIE KALDAUNEN-<br />
INSELN<br />
NOTHINGFJORD<br />
B<br />
E<br />
B O<br />
R<br />
W<br />
R O<br />
G<br />
A<br />
L<br />
ZLOBENIEN<br />
E n t g e g e n g e<br />
D<br />
50<br />
s e t z t e r O z e a n<br />
D I E F R E I E N A T U R<br />
R A W I E N<br />
MOULDAWIEN<br />
GENNUA<br />
jede Illustration erübrigt, machen die sorgfältigen Illustrationen<br />
von Florian Biege viel Spass. Ein richtiges Feuerwerk von Einfällen<br />
und Kreativität lassen die beiden hier hochgehen.<br />
Man weiss es: Hinter jedem Meister steckt ... eine Frau? Nein,<br />
meistens ein noch grösserer Meister. Im Fall von Moers dürfte<br />
das wohl der Engländer Terry Pratchett sein, der ebenfalls<br />
eine formidable Welt schuf: die Scheibenwelt. Leider verstarb<br />
der bärtige Meistermeister vor zwei Jahren. Seither sind noch die<br />
allerletzten Romane von ihm erschienen, aber jetzt ist Ende<br />
Feuerwerk. Moment, noch nicht ganz: Goldmann hat soeben den<br />
tollen Band «Vollständiger und unentbehrlicher Atlas der<br />
Scheibenwelt» publiziert. Dabei handelt es sich nicht um die<br />
übliche morbide Geldmacherei mit dem Werk eines Toten, nein,<br />
Pratchett selber verfasste das Buch noch zu Lebzeiten. Es ist so<br />
heiter und geistreich wie alles andere von ihm – aber natürlich<br />
noch einen Zacken prächtiger mit all den wunderschönen<br />
Illustrationen und Karten!<br />
B R<br />
DIE NIMMERLANDE<br />
S I<br />
I N D I<br />
M U N T A B<br />
K Y T H I A<br />
In seinem grandios<br />
erzählten Buch<br />
entfaltet Bernd Roeck<br />
ein beeindruckendes<br />
Panorama der revolutionären<br />
Epoche<br />
der Renaissance.<br />
Zugleich erklärt er,<br />
wieso es in Europa<br />
zu dieser einzigartigen<br />
Verdichtung<br />
von weltbewegenden<br />
Ideen, spektakulären<br />
Entdeckungen und<br />
historischen Umwälzungen<br />
kommen<br />
konnte.<br />
1.304 S., 115 Abb.,<br />
davon 32 in Farbe. Ln.<br />
sFr 58,90 (UVP)<br />
ISBN 978-3-406-69876-7<br />
C.H.BECK<br />
www.chbeck.de
6<br />
NOTIZEN<br />
7<br />
NOTIZEN<br />
LEUTE, DIE DAS MÖGEN,<br />
MÖGEN AUCH ...<br />
So richtig gut<br />
schlemmen!<br />
\<br />
Neue Kochbücher<br />
aus dem AT Verlag<br />
Unser Schlaf ist gestört:<br />
Rund ein Drittel der Bevölkerung<br />
leidet unter Schlaflosigkeit,<br />
und generell schlafen<br />
wir weniger lang, als es für<br />
unser Wohlbefinden nötig<br />
wäre. Das hat zum einen mit<br />
der Moderne zu tun: Während<br />
die Schlafzyklen unserer<br />
Vorfahren noch eng an<br />
den Tageszyklus gekoppelt<br />
waren, können wir heute<br />
die Nacht problemlos zum<br />
Tag machen. Zum anderen<br />
ist Schlaf offensichtlich unpopulär:<br />
Kein Manager gibt<br />
in Interviews an, gern einmal<br />
etwas länger im Bett zu<br />
bleiben. Dynamisch, ruhelos<br />
und allzeit bereit haben wir<br />
zu sein. Höchste Zeit also,<br />
dass unsere lebenswichtige<br />
Ruhezeit wieder die<br />
Bedeutung erlangt, die sie<br />
eigentlich hat. Eine beredte<br />
Anwältin des Schlafs ist die<br />
Soziologin, Philosophin und<br />
Journalistin Katharina<br />
Kunzmann. Die selbsternannte<br />
Schlafmütze, die mit<br />
Leidenschaft den Blog diewillnurschlafen.de<br />
betreibt,<br />
hat jetzt ein so rotzfreches<br />
wie fundiertes Buch über<br />
den schönsten Drittel des<br />
Lebens geschrieben: «Ab<br />
ins Bett». Darin räumt<br />
sie mit Schlaf- und vor allem<br />
mit Nichtschlafmythen auf,<br />
sie gibt sinnvolle Tipps und<br />
steckt mit ihrer Begeisterung<br />
für das süsse Schlummern<br />
an: So süss pennen<br />
wie die will man auch<br />
einmal! Ein Buch, das unter<br />
jedes Kopfkissen gehört.<br />
Die Ostschweizerin Andrea Gerster fühlt sich in vielen<br />
Textformen daheim: Sie schreibt Theaterstücke, schafft<br />
textliche Kunstinstallationen, verfasst Kinder- und Jugendbücher<br />
und legt fast jährlich einen neuen Roman vor. Ihr<br />
neuestes Werk «Alex und Nelli» hat ein bisschen etwas<br />
von alledem. Die Sprache ist so schlank und eingängig wie<br />
bei einem Jugendbuch, die Dialoge sind so direkt und<br />
schmissig wie in einem Drama, die Kapitel sind so kurz<br />
wie bei einer Performance und das Thema ist eine grosse<br />
Kiste, wie es sich für einen Roman gehört – die grosse<br />
Liebe, das Aufeinander- und Auseinanderdriften zweier<br />
Planeten. Die Dreidimensionalität der Hauptfiguren lässt<br />
einem die Geschichte sehr ans Herz gehen, und man kann<br />
das Buch kaum weglegen, auch wenn (natürlich vielmehr:<br />
weil) es einen manchmal grad etwas sehr berührt. Es ist<br />
der Autorin zu wünschen, dass sie damit den schon lang<br />
verdienten Grosserfolg landet – «Alex und Nelli» ist eines<br />
dieser raren Bücher, die eigentlich fast allen gefallen<br />
könnten und die man bedenkenlos verschenken kann.<br />
Ein Buch mit dem Titel «Eine kurze Geschichte<br />
der böhmischen Raumfahrt» macht auf jeden Fall<br />
neugierig. Allein dieses Titels wegen haben wir uns des<br />
bei Klett-Clotta erschienenen Erstlings des heute in den<br />
USA lebenden Pragers Jaroslav Kalfař angenommen<br />
– und siehe da: ein Glücksgriff! Wir hielten dann zwar<br />
nicht die erwartete Satire in den Händen, dafür aber<br />
ein sehr dichtes, traumhaft-atmosphärisches und klug<br />
konstruiertes Buch, das irgendwo zwischen «2001» und<br />
«Gravity» angesiedelt ist. Die Geschichte: Eine kosmische<br />
Staubwolke bedroht die Erde, und 2018 schicken<br />
die Tschechen – im Roman eine technologische Grossmacht<br />
– den jungen Physiker Jakub ins All, um die Staubwolke<br />
zu analysieren. Er ist so einsam, wie man es allein<br />
im All nur sein kann, einzig die täglichen Videochats<br />
mit seiner Frau strukturieren noch seinen öden Alltag.<br />
Doch dann erfährt Jakub, quasi Lichtjahre von daheim<br />
entfernt und völlig hilfl os, dass ihn seine Frau verlässt.<br />
Im Raumschiff begegnet ihm dann ein spinnenähliches<br />
ausserirdisches Wesen. Ja, die Zusammenfassung klingt<br />
seltsam, dem Autor gelingt aber das Kunststück, vor<br />
diesem Hintergrund eine Geschichte über Schuld und<br />
Sühne zu entwickeln, die unter die Haut geht. Jakubs<br />
Vater war im alten kommunistischen Regime ein Folterknecht,<br />
und die familiäre Ursünde führt zu einer Kette<br />
von Leid und Rache, die Jakub auf sehr überraschende<br />
Weise zerreissen kann. Das ist mitreissend, tiefsinnig<br />
und intensiv – gut, hat der noch unbekannte Autor<br />
einen so attraktiven Titel gewählt!<br />
Der Norweger Karl Ove Knausgard ist mit seinem<br />
«Kampf»-Zyklus weltberühmt geworden. In sechs dicken<br />
Bänden bereitet er darin minutiös – und wirklich minutiös – seine<br />
eigene Geschichte und vor allem sein Verhältnis zu seinem<br />
Vater auf. Der über die Schmerzgrenze hinaus ehrliche Seelenstriptease<br />
hinterliess zweischneidige Gefühle, vor allem bei den Mitgliedern seiner<br />
Familie, die ungefragt zu subjektiven Porträts kamen. Mittlerweile ist der Zyklus<br />
abgeschlossen. Man könnte meinen, Knausgard hätte jetzt erst einmal genug von Mammutprojekten,<br />
aber von wegen: Jetzt nimmt er sich der Jahreszeiten an. Das führt zu weiteren<br />
vier Büchern. «Im Herbst» liegt bereits vor, «Im Winter» erscheint in diesen Tagen, die beiden<br />
anderen Bände sind für März 2018 angekündigt. Jedes der je rund 300 Seiten umfassenden Bücher ist<br />
eine Sammlung von Miniaturen zur jeweiligen Saison – Essays, Gedankensplitter und Alltagsbetrachtungen,<br />
die Knausgard aufs Papier bannen kann wie nur wenige. Er rückt seinen Blick und damit auch jenen<br />
der Leserinnen und Leser auf Kleinigkeiten, die man gern übersieht, die aber am Ende unser Leben<br />
ausmachen. Das tut er mit der gewohnten unerbittlichen Ehrlichkeit und mit der Fähigkeit, die Grenze<br />
zur Belanglosigkeit höchstens einmal knapp zu berühren. Nicht alles, was Knausgard schreibt, trifft –<br />
aber vieles regt an. Knausgard-Fans dürfen sich jedenfalls freuen.<br />
Mag man ein Buch besonders gut, ist es oft auch besonders<br />
schnell ausgelesen. Zum Glück können einem dann Fachleute<br />
andere Bücher mit vergleichbaren Qualitäten empfehlen.<br />
Zum Beispiel Sabine Obi. Die 44-Jährige arbeitet in der<br />
Filiale von Orell Füssli am Flughafen Zürich.<br />
«Guillaume Musso darf auf eine sehr treue Gemeinde von –<br />
zumeist weiblichen – Fans zählen. Ein Dauerbrenner ist<br />
sein vor rund zehn Jahren erschienener Roman ‹Wirst du da<br />
sein?›. Das Buch beginnt in Kambodascha, wo Hauptfigur<br />
Dr. Elliott Cooper einen kleinen Jungen rettet und zum Dank<br />
dafür vom Dorfvorsteher seltsame Pillen erhält. Mit ihnen,<br />
heisst es, könne man in die Vergangenheit reisen. Natürlich<br />
glaubt Elliott das nicht, doch daheim in den USA probiert er<br />
die Pillen eben doch aus. Denn er hat einen guten Grund, in<br />
die Vergangenheit zu reisen: Er verlor vor 20 Jahren seine<br />
Freundin durch einen dramatischen Unfall. Soll er jetzt dafür<br />
sorgen, dass sie nicht stirbt – damit aber auch verhindern,<br />
dass seine Tochter wohl nicht zur Welt kommt?<br />
Mir gefällt an diesem Buch das Element der Zeitreise. Es ist<br />
ja ein ewiges Dilemma bei solchen Geschichten: Wenn man<br />
in die Vergangenheit geht, um dort etwas zu ändern, hat das<br />
eben immer auf vielen Ebenen Konsequenzen. Glücklicherweise<br />
findet Elliott einen guten Weg.<br />
Wer ‹Wirst du da sein?› mochte, wird wohl auch an ‹Ivy &<br />
Abe› von Elizabeth Enfield Spass haben. Zeitreisen gibt es<br />
hier ebenfalls, aber sie sind ganz anderer Art: Das Buch erzählt<br />
in 10 Kapiteln, was aus den Liebenden Ivy und Abe hätte<br />
werden können. Bei jedem Kapitel sind die beiden Hauptfiguren<br />
ein paar Jahre jünger, im ersten Kapitel zählen beide<br />
etwa 60 Jahre, im letzten nur noch 6. Bei jedem Kapitel sind<br />
die Voraussetzungen anders. Einmal geht Abe immer<br />
fremd, ein anderes Mal sind die beiden frisch verheiratet<br />
und so weiter. Gleich bleibt immer das Umfeld. Das Buch ist<br />
sehr leicht und unterhaltsam geschrieben – der Ton ähnelt<br />
daher jenem von Musso.»<br />
DAS SIND DIE<br />
GEWINNER<br />
In jeder Ausgabe von Lesen<br />
finden Sie einen Kreuzworträtsel-Wettbewerb;<br />
in dieser<br />
Ausgabe auf Seite 55. Zu<br />
gewinnen gibt’s jeweils zehn<br />
Büchergutscheine im Wert<br />
von 20 bis 200 Franken. Beim<br />
letzten Wettbewerb – das<br />
Lösungswort lautete «Antiquitaetenhaendler»<br />
– wurden<br />
folgende drei Teilnehmende<br />
als Gewinner ausgelost:<br />
1. PREIS<br />
(200 FRANKEN):<br />
Ariane Winzenried, Liebefeld<br />
2. PREIS<br />
(100 FRANKEN):<br />
Ines Fleischmann, Bern<br />
3. PREIS<br />
(50 FRANKEN):<br />
Pia Kunz, Obergösgen<br />
Herzliche<br />
Gratulation!<br />
Die Gewinnerinnen und<br />
Gewinner der Preise 4 bis 10<br />
werden schriftlich benachrichtigt.<br />
Donna Hay<br />
Von Einfach zu Brillant<br />
400 Seiten, 291 Farbfotos, Gebunden<br />
978-3-03800-971-9<br />
Claudio Del Principe<br />
A Casa<br />
Gut kochen. Besser essen. Jeden Tag.<br />
350 Seiten, 100 Farbfotos<br />
978-3-03800-970-2<br />
Douce Steiner<br />
Rezepte fürsLeben<br />
200 Seiten, 100 Farbfotos,<br />
Gebunden mit Schutzumschlag<br />
978-3-03800-987-0<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
www.at-verlag.ch
8<br />
NOTIZEN<br />
9<br />
NOTIZEN<br />
Stephan Eicher<br />
& Martin Suter<br />
Jahrestage<br />
WAS LESEN SIE GERADE?<br />
Zwei Künstler von Weltformat<br />
machen Musik voller Poesie.<br />
EICHER<br />
Happy<br />
birthday,<br />
Péter<br />
Nadas:<br />
Am 14. Oktober konnte<br />
der ungarische – nein:<br />
europäische – Starschriftsteller<br />
seinen<br />
75. Geburtstag feiern.<br />
Pünktlich zum Wiegenfest<br />
veröffentlichte<br />
Rowohlt Nadas’ neue<br />
Lebenserinnerungen<br />
«Aufleuchtende<br />
Details». Ein in jeder<br />
Hinsicht gewichtiges<br />
Buch: Auf 1280 Seiten<br />
webt der Autor und<br />
ewige Anwärter auf den<br />
Literaturnobelpreis<br />
sein Leben in die dramatische<br />
Geschichte<br />
eines Kontinents ein.<br />
Der Edel-Verlag macht seinem Namen zuweilen alle Ehre: Er veröffentlicht<br />
immer wieder besonders hochwertige Bildbände, in denen es sich<br />
vorzüglich schwelgen lässt. Gerade sind zwei neue Titel erschienen,<br />
die hervorragend in unsere Jahrestage-Rubrik passen: Grossformatige<br />
Prachtwerke zu den 50-jährigen Bandjubiläen der Jacksons und von<br />
Pink Floyd. Sie sind tolle Zeitdokumente. Diese Frisuren! Diese<br />
Hosen! Vor allem aber: dieser Michael!<br />
© Dan Gottesman / 2017 Jacksons Entertainment<br />
Ein Autor,<br />
den man<br />
dem<br />
Schweizer<br />
Publikum nicht vorstellen<br />
muss, ist Martin Suter. Da<br />
verlieren wir doch gar nicht<br />
zu viele Worte über ihn,<br />
sondern gratulieren ihm<br />
schlicht zu seinem 70.<br />
Geburtstag am 29. Februar<br />
(auch wenn es diesen Tag<br />
gar nicht geben wird). Sein<br />
neuester Streich übrigens:<br />
«Song Book». Das Buch mit<br />
CD entstand in Zusammenarbeit<br />
mit Stephan Eicher.<br />
Foto: © Franco P Tettamanti<br />
Elke Heidenreich ist eine<br />
Frau, die polarisiert. Manchmal<br />
haut sie mit Aussagen<br />
ganz schön ins Kraut – als<br />
Mitglied des Literaturclubs<br />
von SRF ebenso wie als<br />
politisch denkender Mensch.<br />
Doch sie bringt fraglos viele<br />
zum Lesen, auch als Autorin.<br />
Der Fischer-Verlag hat<br />
gerade ihre Kurzgeschichtensammlung<br />
«Alles kein<br />
Zufall» neu als Taschenbuch<br />
herausgebracht – eine Liebeserklärung<br />
ans Leben. Am<br />
15. Februar feiert die Autorin<br />
ihren 75. Geburtstag.<br />
Am 28. Januar<br />
jährt sich der Tod<br />
von Adalbert<br />
Stifter zum 150.<br />
Mal. Der naturverbundene<br />
Österreicher, der von 1805 bis<br />
1868 lebte, zählt zu den wichtigsten<br />
Autoren des Biedermeiers.<br />
Seine entschleunigten<br />
– manche sagen auch: zuweilen<br />
etwas langatmigen – Werke<br />
werden vor allem von bemerkenswerten<br />
Landschaftsbeschreibungen<br />
geprägt. Unsere<br />
Empfehlung zum Einstieg ins<br />
Stifters Werk: «Bergkristall»,<br />
eine vom Insel-Verlag gerade<br />
neu aufgelegte Weihnachtsgeschichte,<br />
die zu den<br />
schönsten überhaupt zählt.<br />
SVEN FURRER, MODERATOR,<br />
COMEDIAN UND SCHAUSPIELER:<br />
DER TRAFIKANT<br />
Robert Seethaler<br />
256 Seiten, CHF 14.90<br />
Kein & Aber<br />
«Die Geschichte spielt 1937 in Österreich. Der 17-jährige<br />
Franz Huchel verlässt sein ländliches Heimatdorf,<br />
um in Wien als Lehrling in einer Trafik – einem kleinen<br />
Tabak- und Zeitungsgeschäft – sein Glück zu<br />
suchen. Dort begegnet er eines Tages dem Stammkunden<br />
Sigmund Freud, der ihn vom ersten Augenblick<br />
an fasziniert. Im Lauf der Zeit entwickelt sich eine<br />
ungewöhnliche Freundschaft zwischen den beiden<br />
unterschiedlichen Männern.<br />
Als sich Franz kurz darauf Hals über Kopf unglücklich<br />
in die Varietétänzerin Anezka verliebt, sucht er beim<br />
alten Professor Rat. Dabei stellt sich jedoch schnell<br />
heraus, dass dem weltbekannten Psychoanalytiker<br />
das weibliche Geschlecht ein mindestens ebenso<br />
grosses Rätsel ist wie Franz. Ohnmächtig fühlen sich<br />
beide auch angesichts der sich dramatisch zuspitzenden<br />
politisch-gesellschaftlichen Verhältnisse. Und<br />
schon bald werden Franz, Freud und Anezka jäh vom<br />
Strudel der Ereignisse mitgerissen.<br />
Die Geschichte von Franz ist in einem sehr leisen,<br />
zarten und poetischen Ton geschrieben. Es ist ein<br />
grosses Vergnügen, diese berührende Geschichte zu<br />
lesen – schon nur wegen der schnörkellosen Sprache.<br />
Die naive und unerfahrene Sichtweise des jugendlichen<br />
Franz lässt die Geschichte trotz der Präsenz des<br />
Monuments Sigmund Freud sehr menschlich und<br />
ohne Effekthascherei erscheinen.<br />
Eine Trouvaille rund um das Erwachsenwerden, das<br />
Ausziehen von zu Hause, den Einstieg ins Berufsleben,<br />
die erste grosse Liebe und die Ehrfurcht vor der<br />
Weisheit. Immer wieder treffe ich im Buch auf<br />
Momente, in denen ich mich selber sehe – lang ist’s<br />
her! Die Zeit, in der ‹Der Trafikant› spielt, ist aber so<br />
fragil, dass einem immer wieder vor Augen geführt<br />
wird, wie unbeschwert wir selber den grossen<br />
Themen des Lebens begegnen durften. Solche Bücher<br />
helfen mir, den Alltag zu entschleunigen!»<br />
… UND<br />
AUSSERDEM<br />
Ein Schwerpunkt dieser Ausgabe<br />
von Lesen sind Thriller –<br />
das grosse Interview etwa<br />
bestreitet Thrillerkönig Sebastian<br />
Fitzek. Thrillerfreundinnen<br />
und -freunden sei hier zur<br />
Abwechslung mal ein Spielchen<br />
empfohlen, das ihnen die<br />
Nackenhaare so sehr aufstellen<br />
kann wie eine literarische<br />
Schlachtplatte: tummple! Das<br />
Spiel ist wirklich fi es, weil man<br />
sein Gegenüber mit gemein<br />
platzierten kleinen Markern<br />
und Holzklötzchen zu riskanten<br />
Aktionen zwingen kann.<br />
Stürzt der Turm ein, gehen die<br />
Klötzchen an den Schuldigen.<br />
Wer keine Hölzchen mehr hat,<br />
gewinnt. Für einmal heisst es<br />
also: The loser takes it all!<br />
TUMMPLE!<br />
für 2 – 4 Spieler ab 8 Jahren<br />
CHF 23.90<br />
Carletto<br />
CD<br />
UND<br />
BUCH<br />
SUTER<br />
CD & Buch, 104 Seiten,<br />
Hardcover, ca. sFr. 36.–<br />
(unverbindliche Preisempfehlung)<br />
Mit SONG BOOK erfüllen<br />
sich Stephan Eicher und Martin<br />
Suter einen Herzenswunsch.<br />
Der Schriftsteller erweist sich<br />
dabei als musikalischer Mundart-Poet,<br />
der Chansonnier als<br />
feinfühliger Interpret.<br />
Buch mit CD.<br />
»Wir wollen mit unserem<br />
SONG BOOK den Leuten eine<br />
Freude bereiten.«<br />
Stephan Eicher<br />
»Die Songtexte für Stephan Eicher<br />
sind vielleicht die Arbeit, auf die ich<br />
am meisten stolz bin.«<br />
Martin Suter<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
Diogenes
11<br />
INTERVIEW<br />
Sebastian Fitzek ist der erfolgreichste deutschsprachige Thrillerautor. Lesen hat ihn in seinem<br />
Schreibbüro in Berlin besucht. Aktueller Anlass: der neue Roman «Flugangst 7A».<br />
INTERVIEW: MARIUS LEUTENEGGER<br />
FOTOS: GENE GLOVER<br />
«Die Figuren tun,<br />
was sie wollen»<br />
Es ist nicht einfach, mit Ihnen über einen neuen Thriller<br />
zu sprechen – man will ja nicht spoilern. Ich überlasse<br />
Ihnen daher gern die Verantwortung: Erzählen Sie,<br />
worum es in «Flugangst 7A» geht.<br />
Sebastian Fitzek: Ja, was darf man sagen?<br />
Vielleicht dies: Der Psychiater Mats Krüger lebt in<br />
Buenos Aires und muss zurück nach Berlin, weil<br />
seine Tochter dort ein Kind bekommt. Der Mann<br />
leidet unter massiver Flugangst und ist schon seit<br />
vielen Jahren nicht mehr in der Luft gewesen. Auf<br />
diesen Flug hat er sich darum minutiös vorbereitet,<br />
er studierte Baupläne und Absturzstatistiken – und er<br />
buchte gleich mehrere Flugtickets, weil die Platzierung<br />
je nach Vorfall über Tod und Leben entscheiden<br />
kann. Während des Flugs erhält Mats einen Anruf.<br />
Eine ehemalige Patientin von ihm befindet sich auf<br />
dem Flug – und er soll sie jetzt dazu bringen, das<br />
Flugzeug abstürzen zu lassen. Gelingt ihm das nicht,<br />
wird seine entführte Tochter getötet.<br />
Sie lassen sich für Ihre Romane oft von realen Ereignissen<br />
inspirieren. Bei dieser Geschichte scheint die<br />
Quelle klar zu sein: der Suizid des Germanwings-Piloten<br />
Andreas Lubitz, der seinen Airbus zerschellen liess<br />
und 150 Passagiere tötete ...<br />
Ja, die Germanwings-Katastrophe schwingt mit.<br />
Sie bewegte mich sehr, als Mensch und als Passagier.<br />
Wir unternehmen ja viel, um keine physischen Bomben<br />
an Bord zu haben – aber wir können uns trotzdem<br />
nie ganz sicher fühlen, weil viele Menschen eine<br />
Art psychologischen Sprengsatz in sich tragen, der<br />
von keinem Gerät entdeckt wird. Ich habe mich aber<br />
bemüht, keine zu starken Parallelen zum realen Drama<br />
zu ziehen, denn ich will weder psychisch Kranke<br />
stigmatisieren, noch das Leid der Opfer zu Unterhaltungszwecken<br />
missbrauchen. Es gibt bei mir keinen<br />
suizidgefährdeten Piloten, im Zentrum steht ein<br />
klaustrophobisches Psychoduell. Interessiert hat<br />
mich auch die Idee einer umgekehrten Therapie: Wie<br />
schnell geht es, das Fundament einer therapierten<br />
Psyche wieder zum Einsturz zu bringen?<br />
Warum stand ausgerechnet die Germanwings-Katastrophe<br />
am Anfang Ihres neuen Romans? Es gibt unzählige<br />
Ereignisse, die Sie zu Romanen inspirieren könnten.<br />
Welche Nachrichten wecken Ihr Interesse?<br />
Solche, die eine persönliche Betroffenheit auslö-<br />
Sebastian<br />
Fitzek<br />
kam 1971 in Berlin-<br />
Grunewald zur Welt.<br />
In diesem Stadtteil<br />
lebt er noch heute,<br />
zusammen mit seiner<br />
Frau und den drei<br />
gemeinsamen Kindern.<br />
Er studierte Jura und<br />
arbeitete beim Radio.<br />
2006 erschien sein<br />
erster Psychothriller<br />
«Die Therapie»,<br />
der ihn sofort zur<br />
Nummer 1 unter<br />
den deutschsprachigen<br />
Thrillerautoren<br />
machte. Mittlerweile<br />
wurde der Roman<br />
in über 20 Sprachen<br />
übersetzt. Auch alle<br />
folgenden seiner über<br />
ein Dutzend Romane<br />
landeten auf den<br />
vordersten Plätzen<br />
der Bestsellerlisten,<br />
zuletzt «Das Paket».<br />
Die Thriller bieten<br />
auch guten Filmstoff;<br />
demnächst kommt<br />
«Abgeschnitten» mit<br />
Moritz Bleibtreu ins<br />
Kino, RTL setzt «Passagier<br />
23» und «Das<br />
Joshua-Profil» um.<br />
sen. Ich habe zwar keine Flugangst, aber zumindest<br />
Flugsorge – weil ich weiss: Wir gehören da nicht hin,<br />
auf eine Höhe von 10’000 Metern. Aber Sie haben<br />
Recht, Ideen und Inspirationen gibt es zuhauf. Ich<br />
habe einen einfachen Mechanismus: Ich schreibe<br />
eine Idee nicht auf, und wenn sie wieder und wieder<br />
anklopft, will sie offenbar verwirklicht werden. So<br />
war es auch mit dem Thema für «Flugangst 7A».<br />
Als ich am Flughafen beim Sicherheitscheck stand,<br />
dachte ich: Warum wird eigentlich Zahnseide nicht<br />
konfisziert? Sie könnte ja auch eine Waffe sein. Und<br />
wer von meinen Mitreisenden ist psychisch instabil?<br />
Es ist einfach nicht alles beherrschbar. Und wir alle<br />
können an einen Punkt gelangen, an dem wir zerbrechen<br />
– an dem wir zum Mord fähig werden.<br />
Mit wie vielen Geschichten gehen Sie gleichzeitig<br />
schwanger?<br />
Mit acht, neun. Die meisten entstehen aus dem<br />
Alltag heraus. Kürzlich konnte ich unser Haus nicht<br />
verlassen; uns wurde ein neues Schliesssystem<br />
aufgeschwatzt, und weil die Batterie in meinem<br />
Schlüssel alle war, funktionierte nichts mehr. Da<br />
dachte ich: Das ist eine gute Idee! Eine Familie wacht<br />
auf und kommt nicht mehr aus ihrem Haus raus. Die<br />
Scheiben lassen sich nicht zerschlagen, und es fliesst<br />
auch kein Wasser mehr. Wer hat das arrangiert – und<br />
warum? Wegen des Drogenkonsums der Tochter?<br />
Einer Affäre der Frau? Dem Schwarzgeldkonto des<br />
Manns?<br />
Sie sprechen sehr freimütig über diese Idee – haben Sie<br />
keine Angst, sie könnte Ihnen geklaut werden?<br />
Nun, Ideen lassen sich bei uns ja nicht schützen,<br />
insofern ist sie noch nichts wert. Ich rede gern über<br />
meine Ideen, das gehört für mich zum Entstehungsprozess.<br />
Rückmeldungen bringen mich weiter.<br />
Viele Krimis und Thriller spielen an abgeriegelten Orten,<br />
von denen niemand weg kann – man denke an Agatha<br />
Christies Thriller «Und dann gab’s keines mehr», an<br />
den Film «Air Force One» oder an Ihr Buch «Passagier<br />
23». Ist die Ausgangslange, die auch «Flugangst 7A»<br />
prägt, nicht etwas ausgelutscht?<br />
Letztlich ist alles schon einmal geschrieben worden.<br />
Aber die Figuren sind nie auserzählt. Menschen<br />
haben heute andere Probleme als vor 500 Jahren,<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH
12<br />
INTERVIEW<br />
13<br />
INTERVIEW<br />
und neue Entwicklungen bieten neue Möglichkeiten,<br />
Geschichten zu erzählen. Sind die Figuren relevant<br />
und die Umstände interessant, wirkt ein Setting nie<br />
ausgelutscht.<br />
«Flugangst 7A» ist raffiniert konzipiert. Entwerfen Sie<br />
Ihre Geschichte am Reissbrett?<br />
Habe ich mich für eine Geschichte entschieden,<br />
entwerfe ich ein Exposé von 10 bis 20 Seiten – eine<br />
grobe Zusammenfassung der Handlung, der Charaktere,<br />
ihrer Motive und Konflikte. Dann beginne ich<br />
mit dem Schreibprozess, der in der Regel etwa drei<br />
Monate dauert und mich voll in Beschlag nimmt – ich<br />
bin dann sozial sehr inkompatibel. Habe ich etwa 80<br />
Seiten verfasst, löse ich mich aber meist komplett<br />
vom Exposé. Das hat damit zu tun, dass die Figuren<br />
ein Eigenleben entwickeln und ich zu ihrem Beobachter<br />
werde.<br />
Mögen Sie diesen Moment?<br />
Dieser Wendepunkt ist immer auch mit der Sorge<br />
verbunden, dass man sich völlig verzettelt oder nicht<br />
mehr weiterkommt. Ich brauche ein Gerüst, aber<br />
ich weiss, dass dieses Gerüst gesprengt wird. Bei<br />
«Passagier 23» nahmen die Figuren bald ein derart<br />
starkes Eigenleben an, dass ich nach 80 Seiten wieder<br />
von vorn beginnen musste. Man kann die Figuren<br />
nicht zwingen, etwas zu tun, was sie nicht wollen. Als<br />
Autor bin ich eigentlich Gott der Geschichte, aber der<br />
Leser merkt, wenn man die Figuren einfach Stöckchen<br />
springen lässt. Bei «Passagier 23» war es dann<br />
so, dass ich mir sagte: Gut ist, dass die Figur jetzt lebt.<br />
Schlecht ist, dass sie darum sterben muss. Solche<br />
Rückschläge sind der Preis, den ich dafür zahlen<br />
muss, dass ich mir in meinem Konzept immer weisse<br />
Felder lasse. Diesen Preis zahle ich aber gern, denn<br />
wäre alles von Anfang an klar, wäre der Schreibprozess<br />
nur noch das stoische und uninteressante<br />
Abarbeiten einer Geschichte, die ich schon kenne.<br />
Sie haben nicht nur viele Geschichten im Kopf, Sie<br />
schreiben auch viel: Ihr letzter Roman «Das Paket»<br />
erschien vor gerade einmal einem Jahr.<br />
Ich höre immer wieder, ich sei ein Vielschreiber.<br />
Das muss man relativieren. Verglichen mit Ken Follet<br />
oder Stephen King leide ich an Schreibhemmung.<br />
Ich finde es aber schon wichtig, viel zu schreiben.<br />
Ein Profifussballer muss auch wöchentlich ein Hochleistungsspiel<br />
absolvieren und dazwischen ständig<br />
trainieren. Es gibt eben immer noch etwas zu lernen.<br />
Ich bin mit keinem meiner Bücher wirklich zufrieden<br />
und will mich ständig verbessern.<br />
Finden Sie denn, Sie schreiben heute besser als früher?<br />
Das können nur die Leser beantworten. Ist glaube,<br />
es gibt keine Kurve, das mäandert dahin. Aber ich<br />
sehe schon eine Entwicklung. Der erste Entwurf ist<br />
immer Mist und war das schon immer, aber früher<br />
brauchte ich sieben Anläufe, bis ich mit einem Buch<br />
einigermassen zufrieden war. Jetzt sind es noch drei.<br />
Flugangst 7A<br />
Sebastian Fitzek<br />
224 Seiten, CHF 28.90<br />
Droemer<br />
Sie schreiben einen Bestseller am anderen. Gibt es eine<br />
Erfolgsformel?<br />
Nein. Als etablierter Autor hat man den Vorteil<br />
eines Vertrauensvorschusses, und es würde mich ja<br />
interessieren, was geschähe, wenn ich einen alten<br />
Bestseller von mir abtippen und ihn unter einem<br />
Pseudonym ein paar Verlagen schicken würde. Ich<br />
glaube, mein Erfolg hat nur zu 5 Prozent mit meinem<br />
Talent zu tun, 95 Prozent sind Glück. Als Debütant<br />
hat man nur einen Schuss frei; sitzt der nicht, ist man<br />
für immer weg. Ich hätte das ja auch beinahe erlebt.<br />
Die ersten zwei Monate nach Erscheinen meines<br />
Erstlings «Die Therapie» ging nichts, die Buchhändler<br />
wollten ihre Exemplare zurückschicken.<br />
Dann erschien auf Büchereule.de eine begeisterte<br />
Besprechung, und die Mundpropaganda setzte ein.<br />
Auch der Verlag engagierte sich von da an besonders<br />
– vorher waren die Verlagsleute noch überzeugt,<br />
ein Psychothriller aus Deutschland könne niemals<br />
funktionieren.<br />
Warum haben Thriller im deutschsprachigen Raum<br />
nicht die Bedeutung erlangt wie zum Beispiel in Skandinavien<br />
oder England?<br />
Meine Theorie: Bei uns hat man aus gutem<br />
Grund lange Zeit lang davon Abstand genommen,<br />
Verbrechen und Unterhaltung zu mischen. Schriftsteller<br />
setzten sich eher mit den Verbrechen im Nationalsozialismus<br />
auseinander, als sich Verbrechen<br />
auszudenken.<br />
Haben Sie selber eine Erklärung dafür, warum so viele<br />
Menschen Thriller mögen? Dieses Genre beschäftigt<br />
sich ja vorwiegend mit Situationen, die man im richtigen<br />
Leben vermeiden will.<br />
Solche Bücher haben eine Blitzableiterfunktion.<br />
Unser drittes Kind war eine Frühgeburt, und als meine<br />
Frau und ich sorgenvoll am Brutkasten standen,<br />
sagte uns eine Krankenschwester: Es nützt nichts<br />
wenn Sie auf den Monitor starren. Gehen Sie ins<br />
Kino! Und tatsächlich: Das funktionierte. Wir sahen<br />
uns Horrorfilme an. Mir haben schon viele Leserinnen<br />
und Leser geschrieben, dass meine Bücher<br />
sie vom Alltag ablenken würden. Und ich glaube,<br />
Ablenkung ist wichtig. Die ständige Auseinandersetzung<br />
mit Problemen kann auch dazu führen, dass<br />
sich Strukturen verhärten.<br />
Manche Figuren lassen Sie schwer leiden – etwa Nele,<br />
die hochschwangere Tochter von Mats. Sie hat Aids,<br />
wird entführt und grausam gedemütigt. Haben Sie kein<br />
Mitleid mit Ihren Figuren?<br />
Mir geht es natürlich nicht darum, eine Figur<br />
zu quälen. Mich interessiert aber, wie Menschen<br />
damit umgehen, wenn sie Gewalt ausgesetzt sind.<br />
Wir alle tragen eine Maske, die mal besser und mal<br />
weniger gut sitzt. Unter Gewalt werden wir auf unser<br />
Kern-Ich reduziert. Mich interessieren auch weniger<br />
die Gewalttaten an sich als deren Folgen – und mich<br />
interessiert der Täter auch weniger als das Opfer.<br />
Seltsamerweise findet das Opfer heute oft wenig<br />
Beachtung, das ist in der Literatur ähnlich wie in der<br />
Realität. Bei «Das Schweigen der Lämmer» weiss<br />
jeder, wer Hannibal Lecter ist. Aber wie heisst denn<br />
die Frau, die da im Brunnen sitzt?<br />
Beeindruckt hat mich in «Flugangst 7A», wie Sie<br />
Geburtswehen beschreiben. Wer hat Ihnen die Bilder<br />
vermittelt, die Sie verwenden?<br />
Ich war bei der Geburt aller unserer Kinder<br />
dabei. Ich hätte schon beim ersten Kind nach der<br />
Hälfte der Wehen gesagt, das tue ich mir nicht an. Als<br />
Autor muss man sich in eine Situation hineinfühlen<br />
können. Aber klar, ich habe den Text meiner Frau<br />
vorgelegt und sie gefragt, ob ich da einigermassen<br />
richtig liege.<br />
Generell hat man den Eindruck, Sie recherchierten aufwändig<br />
– fürs neue Buch über Psychotherapien, Gifte,<br />
Flugzeugabstürze, Fleischproduktion. Warum ist es bei<br />
einem Roman so wichtig, dass die Fakten stimmen?<br />
Einiges stimmt ja auch nicht. Ich will nicht, dass<br />
jemand mein Buch zum Vorbild nimmt, um ein Flugzeug<br />
zum Absturz zu bringen oder sich umzubringen.<br />
Aber ich bin überzeugt, dass eine Lüge erst dann<br />
gut ist, wenn sie einen wahren und glaubwürdigen<br />
Kern hat. Eine Handlung muss innerhalb der Lüge,<br />
die eine solche Geschichte darstellt, möglich sein.<br />
Eine riesige Fangemeinde fiebert jeweils Ihrem nächsten<br />
Thriller entgegen. Hätten Sie selber aber nicht<br />
Lust, einmal etwas ganz anderes zu schreiben?<br />
Dass ich Thrillerautor bin, ist keine bewusste<br />
Entscheidung, Ich hätte auch Komödien schreiben<br />
können. Komödien und Thriller liegen sowieso nah<br />
beieinander. In beiden Genres spielt das Timing eine<br />
entscheidende Rolle, und es geht um überraschende<br />
Pointen. Komödien lägen mir auch nahe, weil ich<br />
früher beim Radio als Gag-Autor arbeitete. Aber mir<br />
drängt sich momentan einfach keine Komödie auf.<br />
Eine Komödie zu schreiben, wäre jetzt keine Bauch-,<br />
sondern eine Kopfentscheidung – und dann entstünde<br />
eben ein Reissbrettroman. Packe ich neues Buch<br />
an, frage ich mich immer: Könnte ich nur noch ein<br />
einziges Buch schreiben, wäre es dann dieses? Und<br />
so ist mein nächstes Buch bis jetzt immer auch mein<br />
nächster Thriller gewesen.<br />
Sie lassen Menschen Schreckliches tun. Welches ist<br />
eigentlich die brutalste Tat, die Sie selber verübt haben?<br />
Hmm ... gute Frage. Ich fand es schon brutal,<br />
meinen Zahn mit einer Nagelfeile abzufeilen,<br />
nachdem dieser abgebrochen war. Ansonsten ...<br />
Nun, wofür ich mich manchmal tatsächlich schäme,<br />
ist meine mangelnde Impulskontrolle im Auto. Ich<br />
kann wirklich loslegen, wenn ich mich im Verkehr<br />
ungerecht behandelt fühle. Und dann vergesse ich<br />
zuweilen auch, dass ich nicht gerade ein Riese bin.<br />
«PACKE ICH EIN<br />
NEUES BUCH AN,<br />
FRAGE ICH MICH<br />
IMMER: KÖNNTE<br />
ICH NUR NOCH<br />
EIN EINZIGES BUCH<br />
SCHREIBEN,<br />
WÄRE ES DANN<br />
DIESES?»<br />
Weitere Bücher von<br />
Sebstian Fitzek<br />
DAS PAKET<br />
Sebastian Fitzek<br />
368 Seiten, CHF 16.90<br />
Knaur<br />
Die junge Psychiaterin Emma Stein wurde in<br />
einem Hotelzimmer vergewaltigt – vom<br />
Serientäter «Friseur». Nur in ihrem kleinen<br />
Haus am Rande des Berliner Grunewalds fühlt<br />
sie sich noch sicher – bis der Postbote sie eines<br />
Tags bittet, ein Paket für ihren Nachbarn<br />
anzunehmen.<br />
PASSAGIER 23<br />
Sebastian Fitzek<br />
432 Seiten, CHF 14.90<br />
Knaur<br />
Martin Schwartz, Polizeipsychologe, hat vor<br />
fünf Jahren auf mysteriöse Weise Frau und<br />
Sohn auf einem Kreuzfahrtschiff verloren.<br />
Mitten in einem Einsatz bekommt er den Anruf<br />
einer seltsamen alten Dame: Er müsse<br />
unbedingt an Bord kommen, es gebe Beweise<br />
dafür, was seiner Familie zugestossen sei.<br />
DIE THERAPIE<br />
Sebastian Fitzek<br />
270 Seiten, CHF 14.90<br />
Knaur<br />
Josy, die zwölfjährige Tochter des bekannten<br />
Psychiaters Viktor Larenz, verschwindet unter<br />
mysteriösen Umständen. Der trauernde Viktor<br />
zieht sich in ein abgelegenes Ferienhaus zurück.<br />
Doch eine schöne Unbekannte spürt ihn dort<br />
auf. Sie wird von Wahnvorstellungen gequält.<br />
Darin erscheint ihr immer wieder ein kleines<br />
Mädchen. Viktor beginnt mit der Therapie, die<br />
zum dramatischen Verhör wird ...<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH
14<br />
BUCHTIPPS<br />
15<br />
SCHAUFENSTER<br />
Requiem für einen Gedemütigten<br />
Für ihren letzten Roman «Tauben fl iegen auf» erhielt die Zürcherin Melinda Nadj Abonji den Schweizer und<br />
den Deutschen Buchpreis. Fürs neue Buch liess sie sich Zeit. Jetzt endlich liegt «Schildkrötensoldat» vor – eine<br />
traurig schöne Geschichte über den ewigen Konfl ikt zwischen zarter Empfi ndung und brutalen Zwängen.<br />
TEXT: HANSPETER KÜNZLER<br />
MATTHEW WEINER<br />
Alles über Heather<br />
In seinem ersten Roman erzählt<br />
Matthew Weiner, der Schöpfer<br />
von «Mad Men», von Mark und<br />
Karen Breakstone. Die beiden<br />
haben spät geheiratet und bekommen<br />
eine Tochter, Heather.<br />
Die kleine Familie lebt offenbar<br />
ein sorgenfreies Leben in Manhattan,<br />
doch das Dreieck Vater-Mutter-Kind<br />
erweist sich als<br />
labil; Heather verändert sich in<br />
der Pubertät und wendet sich von<br />
der Mutter ab, was diese nicht<br />
verkraftet.<br />
Parallel dazu entwickelt Matthew<br />
Weiner die Geschichte von<br />
Bobby Klasky. Das Kind einer<br />
drogensüchtigen Prostituierten<br />
wächst alles andere als idyllisch<br />
auf. Bobbys Lebensweg führt<br />
ihn nach einer Vergewaltigung<br />
ins Gefängnis, wo ihm der letzte<br />
Rest Menschlichkeit abhanden<br />
kommt. Als sich die Geschichte<br />
von Bobby mit jener von Heather<br />
kreuzt, kommt es zur Katastrophe.<br />
128 Seiten, CHF 21.40<br />
Rowohlt<br />
978-3-498-09463-8<br />
TIM KROHN<br />
Erich Wyss übt den<br />
freien Fall<br />
Es ist heiss in der Stadt, und der<br />
Besuch von Efgenia Costas Familie<br />
sorgt für viel Fischgeruch<br />
sowie Ärger im Treppenhaus.<br />
Doch dann wird es wirklich<br />
ernst: Ein plötzlicher Todesfall<br />
und die Nachricht vom Anschlag<br />
auf das World Trade Center haben<br />
für die elf Bewohnerinnen<br />
und Bewohner eines Zürcher<br />
Mietshauses die unterschiedlichsten<br />
Folgen. Die Schauspielerin<br />
Selina May erfährt, dass<br />
ihr Filmprojekt vertagt wird,<br />
Julia gehen Aufträge verloren,<br />
Pit macht wieder Musik. Moritz<br />
reist nicht wie geplant nach New<br />
York, dafür fliegt Hubert Brechbühl<br />
spontan nach Istanbul.<br />
Tim Krohn führt mit diesem<br />
Band sein gross angelegtes literarisches<br />
Projekt fort. Klug, sensibel<br />
und bisweilen auch schalkhaft<br />
ordnet er 68 menschliche<br />
Regungen den verschiedenen<br />
Figuren zu. Der Auftaktband seines<br />
Projekts, «Herr Brechbühl<br />
sucht eine Katze», war wochenlang<br />
in den Schweizer Bestsellerlisten.<br />
496 Seiten, CHF 35.90<br />
Galiani<br />
978-3-86971-151-5<br />
KATHARINE NORBURY<br />
Die Fischtreppe<br />
Als Neugeborenes wird Katharine<br />
Norbury in einem Kloster<br />
zurückgelassen. Ihre Adoptiveltern<br />
ziehen sie liebevoll auf, und<br />
doch vermisst Katharina Norbury<br />
stets etwas Unnennbares.<br />
Nach der Diagnose einer schweren<br />
Krankheit und einer Fehlgeburt<br />
beschliesst sie, zusammen<br />
mit ihrer 9-jährigen Tochter Evie<br />
einem Flusslauf von der Mündung<br />
bis zur Quelle zu folgen.<br />
Was als Trauerarbeit gedacht ist,<br />
wird mehr und mehr zur Sinnsuche.<br />
Schliesslich findet Katharine<br />
ihren eigenen Ursprung.<br />
Der 2015 veröffentlichte Debütroman<br />
«The Fish Ladder» erhielt<br />
in Grossbritannien mehrere<br />
Auszeichnungen. Katharine<br />
Norbury hatte als Produktionsassistentin<br />
gearbeitet, bevor sie<br />
sich im Zuge einer schweren<br />
Krankheit eigenen Schreibprojekten<br />
zuwandte.<br />
280 Seiten, CHF 31.90<br />
Matthes & Seitz<br />
978-3-95757-452-7<br />
HANNAH KENT<br />
Wo drei Flüsse sich<br />
kreuzen<br />
Irland 1825: Die 14-jährige Mary<br />
soll der verwitweten Bäuerin<br />
Nora und ihrem schwer behinderten<br />
Enkel Michael zur Hand<br />
gehen. Der kleine Junge, so munkelt<br />
man im Dorf, sei ein Wechselbalg,<br />
ein Feenkind, und mache<br />
die Kühe krank. Mary gibt nichts<br />
auf das Gerede, doch als Nora davon<br />
hört, reift in der einsamen,<br />
verzweifelten Frau eine ungeheuerliche<br />
Idee: Gelingt es ihr,<br />
den Wechselbalg zu vertreiben,<br />
würde sie den gesunden Michael<br />
wiederbekommen und endlich<br />
wieder eine echte Familie haben.<br />
Getrieben von Angst und Aberglaube<br />
und unterstützt durch<br />
die geheimnisvolle Kräuterfrau<br />
Nance ist Nora bald bereit, alles<br />
zu versuchen – und Mary fällt es<br />
immer schwerer, sich gegen die<br />
beiden Frauen durchzusetzen.<br />
432 Seiten, CHF 28.90<br />
Droemer Knaur<br />
978-3-426-19979-4<br />
Ganz blau sind die Augen des Zoltán Kertész, neun<br />
Jahre alt, auch Zoli genannt. So blau, dass er den «wolkenlosen<br />
Himmel getrunken haben» muss, heisst es.<br />
Dass ihm der Rotz von der Nase hängt, merkt er nicht,<br />
da kann die Mutter noch so lang schreien. Denn Zoli<br />
– «verdreckt und erhaben» – ist mit etwas Wichtigerem<br />
beschäftigt, nämlich der täglichen, rituellen<br />
Übergabe eines huhnfrischen Eis an seinen Hund<br />
Tango. Beobachtet wird er dabei von seiner Cousine<br />
Hanna, die unangemeldet zu Besuch gekommen ist in<br />
dieses verlotterte Haus in einem unscheinbaren Ort<br />
in Jugoslawien. Später an diesem Tag küssen sich die<br />
beiden, zum ersten und letzten Mal im Leben. Die<br />
Schule sei ein Hindernis aus Zahlen und Buchstaben,<br />
gesteht Zoli der Cousine. Sie stellen sich ihm in den<br />
Weg, wenn er ein neues Wort entdeckt hat, das er sich<br />
in Ruhe auf der Zunge zergehen lassen will. «Du<br />
weisst doch, wovon ich spreche?», fragt Zoli. «Ich<br />
wusste es und wusste es nicht», erinnert sich Hanna,<br />
jetzt, viele Jahre später, als sie zu Zolis Grab gereist ist,<br />
um über den Weg seiner Geschichte auch etwas über<br />
sich selber und ihre Welt zu erkennen.<br />
Aus der Heimat ausgesperrt<br />
Melinda Nadj Abonji wurde als Teil der ungarischen<br />
Minderheit im damals jugoslawischen, heute serbischen<br />
Becsej geboren. Als sie fünf Jahre alt war, zog<br />
die Familie nach Zürich. Der Krieg in der Heimat setzte<br />
eine Zäsur in ihrem Leben: «1989 fiel die Mauer,<br />
und alle dachten: Alles bricht auf, man kann hinaus<br />
und sich verbünden», sagt sie. «Aber dann, 1991, kam<br />
eine neue Mauer, die bedeutete, dass wir von unserem<br />
Geburtsland abgeschnitten waren.» In Zürich studierte<br />
Abonji Germanistik; sie schloss mit einer Arbeit<br />
über Marieluise Fleisser ab. 2004 erschien ihr Debüt-Roman<br />
«Im Schaufenster im Frühling». Sechs<br />
Jahre später sicherte sie sich mit «Tauben fliegen auf»<br />
ihre Stellung in der deutschsprachigen Literatur.<br />
Melinda Nadj Abonji lässt<br />
ihre Hauptfigur sich in einen<br />
Panzer zurückziehen.<br />
© Gaëtan Bally Suhrkamp Verlag<br />
SCHILDKRÖTEN-<br />
SOLDAT<br />
Melinda Nadj Abonji<br />
173 Seiten, CHF 28.90<br />
Suhrkamp<br />
Aus einem Wort heraus<br />
Gewöhnlich schäle sich ein Titel langsam aus der<br />
Schreibarbeit heraus, sagt Abonji. Beim «Schildkrötensoldat»<br />
war es anders: Irgendwann war ihr das<br />
Wort eingefallen. Es stellte sie vor Rätsel und schickte<br />
sie auf Entdeckungsreise. Die Geschichte, die dabei<br />
herausgekommen ist, ist furchtbar. Zoltán Kertész ist<br />
der Sohn eines «Halbzigeuners» und einer Tagelöhnerin<br />
mit lotterigem Eheverständnis. Zolis Neigung zum<br />
Träumen, seine Liebe zu Tieren und Blumen – das ungarische<br />
«Kertész» bedeutet auf deutsch «Gärtner» –<br />
lenkt ihn schon als Kind von den Beschäftigungen ab,<br />
die man von einem Buben und Schüler erwartet.<br />
Dann fällt er auch noch vom Motorrad seines Vaters<br />
und verletzt sich am Kopf. Danach sei nichts mehr gewesen<br />
wie früher. Immer mehr zieht sich Zoltán angesichts<br />
der täglichen Erniedrigungen in seinen Panzer<br />
zurück. Schliesslich wittern die Eltern Hoffnung im<br />
schwelenden Konflikt im Land: Das Militär soll einen<br />
rechten Mann aus Zoltán machen. Auch hier leidet<br />
er – es kann gar nicht anders sein.<br />
Sieg des befreiten Geists<br />
Aber es gibt einen Menschen, Soldat Frigyes Jenö, der<br />
ihn ein bisschen versteht. Während eines Gewaltmarsches<br />
wird dieser aber buchstäblich zu Tode gezerrt<br />
und gestossen. Ausgerechnet Zoli, der Geplagte, fühlt<br />
sich schuldig am Tod seines Freunds. Zugedröhnt von<br />
Psychopharmaka erstickt er schliesslich daheim am<br />
Küchentisch beim Essen. «Der Roman ist ein Nachdenken<br />
über den militarisierten Geist», sagt Melinda<br />
Nadj Abonji. Er könnte vor lauter Traurigkeit kaum<br />
auszuhalten sein. Dass er es nicht ist, dass er im Gegenteil<br />
von Leben nur so strotzt und dieses Leben<br />
grosszügig an den Leser und die Leserin weiterreicht,<br />
ist Abonjis wunderbarer Sprache zu verdanken. Die<br />
Bilder aus dem Inneren von Zoli werden mit atemberaubend<br />
poetischer Sprachfreude aufs Papier gezaubert.<br />
Die schillernde Schönheit dieser Sprache<br />
transzendiert das düstere Gesellschaftsbild, das gezeichnet<br />
wird, und lässt trotz allem auf den Sieg des<br />
befreiten Geists hoffen.<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH
16<br />
SCHREIBENDE PAARE<br />
17<br />
SCHREIBENDE PAARE<br />
Solisten im Duett<br />
Der erfolgreiche neue Psychothriller «Schockfrost» hat gleich zwei Urheberinnen: Mitra Devi und Petra Ivanov.<br />
Die beiden Schweizer Krimiautorinnen liegen mit ihrem Gemeinschaftswerk im Trend, denn seit einiger Zeit<br />
erscheinen immer mehr Bücher, die im Team geschrieben wurden. Doch wie schreibt man eigentlich ein Buch<br />
zu zweit – und warum tut man das überhaupt?<br />
Ein Buch zu schreiben, ist meist eine einsame<br />
Angelegenheit. Gehen Autorinnen und<br />
Autoren mit einem Buch schwanger, ziehen<br />
sie sich oft zurück. Das bestätigt auch Thriller-Spezialist<br />
Sebastian Fitzek: «Während<br />
des Schreibprozess werde ich sozial sehr<br />
inkompatibel», sagt er in unserem Interview<br />
ab Seite 10. Doch es gibt auch Autoren,<br />
die gern mit anderen Autoren arbeiten und<br />
gemeinsam ein Buch schreiben. Solches<br />
Teamwork liegt gar im Trend, auch wenn es<br />
nicht immer offensichtlich ist. Viele wissen<br />
zum Beispiel wohl nicht, dass sich hinter<br />
dem Namen Erik Axl Sund, der auf den Büchern<br />
der erfolgreichen «Victoria-Bergmann-Trilogie»<br />
prangt, gleich zwei Köpfe<br />
INTERVIEW: LUKAS TOBLER UND NENA MORF<br />
Die Schweden Maj Sjöwall und Per Wahlöö veröffentlichten 1965 ihren<br />
ersten gemeinsam geschriebenen Roman «Roseanna».<br />
verbergen, nämlich Jerker Eriksson und<br />
Hakan Axlander Sundquist. Auch der Autor<br />
Lars Kepler, der zuletzt den Kriminalroman<br />
«Hasenjagd» veröffentlichte, ist kein echter<br />
Lars – das Pseudonym steht für das Autoren-Ehepaar<br />
Alexandra und Alexander<br />
Ahndoril.<br />
des Familienensemble aus Mutter und<br />
Kind. Der moderne Klassiker unter den Autorenteams<br />
schlechthin ist das deutsche<br />
Schriftstellerehepaar, das sich hinter dem<br />
Pseudonym Iny Lorentz verbirgt: Iny Klocke<br />
und Elmar Wohlrath haben sich auf<br />
Fantasy und Historische Romane spezialisiert<br />
und mit «Die Wanderhure» einen Dauererfolg<br />
verfasst. Und es gibt auch ein erfolgreiches<br />
schweizerisches Autorenteam:<br />
Dieses Jahr haben die beiden Krimiautorinnen<br />
Petra Ivanov und Mitra Devi zusammen<br />
«Schockfrost» veröffentlicht.<br />
Ein gelungenes Debüt<br />
Für beide Schriftstellerinnen ist «Schock-<br />
Der Trend ist international<br />
Aber nicht nur Schweden tun sich fürs<br />
Schreiben zusammen: Pünktlich zu Weihnachten<br />
ist das neuste Werk des beliebten<br />
US-amerikanischen Mutter-Tochter-Duos P.<br />
J. Tracy, «Cold Kill», auf Deutsch erschienen.<br />
Auch die deutschen Autorinnen Hanna<br />
und Nora Ziegert bilden ein schreibenfrost»<br />
der erste Roman, den sie in einem<br />
Zweiergespann geschrieben haben – und<br />
für beide ist es zudem der erste Thriller. «Im<br />
Gegensatz zum Kriminalroman gibt es beim<br />
Thriller keinen Ermittler, sondern es geht<br />
um eine Figur, die in Gefahr ist», so Pertra<br />
Ivanov. «Und auch der Rhythmus ist anders<br />
als bei einem Krimi.» In «Schockfrost» tritt<br />
keine der Figuren aus den beliebten Krimiserien<br />
der beiden Autorinnen auf. «Wir erfanden<br />
ein komplett neues Personal», bestätigt<br />
Mitra Devi. Die Geschichte handelt<br />
von einer alleinerziehenden Psychiaterin,<br />
deren Leben nach einem Treppensturz immer<br />
mehr aus den Fugen gerät. Zweifel<br />
schleichen sich in ihr Leben ein, bis sie niemandem<br />
mehr trauen kann – am allerwenigsten<br />
sich selbst. Als ihr 15-jähriger Sohn<br />
krank wird und verschwindet, beginnt ein<br />
atemloser Wettlauf gegen die Zeit, einen gesichtslosen<br />
Gegner – und gegen den eigenen<br />
Wahnsinn. Petra Ivanov und Mitra Devi<br />
ist mit ihrem ersten gemeinsamen Werk<br />
«Schockfrost» ein mitreissender Psychothriller<br />
gelungen, der einer aussergewöhnlich<br />
guten Zusammenarbeit entsprungen<br />
scheint.<br />
Es schreibt sich weiter<br />
Wie hat sich diese gestaltet? Die beiden Erfolgsautorinnen<br />
haben eine eher klassische<br />
Vorgehensweise gewählt: Sie wechselten<br />
einander beim Schreiben ab und verfassten<br />
in chronologischer Reihenfolge ein Kapitel<br />
nach dem anderen. Weil die Geschichte aus<br />
den verschiedenen Perspektiven einer<br />
Handvoll Hauptfiguren erzählt wird, teilten<br />
die Schriftstellerinnen die Figuren untereinander<br />
auf. So konnten sie jeweils deren<br />
Charaktere entwickeln und aus deren Sicht<br />
die Geschichte weitererzählen. «Petra entwarf<br />
ein Kapitel und schickte es mir zum<br />
Gegenlesen; ich gab ihr eine Rückmeldung<br />
und schrieb weiter», so Mitra Devi. Auch<br />
das schwedische Bestseller-Duo Erik Axl<br />
Sund geht so vor. Abwechselnd zu schreiben<br />
bedeutete für die Autorinnen, sich auf andere<br />
Sichtweisen und einen neuen Schreibstil<br />
einzulassen. Wohl auch deshalb entschieden<br />
sie sich für Neuland, was das<br />
Genre betrifft. «Völlig neu und sehr schön<br />
war zudem auch, dass ich mich zurücklehnen<br />
konnte, wenn ich wieder ein Kapitel<br />
fertig hatte», so Petra Ivanov. «Denn ich<br />
wusste: Das Buch schreibt sich weiter, obwohl<br />
ich jetzt nichts mache.»<br />
Es geht auch anders<br />
Nicht alle schreibenden Paare teilen sich<br />
die Arbeit wie Mitra Devi und Petra Ivanov<br />
oder Erik Axl Sund nach Kapiteln auf. Einige<br />
Die Schweizer Autorinnen Pertra Ivanov (l.) und<br />
Mitra Devi lieferten mit «Schockfrost» ihren ersten gemeinsamen<br />
Roman ab – einen herausragenden<br />
Psychothriller.<br />
arbeiten noch enger zusammen. Wenn Iny<br />
Lorentz – die ausserordentlich produktiv<br />
sind – mit dem Schreiben eines neuen<br />
Buchs beginnen wollen, können sie auf eine<br />
gemeinsam erarbeitete Liste von über 70<br />
Ideen zurückgreifen. Dann liegt der Ball zunächst<br />
bei Elmar Wolrath. Er kümmert sich<br />
um die Recherche, die den Historischen Romanen<br />
zugrunde liegt, und er entwirft auf<br />
dieser Basis in enger Absprache mit Iny Klocke<br />
einen Rohtext. Wenn diese erste Version<br />
steht, übernimmt die Frau. Sie «schleift»<br />
den Rohtext in mehreren Schritten zurecht<br />
und legt ihn nach jedem Arbeitsgang wieder<br />
ihrem Mann vor. «Zuletzt steht der Roman<br />
so, wie wir ihn uns beide vorstellen»,<br />
sagen die beiden.<br />
Manchmal knallt’s<br />
So harmonisch gehen aber nicht alle schreibenden<br />
Eheleute miteinander um. Das<br />
deutsche Ehepaar Nina George und Jens<br />
Kramer, das gemeinsam das Duo Jean Bagnol<br />
bildet, macht hin und wieder bei einem<br />
Streit um den Text ein Glas kaputt. «Beim<br />
Schreiben kochen die Emotionen manchmal<br />
richtig hoch», sagt Jens Kramer. Das<br />
liegt auch an ihrer Herangehensweise: Arbeiten<br />
die beiden etwa an einem Dialog zwischen<br />
dem Ermittler und dem Bösewicht,<br />
sprechen sie ihn mehrmals nach, bis sie mit<br />
den Formulierungen zufrieden sind – und<br />
versetzen sich so in die emotionale Situation,<br />
die sie beschreiben wollen. Aber die beziehungsgefährdenden<br />
Methoden werden<br />
durch das Resultat gerechtfertigt: Dieses<br />
Jahr ist bereits der dritte Teil ihrer erfolgreichen<br />
Provence-Krimi-Reihe rund um Commissaire<br />
Mazan erschienen.<br />
SCHOCKFROST<br />
Devi & Ivanov<br />
288 Seiten, CHF 22.90<br />
Unionsverlag<br />
HASENJAGD<br />
Lars Kepler<br />
656 Seiten, CHF 31.90<br />
Lübbe<br />
DIE SCHULDIGEN<br />
Hanna und Nora<br />
Ziegert<br />
272 Seiten, CHF 19.90<br />
Penguin<br />
COMMISSAIRE<br />
MAZAN UND<br />
DIE SPUR DES<br />
KORSEN<br />
Jean Bagnol<br />
384 Seiten, CHF ???<br />
Droemer Knaur<br />
SCHATTEN-<br />
SCHREI<br />
Erik Axl Sund<br />
448 Seiten, CHF 18.90<br />
Goldmann<br />
COLD KILL –<br />
NICHTS IST JE<br />
VERGESSEN<br />
P. J. Tracy<br />
352 Seiten, CHF 14.90<br />
Rowohlt<br />
DIE WANDER-<br />
HURE<br />
Iny Lorentz<br />
624 Seiten, CHF 16.90<br />
Droemer Knaur<br />
MAIGLÖCKCHEN-<br />
WEISS<br />
Schünemann & Volic<br />
352 Seiten, CHF 33.90<br />
Diogenes<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH
18<br />
SCHREIBENDE PAARE<br />
19<br />
BUCHTIPPS<br />
Die vielen Formen von Teamwork<br />
Noch etwas anarchischer arbeiten Schünemann<br />
& Volic, deren neuester Milena-Lukin-Krimi<br />
«Maiglöckchenweiss» gerade<br />
erschienen ist: Sie sitzen gemeinsam<br />
am Tisch und erzählen einander Geschichten.<br />
Gefällt eine gut, schreibt Jelena Volic<br />
sie auf. Dieser erste Entwurf sei allerdings<br />
noch viel zu ausführlich, sagt sie. Christian<br />
Schünemann kommt die Aufgabe des Kürzens<br />
zu. Steht dann die zweite Version, folgt<br />
während Monaten die gemeinsame Feinarbeit.<br />
Diese findet, weil Schünemann in Berlin<br />
und Volic zumeist in Belgrad wohnt, per<br />
SMS oder E-Mail statt. Eine andere Methode<br />
haben die Köpfe hinter Lars Kepler eingeschlagen.<br />
Sie sitzen gemeinsam in einem<br />
Büro und schreiben immer 20 Minuten an<br />
ihrem Text weiter, dann wechseln sie die<br />
Plätze und schreiben weiter. Das machen<br />
sie etwa 40 Mal – pro Tag. Am Ende steht ein<br />
Text, der komplett gemeinsam verfasst<br />
wurde.<br />
Es findet sich kein Unterschied<br />
Wie auch immer die schreibenden Duos<br />
sich die Arbeit aufteilen: Meistens stehen<br />
OCEAN DRIVE 7<br />
James Patterson, David Ellis<br />
James Patterson gilt als<br />
einer der erfolgreichsten<br />
Autoren der Welt – und<br />
schreibt oft im Team.<br />
Auch bei den Titeln, die<br />
nur unter seinem Namen<br />
erscheinen, helfen mehrere Mitarbeiter<br />
mit. Sein neustes Buch «Ocean Drive 7»<br />
spielt im Reichenviertel von Long Island,<br />
wo eine ungelöste Mordserie nach langer<br />
Zeit plötzlich wieder aktuell wird.<br />
512 Seiten, CHF 17.90<br />
Goldmann<br />
DIE TERRORISTEN<br />
Sjöwall Wahlöö<br />
Es gibt heute kaum einen<br />
Ermittler in der skandinavischen<br />
Krimiliteratur,<br />
der sich nicht an Kommissar<br />
Martin Beck orientiert.<br />
Seine Erschaffer Sjö-<br />
sich zwei Stimmen gegenüber, die auf die<br />
eine oder andere Art zu einem Ganzen verschmelzen<br />
sollen. Manche Leser und Leserinnen<br />
mögen bei der Lektüre eines Romans,<br />
der aus mehreren Federn stammt,<br />
nach Hinweisen suchen: Gibt es Stilbrüche<br />
oder gar Fehler in der Stringenz? Lassen<br />
sich Hinweise finden, welche Autorin bei<br />
der einen oder anderen Textpassage die<br />
Nase vorn hatte? Gerade bei der Vorgehensweise<br />
von Petra Ivanov und Mitra Devi liegt<br />
die Vermutung nahe, dass der aufmerksame<br />
Leser die jeweiligen Kapitel der richtigen<br />
Autorin zuordnen kann. Denn hier<br />
wandert der Text nicht so oft hin und her,<br />
wie es etwa bei Schünemann & Volic oder<br />
gar Lars Kepler mit ihrem 20-Minuten-Takt<br />
der Fall ist. Bei «Schockfrost» war jede der<br />
Autorinnen für ihre Figuren und ihre Kapitel<br />
in erster Linie selbst verantwortlich.<br />
Dennoch ist der Roman stimmig und stringent,<br />
als sei er in einem Guss geschrieben<br />
worden. Die Schriftstellerinnen sehen in<br />
ihren intensiven Gesprächen und einem<br />
ständigen Austausch den Grund dafür, dass<br />
sich ihre unterschiedlichen Stile immer<br />
mehr angeglichen haben.<br />
WEITERE BÜCHER VON AUTORENDUOS<br />
wall/Wahlöö waren Pioniere, wenn es<br />
darum ging, in einem Krimi die düstere Seite<br />
der brüchigen Gesellschaft darzustellen.<br />
Zum Glück legt Rowohlt die Serie rund um<br />
Martin Beck neu auf, zum Beispiel «Die Terroristen»<br />
von 1975.<br />
494 Seiten, CHF 14.90<br />
Rowohlt<br />
BLUTROTER SONNTAG<br />
Nicci French<br />
Auch hinter dem Pseudonym<br />
Nicci French verbirgt<br />
sich ein Duo. Das Ehepaar<br />
Nicci Gerrard und Sean<br />
French sorgt mit seinen<br />
Psychothrillers weltweit<br />
für Aufsehen, schon 8 Millionen Exemplare<br />
der Titel ihrer Frieda-Klein-Serie haben die<br />
beiden verkauft. In siebten Teil «Blutroter<br />
Sonntag» möchte jemand Frieda Klein einschüchtern:<br />
In ihrem Zuhause wird eine<br />
Leiche gefunden, und verschiedene Menschen<br />
aus ihrem Umfeld werden Opfer von<br />
Ein kniffliges Rätsel<br />
Auffallend ist, dass Autorenteams fast ausschliesslich<br />
Krimis, Thriller oder Historische<br />
Romane verfassen. Warum gerade diese<br />
Felder oft von Teams beackert werden, ist<br />
nicht klar. Die Unterstellung, Krimis oder<br />
Thriller seien simpler strukturiert und deshalb<br />
einfacher im Duo zu schreiben, ist angesichts<br />
der Komplexität vieler Titel von<br />
Schreibduos vermessen. Vielleicht lässt<br />
sich das Phänomen einfach mit grösserer<br />
Offenheit seitens dieser Autorinnen und<br />
Autoren erklären, vielleicht braucht der<br />
Trend noch Zeit, um andere Literaturformen<br />
zu erfassen. Klar hingegen scheint,<br />
dass das Schreiben im Team nicht nur bei<br />
den genannten Genres funktioniert. Um<br />
uns selbst davon zu überzeugen, haben wir<br />
den hier vorliegenden Artikel nach dem<br />
Vorbild Ivanov & Devi zu zweit geschrieben.<br />
Können Sie die Absätze nach Verfasser oder<br />
Verfasserin sortieren?<br />
Gewaltverbrechen – plötzlich sind alle, die<br />
Frieda liebt, bedroht.<br />
448 Seiten, CHF 22.90<br />
Bertelsmann<br />
BULLENBRÜDER<br />
Rath & Rai<br />
Weniger ernst geht es in diesem<br />
Krimi zu und her. Holger<br />
ist Kriminalhauptkommissar,<br />
sein Bruder Charlie<br />
ist ein etwas weniger seriöser<br />
Privatermittler. Als ein<br />
Berliner Unterweltboss tot aufgefunden<br />
wird, könnte Charlie mit seinen dubiosen<br />
Verbindungen weiterhelfen, aber vielleicht<br />
nicht immer gemäss den von Holger hochgelobten<br />
Vorschriften. Hans Rath und Edgar<br />
Rai sind zwei auch im Einzelpack erfolgreiche<br />
Schriftsteller und erweisen sich mit<br />
«Bullenbrüder» als brillantes Duo.<br />
320 Seiten, CHF 28.90<br />
Wunderlich<br />
LUKAS HOLLIGER<br />
Das kürzere Leben<br />
des Klaus Halm<br />
Ein arbeitsloser Filmvorführer<br />
verschanzt sich in seiner Wohnung<br />
in Basel. Nur das Arbeitsamt<br />
und die Einsamkeit treiben<br />
ihn aus dem Haus. Eines Tags fällt<br />
ihm ein Mann auf, den er von nun<br />
an verfolgt: Klaus Halm. Dieser<br />
wirkt bei aller Unscheinbarkeit<br />
wie sein exaktes Gegenbild. Mit<br />
Frau, Kind und Arbeit hat er aber<br />
alles, was dem erzählenden Filmvorführer<br />
fehlt. Immer weiter<br />
versenkt sich dieser in das minuziös<br />
beobachtete Leben des Klaus<br />
Halm.<br />
Das Romandebüt des Dramatikers<br />
Lukas Holliger ist ein virtuoses<br />
Spiel mit ungreifbaren Identitäten,<br />
bei denen sich der Erzähler<br />
selbst nicht mehr sicher ist, wer<br />
hier eigentlich wessen Leben<br />
lebt.<br />
300 Seiten, CHF 33.90<br />
Zytglogge<br />
978-3-7296-0949-5<br />
STEF STAUFFER<br />
Marthas Gäste<br />
Martha weiss nicht, welcher Tag<br />
heute ist. Auch nicht, ob sie bereits<br />
gegessen hat oder warum<br />
die Tabletten schon wieder fehlen.<br />
Aber sie erinnert sich – an<br />
ihren Mann, an ihre Brüder und<br />
Schwestern, an die Eltern und<br />
die Kinder, an die vergangene<br />
Zeit, als die Verwandtschaft bei<br />
ihr im Haus ein- und ausging<br />
und sie am Stubentisch deren<br />
Geschichten erfuhr. Erzählend<br />
lässt Martha die Vergangenheit<br />
zu ihrer Gegenwart werden.<br />
Die Geschichte ihrer Familie<br />
aus der Berner Landschaft, die<br />
sich von den 1910er- bis in die<br />
1990er-Jahre erstreckt, zieht in<br />
den Bann. Es geht um Geld und<br />
Liebe, Tod und Zukunftspläne,<br />
Familie und Freundschaft.<br />
Martha erzählt so frischweg,<br />
dass sie selbst zur schillerndsten<br />
Persönlichkeit des Hauses wird.<br />
224 Seiten, CHF 33.90<br />
Zytglogge<br />
978-3-7296-0934-1<br />
JENS STEINER<br />
Mein Leben als<br />
Hoffnungsträger<br />
Philipp hat eine Lehre zum Mechatroniker<br />
abgebrochen und<br />
ist aus seiner WG rausgeflogen,<br />
weil die Mitbewohner seinen<br />
Putzfimmel nicht mehr ertrugen.<br />
Dann wird Uwe, der Leiter<br />
des städtischen Recyclinghofs,<br />
auf Philipp aufmerksam – und<br />
sieht in ihm sofort seinen neuen<br />
Hoffnungsträger. Auf dem Hof<br />
arbeiten auch Arturo und João,<br />
die aus dem Kreislauf der Waren<br />
ihren eigenen, nicht ganz legalen<br />
Nutzen ziehen. Bald wollen<br />
sie auch Philipp für ihre Sache<br />
gewinnen. Doch dann läuft ein<br />
Grossprojekt aus dem Ruder –<br />
und die aufgeräumte Welt des<br />
Recyclinghofs gerät gehörig ins<br />
Wanken.<br />
Mit seinem vierten Roman ist<br />
Jens Steiner ein hintersinnig komisches<br />
Kammerspiel für vier<br />
Figuren gelungen. In diesem<br />
wird die Generation «Weiss noch<br />
nicht» mit den Konsequenzen<br />
einer Warenwirtschaft konfrontiert.<br />
Diese verspricht Wachstum,<br />
während sich der Mensch<br />
im Überfluss selbst erstickt.<br />
192 Seiten, CHF 26.90<br />
Arche<br />
978-3-7160-2764-6<br />
JÜRGEN DOMIAN<br />
Dämonen<br />
«Die Stille und der Tod, das sind<br />
meine Themen», sagt Autor Jürgen<br />
Domian, dessen Buch «Interview<br />
mit dem Tod» ein Bestseller<br />
wurde. «Mit Hansen gehe ich diesen<br />
Themen jetzt auf den Grund.»<br />
Jürgen Domian erzählt die Geschichte<br />
eines Manns, der das<br />
Leben satt hat. Er ist gesund und<br />
nicht depressiv. Aber er sieht keinen<br />
Sinn darin, weiterzumachen.<br />
In einer Winternacht in Lappland<br />
will er sich nackt in den Schnee<br />
legen und sterben.<br />
Schon im Sommer bricht er deshalb<br />
auf in den Norden. Doch statt<br />
den Frieden des Abschieds bringt<br />
dieser Rückzug den Kampf: Die<br />
Dämonen der Stille fallen ihn an<br />
und fordern ihren Tribut.<br />
192 Seiten, CHF 24.40<br />
Gütersloher Verlagshaus<br />
978-3-579-08691-0<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH
20<br />
SCHAUFENSTER<br />
21<br />
SCHAUFENSTER<br />
Dystopie, Gesellschaftsanalyse<br />
und Thriller<br />
Juli Zeh beherrscht ganz verschiedene Genres. Mit ihrem neusten Buch «Leere Herzen» legt sie jetzt einen gewagten<br />
Politthriller vor, der in der nahen Zukunft angesiedelt ist – in einer Zukunft, vor der uns die Autorin warnt.<br />
Ein neuer Blickwinkel<br />
Till Eulenspiegel gehört zu den bekanntesten Figuren der deutschen Literaturgeschichte. Daniel Kehlmann<br />
erfi ndet sie neu – und setzt sie frech in einen historischen Kontext, in dem sie sich noch nie bewegte.<br />
TEXT: LUKAS TOBLER UND MARIUS LEUTENEGGER<br />
TEXT: LUKAS TOBLER<br />
Die deutsche Erfolgsautorin Juli Zeh hat sich schon in<br />
vielen Genres der Literatur versucht: Mit «Nullzeit»<br />
schrieb sie einen fesselnden Psychothriller, in «Corpus<br />
Delicti» versuchte sie sich an der Dystopie mit Science-Fiction-Elementen,<br />
und mit ihrem letzten grossen<br />
Roman «Unterleuten» wagte sie sich an das Genre des<br />
Gesellschaftsromans. Mit ihrem neusten Buch «Leere<br />
Herzen» legt sie jetzt einen Politthriller vor, der Dystopie,<br />
Gesellschaftsanalyse und Pageturner-Spannung<br />
vereint und mit dieser Kombination – leider – brandaktuell<br />
ist.<br />
Waschmaschine vor Wahlrecht<br />
«Leere Herzen» spielt in einer nahen Zukunft, die Juli<br />
Zeh aus aktuellen politischen Ereignissen ableitet. Inzwischen<br />
hat sich eine zweite Wirtschaftskrise ereignet<br />
und in Deutschland die «Besorgte Bürger Bewegung»<br />
an die Macht gespült. Aber nicht alles hat sich zum<br />
Schlechten gewandt: Die Verbrüderung von Trump und<br />
Putin beendete den Syrienkrieg, der amerikanische<br />
Isolationismus ermöglichte eine Zweistaatenlösung in<br />
Israel und Palästina, und im Schatten eines Wirtschaftskriegs<br />
zwischen EU und USA blühte der Nahe Osten auf<br />
– womit Daesh «auf eine handvoll dekadenter Warlords<br />
geschrumpft» ist. Diese Welt bildet die Kulisse für den<br />
Roman von Juli Zeh, der sich aber nicht darauf beschränkt,<br />
eine Zukunftsspekulation zu sein. Denn «Leere<br />
Herzen» dreht sich nicht primär um politische Ereignisse,<br />
sondern um die Gesellschaft und ihre Menschen.<br />
Diese würden in «Leere Herzen» zu einer grossen<br />
Mehrheit lieber auf ihr Wahlrecht als auf ihre Waschmaschine<br />
verzichten; «sie leben ihr Leben und stecken<br />
den Kopf in den Sand, weil sie damit in einer Welt, in<br />
der man jemanden wie Trump nicht einfach scheisse<br />
finden kann, nichts Besseres anzufangen wissen».<br />
Das Geschäft mit dem Tod<br />
Eine der Bewohnerinnen und Bewohner dieser Welt ist<br />
Britta, die mit ihrem Mann und ihrem Kind der Gesellschaft<br />
den Rücken gekehrt hat und im Familienleben in<br />
einer mittelgrossen Stadt Zuflucht sucht. Denn «dem<br />
21. Jahrhundert entsprechen Mittelstädte, mittelgross,<br />
mittelwichtig und bis ins kleinste Detail dem Pragmatismus<br />
gehorchend». Der Pragmatismus ist für die<br />
desillusionierte Britta ihr Wert-Ersatz: Sie hält nichts<br />
von Gutmenschentum, Selbstverbesserung und ande-<br />
Juli Zeh setzt sich sowohl<br />
politisch als auch in ihren<br />
Bücher intensiv mit der heutigen<br />
Gesellschaft auseinander. In<br />
ihrem neuen Roman hat sie eine<br />
Warnung in ein beklemmendes<br />
Zukunftsszenario verpackt.<br />
© Thomas Müller<br />
LEERE HERZEN<br />
Juli Zeh<br />
352 Seiten, CHF 28.90<br />
Luchterhand<br />
ren ehemaligen Maximen der Gesellschaft. Damit ist<br />
sie eine Reminiszenz an das nihilistische Mädchen Ava<br />
aus Zehs zweitem Roman «Spieltrieb». Gemeinsam mit<br />
ihrem guten Freund Babak betreibt Britta eine kleine,<br />
äusserst erfolgreiche Firma, die sie beide zu Reichtum<br />
geführt hat. Was genau diese Firma aber anbietet, weiss<br />
niemand genau – und das ist auch gut so. Denn Britta<br />
macht sich den Pragmatismus in ihrem Geschäftsmodell<br />
zu Nutze und betreibt gemeinsam mit Babak ein<br />
Geschäft mit dem Tod. Doch nach langer Zeit unangefochtener<br />
Monopolstellung wird plötzlich alles anders.<br />
Eine konkurrierende Firma drängt mit Gewalt auf den<br />
Markt und bringt das eingespielte Team mit brutalen<br />
Mitteln in Bedrängnis. Plötzlich schweben Britta und<br />
Babak in Gefahr. Die Geschäftsfrau wird aber nicht nur<br />
mit Bedrohung und wirtschaftlicher Konkurrenz konfrontiert,<br />
sondern vor allem auch mit ihren eigenen<br />
Werten: Ihr Gegenspieler zwingt sie dazu, ihre nihilistische<br />
Ideologiefreiheit zu hinterfragen – und er bringt<br />
damit ihr ganzes Lebensmodell ins Rütteln. «Leere<br />
Herzen» ist damit nicht einfach «nur» ein spannender<br />
Thriller, der Roman ist auch die Charakterstudie einer<br />
Frau, die sich aus Verdruss sowohl der Moral als auch<br />
der Politik entzogen hat und jetzt mit den Konsequenzen<br />
kämpfen muss.<br />
Volle Hände, leere Herzen<br />
Die 43-jährige promovierte Juristin Juli Zeh ist für ihr<br />
politisches Engagement bekannt: Immer wieder hat<br />
sie Stellungnahmen veröffentlicht, sie nimmt an Talkshows<br />
teil, wählte im Auftrag der SPD als Mitglied der<br />
Bundesversammlung den Bundespräsidenten und<br />
veröffentlichte 2014 den politisch geprägten Essayband<br />
«Nachts sind das Tiere». «Leere Herzen» ist eine<br />
gekonnte Verdichtung des politischen Engagements<br />
zu guter und unterhaltsamer Literatur, die wie immer<br />
bei Zeh vor aphoristischen Hochglanzsätzen nur so<br />
strotzt. Die von ihr entworfene Zukunft zeigt die Richtung<br />
auf, in die sich unsere Gesellschaft bewegt; sie<br />
warnt uns davor, bald so wie Britta mit vollen Händen<br />
und leeren Herzen in die Vergangenheit zu blicken:<br />
«Damals war Trump noch nicht Alltag, sondern Skandal;<br />
Begriffen wie Pluralismus, Gleichheit, Integration<br />
wohnte noch Bedeutung inne. So erstaunlich es<br />
Britta aus heutiger Sicht erscheint: Damals gab es etwas,<br />
woran sie glaubte.»<br />
Till Eulenspiegel ist, man kann es nicht anders sagen,<br />
ein Superstar der Literaturwelt. Unzählige Schriftsteller<br />
haben sich seiner schon angenommen, von Hans<br />
Sachs über Johann Nestroy und Erich Kästner bis zu<br />
Christa Wolf. Es gibt Eulenspiegel-Opern und -Filme,<br />
eine «Sinfonische Dichtung» von Richard Strauss und<br />
Eulenspiegel-Comics. Indessen: Eulenspiegel selber<br />
gab es wohl nie. Basis aller Eulenspiegeleien ist die 1510<br />
erschiene Schwanksammlung «Ein kurtzweilig Lesen<br />
von Dil ulenspiegel», über deren Urheberschaft keine<br />
Klarheit herrscht. Doch auch dieses Buch hat einen Vorläufer,<br />
den 1240 geschriebenen Schwankroman «Der<br />
Pfaffe Amis» eines Autoren namens «Der Stricker». Die<br />
Eulenspiegel-Figur ist also bald einmal 1000 Jahre alt.<br />
Fiktion und Fakten<br />
Dass sie nichts von ihrem Reiz eingebüsst hat, beweist<br />
Daniel Kehlmann mit seinem neuen Roman «Tyll». Der<br />
43-jährige Autor erfindet das Leben von Ulenspiegel<br />
neu und lässt ihn als Sohn eines Müllers zur Zeit des<br />
Dreissigjährigen Kriegs – also im 17. Jahrhundert – in<br />
armen Verhältnissen aufwachsen. Schon früh zeigt Tyll<br />
artistisches Talent. Als sein Vater mit der Kirche in Konflikt<br />
gerät, ist Tyll gezwungen, das ländliche Leben hinter<br />
sich zu lassen. Von da an zieht Ulenspiegel im ganzen<br />
Land umher und macht sich als Hofnarr und<br />
Wanderkünstler seinen Schalk zunutze. Daniel Kehlmann<br />
erzählt manche bekannte Eulenspiegel-Anekdote<br />
nach, etwa jene mit dem sprechenden Esel; vor allem<br />
aber nutzt er die vielen Begegnungen Tylls dazu, eine<br />
Vielzahl weiterer Personen einzuführen. Ab Tylls<br />
Flucht vom elterlichen Hof wechselt der Fokus des Erzählers<br />
zwischen mehreren Figuren hin und her. Da<br />
sind etwa der Universalgelehrte Athanasius Kircher,<br />
der Arzt und Schriftsteller Paul Flemming oder das unglückliche<br />
Königspaar Elisabeth und Friedrich von<br />
Böhmen. Rund um die Figur des Tyll entfaltet sich damit<br />
das Panorama eines vom Krieg versehrten Europas.<br />
Kehlmann erweist sich dabei als versierter Kenner der<br />
Geschichte; die historischen Bezüge stimmen, und<br />
auch fast alle wichtigen Figuren beruhen auf Personen,<br />
die es wirklich gab.<br />
Ein typischer Kehlmann<br />
Der neue Roman reiht sich nahtlos ins bisherige Werk<br />
des österreichisch-deutschen Erfolgsautors ein. Zum<br />
einen ist es nicht das erste Mal, dass Daniel Kehlmann<br />
Der vielfach ausgezeichnete<br />
deutsch-österreichische Autor<br />
Daniel Kehlmann hat sich in<br />
seinem neuen Roman einer<br />
uralten, historisch aber nicht<br />
belegten Figuren angenommen:<br />
des umherstreifenden Schalks Till<br />
Eulenspiegels.<br />
TYLL<br />
Daniel Kehlmann<br />
480 Seiten, CHF 31.90<br />
Rowohlt<br />
Historisches als Stoff nutzt: Schon in seinem äusserst<br />
erfolgreichen Roman «Die Vermessung der Welt» verwob<br />
er Fiktion und Geschichte gekonnt miteinander.<br />
Und auch der Perspektivenwechsel, der sich durch<br />
«Tyll» zieht, kennt man aus früheren Werken: Auch in<br />
seinen letzten beiden Romanen «Ruhm. Ein Roman in<br />
neun Geschichten» und «F» erzählte Kehlmann Geschehnisse<br />
aus verschiedenen Blickwinkeln. In seinem<br />
neuen Buch hat er jetzt diese Erzählstruktur mit dem<br />
Genre des Historischen Romans verknüpft – und er<br />
zeigt sich damit von seiner besten Seite. «Tyll» ist ein<br />
vielschichtiger, komplex strukturierter und sehr unterhaltsamer<br />
Roman. Man darf ihn fraglos als einen Höhepunkt<br />
der langen Geschichte einer nie auserzählten Figur<br />
bezeichnen.<br />
Das Original: «Dil ulenspiegel» auf der Buchausgabe von 1515.<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH
22<br />
BÜCHER ZU MUSIK<br />
23<br />
BÜCHER ZU MUSIK<br />
terten Elvis-Imitator, einen abermals exzentrischen<br />
japanischen Sammler, eine versierte<br />
Musikwissenschaftlerin und viele<br />
mehr. So ganz nebenbei erfährt der Leser<br />
im Verlauf der Geschichte viel Wissenswertes<br />
aus der Musikhistorie und ihren Akteuren<br />
und über den Bau und die verschiedenen<br />
Arten von Gitarren. Ein Buch für<br />
Gitarreros also? Nicht nur, denn «Vintage»<br />
ist auch für normal Musikaffine ein rasanter,<br />
spannender, witziger und sogar blutiger<br />
Lesegenuss.<br />
HIGH FIDELITY<br />
Nick Hornby<br />
320 Seiten, CHF 16.90<br />
Kiepenheuer & Witsch<br />
VINTAGE<br />
Grégoire Hervier<br />
400 Seiten, CHF 35.90<br />
Diogenes<br />
Klingende Bücher<br />
Zufall oder Absicht? Zurzeit werden Leseratten, die gleichzeitig Musikfans sind, bestens bedient.<br />
Wir picken einige Höhepunkte aus der Vielfalt neuer Bücher mit musikalischem Inhalt heraus.<br />
Musik und Schriftstellerei – das gehört irgendwie<br />
zusammen. Nicht umsonst werden<br />
sowohl Bücher als auch Songs geschrieben!<br />
Verquickt man die beiden «Schreibarten»,<br />
kommen eine ganze Menge verschiedener<br />
Genres heraus: Musiker-Biografien, Musikgeschichte,<br />
Musikgeschichten, Sammlerkataloge,<br />
Songbooks und natürlich Romane,<br />
die sich auf die eine oder andere Weise mit<br />
Musik beschäftigen.<br />
TEXT: ERIK BRÜHLMANN<br />
Die jung verstorbene Jazz-Legende Bix Beiderbecke<br />
stand wohl Pate für die Hauptfigur in Dorothy Bakers<br />
«Ich mag mich irren, aber ich finde dich fabelhaft».<br />
Der Klassiker<br />
Beim Thema Musikbücher kommt man um<br />
einen Klassiker nicht herum: «High Fidelity»<br />
von Nick Hornby. Dieses Buch macht<br />
klar, dass echte Musikfreaks halt eine ganz<br />
besondere Spezies darstellen. Ein wenig<br />
verschroben, ein wenig weltfremd, aber alles<br />
in allem eben doch sehr liebenswert.<br />
Und natürlich immer bereit, den passenden<br />
Song zu jeder nur denkbaren Situation präsentieren<br />
zu können – inklusiv aller nur<br />
möglichen Informationen, die zwar nichts<br />
zur Sache tun, aber für den echten Nerd<br />
ganz selbstverständlich dazugehören. Natürlich<br />
können auch Gelegenheitsmusikliebhaber<br />
diesen Roman, der eigentlich<br />
eine herzige Liebesgeschichte mit Hindernissen<br />
ist, bedenkenlos aus dem Regal ziehen.<br />
«High Fidelity» gibt es übrigens auch<br />
als sehenswerte Verfilmung mit John Cusack.<br />
Se non è vero ...<br />
Ein klein wenig spezifischer ist da schon der<br />
potenzielle Leserkreis von Grégoire Herviers<br />
«Vintage». Der Franzose mit einer Vorliebe<br />
für Rockmusik, Science-Fiction-Filme<br />
und Karate verquickt in seinem bereits dritten<br />
Roman geschickt Wahres und Erfundenes.<br />
Protagonist Thomas Dupré – Musiker,<br />
Teilzeitjournalist, Gelegenheits-Gitarrenflicker<br />
– wird von einem exzentrischen englischen<br />
Sammler auf die Jagd nach der sagenumwobenen<br />
Gibson Moderne von 1957<br />
geschickt. Ob diese Gitarre überhaupt je<br />
über den Reissbrettstatus hinaus gekommen<br />
ist, weiss niemand so genau, weder im<br />
Roman noch in der Realität. Dupré macht<br />
sich auf die Suche und trifft einen abgehalf-<br />
Altrocker in Frankreich<br />
Ebenfalls im Rock-Milieu spielt «Ein fast<br />
perfektes Wunder» von Andrea de Carlo.<br />
Oder eher im Altrocker-Milieu, denn die Bebonkers<br />
sind nicht mehr die Jungen Wilden,<br />
die sie einst waren. Auch wenn die meisten<br />
Bandmitglieder es noch gern wären. Nur<br />
Sänger Nick Cruickshank hat im Grund<br />
schon mit dem Rockerleben abgeschlossen,<br />
auch wenn er sich die grösste Mühe gibt,<br />
immer noch alle möglichen und unmöglichen<br />
Klischees den anderen zuliebe zu erfüllen.<br />
Ein paar Kilo Glacé bringen seine<br />
Rockerwelt jedoch arg ins Wanken – das<br />
Glacé und die nach Frankreich ausgewanderte<br />
Italienerin Milena Migliari, welche<br />
die Leckereien herstellt. Auch sie lebt so,<br />
wie es andere von ihr erwarten, weiss dies<br />
sogar, aber kann oder will daran nichts ändern.<br />
Was passiert also, wenn zwei so ähnliche<br />
und doch so verschiedene Charaktere<br />
aufeinandertreffen? Der Mailänder de Carlo<br />
schreibt mit seinem Roman ein amüsantes,<br />
scharfsinniges, feinfühliges literarisches<br />
Lied über die Menschen, die Liebe,<br />
EIN FAST<br />
PERFEKTES<br />
WUNDER<br />
Andrea de Carlo<br />
400 Seiten, CHF 35.90<br />
Diogenes<br />
FRIEDHOF DER<br />
KLAVIERE<br />
José Luis Peixoto<br />
328 Seiten, CHF 33.90<br />
Septime<br />
DIE TRIKONT-<br />
STORY<br />
Christof Meueler,<br />
Franz Dobler<br />
464 Seiten, CHF 41.90<br />
Heyne<br />
ICH MAG MICH<br />
IRREN, ABER<br />
ICH FINDE DICH<br />
FABELHAFT<br />
Dorothy Baker<br />
272 Seiten, CHF 28.90<br />
dtv<br />
DER GROSSE<br />
SCHNEIDEWIND<br />
Günter Schneidewind<br />
400 Seiten, CHF 21.90<br />
Kloepfer und Meyer<br />
das Fassbare und das Flüchtige. Wäre ein<br />
solcher Begriff nicht so absolut un-rockig<br />
und uncool, könnte man glatt von einem<br />
Frauenroman sprechen!<br />
Freud und Leid eines Jazzmusikers<br />
Lassen wir das mit dem Rock, wenden uns<br />
dem Jazz zu – und damit einem alten neuen<br />
Roman. Dorothy Bakers Buch «Ich mag<br />
mich irren, aber ich finde dich fabelhaft»<br />
erschien unter dem Originaltitel «Young<br />
Man with a Horn» nämlich bereits 1938 zum<br />
ersten Mal. Die Geschichte erzählt das Leben<br />
und den musikalischen Werdegang von<br />
Rick Martin. Als Weisser, der sich zur «Negermusik»<br />
hingezogen fühlt und nichts lieber<br />
tut, als erst Klavier, dann Trompete zu<br />
üben und zu spielen, hat er es schon als<br />
Kind nicht leicht. Wie so viele Künstler ist<br />
auch Rick in seinem Innersten eine gequälte<br />
Seele mit unglaublichem Talent, die sich<br />
auf ihrer Suche nach musikalischer Perfektion<br />
selbst zugrunde richtet. Auch wer mit<br />
Jazz nicht so viel anfangen kann, wird den<br />
Roman geniessen können. Denn Dorothy<br />
Baker versteht es meisterlich, die ganze Klaviatur<br />
der Schriftstellerei zu spielen und in<br />
eine ebenso komplexe wie mitreissende<br />
und etwas anrüchige Geschichte zu verpacken.<br />
Und wenn Jazz-Spezialisten beim Lesen<br />
Parallelen zwischen dem Protagonisten<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH
24<br />
BUCHTIPPS<br />
25<br />
BÜCHER ZU MUSIK<br />
und dem legendären Jazzmusiker Bix Beiderbecke<br />
(1903–1931) entdecken, liegen sie<br />
damit absolut richtig. Auch wenn «Ich mag<br />
mich irren, aber ich finde dich fabelhaft»<br />
keine eigentliche Musikerbiografie ist.<br />
IVY LORENTZ<br />
Die Widerspenstige<br />
Um ihr Erbe betrogen und auf der<br />
Flucht vor einer erzwungenen<br />
Ehe gibt Johanna von Allersheim<br />
sich als Mann aus. Zuflucht finden<br />
sie und ihr Zwillingsbruder<br />
Karl schliesslich bei Adam Osmanski,<br />
einem entfernten Cousin<br />
und Festungskommandanten in<br />
Polen, der die Geschwister allerdings<br />
nicht eben freundlich willkommen<br />
heisst.<br />
Nicht ahnend, dass Adam über<br />
ihre Identität Bescheid weiss, beschliesst<br />
Johanna, ihre Tarnung<br />
aufrechtzuerhalten. Adam spielt<br />
ihr Spiel mit, bewundert er doch<br />
widerwillig den Mut der jungen<br />
Frau. Plötzlich ergeht der Befehl<br />
an alle Männer der Festung,<br />
sich dem königlichen Heer anzuschliessen,<br />
denn die Truppen<br />
des Osmanischen Reiches ziehen<br />
gegen Wien – zu spät für Johanna,<br />
ihr wahres Geschlecht aufzudecken.<br />
688 Seiten, CHF 28.90<br />
Droemer Knaur<br />
978-3-426-66383-7<br />
UWE TIMM<br />
Ikarien<br />
Deutschland 1945: Der junge<br />
Michael Hansen kehrt als<br />
US-amerikanischer Offizier in<br />
sein Geburtsland zurück und<br />
übernimmt einen Auftrag des<br />
Geheimdiensts. Er soll herausfinden,<br />
welche Rolle ein bedeutender<br />
Wissenschaftler im<br />
Nazireich spielte. Von einem früheren<br />
Weggefährten lässt sich<br />
Hansen die Geschichte einer<br />
Freundschaft erzählen, die Ende<br />
des 19. Jahrhunderts in Breslau<br />
beginnt und mitten hinein in<br />
die Auseinandersetzung um die<br />
beste gesellschaftliche Ordnung<br />
führt: Hier ein Sozialismus nach<br />
Marx, dort das utopische Projekt<br />
der Gemeinde Ikarien, die von<br />
einem französischen Revolutionär<br />
in Amerika gegründet wird.<br />
Das neue Werk des deutschen<br />
Schriftstellers ist eine so erschreckende<br />
wie berührende<br />
Geschichte von der Suche nach<br />
einem anderen Leben.<br />
512 Seiten, CHF 31.90<br />
Kiepenheuer & Witsch<br />
978-3-462-05048-6<br />
MARISSA STAPLEY<br />
Das Glück an<br />
Regentagen<br />
Die Familie Summers betreibt<br />
seit drei Generationen eine Pension<br />
am Sankt-Lawrence-Strom.<br />
Mae Summers ist Waise und<br />
wächst mit dem Nachbarsjungen<br />
Gabe bei ihren Grosseltern<br />
im Summers Inn auf. Aus der<br />
Kindheitsfreundschaft entwickelt<br />
sich die erste grosse Liebe<br />
– eine Liebe, die wegen Gabes<br />
plötzlichem Verschwinden zerbricht.<br />
Als besondere Umstände Mae<br />
nach über einem Jahrzehnt<br />
nach Alexandra Bay zurückkehren<br />
lassen, hofft sie, Trost im<br />
Summers Inn zu finden. Doch<br />
stattdessen steht Mae vor den<br />
Scherben der Ehe ihrer Grosseltern,<br />
und sie gerät in einen Sog<br />
aus Geheimnissen der Vergangenheit.<br />
Enthüllt wird eine Version<br />
der Vergangenheit, die ihre<br />
Zukunft verändern wird. Wenn<br />
Geheimnisse die Liebe zerreissen,<br />
kann die Wahrheit sie wieder<br />
zusammenfügen?<br />
304 Seiten, CHF 19.90<br />
Rowohlt<br />
978-3-499-29170-8<br />
KERSTIN GIER<br />
Wolkenschloss<br />
Hoch oben in den Schweizer<br />
Bergen liegt das Wolkenschloss:<br />
ein altehrwürdiges Grandhotel.<br />
Längst hat es seine Glanzzeiten<br />
hinter sich, doch wenn zum Jahreswechsel<br />
der berühmte Silvesterball<br />
stattfindet und Gäste aus<br />
aller Welt anreisen, knistert es<br />
unter den prächtigen Kronleuchtern<br />
und in den weitläufigen Fluren<br />
nur so vor Aufregung.<br />
Die 17-jährige Fanny hat wie der<br />
Rest des Personals alle Hände<br />
voll zu tun, den Gästen einen luxuriösen<br />
Aufenthalt zu bereiten.<br />
Doch ihr entgeht nicht, dass viele<br />
dieser Gäste nicht das sind, was<br />
sie vorgeben zu sein. Schon bald<br />
steckt Fanny mittendrin in einem<br />
lebensgefährlichen Abenteuer,<br />
bei dem sie nicht nur ihren Job zu<br />
verlieren droht, sondern auch ihr<br />
Herz.<br />
500 Seiten, CHF 32.90<br />
Fischer fjb<br />
978-3-8414-4021-1<br />
Die Sache mit den Klavieren<br />
Vielen Menschen ist Jazz zu kompliziert, zu<br />
komplex, ja, sogar ganz einfach nicht nachvollziehbar.<br />
Spielen diese sicherlich begnadeten<br />
Musiker dort oben auf der Bühne<br />
wirklich alle denselben Song zur selben<br />
Zeit? So ähnlich ergeht es einem auch beim<br />
Lesen von José Luis Peixotos Roman «Friedhof<br />
der Klaviere». Der titelgebende Raum<br />
steht voller alter Klaviere und entwickelt<br />
sich zum Dreh- und Angelpunkt für mehrere<br />
Generationen der Lázaros. Im Friedhof<br />
der Klaviere zieht man sich zurück, liest<br />
heimlich «Schundliteratur», begeht Ehebruch.<br />
Um diesen Raum herum entspinnt<br />
der vielseitig schreibende Portugiese Peixoto<br />
eine wortgewaltige Familiensaga um Liebe,<br />
Schmerz, Verletzung, Leben und Tod.<br />
Wie ein Jazzmusiker tut er dies jedoch nicht<br />
geradlinig, sondern springt zwischen Protagonisten,<br />
Zeiten und Generationen munter<br />
hin und her. Das Ganze zu einem kompletten<br />
Bild zusammenzusetzen, überlässt er<br />
seinem Publikum. Und wie beim Jazz ist der<br />
Roman nicht gerade leicht verdaulich, ja,<br />
geradezu eine hochkomplexe Lektüre –<br />
aber auch eine, die sich zu lesen lohnt.<br />
Musikgeschichte(n)<br />
Wie eingangs gesagt: Die Fusion von Musik<br />
und Literatur endet nicht notwendigerweise<br />
in einem Roman. Das beweist zum Beispiel<br />
«Der Grosse Schneidewind». Autor<br />
Günter Schneidewind – er dürfte in der<br />
Schweiz weniger bekannt sein – ist ein Musikjournalist,<br />
der für den deutschen Radiosender<br />
SWR arbeitet. Er ist ein ausgewiesener<br />
Fachmann auf dem Gebiet der Rock- und<br />
Popmusik; bei Kollegen und Hörern gilt er<br />
sogar als wandelndes Musiklexikon. Mit seinem<br />
«Grossen Schneidewind» lässt er uns<br />
nun an seinem immensen Wissen teilhaben.<br />
Aber nicht etwa in Form lexikalischer<br />
Einträge, sondern anhand von Begegnungen<br />
mit den Musikgrössen dieser Welt. Heraus<br />
kommen persönliche Erlebnisse, Erzählungen<br />
und Geschichten, von denen<br />
einige bekannter, andere weniger bekannt<br />
sind. Alle gesammelt in unzähligen Gesprächen,<br />
Begegnungen und Interviews mit<br />
Stars wie Neil Diamond, Enya, Toto, Jimmy<br />
Page und vielen mehr. So verrät zum Beispiel<br />
Joe Cocker, dass er «With a Little Help<br />
from My Friends» immer erst am Ende eines<br />
Sets spielt, weil der markige Urschrei im<br />
Song seine Stimme so sehr mitnimmt; oder<br />
dass Udo Lindenberg ... Genug verraten,<br />
schliesslich durfte man früher im Plattenladen<br />
auch nur immer eine Seite der Schallplatte<br />
probehören!<br />
Alles auf links!<br />
Zum Abschluss noch der eine Song, der irgendwie<br />
nicht zum Rest der Schallplatte<br />
passt und sich nirgends so richtig einordnen<br />
lässt. Trikont ist ein Independent-Musikverlag,<br />
der in den streitbaren 1960er-Jahren<br />
in München aus dem gleichnamigen<br />
Buchverlag entstand. Das Label galt damals<br />
als eine der ersten Adressen für Schriften<br />
und eben auch Musik aus der Protest- und<br />
Alternativbewegung um 1968. Nicht ohne<br />
Grund lautet der Untertitel von «Die Trikont-Story»<br />
«Musik, Krawall & andere schöne<br />
Künste». Die Autoren Christof Meueler<br />
und Franz Dobler haben ein Buch zusammengestellt,<br />
das wild und etwas anarchisch<br />
daherkommt und ebenso Verlags- wie Gesellschaftsgeschichte<br />
ist. Von den ersten<br />
Kampfschriften und Protestplatten wie<br />
«Kampflieder der Arbeitersache München»<br />
über frühe Veröffentlichungen der legendären<br />
Band «Ton Steine Scherben» bis zu<br />
den Aktivitäten des Labels in der Neuzeit ist<br />
die «Trikont-Story» eine echte Achterbahnfahrt,<br />
die Kindheits- und Jugenderinnerungen<br />
für die Älteren und ganz viele Wow-Effekte<br />
für die Jüngeren bereithält.<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH
26<br />
BUCHTIPPS<br />
28 Protagonisten mit Fell, Schuppen<br />
und Saugnäpfen<br />
Die Mitglieder der Lesen-Redaktion präsentieren<br />
einander – und Ihnen! – neue Romane und Sachbücher<br />
rund um Tiere.<br />
Dossier<br />
© «Die Watvögel Europas»,<br />
Nis Lundmark Jensen<br />
MAJA LUNDE<br />
Die Geschichte<br />
der Bienen<br />
Wie gehen wir mit der Natur um<br />
und welche Zukunft hinterlassen<br />
wir unseren Kindern? Maja Lunde<br />
stellt einige der drängendsten<br />
Fragen unserer Zeit und erzählt<br />
ergreifend vom unsichtbaren<br />
Band zwischen der Geschichte<br />
der Menschheit und jener der<br />
Bienen.<br />
England 1852: Der Biologe und<br />
Samenhändler William scheint<br />
als Forscher gescheitert, doch<br />
dann hat er eine Idee: ein völlig<br />
neuartiger Bienenstock, der alles<br />
verändern könnte. USA 2007:<br />
Der Imker George arbeitet hart,<br />
um seinen Hof für seinen Sohn<br />
zu vergrössern. Dieser will aber<br />
lieber Journalist werden. Dann<br />
verschwinden eines Tags alle Bienen.<br />
China 2098: Die Arbeiterin<br />
Tao bestäubt Bäume von Hand,<br />
denn Bienen gibt es längst nicht<br />
mehr. Nach einem mysteriösen<br />
Unfall ihres Sohns steht plötzlich<br />
alles auf dem Spiel: dessen Leben<br />
und die Zukunft der Menschheit.<br />
512 Seiten, CHF 28.90<br />
btb<br />
978-3-442-75684-1<br />
ADAM SCHWARZ<br />
Das Fleisch der<br />
Welt oder Die Entdeckung<br />
Amerikas<br />
durch Niklaus von<br />
Flüe<br />
Wer hat Amerika entdeckt? Ein<br />
Schweizer! Schelmenroman,<br />
Roadmovie und Historischer<br />
Roman in einem: Jungautor<br />
Adam Schwarz lässt den Nationalheiligen<br />
Niklaus von Flüe auf<br />
Abwege kommen.<br />
Seine Familie ist schockiert, als<br />
Niklaus beschliesst, sie zu verlassen,<br />
um Eremit zu werden.<br />
Doch das Leben auf dem Bauernhof<br />
nimmt seinen Gang – bis<br />
Niklaus drei Jahre nach seinem<br />
Verschwinden überraschend zurückkehrt.<br />
Nicht, um zu bleiben,<br />
nein, er nimmt seinen ältesten<br />
Sohn mit, um eine letzte Pilgerreise<br />
zu unternehmen. Seine<br />
Visionen führen die beiden immer<br />
weiter nach Westen. Als sie<br />
am Atlantik ankommen, glaubt<br />
Sohn Hans, die Reise sei nun zu<br />
Ende. Ein Irrtum, denn Niklaus<br />
möchte sich mit einem Floss auf<br />
den Ozean wagen.<br />
262 Seiten, CHF 35.90<br />
Zytglogge<br />
978-3-7296-0957-0<br />
GEORG WEBER (HG.)<br />
Rebellion unter<br />
Laubenbögen –<br />
Die Berner<br />
1986er-Bewegung<br />
1968 beginnt eine Zeit des Aufbruchs<br />
– auch in Bern. So provoziert<br />
der junge Direktor der<br />
Kunsthalle, Harald Szeemann,<br />
das bürgerliche Publikum mit<br />
modernen Kunstformen und<br />
löst damit heftige Reaktionen<br />
aus. Die Ausstellung «When<br />
Attitudes Become Form» führt<br />
gar zu einem internationalen<br />
Skandal. Indessen werden neue<br />
kulturelle, politische und soziale<br />
Gedanken in den Kellertheatern<br />
und in den Literatencafés<br />
in Bern entwickelt. Auch in der<br />
entstehenden Berner Rockmusik<br />
und bei den Diskussionen in<br />
der Junkere 37 verankern sich<br />
die neuen Themen.<br />
Georg Weber wirft 50 Jahre später<br />
einen Blick zurück auf die<br />
turbulente Epoche, stellt ihre<br />
Berner Schauplätze vor und beleuchtet,<br />
wie die Umbrüche in<br />
der Hauptstadt bis heute nachwirken.<br />
250 Seiten, CHF 41.90<br />
Zytglogge<br />
978-3-7296-0960-0<br />
ESKIL ENGDAL, KJETIL SÆTER<br />
Fisch-Mafi a<br />
Das Geschäft mit dem Antarktisdorsch<br />
ist illegal – und lukrativ.<br />
Genau wie Drogenhandel.<br />
Von Polizei und Behörden unbehelligt,<br />
spült eine Flotte von<br />
Piraten-Trawlern ihren Eignern<br />
zweistellige Millionenbeträge in<br />
die Taschen. Jahr für Jahr –<br />
dem «weissen Gold» sei Dank.<br />
Der Umweltorganisation Sea<br />
Shepherd ist es gelungen, den<br />
Trawler «Thunder» zu stellen. Bevor<br />
dessen Kapitän sein Schiff eigenhändig<br />
versenkte, konnte Sea<br />
Shepherd wichtige Dokumente<br />
und Beweise von Bord retten.<br />
Die preisgekrönten Journalisten<br />
Engdal und Sæter schildern in ihrem<br />
Buch «Fisch-Mafia» die dramatischen<br />
Ereignisse auf See und<br />
nehmen im Anschluss die Spur zu<br />
den Eignern des Schiffs auf.<br />
339 Seiten, CH 38.90<br />
Campus<br />
978-3-593-50671-5<br />
32 Bildgewaltige<br />
Tierwelt<br />
Tiere gibt es buchstäblich in<br />
allen Grössen und Farben.<br />
Daher sind sie ein ideales<br />
Thema für prächtige<br />
Bildbände.<br />
Tiere lesen<br />
Die meisten Menschen haben zu Tieren eine intensive Beziehung: Sie lieben<br />
Katzen, ekeln sich vor Spinnen, fürchten Schlangen, bewundern Pferde oder<br />
schützen Tiger. Kein Wunder, ist die Welt der Bücher auch eine Welt der<br />
Tiere. Wir haben die schönsten Neuerscheinungen rund um Tiere für Sie<br />
zusammengetragen.<br />
© Tim Flach / Knesebeck Verlag<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH
28<br />
DOSSIER<br />
29<br />
DOSSIER<br />
Protagonisten mit Fell,<br />
Schuppen und Saugnäpfen<br />
Für unsere Rezensions-Rubrik «Hin und Her» haben wir uns diesmal Neuerscheinungen ausgesucht,<br />
in denen Tiere die Hauptrolle spielen – eine vielfältige Sammlung von Romanen und Sachbüchern,<br />
vergnüglichen oder berührenden Titeln. Natürlich legen wir diese nicht nur einander, sondern ganz<br />
besonders Ihnen ans tierliebende Herz.<br />
Liebe Tierfreunde<br />
TEXT: ERIK BRÜHLMANN, MARKUS GANZ, CHRISTINA HWANG, MARIUS LEUTENEGGER,<br />
NENA MORF, RACHELLE NKOU, LUKAS TOBLER<br />
Ich beginne unser literarisches Pingpong<br />
mit einem Sachbuch – auch wenn<br />
der Titel ebenso gut zu einem Spionagethriller<br />
passen würde. Aber Lisa Warnecke<br />
ist Biologin und forscht intensiv auf<br />
dem Gebiet des Winterschlafens. Klingt<br />
nach einem anstrengenden Buch, ich<br />
weiss. Aber tatsächlich ist «Das Geheimnis<br />
der Winterschläfer» allerbestes Infotainment!<br />
Die Autorin verfolgt im Lauf<br />
des Buchs die Winterschlafgewohnheiten<br />
von Igel, Fledermaus, Lemur und<br />
Bilchbeutler – ein kleines australisches<br />
Beuteltier. Beim Lesen hievt sie einen<br />
auf höchst unterhaltsame Weise auf den<br />
neusten Stand der Forschung, räumt<br />
mit Vorurteilen und Halbwahrheiten<br />
auf und bringt einem die unbekannten<br />
Seiten dieser Tiere näher.<br />
Das eigentlich Sensationelle an diesem<br />
Buch sind für mich aber die unzähligen<br />
extrem spannenden Informationen aus<br />
der Tierwelt, die mit dem eigentlichen<br />
Thema nur am Rand zu tun haben. Sie<br />
sind praktisch in jedem Kapitel zu finden.<br />
Wusstet ihr zum Beispiel, dass jedes<br />
fünfte Säugetier eine Fledermaus<br />
ist? Es gibt nämlich rund 5000 Säugetierarten,<br />
davon sind etwa 1000 Fledermausarten.<br />
Oder dass sich in der Nähe<br />
von Winnipeg, Kanada, jedes Jahr 50'000<br />
Strumpfbandnattern gleichzeitig aus<br />
den Winterhöhlen aufmachen, um Sonne<br />
zu tanken? Oder dass 97 Prozent aller<br />
Tierarten Wirbellose sind? Solche<br />
Wow-Effekte liefert dieses Buch zuhauf,<br />
auch für jene unter uns, die im Biologie-Unterricht<br />
lieber die Wolken am<br />
Himmel gezählt haben.<br />
En Gruess<br />
Erik<br />
DAS GEHEIMNIS DER<br />
WINTERSCHLÄFER<br />
Lisa Warnecke<br />
205 Seiten, CHF 29.90<br />
C.H. Beck<br />
Liebe fleissige Lesebienchen<br />
Kein Wort verliert Erik da über Fische!<br />
Dabei ist das doch die artenreichste<br />
Klasse der Tiere – und einige der vielen<br />
Arten halten ebenfalls Winterschlaf.<br />
Nun, was Erik versäumte, hole ich jetzt<br />
gern nach, und wie es meine Art ist:<br />
gleich im Übermass.<br />
Die Berliner Journalistin Arezu Weitholz<br />
weilte vor ein paar Jahren mit ihrer<br />
Mutter an der Ostsee und liess en passant<br />
einen Spruch fallen: «Wenn ich die<br />
See seh, brauch ich kein Meer mehr.»<br />
Die Mutter fand das verständlicherweise<br />
lustig, und Arezu Weitholz wurde dadurch<br />
angestachelt, fröhlich weiterzureimen.<br />
An einem der folgenden<br />
Freitage schickte sie ein «Frisches Fischgedicht»<br />
an acht Freunde, daraus<br />
wurde eine wöchentliche Tradition für<br />
bald 600 Leute.<br />
Jetzt liegen die allerbesten Fischgedichte<br />
im hübschen meerblauen Band «Der<br />
Fisch ist ein Gedicht» vor. Auch wenn<br />
ich mit Vergleichen vorsichtig bin: Dass<br />
Arezu Weitholz von Kritikern zuweilen<br />
in die Nähe von Robert Gernhardt und<br />
Joachim Ringelnatz gerückt wird, kann<br />
man verstehen. Die Frau hat es wirklich<br />
drauf. Das haben auch schon andere gemerkt;<br />
die Fisch-Autorin ist nämlich<br />
auch Songwriterin und arbeitet zum<br />
Beispiel eng mit Herbert Grönemeyer<br />
zusammen.<br />
Fische sind zudem ein ideales Thema<br />
für ein solches Buch. Irgendwie ist das ja<br />
die ulkigste Tierklasse überhaupt (neben<br />
den kurligen Amphibien natürlich,<br />
aber die lösen ja eher Mitleid denn freche<br />
Sprüche aus), und dank ihrer Vielfalt<br />
lässt sich an ihnen die ganze Fülle<br />
des Seins festmachen, von der Liebe<br />
über die Organspende bis zur Grippewelle.<br />
Jetzt möchtet ihr sicher noch ein Beispiel<br />
für ein Fischgedicht kredenzt bekommen.<br />
Aber sorry: Ich habe zwar oft<br />
lachen müssen, aber alle Gedichte<br />
gleich wieder vergessen. Da geht es mir<br />
wohl wie der kleinen Krake Kasimir,<br />
über die Arezu Weiholz berichtet: «Die<br />
kleine Krake Kasimir / ist ein bisschen<br />
schlicht. / Sie kann sich keine Reime<br />
merken / und auch kein Gedicht.» Tja!<br />
Herzlichst,<br />
Marius<br />
DER FISCH IST<br />
EIN GEDICHT<br />
Arezu Weitholz<br />
200 Seiten, CHF 27.90<br />
Kunstmann<br />
Liebe Bücherwürmer, lieber Marius<br />
Herausforderung angenommen – hier<br />
kommt meine fischige Empfehlung!<br />
Okay, da schmücke ich mich jetzt ein<br />
wenig mit fremden Schuppen, denn die<br />
Empfehlung kommt eigentlich von Armand<br />
Marie Leroi, der sich wiederum<br />
zum Laichplatz der Naturwissenschaft<br />
vorwagt und das Denken und Wirken<br />
von Aristoteles untersucht. Ja genau, jenes<br />
antiken Forschers, den man gemeinhin<br />
als den Vater der Naturwissenschaft<br />
betrachtet.<br />
Offenbar waren Fische so etwas wie ein<br />
Steckenpferd der alten Griechen. So gibt<br />
es zum Beispiel von einem gewissen Archestratos<br />
ein Werk über Fische – in<br />
Versform! Und als Objekt der kulinarischen<br />
Begierde, wie Leroi es formuliert,<br />
waren die Tiere sowieso äusserst beliebt.<br />
Unser Freund Aristoteles hingegen<br />
pflegte seine Fische lieber zu sezieren<br />
als zu essen. Seine Fischfakten<br />
schrieb er unter anderem in der «Historia<br />
animalium» nieder. Warum haben<br />
Fische Kiemen und keine Lungen? Warum<br />
haben sie Flossen? Warum legen<br />
sie so viele Eier? Wie sehen sie aus und<br />
was fressen sie?<br />
Ein caveat muss ich aber schon loswerden:<br />
Aquarienfreunde sollten vielleicht<br />
erst einen Blick ins Buch werfen, bevor<br />
sie es kaufen. Denn trotz aller Fischreferenzen<br />
ist «Die Lagune» kein Tierbuch<br />
im eigentlichen Sinn. Es geht in der<br />
Hauptsache um Aristoteles, um sein<br />
Denken, um seine Arbeit, um seine Zeit<br />
und seinen Einfluss – ein Buch, das ich<br />
eher Historikern und Philosophen als<br />
Anglern und Fischfans ans Herz legen<br />
würde. Andererseits bekam das Werk<br />
von den Financial Times über den Guardian<br />
bis zum New Scientist überall so<br />
viel Lob, dass man in diesem Fall schon<br />
mal den Fisch im Sack kaufen kann!<br />
En Gruess<br />
Erik<br />
Liebe Leseratten<br />
DIE LAGUNE ODER<br />
WIE ARISTOTELES<br />
DIE NATURWISSEN-<br />
SCHAFTEN ERFAND<br />
Armand Marie Lerois<br />
528 Seiten, CHF 51.90<br />
Konrad Theiss<br />
Meiner Meinung nach nehmen die Fische<br />
jetzt ein wenig zu viel Platz ein hier,<br />
denn auch wenn sie zugegebenermassen<br />
herrlich ulkig sind: Mit den Vögeln können<br />
sie nicht mithalten. Nicht einmal mit<br />
den Meisen. Das wird allen klar, die «Das<br />
verborgene Leben der Meisen» des Norwegers<br />
Andreas Tjernsaugen lesen.<br />
Der gelernte Soziologe und enthusiastische<br />
Hobby-Ornithologe hat sich ein<br />
ganzes Jahr lang intensiv mit Blau- und<br />
Kohlmeisen beschäftigt und sich zum<br />
Ziel gesetzt, einem breiten Publikum seine<br />
Faszination näherzubringen. Tatsächlich<br />
ist ihm das mindestens in meinem<br />
Fall gelungen.<br />
Das liegt daran, dass Tjernsaugen die<br />
neusten Erkenntnisse der Forschung<br />
verständlich und unterhaltsam erzählt<br />
und immer mit Erlebnissen aus seinem<br />
Alltag und eigenen Beobachtungen verbindet.<br />
Aus diesem Nebeneinander von<br />
Autor und Meise erscheint das Verhalten<br />
der Tiere umso menschlicher. Bei<br />
Tjernsaugen werden die Kohl- und Blaumeisen<br />
zu fühlenden, denkenden und<br />
kalkulierenden Akteuren. Ihr Verhalten<br />
ist für mich jetzt voller Sinn, und ich verstehe,<br />
weshalb diese Tiere fremdgehen,<br />
weshalb sie singen, wie sie singen und<br />
weshalb sie ihre Nester mit Säugetierfell<br />
bedecken.<br />
Untermalt wird das Ganze mit historischem<br />
Kontext: Mit unterhaltsam erklärter<br />
Evolutionstheorie, ein wenig Genealogie<br />
der Vögel – und natürlich einem<br />
Gastauftritt des guten Aristoteles. Es<br />
bleiben also fast keine Wünsche offen!<br />
Es grüsst Lukas<br />
DAS VERBORGENE<br />
LEBEN DER MEISEN<br />
Andreas Tjernsaugen<br />
232 Seiten, CHF 27.90<br />
Insel<br />
Liebe Kollegen mit der spitzen<br />
Tintenfeder<br />
Wenn Erik schreibt, dass jedes fünfte<br />
Säugetier eine Fledermaus ist, sehe ich<br />
meine Angst aus Kindstagen bestätigt.<br />
Albträume gar verursachten mir damals<br />
die Riesenkalmare, wie sie Jules Verne<br />
beschrieb. Bald lernte ich die Tintenfische<br />
– so heisst die Unterklasse – zumindest<br />
essend lieben. Der Genuss wird mir<br />
allerdings dadurch vergällt, dass Kraken<br />
recht intelligent sind. Nun schreibt<br />
Sy Montgomery in «Rendezvous mit einem<br />
Oktopus», dass diese sogar eine<br />
Seele haben sollen.<br />
Ich finde die Verklärung von Tieren<br />
fragwürdig. Trotzdem hat mich dieses<br />
Buch fasziniert. Die amerikanische Autorin<br />
beschreibt nicht nur die aussergewöhnlichen<br />
Eigenheiten dieser<br />
Weichtiere, die drei Herzen haben<br />
und mit ihren 1600 Saugnäpfen bis<br />
zu 25’000 Kilogramm heben können.<br />
Sie schildert vor allem ihre<br />
Begegnungen mit Kraken, etwa wie<br />
diese sie mit den Saugnäpfen abtasten,<br />
«sanft, aber nachdrücklich,<br />
wie der Kuss eines Unbekannten».<br />
Es seien Wesen<br />
mit Bewusstsein<br />
und Persönlichkeit.<br />
So<br />
spritzte ein<br />
Krake eine<br />
bestimmte<br />
Person stets<br />
mit Salzwasser<br />
an – auch<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH
30<br />
DOSSIER<br />
31<br />
DOSSIER<br />
nach mehrmonatiger<br />
Abwesenheit wieder.<br />
Nach der Lektüre bin ich<br />
mir nicht mehr so sicher, lieber<br />
Marius, ob Kraken nicht zumindest<br />
einen Sinn für Poesie haben.<br />
Hin- und hergerissen,<br />
Markus<br />
RENDEZVOUS MIT<br />
EINEM OKTOPUS<br />
Sy Montgomery<br />
336 Seiten, CHF 41.90<br />
Mare<br />
Geschätzte Büchernärrinnen<br />
und -Narren<br />
Ich bin ganz auf Sy Montgomerys Welle!<br />
Während Markus in seiner Kindheit offenbar<br />
von Tier-Albträumen gequält<br />
wurde, war ich als Kind felsenfest davon<br />
überzeugt, dass jedes Tier, auch ein<br />
Stofftier, eine Seele und Superkräfte hat.<br />
In meinen Kinderträumen waren Tiere<br />
stets meine Retter. An eine Krake erinnere<br />
ich mich dabei jedoch nicht – dafür<br />
an Vögel und Katzen.<br />
Letzteren hat sich auch das Ehepaar<br />
Hermien Stellmacher und Joachim<br />
Schulz verschrieben: Gerade haben sie<br />
zusammen den Ratgeber «Wie wir Katzen<br />
die Welt sehen» herausgebracht.<br />
Witzigerweise haben sie dafür die Perspektive<br />
umgedreht: Sie beschreiben die<br />
Goes und No-Goes in der Katz-<br />
Mensch-Beziehung aus der Perspektive<br />
der Vierbeiner. Das Buch offenbart mit<br />
viel Humor, wer sich hier wen hält – und<br />
unter welchen Bedingungen die komplexe<br />
Beziehung funktionieren kann.<br />
Die Katzenperspektive reicht vom alten<br />
Ägypten über die Anarchie in den<br />
1970er- und 1980er-Jahren bis in die Zukunft<br />
der Katzen-Weltherrschaft, in der<br />
das Internet wohl «Catnet» heissen<br />
wird. Dieses Buch sollte natürlich jede<br />
Katze lesen – denn es kann viel dazu beitragen,<br />
«dass sich unsere geliebten<br />
Zweibeiner jederzeit zurechtfinden».<br />
Ich finde, der Ratgeber ist aber auch für<br />
Menschen interessant. Endlich einmal<br />
erfahren wir, was Katzen, diese schwer<br />
zu lesenden Tiere, über uns denken!<br />
Miau Miau<br />
Eure Rachelle<br />
WIE WIR KATZEN DIE<br />
WELT SEHEN<br />
Hermien Stellmacher,<br />
Joachim Schulz<br />
129 Seiten, CHF 17.90<br />
Insel<br />
Liebe Tierleserinnen und -leser<br />
Wie ihr wisst, bin ich ein Hundefreund,<br />
die Perspektive von Katzen ist mir ziemlich<br />
einerlei – deshalb schnell for something<br />
completly different. Bücher<br />
sind ja so etwas wie der Asiatische Elefant<br />
unter den Medien: langlebig, sympathisch<br />
– aber halt doch etwas bedroht.<br />
So, wie es sehr gute Gründe gibt, dem<br />
Asiatischen Elefanten das Überleben zu<br />
sichern, gibt es auch viele Argumente,<br />
dem Buch eine Zukunft zu geben. Gleich<br />
39 solcher Argumente – und hoffentlich<br />
bald noch viele mehr – liefert der Verlag<br />
Matthes & Seitz: Seine Reihe «Naturkunden»<br />
ist schlicht und einfach wunderbar,<br />
sozusagen der Paradiesvogel oder<br />
die Norwegische Waldkatze unter den<br />
Buchserien. Da geben sich ein paar Leute<br />
offensichtlich sehr viel Mühe, uns etwas<br />
Schönes zu bescheren.<br />
Zahlreiche Titel der Reihe sind einzelnen<br />
Tierarten gewidmet. Ziehen wir<br />
zum Beispiel einmal «Schafe» aus dem<br />
Regal. Schon die Ausstattung des handlichen<br />
Bändchens ist fabelhaft, die Typographie<br />
hat erlesene Qualität, die Bilder<br />
sind sorgfältig zusammengestellt<br />
– und der Text ist hinreissend. Nie hätte<br />
ich gedacht, dass es auf weniger als 140<br />
Seiten so viel Spannendes über Schafe<br />
zu berichten gibt. Oder nehmen wir vorsichtig<br />
das «Handwörterbuch der Vogellaute»<br />
zur Hand – als Buch-Süchtiger<br />
würde man dieses mehr als originelle<br />
Bändchen am liebsten inhalieren. Man<br />
kann sich daran weder sattsehen und<br />
sattlesen. Und den Leineneinband will<br />
man einfach streicheln und streicheln<br />
und streicheln ...<br />
Ja, ich klinge schwer verliebt, und dem<br />
Urteil eines Verliebten sollte man nie<br />
trauen. Skepsis eurerseits wäre also verständlich.<br />
Ich kann dazu nur sagen:<br />
Geht doch in die nächste Filiale von<br />
Orell Füssli und schaut euch die Reihe<br />
selber an! Nehmt aber genug Geld mit.<br />
Schwärmerisch,<br />
Marius<br />
SCHAFE<br />
Eckhard Fuhr<br />
Naturkunden 31<br />
136 Seiten, CHF 26.90<br />
Matthes & Seitz<br />
Liebe Schwärmerinnen<br />
und Schwärmer<br />
Dem Urteil eines Verliebten sollte man<br />
wahrlich nicht trauen – doch in diesem<br />
Fall kann ich Marius’ Enthusiasmus gut<br />
verstehen. Denn ich durfte das «Handwörterbuch<br />
der Vogellaute» kurz begutachten<br />
– und hielt es ähnlich sanft und<br />
bewundernd in den Händen, wie ich ein<br />
kleines Vögelchen halten würde.<br />
Gelesen habe ich aber etwas ganz anderes:<br />
Und «Das Fell des Bären» von Matteo<br />
Righetto rührte mich nicht weniger.<br />
Der Roman spielt in den rauen Bergen<br />
der Dolomiten und erzählt von einem<br />
Jungen, dem sein Vater fehlt und der in<br />
der Natur Trost findet. Und er erzählt<br />
von einem ungeheuren Bären – fast zu<br />
gross, zu grausam, zu teuflisch, um<br />
wahr zu sein. Vater und Sohn brechen<br />
mit klapprigen Schiessgewehren auf,<br />
um den Teufelsbären zu erlegen. Auf<br />
dieser Jagd, inmitten der so wunderschönen<br />
wie erbarmungslosen<br />
Natur<br />
und weit weg von<br />
den Menschen, finden<br />
sie einander<br />
endlich wieder.<br />
Der erste Roman des<br />
italienischen Literaturdozenten<br />
Matteo<br />
Righetto war in Italien ein<br />
grosser Erfolg und wurde verfilmt. Die<br />
Leser und Leserinnen lernen bei der<br />
Lektüre nichts über die Anzahl der Säugetiere,<br />
die Eigenheiten der Weichtiere<br />
oder die eigentümliche Sicht der Katzen;<br />
indessen ist «Das Fell des Bären»<br />
eine wundersame Annäherung an die<br />
Natur und ihre Bewohner – zu denen<br />
auch wir Menschen zählen.<br />
Bis bald und mit lieben Grüssen euch<br />
Zweibeinern!<br />
Nena<br />
DAS FELL DES BÄREN<br />
Matteo Righetto<br />
160 Seiten, CHF 28.90<br />
Karl Blessing Verlag<br />
Liebe Freunde des besten<br />
Freunds des Menschen<br />
Wer von euch noch etwas mehr in die<br />
Natur eintauchen möchte – allerdings<br />
in eine Welt mit eisigster Kälte von bis<br />
zu Minus 50 Grad –, wird von «Abenteuer<br />
Yukon Quest» von Nicolas Vanier begeistert<br />
sein. Welch mitreissende Geschichte!<br />
Vanier ist ein Musher, also ein Lenker<br />
eines Hundeschlittens. Mit seinen 14<br />
Hunden startet er in Whitehorse in Kanada,<br />
und innerhalb von nur 12 Tagen<br />
abenteuert er im Rahmen des Rennens<br />
Yukon Quest ins 1600 Kilometer entfernte<br />
Fairbanks in Alaska. Man kann<br />
sich vorstellen, wie gross die Herausforderungen<br />
sind – denn bei aller Vorbereitung<br />
lässt sich vieles einfach nicht vorhersehen.<br />
Manche Hunde ziehen sich<br />
Verletzungen zu, einige müssen sogar<br />
an Auffangstationen zurückgelassen<br />
werden. Oder die Tiere wollen nicht<br />
richtig fressen. Und da das Rennen während<br />
der Nacht weitergeht, wird der<br />
Musher so hundemüde, dass er gar an<br />
Halluzinationen leidet.<br />
Ich habe schon viele Hundebücher gelesen,<br />
aber selten ist mir die Beziehung<br />
von Hund und Mensch so nahe gegangen<br />
wie hier. Nicolas ist sich immer bewusst,<br />
dass die Hunde nicht darum gebeten<br />
haben, an diesem Rennen<br />
teilzunehmen – und er unternimmt daher<br />
alles, damit der Spass am Laufen<br />
und das Vergnügen an dieser Reise für<br />
alle möglichst gross bleibt. Auch für uns<br />
Leserinnen und Leser!<br />
Tief beeindruckt,<br />
Christina<br />
Liebe Leute<br />
ABENTEUER YUKON<br />
QUEST<br />
Nicolas Vanier<br />
288 Seiten, CHF 32.90<br />
Malik<br />
Irre sportliche Leistungen sind ja gut<br />
und recht. Aber jetzt sollten wir Sesselhocker<br />
wieder in jenen Lebensraum zurückkehren,<br />
in dem wir uns heimisch<br />
fühlen: in jenen der Literatur! Vor etwas<br />
über einem Jahr veröffentlichte der<br />
Wiener Martin Thomas Pesl sein «Buch<br />
der Schurken». Darin widmete er den<br />
«100 genialsten Bösewichten der Literatur»<br />
je eine vergnügliche Doppelseite.<br />
Jetzt hat Pesl nachgelegt – gleich passend<br />
zu unserem Dossierthema: «Das<br />
Buch der Tiere» umfasst «100 animalische<br />
Streifzüge durch die Weltliteratur».<br />
Die Auswahl ist erneut so wunderbar beliebig<br />
– oder sagen wir: persönlich – wie<br />
beim Vorläufer, und die kurzen Betrachtungen<br />
des Autors sind auch diesmal so<br />
treffend wir süffisant. Erstaunlich, wo<br />
überall Tiere eine wichtige Rolle spielen:<br />
In «Hundert Jahre Einsamkeit»<br />
(Ameisen) ebenso wie im Alten Testament<br />
(Schlange), im Dekamaron (Falke)<br />
und bei Harry Potter (Hedwig!). Pesl<br />
porträtiert sie mit viel Freude und Einfallsreichtum.<br />
Ich tät mal sagen: Für Literaturprofessoren<br />
ist das nichts. Aber<br />
dem einfachen Lesevolk, zu dem ich<br />
mich gern zähle, bietet «Das Buch der<br />
Tiere» ein tolles Buffet mit mundgerechten<br />
Snacks!<br />
Mampfend,<br />
Marius<br />
DAS BUCH DER TIERE<br />
Martin Thomas Pesl<br />
244 Seiten, CHF 36.90<br />
Edition Atelier<br />
Liebe Tierentdecker, liebe Rachelle<br />
Auch ich durfte in die magische Welt der<br />
Katzen eintauchen. Ich las aber keinen<br />
Katzenratgeber, sondern eine Geschichte<br />
so wunderlich wie poetisch, dass ich<br />
dort jederzeit erholsame Ferien vom<br />
Alltag machen konnte.<br />
Mr. Widow verleiht Katzen. Rund 40 leben<br />
bei ihm zu Hause und können entliehen<br />
werden – zum Vorlesen, zur Inspiration,<br />
zum Spielen und so weiter.<br />
Laut Mr. Widow sollten eigentlich alle<br />
eine Katze haben. Denn Katzen heilen<br />
unsere seelischen Wunden und rücken<br />
unsere Perspektiven zurecht.<br />
Eines Nachts findet Mr. Widow in einer<br />
Mülltonne neben lauthals miauenden<br />
Kätzchen eine Frau. Sie nennt sich Nancy<br />
und bringt eine so dubiose wie gefährliche<br />
Vergangenheit mit. Wird die<br />
eigensinnige Magie von Mr. Widows<br />
Katzen reichen, um Nancys Schicksal<br />
zum Guten zu wenden?<br />
«Mr. Widows Katzenverleih» der deutschen<br />
Autorin Antonia Michaelis ist ein<br />
wundervoll märchenhafter Roman über<br />
Freundschaft, Liebe und Freiheit. Dabei<br />
bleibt die Erzählung stets am Boden der<br />
Tatsachen. Und wer schon einmal eine<br />
glücklich schnurrende Katze auf dem<br />
Bauch liegen hatte, weiss, dass die Magie<br />
der Katzen nichts als eine Tatsache<br />
ist.<br />
Verzaubert,<br />
Nena<br />
MR. WIDOWS<br />
KATZENVERLEIH<br />
Antonia Michaelis<br />
448 Seiten, CHF 28.90<br />
Droemer Knaur<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH
32<br />
DOSSIER<br />
33<br />
DOSSIER<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen<br />
Liebe Liebhaber domestizierter Tiere<br />
Ich muss gestehen: Ich bin leider kein<br />
grosser Freund von Haustieren; sie<br />
kommen mir vermenschlicht vor. Also<br />
ehrlich, «die Magie der Katzen»? Viel<br />
faszinierender finde ich ihre wilden und<br />
selbstbestimmten Pendants. Allerdings<br />
zugegebenermassen auch erst seit einer<br />
Woche, nämlich seit ich das Buch «Die<br />
Weisheit der Wölfe» von Elli H. Radinger<br />
gelesen habe.<br />
Die renommierte Wolfsexpertin klärt<br />
uns darin kurzweilig über das Verhalten<br />
der Wölfe auf, wie sie es in mehreren<br />
tausend Begegnungen beobachtet hat.<br />
Sie zeigt uns, dass der Wolf nicht einfach<br />
ein blutrünstiger Killer, sondern auch<br />
Familientier, Charakterkopf und Liebhaber<br />
ist. Die Autorin geht sogar so weit,<br />
Wölfe als «die besseren Menschen» zu<br />
bezeichnen, und sie versucht dann, aus<br />
dem Wolfsverhalten Lehren für den<br />
Menschen abzuleiten.<br />
Zugegebenermassen sind diese philosophischen<br />
Lehrstücke nicht wahnsinnig<br />
überzeugend, sie fallen gegenüber dem<br />
objektiv informativen Teil ab. Das ändert<br />
aber nichts daran, dass «Die Weisheit<br />
der Wölfe» gerade für euch Hundeverrückten<br />
eine sehr empfehlenswerte<br />
Lektüre ist – und dem Sprichwort «Der<br />
Mensch ist dem Menschen ein Wolf»<br />
eine unerwartet positive Wendung gibt.<br />
Es grüsst der Wolfsexperte<br />
Lukas<br />
DIE WEISHEIT DER<br />
WÖLFE<br />
Elli H. Radinger<br />
288 Seiten, CHF 29.90<br />
Ludwig<br />
Lukas, Lukas, ich bin natürlich entsetzt:<br />
Da herzt du meinen alten Hund jeden<br />
Mittag, wenn du Mitarbeiter im Studentenmodus<br />
ins Büro kommst – und jetzt<br />
erfahre ich, dass du Hunde gar nicht<br />
magst? Tss! Dann ärgere ich dich doch<br />
gern gleich mit noch einem Hundebuch,<br />
das erst noch eine echte Trouvaille<br />
ist: «Drei Mann in einem Boot». Wobei:<br />
So eine richtige Entdeckung ist<br />
dieser Roman von 1889 nicht. Schliesslich<br />
wurde er rund um den Globus schon<br />
millionenfach verkauft, und der Guardian<br />
setzte ihn auf einer Liste der «100<br />
besten Bücher aller Zeiten» auf Rang 25.<br />
Aber hey: Mir war das Buch bislang unbekannt,<br />
und das reicht mir natürlich<br />
völlig aus, um bereits von einer Trouvaille<br />
zu sprechen. Abgesehen davon<br />
hat Manesse den Roman gerade neu aufgelegt.<br />
Autor Jerome K. Jerome ist so etwas wie<br />
eine Mischung aus Mark Twain und Loriot.<br />
Gutgelaunt tut er so, als beschriebe<br />
er eine Bootsfahrt dreier Freunde auf<br />
der Themse. Tatsächlich ist der Ausflug<br />
aber nur die Kulisse für eine endlose Ansammlung<br />
von Abschweifungen, Anekdoten<br />
und geistreichen Gedankensplittern.<br />
Manchmal behaupten Kritiker ja,<br />
sie hätten beim Lesen lauthals lachen<br />
müssen – aber in meinem Fall ist das<br />
keine Behauptung, sondern die schlichte<br />
Wahrheit. Ein wenig erinnerte mich<br />
dieses sagenhaft lustige Werk an den<br />
noch viel berühmteren Roman «Tristram<br />
Shandy» von Laurence Sterne, den<br />
man wohl ohne rot zu werden als das sogar<br />
allerbeste Buch aller Zeiten bezeichnen<br />
kann.<br />
Ihr fragt euch nach meiner euphorischen<br />
Zusammenfassung: Wo ist der<br />
angedrohte Hund? Die Antwort ist einfach:<br />
Die drei Freunde werden von einem<br />
Terrier namens Montmorency begleitet,<br />
der es nun wirklich in sich hat.<br />
«Kann er sich irgendwo hineinzwängen,<br />
wo er besonders wenig zu gebrauchen<br />
ist, wo er hervorragend lästig sein,<br />
die Leute verrückt machen und sich alles<br />
Mögliche an den Kopf werfen lassen<br />
kann, dann hat er den Eindruck, sein<br />
Tag sei nicht umsonst gewesen.» Einen<br />
solchen Eindruck hatte ich auch – nach<br />
dieser Lektüre!<br />
Kichernd,<br />
Marius<br />
DREI MANN IN<br />
EINEM BOOT<br />
Jerome K. Jerome<br />
384 Seiten, CHF 31.90<br />
Manesse<br />
Bildgewaltige Tierwelt<br />
Tiere sind süss, faszinierend, manchmal beängstigend und etwas gruslig – oder einfach nur schön. Und<br />
aus all diesen Gründen eignen sie sich perfekt dafür, in Kunst und Fotografi e ins Bild gesetzt zu werden.<br />
TEXT: ERIK BRÜHLMANN<br />
«Die Watvögel Europas» mit faszinierenden Fotos von Lars Gejl und Nis Lundmark Jensen lässt keine Wünsche von Vogelfans offen.<br />
Tiere gehören zu den wohl ältesten<br />
Kunstmotiven. In der berühmten Höhle<br />
von Lascaux bei Montignac in Frankreich<br />
finden sich zum Beispiel Darstellungen<br />
von Auerochsen, Wildpferden,<br />
Hirschen und Bären, die vor rund 20'000<br />
Jahren gemalt wurden. Die alten Ägypter<br />
wiederum hinterliessen unzählige<br />
Darstellungen von Katzen, Käfern, Vögeln<br />
und Reptilien – mehr oder minder<br />
naturgetreu übertragen. Sehr fantasievoll<br />
gerieten Tierdarstellungen teilweise<br />
in Griechenland, Rom oder auch<br />
noch im europäischen Mittelalter. Da<br />
verschmelzen Löwe und Adler zum<br />
Greifen; Löwe, Ziege und Schlange zur<br />
Chimära; Pferd und Vogel zum Pegasus.<br />
Illustrierte Vogelwelten<br />
Je weiter die Naturwissenschaften voranschritten,<br />
desto wichtiger wurde es,<br />
die Tierwelt zu beobachten und mit zunehmender<br />
Genauigkeit abzubilden –<br />
Fotokameras gab es ja noch nicht. Vögel<br />
waren dabei stets beliebte Motive für<br />
Tierbeobachter, Künstler und Illustratoren.<br />
Zwar sitzen die Piepmätze nur selten<br />
lang genug an einer Stelle, um sie<br />
wirklich in Ruhe malen zu können.<br />
Doch ihr prächtiges Gefieder erlaubt<br />
Künstlerinnen und Künstlern, sich auf<br />
der ganzen Farbpalette auszutoben. Wie<br />
das aussehen kann, zeigt der Prachtband<br />
«Vögel – Geschichte und Meisterwerke<br />
der Vogelillustration» mit Beispielen<br />
aus der Bibliothek des Natural<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH
34<br />
DOSSIER<br />
35<br />
DOSSIER<br />
VÖGEL – GESCHICH-<br />
TE UND MEISTER-<br />
WERKE DER VOGEL-<br />
ILLUSTRATION<br />
Jonathan Elphick<br />
224 Seiten, CHF 69.90<br />
Haupt<br />
«Vom Leben der Tiere» – dank des hochwertigen Drucks und der eindrücklichen grossformatigen Bilder ein typisches Lieblingsbuch von Bibliophilen.<br />
History Museum in London. Neben einem<br />
historischen Überblick zeichnet<br />
das Buch auch die Entwicklung der Vogelillustration<br />
nach, angefangen von<br />
den fantasievollen Bildnissen des Mittelalters<br />
bis zu den modernen wissenschaftlichen<br />
Darstellungen. Als Bonus<br />
enthält die Schmuckbox 36 prächtige<br />
Drucke. Ein ideales Geschenk für Vogelund<br />
Kunstliebhaber sowie naturgeschichtlich<br />
Interessierte.<br />
Vom Pinsel zum Foto<br />
Die Erfindung der Fotokamera führte<br />
natürlich rasch dazu, dass auch Tiere<br />
abgelichtet wurden. In der Frühzeit der<br />
Fotografie blieben entsprechende Versuche<br />
allerdings meist unbefriedigend –<br />
zu lang waren die Belichtungszeiten, zu<br />
ungeduldig die tierischen Motive. Erst<br />
1906 veröffentliche «National Geographic»<br />
die ersten Tierfotografien. Heute<br />
kann man zwar mit fast jedem Handy<br />
ablichten, was kreucht und fleucht. Es<br />
braucht jedoch immer noch erfahrene<br />
und gut gerüstete Fotografen, um wirklich<br />
ausdrucksstarke und faszinierende<br />
Tierbilder zu schiessen.<br />
DIE WATVÖGEL<br />
EUROPAS<br />
Lars Gejl<br />
376 Seiten, CHF 59.90<br />
Haupt<br />
Die Welt der Watvögel<br />
Ein solcher ist Lars Gejl, wie sein Buch<br />
«Die Watvögel Europas» beweist. Watvögel<br />
heissen auch Regenpfeiferartige<br />
oder Limikolen. Sie sind fast überall auf<br />
der Welt anzutreffen, und die meisten<br />
von ihnen gehören zu den Zugvögeln. In<br />
Europa brüten 44 Watvogelarten, weitere<br />
38 aus Asien und Nordamerika sind<br />
zuweilen als Gäste bei uns anzutreffen.<br />
All diese Arten werden in diesem reich<br />
bebilderten Nachschlagewerk präzis<br />
beschrieben. 670 Fotos und 189 Silhouetten<br />
erfreuen Vogelliebhaber, über<br />
44 QR-Codes lassen sich die Vogelstimmen<br />
aufrufen. Aber das Buch ist mehr<br />
als nur ein Identifizierungswerk für Ornithologen,<br />
denn die Bilder sind auch<br />
eine wahre Freude für natur- und landschaftsfotografisch<br />
interessierte Menschen.<br />
Bedrohte Tiewelt<br />
Dass die Natur zuweilen brutal ist, dürfte<br />
sich herumgesprochen haben. Noch<br />
brutaler ist, wie der Mensch die Natur<br />
mutwillig oder auch fahrlässig verstümmelt.<br />
Auch hier sind Tierbilder gefragt –<br />
IN GEFAHR.<br />
BEDROHTE TIERE<br />
IM PORTRÄT<br />
Tim Flach, Jonathan Baillie<br />
336 Seiten, CHF 89.90<br />
Knesebeck<br />
einerseits, um auf Missstände aufmerksam<br />
zu machen, andererseits, um zu<br />
zeigen, was jeden Tag verloren geht.<br />
Immer mehr Tiere gelten als bedroht;<br />
unzählige stehen gar vor dem Aussterben.<br />
Das gilt für die bekannten Pandas<br />
und Tiger ebenso wie für die eher unbekannten<br />
Grottenolme und Baumhummer.<br />
Welch grosser Verlust jede ausgestorbene<br />
Tierart ist, zeigt das Buch «In<br />
Gefahr. Bedrohte Tiere im Porträt». Der<br />
britische Fotograf Tim Flach lässt mit<br />
seinen Nahaufnahmen das Herz jedes<br />
Tierfreunds höher schlagen; der renommierte<br />
Zoologe Jonathan Baillie<br />
sorgt mit seinen Texten dafür, dass das<br />
Buch eben nicht nur ein weiterer Tierbildband<br />
ist. Welchen Gefahren sind<br />
welche Tiere ausgesetzt? Und was unternehmen<br />
wir Menschen, um bedrohten<br />
Tieren zu helfen? In diesem prächtigen<br />
Buch erfährt man es.<br />
Hommage an Katzen<br />
Katzen zu verstehen, ist eine Kunst, die<br />
nicht jedem gelingt. Es ist sicher kein<br />
Zufall, dass die ägyptische Katzengöttin<br />
Bastet sowohl als zornige als auch als<br />
KATZEN IN<br />
DER KUNST<br />
Angus Hyland,<br />
Caroline Roberts<br />
160 Seiten, CHF 27.90<br />
DuMont<br />
VOM LEBEN DER<br />
TIERE. WIE SIE<br />
HANDELN, WAS SIE<br />
FÜHLEN<br />
Pablo Salvaje<br />
72 Seiten, CHF 29.90<br />
Prestel<br />
© Pablo Salvaje / Prestel<br />
zerstörerische, wütende Göttin dargestellt<br />
wird. Andererseits gibt es aber immerhin<br />
viele Künstler, die es verstehen,<br />
Katzen in ihrem Wesen zu erfassen und<br />
dieses Wesen auf Papier oder Leinwand<br />
zu bringen. Über 100 solcher künstlerischen<br />
Versuche sind im kleinen, aber<br />
feinen Band «Katzen in der Kunst» zusammengefasst.<br />
Da klaut die Katze in<br />
Sebastiano Lazzaris «Stilleben mit Katze»<br />
(ca. 1770) ein Stück Wurst vom Tisch;<br />
dort tragen die Katzen in Midori Yamadas<br />
modernen Gemälden stilsicher<br />
edles Weiss. Das pure Gegenteil ist Vania<br />
Zouravilovs «Scharze Katze» (2006). Und<br />
Paul Klee bringt in «Katze und Vogel»<br />
(1928) zwei Erzfeinde zusammen. Eine<br />
Katze führt zur nächsten, wie Ernest Hemingway<br />
einmal sagte – in diesem Buch<br />
ganz bestimmt!<br />
Künstlerisch und aufklärerisch<br />
wertvoll<br />
Ebenfalls einen künstlerischen Ansatz<br />
verfolgt der Spanier Pablo Salvaje, der<br />
vor allem für seine künstlerischen<br />
Drucktechniken bekannt ist. Auch er<br />
möchte mit «Vom Leben der Tiere. Wie<br />
sie handeln, was sie fühlen» mehr als<br />
nur ein «Bilderbuch» anbieten, und er<br />
beschäftigt sich deshalb in sieben Kapiteln<br />
mit Themen wie Liebe, Rhythmen,<br />
Überleben, Wandlung, Lebensraum,<br />
Wasser und Schätze. Die Texte sind<br />
kurz, prägnant und für Tierfreunde jeden<br />
Alters zu verstehen. Und die Illustrationen<br />
sind ebenso etwas für kunstaffine<br />
Menschen wie für Eltern, die ihren<br />
Sprösslingen die Welt der Tiere näher<br />
bringen möchten. Ein Buch, das ohne<br />
Hochglanz auskommt, dafür aber durch<br />
eine Menge Sinnlichkeit überzeugt.<br />
Aus «Vögel – Geschichte und Meisterwerke der Vogelillustration»:<br />
Graureiher, Raufussbussard, Nashornpelikan<br />
Das Buch «Katzen in der Kunst» ist eine einzige<br />
Hommage an die Stubentiger.<br />
Alle Bilder «Vogelillustrationen» © The Trustees of the Natural History Museum London<br />
Alle Bilder «Katzen in der Kunst» © Owen Smith, Sebastiano Racnhetti, Karen Hollingsworth<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH
36<br />
DEBAT TE<br />
37<br />
DEBATTE<br />
Simone, du hast «Der Junge auf dem Berg» mitgebracht,<br />
das neue Buch von John Boyne. Der irische Autor wurde<br />
mit der KZ-Geschichte «Der Junge im gestreiften Pyjama»<br />
weltberühmt. Der Titel der Neuerscheinung lässt<br />
eine Verbindung zum Bestseller vermuten ...<br />
Simone Wullschleger (SW): Ja, die gibt es: Beide<br />
Bücher erzählen die Geschichte eines Buben zur<br />
Nazizeit. Hier ist Pierrot die Hauptfigur. Der Sohn<br />
eines Deutschen und einer Französin wächst in den<br />
1930er-Jahren in Paris auf und wird zum Waisenkind.<br />
Erst lebt er bei einer jüdischen Familie, dann holt ihn<br />
seine Tante zu sich in das «Haus auf dem Berg» –<br />
das ist nichts weniger als die Sommerresidenz von<br />
Adolf Hitler am Obersalzberg, wo die Tante Haushälterin<br />
des Führers ist. Pierrot, der inzwischen Peter genannt<br />
wird, kommt bei Hitler gut an, und der Diktator<br />
indoktriniert den Buben nach und nach mit seinem<br />
Gedankengut. Bald wird Peter ein kleiner Tyrann auf<br />
dem Berghof, schliesslich verrät er gar seine eigene<br />
Familie.<br />
Ist das eine wahre Geschichte?<br />
SW: Nein, es ist eine fiktive Geschichte voller<br />
historischer Fakten.<br />
Bücher rund um Nazis und Holocaust gibt es unzählige.<br />
Ist das jetzt einfach noch ein Hitler-Roman mehr?<br />
Céline Tapis (CT): Wie gesagt, es gibt Parallelen<br />
zum «Jungen im gestreiften Pyjama» – auch formal,<br />
denn hier wie dort wird wenig Konkretes über den<br />
Schrecken der Nazidiktatur gesagt, dieser schwingt<br />
einfach mit. «Der Junge auf dem Berg» ist aber viel<br />
zeitloser als der Vorläufer. Es geht um eine ganz<br />
grundsätzliche Frage: Wie verändern wir uns, wenn<br />
wir mit Macht in Kontakt kommen? Pierrot wird durch<br />
die Anerkennung von Hitler zu einer völlig anderen<br />
Person. Das Thema der Beeinflussung durch einen<br />
charismatischen Menschen ist hochaktuell – wenn<br />
man etwa sieht, wie immer mehr Menschen rechten<br />
Politikern nachlaufen oder wie sich bislang unauffällige<br />
junge Männer zum IS locken lassen. John Boyne beschreibt<br />
den Prozess der Verwandlung sehr eindrücklich,<br />
wie es ganz allmählich zu einer Radikalisierung<br />
kommt. Am Ende denkt man: Wäre Pierrot in Paris<br />
geblieben, wäre alles anders herausgekommen. Ich<br />
kann mir gut vorstellen, dass gerade viele jugendliche<br />
Leserinnen und Leser durch dieses Buch wichtige Erkenntnisse<br />
gewinnen, dass sie eigene Werte hinterfragen<br />
und sich Gedanken darüber machen, wie sie sich<br />
in vergleichbaren Situationen verhalten würden.<br />
Wie ist es dir beim Lesen ergangen, Simone?<br />
SW: Es ist schlicht schockierend, wie sich Pierrot<br />
entwickelt. Ich war entsetzt, und dieses Buch liess<br />
Zwei<br />
Bücher<br />
zum<br />
Kaffee<br />
Was machen<br />
Buchhändlerinnen<br />
in einer Kaffeepause?<br />
Sie plaudern<br />
über Bücher. Zum<br />
Beispiel im Starbucks<br />
im Kramhof<br />
Zürich. Lesen<br />
hat sich dort zu<br />
Céline Tapis und<br />
Simone Wullschleger<br />
gesetzt.<br />
AUFZEICHNUNG:<br />
MARIUS LEUTENEGGER<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
mich nicht mehr los – ich konnte etwa zwei Wochen<br />
lang nichts anderes mehr lesen.<br />
Hast du es seit der Lektüre oft empfohlen?<br />
SW: Ja, an Bibliotheken, aber auch als Klassenlektüre<br />
– dafür eignet es sich super. Es gibt dazu Unterrichtsmaterialien.<br />
Ich empfehle das Buch aber auch<br />
Erwachsenen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen<br />
wollen, die eine andere Perspektive suchen als<br />
jene, die ein klassischer Historischer Roman bietet<br />
– und die sich mit dem Thema auseinandersetzen<br />
wollen, ohne dass sie zu viele Gewaltdarstellungen<br />
über sich ergehen lassen müssen.<br />
CT: Na, das Buch ist schon expliziter als «Der<br />
Junge im gestreiften Pyjama», aber dennoch verkraftbar.<br />
Zumindest von den Bildern her, die es heraufbeschwört<br />
– bezüglich Emotionen ist es allerdings harte<br />
Kost. Man verliert ein wenig den Glauben an den<br />
Menschen, wenn man es liest.<br />
Warum?<br />
SW: Es nimmt einem die Illusion.<br />
CT: Es lässt einen zumindest genauer hinschauen.<br />
Immerhin ist das Ende dann einigermassen versöhnlich.<br />
Das Buch zeigt auf, wie böse Menschen werden<br />
können – aber auch, dass man Einflüssen nicht komplett<br />
ausgeliefert ist.<br />
Céline, dein Buch für unsere Runde ist «Nichts als<br />
die Nacht» von John Williams. Der 1994 verstorbene<br />
US-Amerikaner wurde mit seinen drei Romanen «Stoner»,<br />
«Butcher’s Crossing» und «Augustus» posthum<br />
weltberühmt. «Nichts als die Nacht» ist das letzte Buch<br />
von ihm, das jetzt auch ins Deutsche übertragen wurde<br />
– obwohl es vor den drei anderen entstanden ist. Ich<br />
nehme an, Céline, du hast dieses Buch gewählt, weil es<br />
von John Williams stammt?<br />
CT: Ja. «Stoner» und «Butcher’s Crossing» haben<br />
mich absolut begeistert – «Augustus» habe ich noch<br />
nicht gelesen. Am meisten bewundere ich an Williams,<br />
dass er die Geschichte eines absolut gewöhnlichen<br />
Menschen mit einem belanglosen Leben erzählen<br />
kann – und man sie irrsinnig gern liest. Er verleiht<br />
dem Gewöhnlichen einen besonderen Reiz.<br />
SW: Mit geht es ähnlich. «Butcher’s Crossing» ist<br />
eines meiner Lieblingsbücher. Williams beschreibt<br />
das echte Leben auf packende Weise.<br />
CT: Allerdings muss ich zugeben, dass ich zu<br />
Beginn einige Mühe mit «Nichts als die Nacht» hatte.<br />
Das Buch ist geprägt von Flashbacks sowie traum- und<br />
rauschhaften Sequenzen; das erste Kapitel erzählt<br />
einen Traum, und ich verstand zunächst überhaupt<br />
nichts. Hauptfigur Arthur, anfangs 20, ist ein Student,<br />
der viel Zeit hat, sich herumtreibt und zu viel trinkt.<br />
Céline Tapis, 26, lebt in Bern. Nach der Matura absolvierte sie<br />
eine Buchhändlerlehre in Basel; sie hat Germanistik und Kulturmanagement<br />
studiert und arbeitet gegenwärtig zu 50 Prozent<br />
bei Stauffacher Bern.<br />
Das Buch beschreibt einen einzigen Tag in seinem Leben.<br />
Arthur erhält einen Brief von seinem Vater, von<br />
dem er schon lang nichts mehr gehört hat, und die<br />
beiden treffen einander am Abend im Restaurant. Die<br />
Konversation zwischen ihnen ist seltsam. Im Verlauf<br />
der Geschichte erfährt man allmählich, dass etwas<br />
Schlimmes mit der Mutter passiert ist. Im Restaurant<br />
stellt der Vater dann auch seine aktuelle Affäre vor,<br />
die der Mutter frappant gleicht. Arthur flüchtet in eine<br />
Bar und trifft dort auf eine schöne und rätselhafte<br />
Frau, die ihn abermals an seine Mutter erinnert.<br />
Das klingt eigentlich nach einem typischen Williams: eine<br />
ganz alltägliche Geschichte.<br />
SW: Man merkt sehr, dass der Autor beim Verfassen<br />
dieses Erstlings erst 22 Jahre alt war. Die Sprache<br />
ist noch nicht so ausgereift wie in den späteren Werken.<br />
«Nichts als die Nacht» ist dafür ein sehr leidenschaftliches<br />
Buch, und es beschäftigt sich mehr als die<br />
Nachfolger mit dem Innenleben.<br />
Das ist ja nichts Schlechtes.<br />
SW: Ja, aber zuweilen hat mich der Text auch ein<br />
wenig verstört, durch diesen Wechsel von traumhaften<br />
und realistischen Sequenzen. Ganz zu Beginn<br />
dachte ich noch: «Oh nein, das ist nicht, was ich<br />
erwartet habe.» Aber dann packte es mich doch.<br />
CT: Mich beeindruckt, was ein 22-Jähriger hier<br />
DER JUNGE AUF<br />
DEM BERG<br />
John Boyne<br />
304 Seiten, CHF 24.90<br />
Fischer KJB<br />
NICHTS ALS DIE<br />
NACHT<br />
John Williams<br />
160 Seiten, CHF 26.90<br />
dtv<br />
Simone Wullschleger, 24, lebt in Buchs. Nach der Matura machte<br />
sie die Lehre zur Buchhändlerin, weil «ich Bücher liebe, alle<br />
Bücher!» Heute arbeitet sie bei Orell Füssli Brugg und ist dort<br />
für Kinder- und Jugendbücher, fremdsprachige Literatur und<br />
DVDs zuständig.<br />
fertigbrachte. Williams schrieb das Buch im burmesischen<br />
Dschungel, während er sich von einem Flugzeugabsturz<br />
erholte. Ich glaube, diese Situation hat zur<br />
starken Intensität des Buchs beigetragen. «Nichts als<br />
die Nacht» ist sicher das leidenschaftlichste Werk von<br />
Williams.<br />
SW: Ja, da musste offenbar einfach etwas raus.<br />
Die Verwirrung von Arthur, der unter einem Trauma<br />
leidet, bringt Williams hervorragend herüber – und<br />
auch, wie Verdrängtes immer wieder mit Macht an die<br />
Oberfläche dringt.<br />
CT: Das Buch erinnerte mich etwas an «Der Fänger<br />
im Roggen» von J. D. Salinger – es beschreibt den<br />
Schwebezustand eines jungen Menschen, der noch<br />
keine Ahnung davon hat, wo sein Leben hinführt.<br />
Arthur trägt mit seinem entsetzlichen Trauma noch<br />
eine zusätzliche Bürde, welche die Identitätsfindung<br />
erschwert. Mir gefallen auch die Figuren, die auf- und<br />
abtauchen, und die düstere Stimmung. Man bekommt<br />
selber ein wenig das Gefühl, man sei betrunken. Kurzum:<br />
ein mitreissendes Buch!<br />
SW: Mich hat es auch sehr gepackt. Die Art, wie<br />
Williams Stimmungen schafft, ist toll. Mir gefällt<br />
auch, wie Arthur einmal sagt, er wolle sein Innenleben<br />
hinaus in die Welt kehren, damit die anderen in<br />
verstehen könnten. Das finde ich schon sehr interessant:<br />
Man kennt ja nur seine eigene Realität, aber<br />
dieses Buch bringt einem eine andere etwas näher.<br />
Nimm dir Zeit für<br />
die schönsten<br />
Seiten des Lebens<br />
Besuche auch unsere Starbucks Coffee Houses<br />
in den Orell Füssli Buchhandlungen<br />
im Kramhof und am Bellevue in Zürich.<br />
© 2017 Starbucks Coffee Company. All rights reserved.
38<br />
FILME<br />
39<br />
FILME<br />
Das Buch zum Film<br />
Literatur und Kino befruchten einander: Viele Filme basieren auf erfolgreichen Romanen – und mancher Kinoerfolg<br />
löst neues Interesse an der Buchvorlage aus. Wir zeigen, welche Stoffe alle Fans von guten Geschichten<br />
in den nächsten Monaten sowohl auf Papier als auch auf der Leinwand geniessen können.<br />
«Die kleine Hexe»<br />
© Zodiac Pictures<br />
DIE KLEINE HEXE<br />
Otfried Preussler<br />
128 Seiten, CHF 17.90<br />
Thienemann<br />
«Dieses bescheuerte Herz»<br />
© 2017 Constantin Film Verleih GmbH / Jürgen Olczyk<br />
TEXT: LUKAS TOBLER UND NENA MORF<br />
Die kleine Hexe ist gerade einmal 127 Jahre alt. Viel zu jung, um<br />
an der Walpurgisnacht teilzunehmen. Frech wie sie ist, setzt sie<br />
sich aber einfach darüber hinweg, schleicht sich ein – und wird<br />
erwischt. Als Strafe muss sie innerhalb eines Jahrs beweisen,<br />
dass sie eine gute Hexe ist. Dabei stösst sie auf ziemlich viel<br />
Widerstand.<br />
Die Bücher von Otfried Preussler sind längst Klassiker. Und auch<br />
auf der Leinwand haben seine Geschichten schon unzählige Besucherinnen<br />
und Besucher verzaubert, zuletzt in den Verfilmungen<br />
von «Krabat» und «Das kleine Gespenst». Dieselben Produzenten<br />
dieser beiden Filme haben sich jetzt auch «Die kleine Hexe»<br />
vorgenommen: ein Muss für alle Fans des berühmten Kinderbuchautoren.<br />
DIESES BESCHEUERTE<br />
HERZ<br />
Daniel Meyer, Lars Amend<br />
352 Seiten, CHF 28.90<br />
Fischer Krüger<br />
Der Bestseller «Dieses bescheuerte Herz» liess kaum jemanden<br />
unberührt. Das Buch erzählt die wahre Geschichte des 30-jährigen<br />
Lars und des 15-jährigen Daniel. Lars ist ein Lebemann,<br />
Daniel hingegen leidet unter einem schweren Herzfehler und<br />
weiss, dass er nicht mehr lang leben wird.<br />
Mit seinem eigenen Tod konfrontiert, hat Daniel eine Liste mit<br />
Dingen geschrieben, die er unbedingt noch erleben will. Ein<br />
fremdes Mädchen küssen zum Beispiel. Der doppelt so alte<br />
Lars hilft ihm dabei, diese Wünsche zu erfüllen. Es entsteht<br />
eine einzigartige Freundschaft zwischen den beiden Männern,<br />
und schliesslich schreiben sie ihre Erlebnisse gemeinsam auf.<br />
Jetzt hat die berührende Geschichte den Weg auf die Leinwand<br />
gefunden.<br />
KINOSTART: 1. FEBRUAR 2018<br />
KINOSTART: 21. DEZEMBER 2017<br />
© Ascot Elite<br />
SUBMERGENCE<br />
J. M. Ledgard<br />
208 Seiten, CHF 15.40<br />
Vintage<br />
© 2017 Twentieth Century Fox Film Corporation<br />
Der letzte Teil von «The Maze Runner» bringt uns in das tödlichste aller Labyrinthe.<br />
«Submergence»<br />
James Moore und Danielle Flinders finden sich im Roman «Submergence»<br />
von J. M. Ledgard in Grenzsituationen wieder. James<br />
Moore wird in Somalia von Jihadisten gefangen gehalten, Danielle<br />
Flinders betreibt vor den Küsten Grönlands Tiefseeforschung.<br />
Was die beiden verbindet, ist ein einziges Treffen und die Liebe,<br />
die sie seither füreinander empfinden und die beiden ein kleiner<br />
Hoffnungsschimmer in düsteren Zeiten ist.<br />
Das Buch des Schotten J. M. Ledgard wurde mit einer absoluten<br />
Starbesetzung verfi lmt. Die beiden Hauptrollen übernehmen<br />
Alicia Vikander und James McAvoy, Regie führt Wim Wenders.<br />
Zu hoffen bleibt, dass auch bald eine deutsche Übersetzung des<br />
Romans vorliegt, er von der New York Times als eines der «100<br />
Notable Books of 2013» gelistet wurde.<br />
KINOSTART: 15. FEBRUAR 2018<br />
DIE AUSERWÄHLTEN –<br />
IN DER TODESZONE<br />
James Dashner<br />
456 Seiten, CHF 28.90<br />
Carlsen<br />
«The Maze Runner:<br />
The Death Cure»<br />
Die dystopische Science-Fiction-Trilogie «The Maze Runner»<br />
ist ein internationaler Bestseller. Bei uns wurde sie als «Die<br />
Auserwählten» ein Grosserfolg. Nachdem die Trilogie in der<br />
Buchvorlage bereits seit längerem abgeschlossen ist, liegt jetzt<br />
bald auch der letzte Teil der dreiteiligen Verfi lmung vor: «The<br />
Death Cure».<br />
Das Finale der Serie handelt von der Flucht aus dem vielleicht<br />
tödlichsten aller bisher vorgekommenen Labyrinthe: der Last<br />
City. Die Herausforderung ist riesig. Aber wenn die Freunde alle<br />
Gefahren überwinden, werden sie vielleicht endlich Antworten<br />
auf die Fragen erhalten, mit denen sie seit Beginn der Trilogie<br />
konfrontiert sind.<br />
KINOSTART: 1. FEBRUAR 2018<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH
40<br />
ENGLISH BOOKS<br />
41<br />
ENGLISH BOOKS<br />
In English, please!<br />
Orell Füssli has many employees with a profound knowledge of English books. They love to<br />
share with you their love of English in “Lesen”: This time, Alma Baumgartner from Stauffacher<br />
in Berne recommends some exceptional books.<br />
AUTHOR: ERIK BRÜHLMANN<br />
THE WITCHWOOD<br />
CROWN<br />
Tad Williams<br />
736 pages, CHF 34.40<br />
Daw Books<br />
“Here’s a classic Tad Williams: epic fantasy that we hope<br />
will unfold into a four-book cycle. The Witchwood Crown<br />
begins a few decades after the events in Memory, Sorrow,<br />
and Thorn – the story cycle Williams concluded an almost<br />
unbelievable 24 years ago. So fans who have read this will<br />
encounter more than just a few well-known characters. But<br />
don’t worry, you can read and understand The Witchwood<br />
Crown without knowing the prequels. Simon is King of<br />
Osten Ard, and his wife, Miriamele, recently lost their child.<br />
Grandson Morgan is now heir to the throne, pampered and<br />
shepherded by the King and Queen while trying to fi nd his<br />
own way in life. Perhaps most terrifying of all, the Norns –<br />
the long-vanquished elvish foe – are stirring once again,<br />
preparing to reclaim the mortal-ruled lands that once were<br />
theirs ...<br />
Bookseller Alma Baumgartner, 31, is head of the<br />
English department at Stauffacher in Berne. “We are<br />
like a bookshop within a bookshop. We cater for<br />
all kinds of readers, from school kids to expats and<br />
the occasional celebrity – and that’s what makes<br />
working here so much fun!”<br />
“Turtle Alveston is only 14 years old. Her<br />
mother has died, her dad is all she has left,<br />
in the best and the worst sense of the word.<br />
She goes to school, but she doesn’t have any<br />
friends there. She lets nobody come too<br />
close, lest they should intrude in her daddy-centred<br />
world and shatter it. A possibility<br />
she could not possibly contemplate.<br />
Everything changes when Turtle meets Jacob<br />
and Brett, two high-school-boys who<br />
open up her world with their extrovert, joyful<br />
personalities. Suddenly Turtle wants her<br />
world to change – a fight that soon becomes<br />
an emotional and physical rollercoaster<br />
ride. And in the end …<br />
My Absolute Darling is Gabriel Tallent’s first<br />
novel. He worked on it for almost a decade.<br />
Every sentence, every word, every punctuation<br />
mark is placed with greatest care. Tallent<br />
grew up in Mendocino, California, and<br />
Gabriel Tallent: a huge talent!<br />
MY ABSOLUTE DARLING<br />
Gabriel Tallent<br />
432 pages,<br />
CHF 24.90<br />
Riverhead<br />
he chose to let his story take place in that<br />
area, too. But the story is not biographical –<br />
At least I hope not!<br />
The novel is far from an easy read, because<br />
it’s extremely dense and intense. At times<br />
Turtle’s sadness and hopelessness are almost<br />
too much to bear. The author is brutally<br />
honest when he presents Turtle’s emotional<br />
world, and to read of her love-hate<br />
relationship with her father, who abuses<br />
her, is heartbreaking. Sometimes it’s really<br />
hard not to put the book aside!<br />
It all changes when Jacob and Brett enter<br />
the scene – they’re the long-awaited silver<br />
lining for both Turtle and the reader. When<br />
the father disappears for a while I so hoped<br />
that this would be the end of him and that I’d<br />
never have to see him again. But he returns,<br />
of course, and brings another young girl<br />
with him. I won’t spoil the ending, but I will<br />
say that it too is absolutely intense. My Absolute<br />
Darling keeps readers suspended between<br />
a state of wanting to read on and quitting.<br />
The subject matter hits home in<br />
heartrending way, so readers need to be<br />
strong. With its intricately woven plot and<br />
masterful use of language, the novel is<br />
much more than your usual psycho thriller<br />
though readers of this genre might also<br />
want to pick this up. Highly recommended<br />
– it’s been quite a while since I’ve read a<br />
book as fascinating as this!”<br />
OUR YOUNG MAN<br />
Edmund White<br />
304 pages, CHF 18.90<br />
Bloomsbury UK<br />
LILLIAN BOXFISH<br />
TAKES A WALK<br />
Kathleen Rooney<br />
276 pages, CHF 19.90<br />
Daunt Books Publishing<br />
This novel has Tad Williams written all over it: from how<br />
the plot is constructed to the way the story is told and to<br />
the development of the characters. In other words: read it!”<br />
“Edmund White has been writing books for more than 40<br />
years. He is well-known for his gay literature, but Our Young<br />
Man is not only for lovers of this genre. White worked at<br />
Vogue for ten years, and this is clearly evident in his latest<br />
novel set in the glamorous fashion world of 1980s New<br />
York. Guy is a French model who relocates to the Big<br />
Apple. Curiously, he looks much younger than his years, so<br />
people take him for a teenager rather than a man in his<br />
early twenties.<br />
Dorian Gray immediately springs to mind, of course, and<br />
White cleverly plays with this connection. But unlike Dorian<br />
Gray, Guy doesn’t need a magical portrait to look young. In<br />
this book, seemingly insignifi cant details often end up being<br />
important for the bigger picture. The novel paints a<br />
humorous portrait of the world of fashion back in the day. It<br />
offers a glimpse into a life between disco glamour and aids.”<br />
“New York resident, Lillian Boxfi sh is 85 and feels like a<br />
change. It’s New Years Eve 1984 and rather than visiting her<br />
usual favorite restaurant, she decides to take a walk. It’s a<br />
trip down memory lane, visiting the places linked to her life<br />
– a walk through time and space. Once one of the highest<br />
paid women advertising executive, a well received poet she<br />
resigned from her career for the sake of starting a family.<br />
What I like about this book – apart from the lovely main<br />
character – is how author Kathleen Rooney succeeds in<br />
painting a vivid picture of the city and of life in it. Both are<br />
changing with time, readers feel like they’re right in the<br />
middle of it, seeing, tasting and smelling this vibrant,<br />
ever-changing New York. The novel covers all the<br />
important women’s issues from the last few decades – and<br />
will fi nd it’s target audience easily.”<br />
THE NEW YORK TIMES<br />
BESTSELLERS<br />
Combined Print and E-Book Fiction:<br />
1. J. D. Robb: Secrets in Death<br />
2. Kyle Mills: Enemy of the State<br />
3. John Le Carré: A Legacy of Spies<br />
4. Stephen King: It<br />
5. Christine Feehan: Dark Legacy<br />
Combined Print and E-Book<br />
Nonfi ction:<br />
1. Jeanette Walls: The Glass Castle<br />
2. Neil deGrasse Tyson: Astrophysics for<br />
People in a Hurry<br />
3. J. D. Vance: Hillbilly Elegy<br />
4. Kurt Andersen: Fantasyland<br />
5. Atul Gawande: Being Mortal<br />
English Books<br />
at Orell Füssli<br />
Customers at Orell Füssli love to read<br />
English books – and we are happy to provide<br />
them with what they want. English<br />
Departments carrying the entire range of<br />
fiction and nonfiction books can be found<br />
at the following Orell Füssli stores:<br />
• Orell Füssli Kramhof Zürich<br />
• Stauffacher Bern<br />
• Orell Füssli Loeb Bern<br />
• Orell Füssli Basel<br />
• Rösslitor St. Gallen<br />
A smaller selection of popular English<br />
books can also be found at most of our<br />
other stores. Please don’t hesitate to ask<br />
if you can’t find the book you are looking<br />
for. We are happy to find every available<br />
title for you. Do you prefer to shop online?<br />
There is an English books section on<br />
our website www.orellfüssli.ch as well.<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH
42<br />
BUCHTIPPS<br />
43<br />
BUCHTIPPS<br />
ALEXANDRA LAVIZZARI<br />
Und Harry?<br />
Eine Siebenjährige erlebt, wie<br />
ihr Vater erschossen wird. Im<br />
Garten eines Ferienhauses im<br />
Tessin findet sie ihn tot vor den<br />
Sträuchern, die er eben noch geschnitten<br />
hat. In der Hand hält<br />
er ein eigenartiges Holzpferdchen,<br />
das die Tochter reflexhaft<br />
einsteckt und der Polizei verheimlicht.<br />
Der Mord bleibt ungeklärt,<br />
das Trauma ihrer Kindheit<br />
lässt sie nicht mehr los.<br />
Längst erwachsen geworden,<br />
nimmt die Tochter von Basel aus<br />
die Ermittlungen wieder auf.<br />
Gibt es in Wales den entscheidenden<br />
Hinweis zu entdecken, wie<br />
ein altes Foto sie denken lässt?<br />
Und wer ist dieser Harry? Weiss<br />
er etwas, und wo ist er zu finden?<br />
Alexandra Lavizzaris dichter<br />
Roman um ein rätselhaftes Verbrechen<br />
ist ein hintergründiges<br />
Spiel mit den Gattungskriterien<br />
des Detektivromans.<br />
320 Seiten, CHF 35.90<br />
Zytglogge<br />
978-3-7296-0966-2<br />
PIERRE LEMAITRE<br />
Drei Tage und ein<br />
Leben<br />
Ende Dezember 1999 verschwindet<br />
im französischen Ort Beauval<br />
der sechsjähriger Rémi.<br />
Eine grosse Suchaktion wird gestartet,<br />
Nachbarn und Freunde<br />
durchkämmen den angrenzenden<br />
Wald nach Spuren des Knaben.<br />
Doch am dritten Tag fegt ein<br />
Jahrhundertsturm über das Dorf<br />
hinweg und zwingt die Einwohner<br />
zurück in ihre Häuser. Während<br />
dieser Tage bangt Antoine<br />
darum, entdeckt zu werden.<br />
Denn nur er weiss, was an jenem<br />
Tag wirklich geschah, und nur er<br />
könnte davon erzählen.<br />
Mit grosser Sensibilität spürt<br />
Pierre Lemaitre dem grausamen<br />
Schicksal seines jungen Protagonisten<br />
nach und stellt die Frage,<br />
wie es sich mit grosser Schuld<br />
leben lässt.<br />
272 Seiten, CHF 28.90<br />
Klett Cotta<br />
978-3-608-98106-3<br />
ANNE FRASIER<br />
Ich bin nicht tot<br />
Die US-amerikanische Bestsellerautorin<br />
Anne Frasier legt einen<br />
Thriller vor, der die Grenzen<br />
der Psyche auslotet. Drei Jahre<br />
lang war Detective Jude Fontaine<br />
in einer unterirdischen Zelle eingesperrt,<br />
sie hatte nur zu ihrem<br />
sadistischen Entführer Kontakt.<br />
Nach ihrer Flucht verspürt sie<br />
ein unstillbares Verlangen nach<br />
Gerechtigkeit. Obwohl ihre Kollegen<br />
an ihrer psychischen Gesundheit<br />
zweifeln, nimmt Jude<br />
ihre Arbeit in der Mordkommission<br />
wieder auf. Auch ihr neuer<br />
Partner, Detective Uriah Ashby,<br />
traut Judes Zurechnungsfähigkeit<br />
nicht, doch ein Mörder ist<br />
unterwegs und ermordet junge<br />
Frauen.<br />
Die Detectives haben keine<br />
Wahl: Sie müssen zusammenarbeiten,<br />
um den Psychopathen<br />
zu stellen, bevor er sein nächstes<br />
Opfer findet. Und niemand<br />
kennt sich mit Psychopathen so<br />
gut aus wie Jude ...<br />
400 Seiten, CHF 14.90<br />
Heyne<br />
978-3-453-43906-1<br />
DONATO CARRISI<br />
Der Nebelmann<br />
In einer Winternacht irrt der römische<br />
Sonderermittler Vogel<br />
mit blutbesudeltem Hemd durch<br />
die nebligen Wälder am Rand eines<br />
Dorfs. Dreissig Jahre zuvor<br />
waren hier mehrere Kinder verschwunden,<br />
und es besteht der<br />
dringende Verdacht, dass der<br />
Mörder von damals – im Dorf<br />
nur «Der Nebelmann» genannt –<br />
wieder aktiv geworden ist. Als<br />
Vogel aufgegriffen wird, gibt er<br />
an, einen Unfall gehabt zu haben.<br />
Doch das Blut auf seinem<br />
Hemd stammt nicht von ihm.<br />
Ein Psychiater wird gerufen, um<br />
ihn zu befragen. Vogel beginnt<br />
zu erzählen – und sein Bericht<br />
ist ungeheuerlich.<br />
Der italienische Autor Donato<br />
Carrisi studierte Jura und spezialisierte<br />
sich auf Kriminologie<br />
und Verhaltensforschung. Sein<br />
Thriller wurde in Italien über<br />
hunderttausend Mal verkauft.<br />
336 Seiten, CHF 28.90<br />
Atrium<br />
978-3-85535-016-2<br />
URS AUGSTBURGER<br />
Helvetia 2.0<br />
Dringt die unverwechselbare<br />
Stimme von Anders Droka zu<br />
nachtschlafender Zeit aus dem<br />
Äther, gehen die Herzen seiner<br />
Hörer auf. Nicht jedoch die der<br />
Berater, die ein grosses Geschäft<br />
aus der Digitalisierung machen<br />
wollen. Nachdem Droka eines<br />
Mords verdächtigt wird und<br />
aus Zürich fliehen muss, kontaktiert<br />
ihn Peter Bender, ein<br />
Jugendfreund. Dieser arbeitet<br />
mittlerweile für einen milliardenschweren<br />
Unternehmer und<br />
sorgt im Hintergrund dafür, dass<br />
ein Schweizer Medienhaus nach<br />
dem anderen in rechtskonservative<br />
Hände fällt. Nun greift<br />
Bender selber nach der Macht.<br />
Steckt er hinter dem Mord?<br />
Ein hochaktueller Schweiz-<br />
Thriller über die mafiösen Verflechtungen<br />
von rechtskonservativer<br />
Politik und digitalen<br />
Medien.<br />
300 Seiten, CHF 28.90<br />
Tropen<br />
978-3-608-50344-9<br />
THOMAS ELBEL<br />
Der Todesmeister<br />
Der Bestsellerautor legt mit<br />
«Der Todesmeister» seinen ersten<br />
Thriller um den Berliner Ermittler<br />
Viktor von Puppe vor.<br />
An der Oberbaumbrücke wird<br />
die Leiche eines jungen Mädchens<br />
angespült. Der Körper<br />
weist grausame Folter- und<br />
Missbrauchsspuren auf. Es<br />
handelt sich um die Nichte des<br />
Berliner Justizsenators, und sie<br />
scheint nicht das einzige Opfer<br />
ihres Peinigers zu sein: Im Internet<br />
tauchen Videos auf, in denen<br />
junge Frauen auf perverse Weise<br />
zu Tode gequält werden. Viktor<br />
von Puppe, frisch aus dem Innenministerium<br />
zum Berliner<br />
LKA gewechselt, steht unter<br />
Druck. Doch in höheren Kreisen<br />
scheint nicht jeder an einer Aufklärung<br />
interessiert zu sein ...<br />
512 Seiten, CHF 14.90<br />
Blanvalet<br />
978-3-7341-0414-5<br />
DAVID LAGERCRANTZ<br />
NACH STIEG LARSSON<br />
SPRECHER: DIETMAR WUNDER<br />
Verfolgung<br />
2013 entschieden der schwedische<br />
Originalverlag und Stieg<br />
Larssons Familie, den Bestsellerautor<br />
David Lagercrantz mit<br />
den Folgeromanen der Millennium-Reihe<br />
zu beauftragen. Nun<br />
heisst es wieder: Lisbeth Salander<br />
und Mikael Blomkvist gegen<br />
den Rest der Welt! Das Hörbuch<br />
wird von Dietmar Wunder gelesen,<br />
der unter anderen Robert<br />
Downey Jr. und Daniel Craig seine<br />
Stimme leiht.<br />
Lisbeth Salander, die eine kurze<br />
Strafe im Frauengefängnis Flodberga<br />
absitzt, gerät ins Visier der<br />
Anführerin der Insassinnen. Indessen<br />
hat ihr langjähriger Mentor<br />
Unterlagen zutage gefördert,<br />
die neues Licht auf ihre Kindheit<br />
und die Behörden werfen. Salander<br />
bittet Mikael Blomkvist,<br />
sie bei der Recherche zu unterstützen.<br />
MP3-CD, 10 Stunden<br />
Laufzeit, CHF 35.90<br />
Random House Audio<br />
9783837138832<br />
STEPHEN KING, OWEN KING<br />
SPRECHER: DAVID NATHAN<br />
Sleeping Beauties<br />
In einer spektakulären Vater-<br />
Sohn-Zusammenarbeit entfesseln<br />
Stephen und Owen King<br />
eine katastrophale Endzeitvision:<br />
Was wäre, wenn die Frauen<br />
einfach aus dieser Welt verschwinden<br />
würden?<br />
In einer Zukunft, die so real und<br />
nah ist, dass sie unsere Gegenwart<br />
sein könnte, passiert etwas,<br />
wenn die Frauen einschlafen:<br />
Sie werden in eine Art Kokon<br />
eingewoben. Weckt man sie<br />
auf oder versucht man, den Kokon<br />
zu entfernen, werden sie<br />
zu brutalen Bestien; und während<br />
sie schlafen, gehen sie an<br />
einen anderen Ort. Eine Frau,<br />
die mysteriöse Evie, ist jedoch<br />
immun gegen die Schlafkrankheit.<br />
Ist Evie eine medizinische<br />
Anomalie, die studiert werden<br />
sollte? Oder ist sie ein Dämon,<br />
der getötet werden muss? Das<br />
Hörbuch wird gelesen von David<br />
Nathan, einem der gefragtesten<br />
Hörbuchsprecher im deutschsprachigen<br />
Raum.<br />
MP3-CD, 15 Stunden<br />
Laufzeit, CHF 36.40<br />
Random House Audio<br />
9783837139822<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH
44<br />
Kinderwelt<br />
© Carlsen © Carlsen<br />
45<br />
Kinderwelt<br />
Das pra e<br />
Leben<br />
Diesmal stellen wir in unserer Kinderbuch-Rubrik drei Bücher vor,<br />
die ausnahmsweise keinen thematischen Zusammenhang haben.<br />
Dennoch verbindet sie etwas: Unsere Kinderbuch-Fachfrau Pia Allenspach<br />
von der Buchhandlung Rösslitor in St. Gallen ist von allen drei<br />
Neuerscheinungen restlos begeistert!<br />
«Die US-amerikanischen Autorin Cynthia Rylant hat<br />
schon über 100 Kinderbücher verfasst und unzählige<br />
Preise eingeheimst. Ihr neuestes Werk heisst<br />
‹Leben› und ist alles andere als ein typisches Kinderbuch.<br />
Es führt die kleinen und grossen Betrachterinnen<br />
und Betrachter anhand des Lebens der Tiere<br />
durch die Höhen und Tiefen der Existenz. Die Illustrationen<br />
von Brendan Wenzel finde ich herrlich plakativ,<br />
stimmungsvoll und lebhaft. Das Buch ist zuweilen<br />
AUFZEICHNUNG: MARIUS LEUTENEGGER<br />
Leben<br />
Cynthia Rylant (Text), Brendan<br />
Wenzel (Illustrationen)<br />
ab 4 Jahren<br />
48 Seiten, CHF 21.90<br />
NordSüd<br />
richtig philosophisch, aber auf eine Weise, die selbst<br />
kleinen Kindern zuzutrauen ist – dadurch bietet es unendlich<br />
viele Impulse für Gespräche mit ihnen. Was<br />
macht einen traurig? Was ist toll am Leben? Gerade in<br />
schwierigen Situationen ist das Buch bestimmt eine<br />
gute Hilfe, um mit den Kindern über ihre Empfindun-<br />
gen zu plaudern. Ich empfehle dieses schöne Werk<br />
aber auch als Geschenk für Erwachsene, denn wir<br />
alle haben ja etwas davon, wenn wir uns Gedanken<br />
zum Leben machen.<br />
In «Pelle und Pinguine» von Henning Callser muss Papa Eisbär nach Süden ziehen,<br />
um für seinen Sohn einen Singvogel zu finden. Kein einfaches Unterfangen!<br />
Mein zweiter Tipp ist ‹Pelle und Pinguine – Kein lem, sagt Papa Eisbär› von Henning Callser. Der kleine<br />
Eisbär Pelle hat zu nichts Lust, er liegt nur in seiner<br />
Höhle und seufzt vor sich hin. Sein Vater ist darüber<br />
ratlos, die Mutter verzweifelt. Sie schickt Papa Eisbär<br />
los, beim weisen Walross einen Ratschlag zu holen.<br />
Dieser lautet: Pelle braucht einen Singvogel, der sein<br />
Herz mit Vogelgezwitscher erfüllt und ihn wieder froh<br />
macht! Sofort reist Papa Eisbär Richtung Süden. Doch<br />
Pelle einen Vogel zu beschaffen, der für ihn singt, er-<br />
Probweist<br />
sich als viel schwieriger als gedacht.<br />
Das Buch ist wunderbar frech und eignet sich ideal<br />
zum Vorlesen – denn dank der vielen Situationskomik<br />
haben auch Erwachsene ihren Spass daran. Mama<br />
Eisbär hat eindeutig die Hosen an, und Papa Eisbär<br />
beweist ausnehmend viel Engagement bei seinen Unternehmungen,<br />
die zunächst fast immer schief gehen!<br />
Pe e und Pinguine –<br />
Kein Problem,<br />
sagt Papa Eisbär<br />
Henning Callser<br />
ab 5 Jahren<br />
120 Seiten, CHF 19.90<br />
Hanser<br />
Pia Allenspach, 40, betreut die<br />
Kinder- und Jugendabteilung in<br />
der Buchhandlung Rösslitor in St.<br />
Gallen. «Als ich mit 15 Jahren die<br />
Lehre zur Buchhändlerin begann,<br />
las ich gern Jugendbücher – und<br />
ich bin diesem Genre bis heute<br />
treu geblieben», sagt die Romanshornerin.<br />
«Der Bereich ist sehr<br />
dankbar, denn viele Kundinnen<br />
und Kunden stehen der riesigen<br />
Menge an Neuerscheinungen<br />
etwas hilflos gegenüber und sind<br />
froh, wenn man sie auf die Rosinen<br />
hinweist!»<br />
Eine grossartige Inspirationsquelle für Gespräche mit Kindern: «Leben» von Cynthia Rylant mit Illustrationen von Brendan Wenzel.<br />
© NordSüd<br />
Der weltbeste Detektiv<br />
Caroline Carlson<br />
ab 10 Jahren<br />
320 Seiten, CHF 21.90<br />
Ueberreuther<br />
Auch noch einen Tipp gefällig für ältere Kinder, die selber lesen? Bitte:<br />
‹Der welt-<br />
beste Detektiv› von Caroline Carlson. Vom etwas unattraktiven Cover sollte man<br />
sich nicht abschrecken lassen, denn die Geschichte ist wirklich toll. Der Waisenbub<br />
Toby lebt bei seinem Onkel Gabriel in der Schnüfflergasse. Wie alle in dieser Gasse<br />
versucht der Onkel als Detektiv sein Geld zu verdienen. Leider aber gibt es einfach<br />
zu viele Detekteien und zu wenig ungeklärte Fälle. Die Geschäfte laufen schlecht,<br />
und Toby hat Angst, sein Zuhause zu verlieren. Darum meldet er sich heimlich bei<br />
einem Wettbewerb um die Nachfolge des legendären Detektivs Hugo Abercrombie<br />
an. Als Preis winken 10’000 Pfund und der Titel ‹weltbester Detektiv›. Gemeinsam<br />
mit Ivy, einer furchtlosen Nachwuchsdetektivin, steigt Toby ins Rennen. Doch dann<br />
geschieht ein echter Mord. Der Tote: Hugo Abercrombie ...<br />
Diese Abenteuergeschichte ist ein einziges Lesevergnügen voller Spannung, witziger<br />
Einfälle und skurriler Figuren. Die Protagonisten nehmen einen sofort für sich<br />
ein. Toby ist eher zurückhaltend, Ivy dafür extrem vorlaut. Die Geschichte spielt zwar<br />
zu Sherlock-Holmes-Zeiten, der Plot ist klassisch mit einem zu lösenden Rätsel, die<br />
Figuren aber sind alles andere als altertümlich – und die Sprache hat auch nichts<br />
Altbackenes. So macht Lesen richtig Spass!»<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
© Ueberreuther<br />
Toby wäre gern der weltbeste Detektiv.<br />
Ob er das Zeug dazu hat, kann er<br />
schon bald beweisen – im Buch von<br />
Caroline Carlson.
46<br />
KOCHEN<br />
47<br />
KOCHEN<br />
Freude vor und nach<br />
dem Kochen<br />
Ein Genre, das mit besonders vielen prächtigen Neuerscheinungen besticht, ist jenes des Kochbuchs.<br />
Viele Kochbücher sind Kulturführer, Sachbuch und Bildbände in einem – und eignen sich rund ums<br />
Jahr auch als hochwertige Geschenke. Wir stellen einige herausragende neue Titel vor.<br />
CHINA – Das Kochbuch<br />
Kei Lum Chan,<br />
Diora Fong Chan<br />
720 Seiten, CHF 51.90<br />
Phaidon<br />
TEXT: LUKAS TOBLER UND MARIUS LEUTENEGGER<br />
Originelles Rezept aus «Honig – Das Kochbuch»: Honig-Schwarzwurzeln mit Salbei-Zitronen-Sauce.<br />
Chinesische Restaurants und Take-Aways findet man<br />
an jeder Ecke. Wer aber meint, dank der überall angebotenen<br />
Sweet-and-Sour-Pfannen und Szechuan-Poulets<br />
die chinesische Küche zu kennen, hat weit gefehlt.<br />
Eindrücklich vor Augen führt uns dies das<br />
schöne 700-seitige Werk «China. Das Kochbuch». Das<br />
chinesische Autorenduo Kei Lum Chan und Diora<br />
Fong Chan hat dafür 650 authentische Rezepten aus<br />
ganz China zusammengetragen. Sie alle sollen sich<br />
dafür eignen, zuhause nachgekocht zu werden. Dieses<br />
Versprechen ist allerdings mit Vorsicht zu geniessen<br />
– die «Weichschildkröte mit Huhn» zum Beispiel<br />
könnte auch für ambitionierte Hobbyköche schwierig<br />
umzusetzen sein. Wer aber Lust hat, seinen Horizont<br />
über die Standards hinaus zu erweitern, wird hier definitiv<br />
fündig – und lernt damit nicht nur die regionale<br />
Kulinarik des Lands, sondern auch einen wichtigen<br />
Teil dessen Kultur kennen.<br />
Ferien zwischen Buchdeckeln<br />
Italien gilt als das Belpease, und für Menschen, die<br />
Kultur, grossartige Landschaften, ein angenehmes<br />
Leben und eine hervorragende Küche mögen, zählt es<br />
wohl zu den Paradiesen auf unserem Globus. Zumal<br />
das Land in Stiefelform auch mit einer enormen Vielfalt<br />
trumpft. Zu den allerschönsten unten den schönen<br />
Gegenden zählt die Amalfiküste. Schon Goethe<br />
schwärmte von diesem «Land, in dem die Zitronen<br />
blühen», und die Begeisterung für den Landstrich<br />
zwischen Neapel und Salerno ist seither ungebrochen.<br />
Weiter ankurbeln dürfte sie das schöne Kochbuch<br />
«Neapel und die Amalfiküste». Autorin Tara Stevens<br />
stellt neben den Klassikern der Gegend, in der<br />
die Pizza erfunden wurde, auch hierzulande eher unbekannte<br />
Gerichte wie etwa das gefüllte Osterbrot<br />
«Tortano del matese» vor. Ergänzt werden die vielen<br />
gut erläuterten Rezepte durch Informationen über<br />
die typischen Zutaten der Region – und durch wunderschöne<br />
Bilder der Gegend.<br />
Endlich! Endlich!<br />
Hat jemand gesagt, was im oberen Abschnitt über Italien<br />
stehe, lasse sich ebenso gut auf Frankreich münzen?<br />
Das bestreitet hier niemand. Die französische<br />
Küche ist aus gutem Grund eine der berühmtesten<br />
der Welt. Dazu trug erstaunlicherweise eine Amerikanerin<br />
bei: Julia Child. Das Leben der passionierten<br />
Köchin wurde vor einigen Jahren gar verfilmt, mit<br />
NEAPEL UND DIE<br />
AMALFIKÜSTE<br />
Tara Stevens<br />
272 Seiten, CHF 42.90<br />
Phaidon<br />
FRANZÖSISCH<br />
KOCHEN<br />
Julia Child<br />
700 Seiten, CHF 61.90<br />
Echtzeit<br />
YUMMY BOOKS!<br />
In 50 Rezepten durch die<br />
Weltliteratur<br />
332 Seiten, CHF 24.90<br />
Suhrkamp<br />
HONIG – Das Kochbuch<br />
Eva Derndorfer,<br />
Elisabeth Fischer<br />
240 Seiten, CHF 49.90<br />
Brandstätter<br />
Meryl Streep in der Hauptrolle. Erstaunlicherweise<br />
war Childs 1961 erstmals erschienenes Standardwerk<br />
«Mastering the Art of French Cooking» auf Deutsch<br />
aber noch nie zu haben. Der Echtzeit-Verlag hat diese<br />
eigenartige Lücke nun endlich geschlossen. Endlich<br />
können also auch wir herausfinden, warum «Mastering<br />
the Art of French Cooking» eines der einflussreichsten<br />
Kochbücher der Geschichte ist: weil Child<br />
darin leicht verständliche Rezepte vereint, die sowohl<br />
authentisch als auch massentauglich sind.<br />
Koch-Kultur mal zwei<br />
Wer gern gute Bücher liest, ist in der Regel auch dem<br />
guten Essen nicht abgeneigt. Literaturinteressierte<br />
dürfte daher ihre helle Freude an «Yummy Books! In<br />
50 Rezepten durch die Weltliteratur» von Cara Nicoletti<br />
haben. Die leseverrückte New Yorkerin hat 50 Rezepte<br />
von Gerichten, die in ihren Lieblingsbüchern<br />
vorkommen, zusammengetragen. Dazu zählen Luxusgerichte<br />
wie «Austern mit Gurken-Mignonette»<br />
aus «Anna Karenina» ebenso wie das kontextbedingte<br />
eher etwas bescheidene «Schwarzbrot mit Roggenmehl»<br />
aus «Les Misérables». Jedes Gericht ergänzt die<br />
Autorin mit einem kurzen persönlicher Text, in dem<br />
sie anekdotisch ihre Erinnerung an die Lektüre teilt<br />
und den Unwissenden erklärt, wo genau das genannte<br />
Gericht vorkommt. Das macht «Yummy Books!» zu einem<br />
wirklich unterhaltsamen Buch und tröstet locker<br />
über den Makel hinweg, dass nur ein Teil der Rezepte<br />
wirklich Lust aufs Kochen macht.<br />
Mehr als Honig-Rezepte<br />
Wer sich weniger für Kultur als für kultivierte Natur<br />
interessiert, greift besser zu «Honig. Das Kochbuch»<br />
von Eva Derndorfer und Elisabeth Fischer. Der Titel<br />
ist Programm: Auf über 200 Seiten dreht sich hier alles<br />
um das Lebenswerk der Bienen. Die präsentierten Rezepte<br />
sind ebenso überraschend wie reizvoll und bieten<br />
Experimentierfreudigen eine ganze Palette an<br />
Inputs, zum Beispiel die «in Honig-Gin gebeizte<br />
Lachsforelle» oder die «Waldhonig-Teriyaki-Sauce».<br />
Die Bezeichnung Kochbuch greift in diesem Fall aber<br />
zu kurz, denn neben den Honig-Rezepten findet man<br />
einen Bienenstock voller Informationen rund um die<br />
Insekten und ihr klebrig-süsses Lebensmittel. «Honig»<br />
lässt neugierigen Köchinnen und Bienen-Interessierten<br />
keine Wünsche offen.<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH
48<br />
BUCHTIPPS<br />
49<br />
GEKAUFT!<br />
Wir fragen Kundinnen und Kunden an der Kasse der Filiale von Orell Füssli<br />
in Brugg: Was haben Sie gerade kauft – und warum?<br />
AUFZEICHNUNG UND FOTOS: ERIK BRÜHLMANN<br />
RUDI BEISER<br />
Baum und Mensch<br />
Heilkraft, Mythen<br />
und Kulturgeschichte<br />
unserer Bäume<br />
Menschen und Bäume – sie stehen<br />
seit Jahrtausenden in einer<br />
besonderen Beziehung. Bäume<br />
waren nicht nur Bau- und Brennholz.<br />
Sie spendeten Medizin,<br />
Nahrung und Schutz und waren<br />
Inspiration für Erleuchtungen<br />
und Wohnsitz der Götter und<br />
Geister. Der Autor Rudi Beiser<br />
beleuchtet 34 unserer wichtigsten<br />
Baumarten und unternimmt<br />
eine spannende Reise durch<br />
Wald- und Kulturgeschichte,<br />
Mythen und Legenden, Brauchtum<br />
und Heilkunde. Zudem<br />
verrät der Autor besondere Rezepte<br />
zu Baum-Heilmitteln und<br />
Baum-Genüssen.<br />
Rudi Beiser beschäftigt sich seit<br />
rund 40 Jahren mit Heilkräutern<br />
und Wildpflanzen. 20 Jahre lang<br />
betrieb der heutige Dozent die La<br />
Luna Kräutermanufaktur, in der<br />
er hochwertige Kräutertees in<br />
Demeter-Qualität produzierte.<br />
256 Seiten, CHF 41.90<br />
Ulmer Eugen<br />
978-3-8186-0072-3<br />
MARIANNE KÜNZLE<br />
Uns Menschen in<br />
den Weg gestreut<br />
Die Spanische Grippe fordert<br />
1919 weltweit Millionen von<br />
Menschenleben, auch in der<br />
Schweiz sterben Tausende. Nur in<br />
der St. Gallischen Pfarrgemeinde<br />
Wangs stirbt niemand – hier trinken<br />
alle eine von Johann Künzle<br />
angefertigte Teemischung. Neben<br />
seiner Tätigkeit als Pfarrer<br />
nutzt Johann Künzle sein immenses<br />
Wissen über Pflanzen,<br />
um Kranke mit Kräuteranwendungen<br />
zu behandeln. Dank ihm<br />
wird das Kräutersammeln in der<br />
armen ländlichen Gemeinde<br />
zum florierenden Geschäft, viele<br />
Dorfbewohner finden ein zusätzliches<br />
Auskommen.<br />
Der sorgfältig recherchierte<br />
biographische Roman «Uns<br />
Menschen in den Weg gestreut»<br />
beleuchtet das Schaffen des<br />
Kräuterpfarrers und zeichnet<br />
zugleich ein vielschichtiges Bild<br />
der politischen Debatte, die der<br />
umtriebige Pfarrer ausgelöst hat.<br />
351 Seiten, CHF 37.90<br />
Zytglogge<br />
978-3-7296-0952-5<br />
HERBERT ADRIAN ORTNER<br />
Die Birke<br />
Dieser umfassende Band über<br />
die Birke vernetzt Disziplinen<br />
wie Botanik, Naturheilkunde<br />
und Forstwissenschaft. Aspekte<br />
aus der Etymologie, Religion<br />
und Geschichte werden ebenso<br />
unterhaltsam erläutert wie die<br />
forstwirtschaftliche Nutzung<br />
und Verwendungsmöglichkeiten<br />
der Birke. Eindrucksvolle<br />
Bilder begleiten die Leserinnen<br />
und Leser auf einen so informativen<br />
wie unterhaltsamen<br />
Streifzug, der manches Geheimnis<br />
lüftet: Warum war der Weihnachtsbaum<br />
ursprünglich eine<br />
Birke? Weshalb reiten Hexen auf<br />
Birkenbesen?<br />
Herbert Adrian Ortner greift auf<br />
überliefertes Fachwissen, aktuelle<br />
wissenschaftliche Studien<br />
und eigene berufliche Erfahrung<br />
zurück. Der Bogen spannt<br />
sich von global verbreiteten<br />
Birkenarten bis hin zur anthroposophischen<br />
und chinesischen<br />
Medizin.<br />
288 Seiten, CHF 38.90<br />
ott<br />
978-3-7225-0147-5<br />
CLAIRE SCULLY, JACOPO PASOTTI<br />
Geliebte Alpen,<br />
gefährdete Alpen –<br />
Ausmalen,<br />
entdecken, schützen<br />
In enger Kooperation mit dem<br />
WWF Schweiz hat die renommierte<br />
Künstlerin Claire Scully<br />
50 der meistgefährdeten Tiere,<br />
Pflanzen und Landschaften der<br />
Alpen zusammengestellt. In diesem<br />
Malbuch werden diese schön<br />
gestalteten Objekte grossformatig<br />
dargestellt – und mit wichtigen<br />
Hintergrundinformationen<br />
versehen.<br />
Der erfahrene Umweltjournalist<br />
Jacopo Pasotti ergänzt die Zeichnungen<br />
mit sorgfältig recherchierten<br />
Texten auf Deutsch,<br />
Englisch, Französisch und Italienisch.<br />
Er hilft den Leserinnen<br />
und Lesern zu verstehen, was die<br />
Motive derart einzigartig macht<br />
und warum sie bedroht sind. Wer<br />
dieses so ansprechende wie spannende<br />
Buch kauft, unterstützt damit<br />
den Einsatz des WWF Schweiz<br />
in den Alpen.<br />
112 Seiten, CHF 27.90<br />
Bergli Books<br />
978-3-03869-028-3<br />
Lea Meier, 43,<br />
Würenlingen<br />
«Die CD ist ein Geschenk<br />
für die Freundin<br />
meiner Tochter.<br />
Diese hat Geburtstag,<br />
und da meine Tochter<br />
die Bücher liest, fand<br />
sie die CD ein ideales<br />
Geschenk.»<br />
Mein Lotta-Leben.<br />
Der Schuh des Känguru<br />
Alice Pantermüller<br />
90 Minuten, CHF 17.90<br />
JUMBO Neue Medien<br />
Andi Stur, 55, Brugg<br />
«Ich lebte in Schottland, meine<br />
Frau stammt aus Schottland – da<br />
fand ich, der Kalender sei ideal<br />
für die Küche.»<br />
Scotland 2018<br />
CHF XX.XX<br />
teNeues<br />
Felix Altorfer, 52,<br />
Freienwil<br />
«Das Buch<br />
ist ein Geschenk zum<br />
85. Geburtstag meiner<br />
Mutter. Sie interessiert<br />
sich für Maria Theresia,<br />
und das Buch ist für<br />
sie vom Umfang her zu<br />
bewältigen.»<br />
Maria Theresia.<br />
Die Macht der Frau<br />
Élisabeth Badinter<br />
304, Seiten, CHF 36.90<br />
Zsolnay<br />
Hanni Schiegg, 68, Hausen AG<br />
«Ich mag solche Sagas!<br />
Ich habe nun die ersten<br />
drei Bände gekauft,<br />
drei weitere warten<br />
noch.»<br />
Spiel der Zeit<br />
Jeffrey Archer<br />
560 Seiten, CHF 14.90<br />
Heyne<br />
Martina Meinecke, 50, Brugg<br />
«Wir reisen in den Herbstferien<br />
mit der ganzen Familie nach<br />
Madrid – das erste Mal!»<br />
MERIAN momente Reiseführer Madrid<br />
Thomas Büser<br />
192 Seiten, CHF 24.90<br />
Travel House Media<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH
50<br />
BUCHTIPPS<br />
51<br />
ILLETRISMUS<br />
Per Kurzgeschichte nach Santa Fe<br />
Zusammen mit dem Zürcher Verlag Nagel & Kimche hat Orell Füssli einen Schreibwettbewerb<br />
ausgerichtet. Hauptpreis: ein Schreibseminar bei der Bestseller-Autorin Milena Moser in den USA.<br />
TEXT: ERIK BRÜHLMANN<br />
PAPST FRANZISKUS<br />
Das Glück in<br />
diesem Leben<br />
Nächstenliebe, Vertrauen, Brüderlichkeit<br />
und Demut: Für Papst<br />
Franziskus führen diese grundlegenden<br />
christlichen Werte zum<br />
eigenen Glück. In der heutigen<br />
Gesellschaft werden sie allerdings<br />
viel zu oft vernachlässigt.<br />
Papst Franziskus zeigt uns am Bespiel<br />
der Lebensgeschichte Jesu<br />
und anderer christlicher Texte,<br />
dass es nicht ums Besitzen geht,<br />
sondern ums Sein. Und nur indem<br />
wir die inneren Werte leben,<br />
können wir das Glück im Leben<br />
finden.<br />
Papst Franziskus wurde 2013 zum<br />
266. Oberhaupt der katholischen<br />
Kirche gewählt. Er ist der erste<br />
Jesuit und der erste Lateinamerikaner<br />
auf dem Stuhl Petri. Zuvor<br />
war er Erzbischof von Buenos<br />
Aires.<br />
288 Seiten, CHF 19.90<br />
Kösel<br />
978-3-466-37217-1<br />
DANIEL PITTET<br />
Pater, ich vergebe<br />
Euch!<br />
Vier Jahre lang wurde Daniel<br />
Pittet vom Kapuziner-Priester<br />
Pater Joël misshandelt, zu pornografischen<br />
Fotos gezwungen<br />
und immer wieder vergewaltigt.<br />
In seinem Buch beschreibt Pittet<br />
sein Martyrium in allen Details.<br />
Der Bericht schockiert und wirft<br />
Fragen auf: Warum hat niemand<br />
geholfen? Wie kann ein Mensch<br />
so etwas tun? Und noch mehr:<br />
Wie kann ein Mensch so etwas<br />
überleben?<br />
Pittets Geschichte ist nicht nur<br />
die Geschichte eines unmenschlichen<br />
Leidens, sondern auch<br />
die einer unglaublichen Stärke.<br />
Denn er hat seinen Glauben<br />
nicht verloren und seinem Peiniger<br />
sogar vergeben. Sein Buch<br />
deckt deshalb nicht nur auf, was<br />
Missbrauch wirklich bedeutet,<br />
sondern erzählt vor allem vom<br />
Überleben und Weiterleben.<br />
240 Seiten, CHF 31.90<br />
Herder<br />
978-3-451-37914-7<br />
NADIA MURAD<br />
Ich bin eure Stimme<br />
Am 3. August 2014 endet das Leben,<br />
wie Nadia Murad es kannte.<br />
Truppen des IS überfallen ihr<br />
Dorf Kocho im Norden Iraks. Sie<br />
töten die Älteren und verschleppen<br />
die Jüngeren. Kleine Jungen<br />
sollen als Soldaten ausgebildet<br />
werden, die Mädchen werden<br />
als Sklavinnen verkauft.<br />
An diesem Tag verliert Nadia<br />
Murad 44 Angehörige. Drei Monate<br />
ist sie in der Gewalt des IS,<br />
sie wird Opfer von Demütigung,<br />
Folter, Vergewaltigung. Nur<br />
mit Glück und unvorstellbarem<br />
Mut gelingt ihr die Flucht. Sie<br />
schafft es in ein Flüchtlingslager<br />
und kommt von dort aus nach<br />
Deutschland. Nadia Murad wurde<br />
2016 für den Friedensnobelpreis<br />
nominiert. Nun erzählt sie<br />
ihre bewegende Geschichte.<br />
304 Seiten, CHF 28.90<br />
Droemer Knaur<br />
978-3-426-21429-9<br />
CARL CAMPEAU<br />
Meine Seele<br />
kriegt ihr nie<br />
Der Jurist und Philosoph Carl<br />
Campeau stammt aus Kanada.<br />
Er ist jahrelang für die UN in den<br />
gefährlichsten Ländern der Welt<br />
im Einsatz. Bis er in Syrien von<br />
Terroristen der Al-Nusra-Front<br />
entführt wird. Carl Campeau<br />
wird gefoltert, zur Konversion<br />
zum Islam gezwungen und immer<br />
wieder scheinexekutiert. Irgendwann<br />
kann er fliehen, doch<br />
in Deutschland kreuzt sich sein<br />
Weg abermals mit einem seiner<br />
Geiselnehmer: Dieser wird als<br />
anerkannter Flüchtling festgenommen.<br />
Es kommt zu einem<br />
aufsehenerregenden Prozess,<br />
der durch die internationalen<br />
Medien geht.<br />
Ein herausragendes Buch, das mit<br />
der Konversion einen anderen<br />
Aspekt in den Fokus setzt als vergleichbare<br />
Bücher. Und das die<br />
Geschichte eines Manns erzählt,<br />
der nicht nur um sein Leben und<br />
seinen Glauben, sondern auch<br />
um Gerechtigkeit kämpft.<br />
176 Seiten, CHF 26.90<br />
Herder<br />
978-3-451-37964-2<br />
Viele Buchfans versuchen sich am Schreiben<br />
– wenn auch meist nur für sich selbst und im<br />
stillen Kämmerlein. Trotzdem ist die Szene<br />
der nicht publizierten Autorinnen und Autoren<br />
gross, aktiv und äusserst kreativ. Gut<br />
möglich, dass da der nächste John Grisham<br />
oder die nächste J.K. Rowling darunter sind.<br />
Schreiben Sie!<br />
Orell Füssli und der Verlag Nagel & Kimche<br />
wollten die Probe aufs Exempel machen. Anfangs<br />
Jahr riefen sie alle Kundinnen und<br />
Kunden mit Premium Card von Orell Füssli<br />
auf, ihre beste Kurzgeschichte einzuschicken.<br />
Das Thema: «Zuhause». Die Preise:<br />
Zehnmal jeweils zwei signierte Bücher der<br />
Schweizer Bestseller-Autorin Milena Moser<br />
– und als Hauptpreis ein einwöchiges<br />
Schreibseminar mit Milena Moser in Santa<br />
Fe, inklusive Flug und Hotel!<br />
Die Gewinnschreiberin<br />
361 Autorinnen und Autoren folgten dem<br />
Aufruf und schickten eine Kurzgeschichte<br />
ein. Vertreter von Nagel & Kimche sowie von<br />
Orell Füssli haben mittlerweile die besten 10<br />
Geschichten herausgefiltert. Der erste Preis<br />
geht in den Kanton Freiburg: an Karin Ledermann<br />
aus Murten. In ihrer Kurzgeschichte<br />
«Es ist Montag – oder?» beschreibt sie Alltags-Szenen<br />
eines Ehepaars, bei dem die Frau<br />
an Demenz erkrankt ist. «Es war mir wichtig,<br />
das alltägliche Leben von beiden Seiten zu<br />
beleuchten», sagt die Autorin, die im administrativen<br />
Bereich im Gesundheitswesen tätig<br />
ist. «Deshalb liess ich beide zu Wort kommen<br />
– den fürsorglichen Ehemann und die<br />
Frau, die im Anfangsstadium der Krankheit<br />
realisiert, dass ihr Gehirn sie zusehends im<br />
Stich lässt.»<br />
Übung macht die Siegerin<br />
Karin Ledermann konnte zuerst nicht fassen,<br />
dass sie gewonnen hat. «Es braucht auch immer<br />
etwas Glück. Die anderen prämierten<br />
Geschichten waren sicher ebenso gut. Entscheidend<br />
ist aber, dass wir für den Wettbewerb<br />
etwas leisten mussten. Wir haben nicht<br />
einfach mit einem Zufallslos in der Tombola<br />
Karin Ledermann freut sich – zusammen mit Christina Müller von Nagel & Kimche (links)<br />
und Roland Baumberger, dem Filialleiter der Buchhandlung Stauffacher in Bern.<br />
gewonnen.» Die Autorin hat dem Glück aber<br />
fleissig unter die Arme gegriffen: Sie schreibt<br />
schon seit ihrer Kindheit. Zudem besucht die<br />
58-Jährige immer wieder Schreibseminare<br />
und -workshops im In- und Ausland. «Ich bin<br />
gespannt, was mich bei Milena Moser erwartet!»,<br />
sagt sie. Sie freue sich sehr auf Santa Fe.<br />
Kein Muss<br />
Eine Vollzeit-Schriftstellerkarriere plant Karin<br />
Ledermann nicht: «Ich schreibe leidenschaftlich<br />
gern, arbeite an meinem zweiten<br />
Buch und wünschte mir, mehr Zeit dafür zu<br />
haben», sagt sie. «Andererseits denke ich,<br />
dass der Druck für jemanden, der vom<br />
Schreiben leben will oder muss, sehr gross<br />
ist.» Sie schätzt es deshalb, dass das Schreiben<br />
immer Freude sein kann – und nie ein<br />
Muss sein muss.<br />
Alle Geschichten online<br />
Die prämierten Geschichten können auf<br />
www.orellfüssli.ch/Schreibwettbewerb gelesen<br />
werden. In der nächsten Ausgabe von<br />
Lesen werden wir über Karin Ledermanns<br />
Schreibseminar mit Milena Moser in Santa<br />
Fe berichten.<br />
Besser<br />
schreiben<br />
dank<br />
Milena<br />
Moser<br />
Zum 50. Geburtstag<br />
schenkte<br />
sich Milena<br />
Moser ein neues Umfeld: Sie wanderte in die<br />
USA aus. Heute lebt sie in Santa Fe in New<br />
Mexico. Ihren Weg dorthin hat sie in zwei<br />
Büchern beschrieben: «Das Glück sieht immer<br />
anders aus» und «Hinter diesen blauen<br />
Bergen». So wenig, wie sie in der neuen Heimat<br />
auf das Schreiben verzichtet, so wenig<br />
hat sie auch eine andere Tätigkeit aufgegeben:<br />
das Durchführen von Schreibkursen. «Wer<br />
schreiben will, der kann!», lautet ihre Devise.<br />
Im einwöchigen Kurs teilt Milena Moser mit<br />
den Teilnehmenden ihre Erfahrungen, Probleme<br />
und Rettungsmanöver. «In meinen Kursen<br />
gibt es keine Regeln, kein Schreiben nach<br />
Zahlen», sagt die Autorin.«In der Kreativität<br />
gibt es keine Sicherheit, dafür jede Freiheit.<br />
Bei mir kann man nichts falsch machen.» Die<br />
meisten ihrer Kurse in traumhaft schönem<br />
Ambiente sind jeweils frühzeitig ausgebucht.<br />
www.milenamoser.com<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH
52<br />
BUCHTIPPS<br />
53<br />
OFT<br />
Das Beste zweier Welten<br />
Die App von Orell Füssli bietet eine Vielfalt an praktischen Funktionen.<br />
Sie verbindet die Qualitäten der Filialen von Orell Füssli mit den Vorteilen von www.orellfuessli.ch.<br />
TEXT: LUKAS TOBLER UND ERIK BRÜHLMANN<br />
JESPER JUUL<br />
Essen kommen<br />
Familientisch –<br />
Familienglück<br />
Gemeinsame Mahlzeiten sind<br />
eine wertvolle Zutat nicht nur<br />
für Nähe und Harmonie in der<br />
Familie, sondern auch für die<br />
Entwicklung von Kindern. Jesper<br />
Juul zeigt, wie es gelingt, dass sich<br />
alle am Tisch wohl fühlen und<br />
warum eine gesunde, entspannte<br />
Ess- und Tischkultur die Lösung<br />
vieler Konflikte sein kann. Was ist<br />
etwa zu tun, wenn das Kleinkind<br />
kein Gemüse und der Teenager<br />
nur Spaghetti essen will?<br />
Der innovative Familientherapeut<br />
macht Lust auf ausgewogenes<br />
Essen zusammen mit der<br />
Familie, nicht zuletzt dank einer<br />
Auswahl praxiserprobter Rezepte<br />
aus seiner skandinavischen<br />
Heimat. Der Bestseller-Autor hat<br />
über 35 Jahre Erfahrung in der<br />
Arbeit mit Familien und ist in<br />
Fachkreisen hoch angesehen.<br />
240 Seiten, CHF 28.90<br />
Beltz<br />
978-3-407-86478-9<br />
MATHIAS MORGENTHALER<br />
Out of the Box<br />
Für seine Kolumne «Beruf und<br />
Berufung» hat Mathias Morgenthaler<br />
über tausend Interviews<br />
mit Menschen geführt, die beruflich<br />
Neues wagen. In «Out of<br />
the Box» erzählen sie nun davon,<br />
wie sie persönlich ihre Berufung<br />
gefunden haben und wie sie ihren<br />
Berufsalltag gestalten.<br />
Mathias Morgenthaler zieht<br />
gleichzeitig Bilanz: Der Grundstein<br />
für eine sogenannte Anpassungskarriere<br />
wird laut dem<br />
Autor früh gelegt, und in unserer<br />
Gesellschaft kommt es vor allem<br />
auf Leistung an. Aber muss<br />
das so sein? Dieses Buch zeigt<br />
anschaulich die grosse Vielfalt<br />
möglicher Arbeitsformen und<br />
erinnert daran, dass Beruf nicht<br />
einfach ein Job ist, sondern die<br />
persönliche Entscheidung für<br />
eine Lebensform.<br />
200 Seiten, CHF 33.90<br />
Zytglogge<br />
978-3-7296-0968-6<br />
EIN AUFSTELLER FÜR<br />
KATZENLIEBHABER<br />
#Katzen<br />
Dieses farbenfrohe und stimmig<br />
kreierte Ringbuch ist für jeden<br />
Katzenfreund und jede Katzenfreundin<br />
eine wahre Freude.<br />
Denn der freche Aufsteller fängt<br />
all die amüsanten, herzerwärmenden<br />
und inspirierenden<br />
Momente ein, die Katzen zu so<br />
faszinierenden und liebenswerten<br />
Tieren machen. Die süssen,<br />
lustigen und eleganten Fotos<br />
werden mit frechen Anmerkungen<br />
in Deutsch und Englisch<br />
kombiniert. So sorgt das Buch<br />
#Katze für viel Abwechslung und<br />
Heiterkeit – und ist gleichzeitig<br />
sehr schön anzusehen.<br />
Das hochwertige Ringbuch lässt<br />
sich als Dekoration auf dem<br />
Schreibtisch oder im Regal aufstellen.<br />
Eine stabile Spiralbindung<br />
ermöglicht ein einfaches<br />
Umblättern.<br />
144 Seiten, CHF 14.90<br />
Groh<br />
978-3-8485-1842-5<br />
EIN AUFSTELLER FÜR<br />
HUNDELIEBHABER<br />
#Hunde<br />
Dieses fröhlich und abwechslungsreich<br />
gestaltete Ringbuch<br />
ist für jeden Hundefreund und<br />
jede Hundefreundin genau das<br />
Richtige. Denn der edle Aufsteller<br />
zeigt all die wunderbaren Eigenschaften<br />
des besten Freunds<br />
des Menschen – vom Hundeblick<br />
zum Dahinschmelzen bis zu lustigen<br />
Chaosmomenten. Die schönen,<br />
inspirierenden und witzigen<br />
Bilder laden immer wieder zum<br />
Schmunzeln ein.<br />
Das hochwertige Ringbuch lässt<br />
sich als Dekoration auf dem<br />
Schreibtisch oder im Regal aufstellen.<br />
Eine stabile Spiralbindung<br />
ermöglicht ein einfaches<br />
Umblättern.<br />
144 Seiten, CHF 14.90<br />
Groh<br />
978-3-8485-1841-8<br />
Die Kompetenz eines erfahrenen Buchhändlers<br />
oder einer leidenschaftlichen Buchhändlerin<br />
kann durch keinen Algorithmus der<br />
Welt ersetzt werden – Lesen ist eine Angelegenheit<br />
von Menschen. Aber auch der Onlineshop<br />
orellfüssli.ch bietet gewichtige Vorteile.<br />
Zum Beispiel eine enorme Auswahl:<br />
Seine 8 Millionen Produkte hätten wohl in<br />
keinem Ladenlokal der Welt Platz. Die App<br />
von Orell Füssli verknüpft nun die Vorzüge<br />
des Webportals mit dem Fachwissen der<br />
Buchhändlerinnen und Buchhändler.<br />
Zunächst sind da die Möglichkeiten der digitalen<br />
Welt. Die App ermöglicht, bequem vom<br />
Sofa, vom Tram oder vom Lieblingscafé aus<br />
durch alle 8 Millionen Produkte des Online-Shops<br />
zu stöbern. «Die App hat den Vorteil,<br />
dass man damit den ganzen Online-Shop<br />
auf dem Handy oder dem Tablet hat – aber<br />
eben nicht mit dem Umweg über einen Browser»,<br />
erklärt Rahel Meier, Produktverantwortliche<br />
für die App. Für Übersichtlichkeit<br />
sorgt die Personalisierung der App: Präferierte<br />
Buchkategorien erscheinen bereits auf<br />
der Startseite.<br />
Ein Rechner mag heutzutage viel können, die<br />
Schönheit eines Buchs erfassen kann er<br />
Inserat FK<br />
nicht. Dafür sind die Buchhändlerinnen und<br />
Buchhändler von Orell Füssli da – auch in der<br />
App. Dort sind all ihre Bewertungen und<br />
Empfehlungen, die sie online hinterlegt haben,<br />
verfügbar. Und wer mit bestimmten Mitarbeitenden<br />
von Orell Füssli besonders gute<br />
Erfahrungen gemacht hat, kann deren Bewertungen<br />
gleich zur Startseite hinzufügen.<br />
«Das Highlight der App ist aber der Buchkompass»,<br />
findet Rahel Meier. Dieser beantwortet<br />
nämlich die oft gestellte Frage: «Welches<br />
Buch ist denn so ähnlich wie jenes, das<br />
ich gerade fertig gelesen habe?» Die Zuordnungen<br />
und Bewertungen beruhen nicht<br />
etwa auf programmierten Algorithmen, sondern<br />
tatsächlich auf den Einschätzungen von<br />
Buchhändlerinnen und Buchhändlern.<br />
Die App für Handys und Tablets ist kostenlos<br />
im App Store und bei Google Play erhältlich.<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH
55<br />
DAS LITERATUR-KREUZWORTRÄTSEL<br />
h<br />
h<br />
Unser Rätsel lösen Sie leichter, wenn Sie die Beiträge in diesem Heft gelesen haben. Unter allen<br />
richtigen Eingaben verlosen wir zehn Gutscheinkarten im Wert von 20 bis 200 Franken.<br />
h<br />
Unsere<br />
Weihnachtsgeschenke<br />
sind da!<br />
Finden Sie das passende Geschenk auf<br />
www.opernhaus.ch/geschenke<br />
✁<br />
Lösungswort:<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21<br />
Bitte geben Sie diese Seite bis zum 3. Januar 2018 bei Orell Füssli, Stauffacher, ZAP oder bei Rösslitor Bücher<br />
ab. Sie können das Lösungswort auch per E-Mail senden an: lesen@orellfuessli.ch.<br />
Pro Person ist nur eine Teilnahme möglich. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Mit der Angabe Ihrer E-Mail-Adresse<br />
akzeptieren Sie die Teilnahmebedingungen. Die Orell Füssli Thalia AG ist berechtigt, angegebene Daten zu speichern und für den Versand des<br />
kostenlosen Newsletters von orellfüssli.ch sowie zu Markt- oder Meinungsforschungszwecken zu nutzen.<br />
Vorname / Name<br />
Adresse / PLZ / Ort<br />
56<br />
VERANSTALTUNGEN<br />
57<br />
VERANSTALTUNGEN<br />
Bild: Luis Morales<br />
DEZEMBER<br />
1. ORELL FÜSSLI BASEL 19 – 22 UHR<br />
Shopping-Abend<br />
VIP-Anlass für alle Kundinnen und Kunden<br />
mit Premium Card<br />
1. ZAP BRIG ABENDS<br />
Shopping-Abend<br />
VIP-Anlass für alle Kundinnen und Kunden<br />
mit Premium Card<br />
2. STAUFFACHER BERN 10–11 UHR<br />
Children’s Hour<br />
with Sybil Gluck or Joe Quinn in the English<br />
Bookshop<br />
2. ORELL FÜSSLI BOOKSHOP 10 – 11 UHR<br />
KRAMHOF ZÜRICH<br />
Christmas Story Hour<br />
Stories, cookies and fun. Join us every fi rst<br />
Saturday of the month for our storytelling<br />
hour; for 3 – 5 year olds<br />
2. ORELL FÜSSLI CHUR 10.30 – 11.30 UHR<br />
Märlistunde<br />
Kinder, kommt vorbei und hört zu! Jeden<br />
ersten Samstag im Monat<br />
2. ORELL FÜSSLI BASEL 14 – 16 UHR<br />
Handanalyse<br />
mit Barbara Vassalli, monatliche Kurzberatungen<br />
5. ZAP ZERMATT ABENDS<br />
Shopping-Abend<br />
VIP-Anlass für alle Kundinnen und Kunden<br />
mit Premium Card<br />
5. ZAP BRIG 19.30 UHR<br />
«Bauernopfer – Eine<br />
mörderische Intrige»<br />
Buchvernissage mit Werner Ryser,<br />
Moderation Rico Erpen<br />
5. ORELL FÜSSLI AM 20.30 – 23 UHR<br />
BELLEVUE ZÜRICH<br />
Shopping-Abend<br />
VIP-Anlass für alle Kundinnen und Kunden<br />
mit Premium Card<br />
6. STAUFFACHER BERN 15 – 16 UHR<br />
Kinderkiste<br />
Erzähl- und Bastelstunde mit Liliana<br />
Trautmann für Kinder von 3 bis 6 Jahren<br />
6. ORELL FÜSSLI KRAMHOF 17 – 19 UHR<br />
ZÜRICH<br />
Sprechstunde Graphologie<br />
mit Iris Meier, dipl. Graphologin, Kurzberatung<br />
6. ORELL FÜSSLI 18.30 – 21 UHR<br />
SCHAFFHAUSEN<br />
Shopping-Abend<br />
VIP-Anlass für alle Kundinnen und Kunden<br />
mit Premium Card<br />
LM Kloster Einsiedeln Anzeige Lesen Orell Füssli 208x90 V.pdf 1 10.08.17 09:49<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
6. STAUFFACHER BERN 20 UHR<br />
«Der schmale Grat der<br />
Hoffnung»<br />
Lesung mit Jean Ziegler<br />
7. ORELL FÜSSLI KRAMHOF 17 – 19 UHR<br />
ZÜRICH<br />
Handanalyse<br />
mit Barbara Vassalli, Kurzberatung<br />
SÄMTLICHE TERMINE<br />
FÜR HANDANALYSE, GRA-<br />
PHOLOGIE, ASTROLOGIE<br />
USW. FINDEN SIE AUF<br />
UNSERER WEBSITE:<br />
www.orellfüssli.ch/veranstaltungen<br />
7. ORELL FÜSSLI WIRZ AARAU 19 – 22 UHR<br />
Shopping-Abend<br />
VIP-Anlass für alle Kundinnen und Kunden<br />
mit Premium Card<br />
9. ORELL FÜSSLI BASEL 14 – 16 UHR<br />
Sprechstunde Astrologie<br />
mit Mona Grigolo, dipl. psych. Astrologin<br />
SFER, Kurzberatungen<br />
12. ZAP VISP 19 – 21.30 UHR<br />
Shopping-Abend<br />
VIP-Anlass für alle Kundinnen und Kunden<br />
mit Premium Card<br />
13. RÖSSLITOR ST. GALLEN 19 – 21.30 UHR<br />
Shopping-Abend<br />
VIP-Anlass für alle Kundinnen und Kunden<br />
mit Premium Card<br />
13. STAUFFACHER BERN 20 UHR<br />
«Schildkrötensalat»<br />
Lesung mit Melinda Nadj Abonji<br />
15. ZAP BRIG 19.30 UHR<br />
«Gommer Winter»<br />
Lesung mit Kaspar Wolfensberger<br />
16. ORELL FÜSSLI CHUR 11 – 16 UHR<br />
Glücksrad<br />
Kinder, versucht euer Glück – und gewinnt<br />
Preise<br />
17. ORELL FÜSSLI BASEL 14 – 16 UHR<br />
Sprechstunde Graphologie<br />
mit Iris Meier, dipl. Graphologin, monatliche<br />
Kurzberatungen<br />
20. STAUFFACHER BERN 15 – 16 UHR<br />
L’heure qui «conte»<br />
Si tu aimes les histoires, viens en découvrir<br />
des nouvelles; pour enfants de 3 à 6 ans<br />
28. STAUFFACHER BERN 17 – 20 UHR<br />
Astrologische Kurzberatungen<br />
mit Irène Krapf von Blücher, jeden letzten<br />
Donnerstag des Monats<br />
JANUAR<br />
6. STAUFFACHER BERN 10 – 11 UHR<br />
Children’s Hour<br />
with Sybil Gluck or Joe Quinn in the English<br />
Bookshop<br />
23. ORELL FÜSSLI BASEL 19.30 UHR<br />
«Verarsch mich nicht –<br />
Gedankenlesen in der<br />
Beziehung»<br />
Vortrag von Gabriel Palacios<br />
FEBRUAR<br />
3. STAUFFACHER BERN 10 – 11 UHR<br />
Children’s Hour<br />
with Sybil Gluck or Joe Quinn in the English<br />
Bookshop<br />
MÄRZ<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH<br />
STAUFFACHER BERN 10 – 11 UHR<br />
Children’s Hour<br />
with Sybil Gluck or Joe Quinn in the English<br />
Bookshop<br />
IMMER INFORMIERT ÜBER<br />
NEUHEITEN UND AKTUELLE<br />
ANGEBOTE?<br />
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Gier, Abzocker,<br />
Wirtschaftskriminelle:<br />
Eliane Rauschs<br />
zweiter Fall<br />
Juristin Eliane Rausch verfolgt hartnäckig<br />
ihren Traum, Richterin zu<br />
werden. Nach vier Jahren Arbeit<br />
am Bezirksgericht wechselt sie als<br />
Gerichtsschreiberin ans Handelsgericht<br />
in Zürich. Ihr zweiter Fall, der<br />
das schamlose Tun der Abzocker<br />
und Heuschrecken in der Geschäftswelt<br />
aufzeigt, droht zu ihrem<br />
persönlichen Desaster zu werden.<br />
Doch da eröffnen sich<br />
unerwartet neue Chancen.<br />
Kurt Früh<br />
Die dunklen Seiten<br />
der Heuschrecken<br />
edition punktuell.<br />
130 x 200 mm, brosch., 296 Seiten,<br />
Fr. 22.–, ISBN 978-3-905724-55-4
58<br />
DER LESEN-FRAGEBOGEN<br />
Unser Fragebogen über Bücher, Lesen und Schreiben geht an Autorinnen und Autoren aus der<br />
Schweiz, die kürzlich ein neues Buch veröffentlicht haben. Diesmal hat ihn Jens Steiner ausgefüllt.<br />
© Anikka Bauer<br />
Jens Steiner kam 1975<br />
in Zürich zur Welt – als<br />
Sohn eines Schweizers und<br />
einer Dänin. Er studierte<br />
Germanistik, Philosophie und<br />
Vergleichende Literaturwissenschaft,<br />
arbeitete als Lehrer<br />
und Lektor und ist heute<br />
hauptberuflicher Schriftsteller.<br />
Sein neuer Roman:<br />
MEIN LEBEN ALS<br />
HOFFNUNGSTRÄGER<br />
Jens Steiner<br />
192 Seiten, CHF 26.90<br />
Arche<br />
Welches ist in Ihrer Erinnerung das erste Buch, das Sie<br />
lasen?<br />
«Varenka» von Bernadette Watts. Eine russische<br />
Geschichte vom Krieg und von der Kraft des Glaubens,<br />
wunderschön illustriert.<br />
Welches Buch haben Sie am häufigsten gelesen?<br />
«Catch 22» von Joseph Heller. Eine amerikanische<br />
Geschichte vom Krieg und von der subversiven<br />
Kraft der Verzweiflung. Erstaunlich, wie furchtlos<br />
Heller die Widerwärtigkeit und die Güte des Menschen<br />
einander gegenüberstellt – und dabei eine<br />
ganz eigene Komik entwickelt.<br />
Welches Buch hätten Sie gern selber geschrieben – und<br />
warum?<br />
«Der Baron auf den Bäumen» von Italo Calvino.<br />
Ein adliger Rebell, der seiner Lebtag nicht von den<br />
Bäumen herunterkommt und dennoch ein grosser<br />
Menschenfreund bleibt – für mich eine Jahrhundertidee.<br />
Mit welchem Autor, welcher Autorin würden Sie gern<br />
einen Abend verbringen?<br />
Frédérique Audoin-Rouzeau alias Fred Vargas.<br />
Diese drei Bücher muss man gelesen haben:<br />
«Die rote Zora und ihre Bande» von Kurt Held<br />
mit zehn. «Der erste Mensch» von Albert Camus<br />
mit zwanzig. «A Sand County Almanach» von Aldo<br />
Leopold mit dreissig.<br />
Welche literarische Figur ist Ihnen besonders<br />
sympathisch?<br />
Doc aus «Cannery Row» von John Steinbeck.<br />
Welche literarische Figur ist Ihnen besonders<br />
unsympathisch?<br />
Moe aus «Calvin & Hobbes» von Bill Watterson.<br />
Wo lesen Sie am liebsten?<br />
Auf einem Klappliegestuhl, der eine uralte<br />
Steppdecke meiner Grossmutter als Überwurf trägt.<br />
Aus der Decke steigen ab und zu hauchfeine Düfte,<br />
die Bilder aus fernen Kindheitstagen evozieren.<br />
Herrlich!<br />
Lesen Sie jedes Buch bis zum Ende – auch ein<br />
schlechtes?<br />
Meine Zeit ist mir für schlechte Bücher zu<br />
schade. Manchmal lese ich auch gute nicht zu Ende –<br />
zumindest vorläufig. Sie sind zu kostbar, um aufs Mal<br />
zu Ende gelesen zu werden!<br />
Sammeln Sie ausgelesene Bücher oder geben Sie diese<br />
weiter?<br />
Beides. Manche Bücher muss man einfach behalten,<br />
selbst wenn man sie nie wieder liest. Und andere<br />
gibt man sehr gern weiter.<br />
Lesen Sie noch Klassiker? Wenn ja: Welche?<br />
Aber sicher. In letzter Zeit Herman Bang, Denis<br />
Diderot und Emily Dickinson.<br />
Wären Sie nicht Schriftsteller geworden, wären Sie<br />
heute ...<br />
... Landstreicher, Nichtsnutz oder Herumtreiber.<br />
Oder gleich alles zusammen.<br />
Was ist schön am Beruf des Schriftstellers?<br />
Dass alle glauben, man sei ein landstreichender,<br />
nichtsnutziger Herumtreiber. Unter diesem ranzigen<br />
Deckmantel lässt sich angenehm fleissig sein.<br />
Wenn Sie schreiben: Können Sie abschalten, oder<br />
verfolgt Sie Ihr Projekt rund um die Uhr?<br />
Rund um die Uhr nicht gerade, aber nah dran.<br />
Ideen trudeln nun mal ein, wann sie wollen. Als ihr<br />
Abnehmer muss ich den Stift jederzeit zur Hand<br />
haben.<br />
Wer liest Ihre Texte zuerst – und warum?<br />
Verrat ich nicht.<br />
Wessen Urteil ist für Sie besonders wichtig?<br />
Verrat ich ebenfalls nicht.<br />
Wie belohnen Sie sich, wenn Sie ein Werk<br />
abgeschlossen haben?<br />
Indem ich gleich mit dem nächsten anfange.<br />
Nichts ist so schön wie die ersten Seiten eines neuen<br />
Buchs zu schreiben.<br />
Schämen Sie sich für einen Ihrer veröffentlichten Texte?<br />
Schämen tue ich mich nicht für sie, aber sie sind<br />
mir alle irgendwann peinlich.<br />
Erleichtert oder erschwert ein geglücktes Werk Ihre<br />
nächste Arbeit?<br />
Ich weiss nicht genau, was «geglückt» heisst.<br />
Positive Rückmeldungen geben mir jedenfalls Mut<br />
fürs nächste Buch. Sie erhöhen allerdings auch die<br />
Chance auf gnadenlose Verrisse zum nächsten Buch,<br />
scheint mir.<br />
LESEN 4/2017 – ORELLFÜSSLI.CH