Glänzendes Comeback - und Handelskammer Nord Westfalen
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58 wirtschaftsspiegel 9 · 2009<br />
Fallbeispiel Insolvenz<br />
Das Team: Eine „mitreißende Motivation“ erlebte Kaufhold bei den Mitarbeitern. Sinnbild der Identifikation<br />
war das Mitarbeiterfest zum Neuanfang: Ein „unvergänglicher“ Gingko-Baum wurde im Firmenpark<br />
gepflanzt. Foto: Niessing<br />
wird.“ Kaufholds bisherige Linie lässt erkennen,<br />
wie wichtig ihm das soziale <strong>und</strong><br />
wirtschaftliche Wohl der Mitarbeiter bei der<br />
Rettung Niessings war. Doch der stärkste<br />
Impuls ergab sich für Kaufhold aus einer<br />
anderen Überlegung: „Die Designlandschaft<br />
Deutschland wäre ohne Niessing ein<br />
bisschen ärmer geworden.“<br />
Um das Gewicht Niessings beurteilen zu<br />
können, hilft es, die Branche zu betrachten.<br />
„Nirgendwo sonst auf dieser Welt“, sagt<br />
Kaufhold, „gibt es eine derart hochentwickelte<br />
Schmuckkultur, ein derart ausgeprägtes<br />
Schmuckdesign wie in Deutschland.“<br />
Design, so führt er aus, bezeichne für<br />
ihn dabei den Mittel zum Zweck, etwas das<br />
der Kunst abgehe. „Richtig gute Schmuckdesigner<br />
gibt es in nahezu jedem Land.<br />
Aber nur hier haben sich so viele <strong>und</strong> so<br />
prägende Häuser herausgebildet <strong>und</strong> etabliert.“<br />
Niessing zähle er dabei unter die<br />
Top 3 in dieser Branche.<br />
Dass diese Design-Impulse nicht aus Paris,<br />
London oder Berlin, sondern aus Vreden<br />
kamen, beweist für Hans-Bernd Felken,<br />
Leiter der IHK-Geschäftsstelle Bocholt, die<br />
Relevanz der Standortfaktoren: „Deutsches<br />
Schmuckdesign – auch das von Weltruf –<br />
sitzt überwiegend ‚auf dem Lande‘, einige<br />
davon in <strong>Westfalen</strong>. Hier sind Unternehmen<br />
wie Niessing in ihrem Umfeld verwurzelt,<br />
hier erfahren sie entsprechende Unter-<br />
stützung <strong>und</strong> haben den Raum zum Atmen,<br />
Nachdenken, Entwickeln.“<br />
Die momentane Krise der Schmuckbranche<br />
ist in erster Linie nicht eine Krise der<br />
Schmuckhersteller <strong>und</strong> ihrer Ideen, sondern<br />
trifft über die allgemein sinkende Kaufkraft<br />
zuerst den Handel <strong>und</strong> wirkt sich von dort<br />
als sinkende Nachfrage auf die Hersteller<br />
aus. „Wir sind indirekt Betroffene“, meint<br />
Kaufhold mit einem bitteren Lächeln, „was<br />
es allerdings nicht leichter macht.“<br />
Sanfte Nachfolge<br />
Spätestens in 2010 wird Niessing – geht es<br />
nach dem Willen der neuen Leitung – wieder<br />
eine tonangebende Kraft im deutschen<br />
Design sein. Auch über seine persönliche<br />
Zukunft hat sich Klaus Kaufhold bereits<br />
Gedanken gemacht: „Natürlich ist das Aufgabe<br />
<strong>und</strong> Spaß in einem. Aber ich werde ja<br />
nicht jünger <strong>und</strong> bin bereits aus dem Ruhestand<br />
zu Niessing gestoßen. Insofern zielen<br />
wir wohl darauf ab, das Unternehmen in<br />
etwa drei Jahren operativ so ausgebaut <strong>und</strong><br />
wirtschaftlich so gefestigt zu haben, dass<br />
wir eine sanfte Nachfolge für mich installieren<br />
können.“ Der Fall Niessing – ein<br />
Musterbeispiel für das, was selbst in diesen<br />
Krisenzeiten wirtschaftlich alles möglich<br />
ist, wenn wirklich alle Beteiligten an einem<br />
Strang ziehen.<br />
Michael Jakoby