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Materialsammlung - Theater Marburg

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Der Münchner Familienpsychologe Hans Dusolt hat im Auftrag der Familiengerichte viele<br />

Gutachten erarbeitet, viele Kinder interviewt. Fast alle, sagt er, würden es vorziehen, wenn Mama<br />

und Papa zusammenblieben. Es muss schon ziemlich schlimm zugegangen sein, wenn Kinder das<br />

nicht mehr wollen.<br />

Und so gibt es in der neuen Patchwork-Gesellschaft Kinder, die aggressiv werden und auffällig in<br />

der Schule, bis die Eltern verzweifelt in die Beratungsstellen kommen. Oder Kinder, die hinausgedrängt<br />

werden und hinausfallen aus der neuen Paarbeziehung. Aber das ist eher selten.<br />

Meist sind es die neuen Partner, die erst einmal lernen müssen. Dass die Kinder immer an erster<br />

Stelle kommen. [...]<br />

Oft sind es nicht die neuen Partner, die eine Patchworkbeziehung wieder verlassen, sondern die, die<br />

die Kinder mitgebracht haben.<br />

Früher, als Patchworkfamilien noch Stieffamilien hießen, gab es diese eine Figur, die besonders<br />

schlecht wegkam: die Stiefmutter. Eigentlich existiert sie gar nicht ohne das Adjektiv »böse«.<br />

Tiefenpsychologisch kann man sie als Ausdruck der dunklen Seite sehen, die jede Mutter in sich<br />

trägt. Und es gab die Frauen, die den Kindern aus der alten Ehe die Zuneigung ihres Mannes<br />

neideten oder die die eigenen Kinder an erster Stelle sehen wollten. Heute gibt es dafür einen neue<br />

Art Stiefmutter-Reflex.<br />

Das Schwierige an Patchworkfamilien ist, dass es keine Vorbilder für sie gibt. Jede ist in ihrer<br />

eigenen ganz besonderen Welt und Konstellation gefangen. Menschen verlieben sich und stolpern<br />

hinein wie Jan und Katrin, die Kinder stolpern mit, und eigentlich weiß keiner genau, wie man mit<br />

dem anderen umgehen muss. Es gibt keine Modelle, keine Konventionen, keine Rollen, an denen<br />

man sich orientieren könnte wie bei der herkömmlichen Kernfamilie. Wenn sie Glück haben, wie Jan<br />

und Katrin, schaffen sie es, mit schlechten und guten Phasen, mit viel Arbeit und Toleranz und<br />

Geduld und, ja, auch mit Liebe.<br />

Denn nur weil Patchwork immer häufiger wird, heißt das nicht automatisch, dass diese Form des<br />

Zusammenlebens deshalb immer besser funktioniert. Zunehmende Häufigkeit bedeutet erst<br />

einmal gar nichts für die Qualität. [...]<br />

In Patchworkfamilien haben nicht alle Eltern alle Kinder gleich lieb, aber das dürfen sie oft nicht<br />

einmal vor sich selber zugeben. Manche, vor allem Frauen, brauchen Jahre, um die Lüge im<br />

eigenen Herzen zu entdecken. Dann müssen sie anfangen zu reden. Die Kinder werden es<br />

verstehen.<br />

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