Materialsammlung - Theater Marburg
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Dann stachen die Argonauten wieder in See, nachdem ihnen Kyzikos Anweisungen über die weitere<br />
Reise gegeben hatte. Etwas später am selben Tag blies sie der Wind zurück. Sie setzten das Schiff<br />
am Strand auf und machten ein Lager; doch mußten sie während der Nacht einen Überfall der<br />
Einheimischen abwehren. Am Morgen entdeckten sie, daß es Dolionen waren, die sie angegriffen<br />
hatten, und daß Kyzikos unter den Gefallenen war! Sein Begräbnis wurde ehrenvoll begangen, doch<br />
seine Frau Kleite erhängte sich aus Gram. Stürme hinderten die >Argo< an der Weiterfahrt, und<br />
Mopsos, der über prophetische Gaben verfügte, sagte, die phrygische Gottheit Kybele, die auf dem<br />
Berg Dindymon wohnte, müsse erst versöhnt werden. Die Argonauten zogen zu ihrem Heiligtum,<br />
das unter freiem Himmel auf dem Berg stand, und umtanzten ihr Bild, wobei sie die Waffen<br />
gegeneinanderschlugen wie die Korybanten, die in Kybeles Gefolge waren.<br />
Als die »Argo« Bithynien erreichte, brach Herakles das Ruder, und die Argonauten landeten. Die<br />
Bevölkerung nahm sie freundlich auf. Während Herakles ein neues Ruder zimmerte, begab sich der<br />
junge Hylas, den er liebte, zum Wasserholen zu einem Brunnen; doch die Nymphen dieses<br />
Brunnens waren von seiner Schönheit so berückt, daß sie ihn ins Wasser zogen. Herakles war über<br />
den Verlust bestürzt und durchstreifte, nach Hylas rufend, die Wälder. Schließlich segelte die<br />
»Argo« ohne die beiden weiter.<br />
Als man feststellte, daß Herakles zurückgeblieben war, entstieg der Meeresgott Glaukos den<br />
Fluten, und verkündete, daß der Held nach Griechenland zurückkehren mußte, um seine Arbeiten<br />
zu vollenden. Auch Polyphemos war zurückgeblieben, weil er Hylas rufen gehört und ihm zu Hilfe<br />
geeilt war. Später gründete er an jener Stelle die Stadt Krios. Bevor Herakles fortging, trug er den<br />
Einheimischen auf, die Suche nach Hylas auch nach seiner Abreise fortzusetzen.<br />
Als nächstes legte die »Argo« bei den Bebrykern an, deren König Amykos alle Fremden zu einem<br />
Faustkampf aufzufordern und dabei zu töten pflegte. Die Argonauten waren über diese Gewohnheit<br />
empört, und der Faustkämpfer Polydeukes zerschmetterte Amykos' Schädel mit einem Schlag<br />
hinter das Ohr. Als die Bebryker ihren toten König erblickten, stürzten sie sich auf die Argonauten,<br />
wurden aber ohne Mühe zurückgeschlagen.<br />
Dann kamen die Argonauten nach Salmydessos, der Hauptstadt Thyniens in Thrakien, wo König<br />
Phineus, der prophetische Gaben besaß, von den Harpyien geplagt wurde, weil er die geheimen<br />
Pläne Zeus' mit dem Menschengeschlecht verraten hatte. Er war geblendet worden, außerdem<br />
stahlen ihm die Harpyien das Essen vom Tisch und beschmutzten ihn mit ihrem Unrat. Er nahm die<br />
Argonauten freundlich auf, weissagte ihnen die weitere Fahrt und flehte sie um Hilfe an; denn er<br />
wußte, daß zwei von ihnen, seine beflügelten Schwäger Kaiais und Zetes, die Harpyien verjagen<br />
konnten. Ein Festmahl wurde vorbereitet, und als die Harpyien kamen, verfolgten Kaiais und Zetes<br />
sie bis nach Akarnanien, wo ihnen Isis eine Botschaft des Zeus überbrachte: die Harpyien seien zu<br />
schonen, denn sie seien seine Diener; aber sie würden Phineus nicht mehr belästigen.<br />
Die Argonauten segelten nun weiter zum Bosporus; sie wußten, daß ihre Fahrt glücklich ausgehen<br />
würde, wenn es ihnen gelänge, durch die Symplegaden zu segeln (wandernde Felseninseln am<br />
Ausgang der Meerenge, die bei starkem Wind oft heftig gegeneinander stießen). Phineus hatte sie<br />
gelehrt, mit dieser Gefahr fertig zu werden: Euphemos, ein Sohn des Poseidon, der auf dem Wasser<br />
gehen konnte, ohne sich die Füße zu benetzen, ließ eine Taube frei, die zwischen den Felsen<br />
hindurchflog. Die Felsen schlugen hinter ihr zusammen, doch wurde nur ihre Schwanzspitze<br />
eingeklemmt. Die Ruderer der »Argo« beeilten sich, die Stelle zu passieren, während sich die Felsen<br />
wieder teilten; doch hielt sie eine mächtige Welle gerade dort fest, wo die Felsen aufeinander<br />
trafen. Athene jedoch verließ nicht das Schiff, das sie erbaut hatte; sie versetzte ihm einen Stoß,<br />
und die Felsen erreichten nur die Spitze des Heckruders. Von dieser Zeit an blieb die Meerenge<br />
offen, und die Schiffer brauchten sich nicht mehr vor den Symplegaden zu fürchten. Ihre<br />
Weiterreise nach Kolchis wurde zu einer ruhigen Fahrt, und die Argonauten opferten dem Apollon<br />
auf einer einsamen Insel vor der Küste Thyniens. König Lykos von den Mariandynen hieß sie<br />
willkommen, doch wurde in seinem Reich der Seher Idmon (wie er es selbst vorhergesehen hatte)<br />
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