Gedenkschrift 2018-Endfassung
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euch zu mir, aller Welt Enden, denn<br />
ich bin Gott und sonst keiner mehr...<br />
Mir sollen sich alle Knie beugen und<br />
alle Zungen schwören und sagen: Im<br />
HERRN habe ich Gerechtigkeit und<br />
Stärke.“ (Jes. 43, 12 u. 45, 22 f). Die<br />
Diaspora Israels wurde - nach der<br />
Zerstörung des 2.Tempels - für die<br />
Heiden zum Segen, weil auf diese<br />
Weise das Evangelium in Kleinasien<br />
und Europa verbreitet wurde! Paulus<br />
war klar, dass das Evangelium<br />
zuerst den Juden gilt und dann den<br />
Heiden (Röm.1,16).<br />
Diese Reihenfolge geriet bald in<br />
Vergessenheit. Eine verhängnisvolle<br />
zweite Irrlehre macht sich breit, die<br />
sog. ERSATZTHEOLOGIE. Sie<br />
hängt eng mit der Deutung der<br />
Zerstörung Jerusalems als Gottes<br />
Strafgericht zusammen. Luther<br />
formuliert diese Irrlehre so: „Nach<br />
dem neuen Bund sind die Juden<br />
nicht mehr Israel. Die Christen sind<br />
die rechten Israeliten und die neuen<br />
Juden“, anders gesagt: Israel ist<br />
keine heilsgeschichtliche Größe<br />
mehr und für die Kirche ohne<br />
Bedeutung (so der ev. Theologe P.<br />
Althaus 1942). Das bedeutet, dass<br />
auch die Verheißungen für Israel auf<br />
die Kirche übergegangen sind.<br />
Die Warnung des Paulus vor dem<br />
Hochmut der Christen verhallt<br />
ungehört: „Rühmst du dich aber<br />
(gegenüber dem ungläubigen Israel),<br />
so sollst wissen: Nicht du trägst die<br />
Wurzel, sondern die Wurzel trägt<br />
dich“ (Röm.11, 18). Wir sind „eingepfropft“<br />
in den Ölbaum Israel<br />
(Röm.11,17). Das können wir nur<br />
immer wieder in Demut bekennen.<br />
Wir haben Anteil an den Verheißungen<br />
Israels und an seinem ewigen<br />
Bund mit Gott.<br />
Aus der Irrlehre der Ersatztheologie<br />
ergibt sich eine dritte „Erbsünde“:<br />
DIE ABWERTUNG DES ALTEN<br />
TESTAMENTES GEGENÜBER<br />
DEM NEUEN – mit der Unterscheidung<br />
von Gesetz und Evangelium.<br />
Luther: “Die Juden sind nun 1500<br />
Jahre außer Jerusalem im Elend,<br />
dass sie weder Tempel, Gottesdienst,<br />
Priestertum noch Fürstentum<br />
haben. Und liegt also ihr Gesetz mit<br />
Jerusalem und allem jüdischen<br />
Reich in der Aschen, so lange her“<br />
(Aus: Sendbrief „Wider die Sabbater“,1538).<br />
Es ist erstaunlich, was<br />
Luther zum „Gesetz des Mose“ zu<br />
sagen hat: „Das Gesetz des Mose<br />
geht die Juden an, es bindet uns<br />
somit von vorneherein nicht mehr.<br />
Denn dieses Gesetz ist allein dem<br />
Volk Israel gegeben. Ich wollte eher<br />
mein Leben lang nicht mehr predigen,<br />
ehe ich Mose wieder einlassen<br />
und Christus aus meinem Herzen<br />
reißen lassen wollte. Dass aber<br />
Mose die Heiden nicht binde, kann<br />
man aus dem Text des 2. Buch Mose<br />
beweisen, wo Gott spricht: “Ich bin<br />
der Herr, dein Gott, der dich aus<br />
Ägyptenland, aus dem Diensthaus,<br />
geführt habe. Aus diesem Text<br />
ersehen wir klar, dass selbst die<br />
zehn Gebote uns nicht angehen,<br />
denn er hat ja nicht uns aus Ägypten<br />
geführt, sondern allein die Juden“<br />
(aus: Eine Unterrichtung, wie sich<br />
die Christen in Mose sollen schicken).<br />
Kein Gedanke daran, dass Jesus in<br />
der Bergpredigt sagt: „Amen, ich<br />
sage euch: bis Himmel und Erde<br />
vergehen, wird weder der kleinste<br />
Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom<br />
Gesetz vergehen, bis es alles<br />
geschieht.“ Kein Wort davon, dass<br />
die Tora eine heilsame Lehre ist für<br />
alle Menschen, wie Paulus betont in<br />
Röm. 2, 26 “Wenn (sogar) der<br />
Unbeschnittene tut, was nach dem<br />
Gesetz recht ist, meinst du nicht,<br />
dass er dann vor Gott als Beschnittener<br />
gilt?“ (vgl. Röm. 2,14-15).<br />
Jakobus spricht von der „Tora der<br />
Freiheit“ für jeden, der nicht nur<br />
Hörer, sondern Täter ist: “der wird<br />
glücklich werden in seinem Tun“<br />
(Jak.1, 25). Hat nicht Jesus beim<br />
letzten Abendmahl an den Auszug<br />
seines Volkes aus Ägypten gedacht,<br />
als er die Segensworte über dem<br />
Brot und über den Kelch sprach und<br />
seine Hingabe in den Tod als<br />
Befreiung aus der Sklaverei der<br />
Sünde und des Todes deutete? Nein,<br />
einen Gegensatz zwischen Evangelium<br />
und Gesetz kennt die Bibel nicht,<br />
vielmehr ist in beiden Testamenten<br />
Gesetz / Tora und Evangelium zu<br />
finden. Und Tora bedeutet nicht<br />
Gesetz im Sinne eines Strafgesetzbuches,<br />
sondern „Weisung“, Wegweisung<br />
zum Leben. Gott erweist seine<br />
Barmherzigkeit „an vielen Tausenden,<br />
die mich lieben und meine Gebote<br />
halten“<br />
(2. Mose 20, 6).<br />
Die Gnade überwiegt das Gericht.<br />
„Das aber heißt: Die Tora kann nicht<br />
dem Evangelium gegenübergestellt<br />
werden, vielmehr: Tora i s t Evangelium,<br />
i s t gute Botschaft“ ( Klaus-<br />
Wengst: „Christsein mit Tora und<br />
Evangelium", S.163)<br />
Umkehr von den Irrwegen christlicher<br />
Lehre aus 2000 Jahren<br />
Aus alledem ergibt sich, dass wir<br />
uns als Christen von diesen<br />
„Erbsünden“ lossagen und<br />
umkehren müssen von den<br />
Irrwegen der Vergangenheit. Das<br />
aber nicht nur um unseretwillen,<br />
sondern auch um Israels willen.<br />
Michael BROWN schreibt in seinem<br />
lesenswerten Buch „Unsere Hände<br />
sind mit Blut befleckt“ folgendes:<br />
„Jesus weint noch immer über<br />
Jerusalem.<br />
Es kann keinen Zweifel geben: er<br />
„litt“ mit seinem Volk... Sollten wir da<br />
nicht auch mit ihm leiden? Wie soll<br />
Israel seinen gekreuzigten König<br />
erkennen, wenn es ihn nicht vorher<br />
in uns erkennt? Zuerst muss die<br />
Kirche Tränen vergießen. Lasst uns<br />
h e u t e trauern und weinen, damit<br />
Israel m o r g e n Buße tun kann.<br />
Dann erst „werden sie mich ansehen,<br />
den sie durchbohrt haben. Und<br />
sie werden um ihn klagen , wie man<br />
klagt um den Erstgeborenen...“<br />
(Sach.12,10). Dann wird unser Herr<br />
Jesus wiederkommen und alles Leid<br />
wird ein Ende haben. Und wenn sich<br />
am Ende das angestaute Weinen vor<br />
Kummer mit dem Weinen vor Freude<br />
vermischt, dann wird der Allmächtige<br />
seine Hand ausstrecken und alle<br />
Tränen abwischen – für immer“<br />
(S.122 und 189 -190).<br />
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