syndicom magazin Nr. 3 - Im Netz gefangen
Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.
Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.
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syndicom
Nr. 3 Jan.–Feb. 2018
magazin
Im Netz
gefangen
Unser Radio und
TV zerschlagen?
No Billag: NEIN!
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Inhalt
4 Teamporträt
5 Kurz und bündig
6 Die andere Seite
7 Gastautor
8 Dossier: Netze
15 No zu No Billag
18 Arbeitswelt
24 Digitalisierung
28 Recht so!
29 1000 Worte
30 Freizeit
32 Bisch im Bild
34 Aus dem Leben von ...
35 Kreuzworträtsel
36 Inter-aktiv
Liebe Leserinnen und Leser
Im England des 19. Jahrhunderts schlossen sich
die Arbeitenden während der (ersten) industriellen
Revolution zusammen und bildeten ein
Solidaritätsnetzwerk. So brachten die Trade
Unions, also die Gewerkschaften, die Menschen
zusammen. Und das lange vor Facebook. Im
Grunde haben wir, die Gewerkschaften, die sozialen
Netzwerke (neu) erfunden.
Menschen haben sich von jeher vernetzt. Die
Zeiten und die technischen Mittel ändern sich,
aber der Zweck bleibt derselbe. Das Internet ist
viel mehr als nur Kommunikation. Es verbindet,
schafft Beziehung. Logisch, will syndicom, die
Gewerkschaft der Vernetzung, auch in der vierten
industriellen Revolution eine gestaltende
Rolle spielen.
syndicom nutzt das Netz mit my.syndicom.
Doch wir wollen auch Werkzeuge zum Nachdenken
schaffen, wie das kritische Dossier in
diesem Heft über Netze.
Der Schriftsteller William Gibson sagte sinngemäss:
Information ist kein kalter Fluss aus
Einsen und Nullen, sondern ein lebendiges
Wesen. Das Netz an sich ist nur ein Kommunikationsmittel.
Was zählt, ist die Information. Das
gilt auch für die Information des öffentlichen
Rundfunks, des lebendigen Wesens, das unsere
Demokratie nährt und durch No Billag vom Tode
bedroht ist. Erinnern wir uns am kommenden
4. März daran.
4
8
23
Giovanni Valerio
4
Teamporträt
PeKo Delémont-Porrentruy PostAuto Jura
Jean-Jacques Roth (59)
PeKo-Präsident. Arbeitete zuerst als
Maurer und Lastwagenfahrer auf dem
Bau. 1994 zu PostAuto. Ab 1996 in der
PeKo. Lange Jahre Vize und zwei Jahre
Präsident der Sektion Jura (gesamter
Jura-Bogen).
Raphaël Marquis (43)
Seit der Lehre bei der Post und
gewerkschaftlich organisiert. Fährt ab
2001 für PostAuto. Eintritt in die PeKo
2007, bis 2011. Seit 2017 erneut in der
PeKo, er amtet als ihr Sekretär.
Nelson Vaz (39)
Fuhr zuerst Car im Familienunternehmen.
Seit 2008 bei PostAuto und in der
PeKo. Regionaldelegierter PeKo Region
West. Mitglied Zentralvorstand
syndicom.
Zudem aktiv in der PeKo:
Yves Thalmard (Vizepräsident) und
Sébastien Jolliat (Kassier)
Text: Sheila Winkler
Bild: Thierry Porchet
Teamgeist und die
kollektive Solidarität
sind der Treibstoff
unseres Engagements.
«Bei unseren Dienstplänen ist es gar
nicht so leicht, die PeKo zu organisieren,
denn wir fahren alle verschiedene
Dienste. Kurze und lange
Dienste. Früh-, mittel-, Spätdienste.
Mit unterschiedlichen Pausen.
Deshalb haben wir uns in einer
WhatsApp-Gruppe organisiert. So ist
jeder immer auf dem Laufenden, da
wir uns nur alle zwei Monate zu einer
Sitzung treffen können.
Dass dieser permanente Austausch
tatsächlich klappt, liegt an
der Transparenz, die wir pflegen. Wir
vertrauen uns. Wir legen Wert auf
echte Demokratie. Jeder Entscheid
wird gemeinsam getroffen.
Mindestens einmal pro Jahr
informieren wir, zusammen mit der
Gewerkschaft, das Personal über
unsere Fortschritte in den Verhandlungen
mit der Direktion und
nehmen die Vorschläge der Kolleginnen
und Kollegen auf. Bei PostAuto
hat eine PeKo besondere Aufgaben
und eine hohe Verantwortung. Wir
reden aktiv bei der Gestaltung der
Dienstpläne mit. Denn von den
Dienstplänen hängen unsere
Gesundheit und die Sicherheit der
Passagiere ab. Fast immer geht es
dabei um Minuten. Etwa darum, wie
viele Minuten wir für den Sicherheitscheck
des Fahrzeugs haben. Oder
für das Hochfahren des Bordsystems.
Oder ob die Pausen garantiert sind.
Das Gesetz verpflichtet den
Arbeitgeber, das Personal anzuhören,
bevor die Dienstpläne definitiv
festgelegt werden. Die Ausweitung
der gesetzlichen Bestimmungen soll
in einer Vereinbarung festgehalten
werden. Wir nehmen es sehr genau
damit. Unsere PeKo besteht darauf,
diese Dinge zu verhandeln. So haben
wir der Direktion gerade wieder
Zeitzuschläge und eine bessere
Pausenregelung abgerungen.
Möglich machen dies die enge
Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft
und unser Teamgeist. Die
kollektive Solidarität ist der Treibstoff
unseres Engagements.
Wir erwarten von der Direktion,
dass sie unseren Einsatz für PostAuto
besser anerkennt. Grundvoraussetzung
für Effizienz, Sicherheit und
Qualität dieses öffentlichen Dienstes
ist am Ende die Zufriedenheit des
Fahrpersonals.»
Kurz und
bündig
Ringier schliesst Druckerei in Adligenswil \ Poststellenkampagne
zeigt Wirkung \ Arbeitsrecht digital \ Kurse PeKos PostAuto \
GAV-Jahr 2018 \ Mitgliederbeiträge von Steuern abziehen
5
Ringier vernichtet 172
Arbeitsplätze in Druckerei
Arbeitsrecht ist fit für
Digitalisierung
Agenda
Der Kahlschlag in der Druckbranche geht
weiter: Ringier schliesst die Zeitungsdruckerei
in Adligenswil auf Ende Jahr.
Der Konzern ignoriert dabei eine ganze
Reihe von Vorschlägen, welche die
Personalkommission und die Gewerkschaften
syndicom und syna während
der Konsultationsfrist erarbeitet hatten,
um Arbeitsplätze in der traditionsreichen
Druckerei zu retten. An mehreren
Personalversammlungen wurden die
Massnahmen diskutiert und am 15. Dezember
schliesslich der Geschäftsleitung
übergeben. Doch Ringier zeigte
keinerlei Interesse. Offensichtlich war
auch dieses Konsultationsverfahren nur
eine triste Farce. Rentabilität geht
wieder einmal über alles. Jetzt kämpfen
Gewerkschaften und Belegschaft weiter:
Ringier muss nun ein weitreichender
Sozialplan abgerungen werden.
Die Poststellenkampagne
zeigt Wirkung
Der Bundesrat muss über die Bücher
und seine Kriterien zu den Poststellen -
schliessungen überdenken. Das haben
ihm die National- und Ständeräte in der
Wintersession auferlegt. Der Rückzug
der Post aus der Fläche ist erst einmal
gebremst, die Poststellenkampagne der
syndicom zeigt erste Wirkung. Die
Haltung des Ständerates: Randregionen
sollen nicht für ein bisschen mehr
Gewinn bei der Post geopfert werden.
Mit teilweise giftigen Kommentaren
versuchten Leute wie Ruedi Noser, FDP,
die Sache noch gegen den Service
public zu wenden. Vergebens. Über den
Service public richtet nicht der Markt
und nicht die Technik, sondern der
poli tische Wille. syndicom.ch/themen/
kampagnen/poststellenkahlschlag/
Bürgerliche möchten das Arbeitsrecht
lockern unter dem Vorwand, die
Digitalisierung mache das nötig. Jetzt
zeigte eine juristische Spitzentagung
des SGB: Unsinn. Das Arbeitsrecht ist
im Prinzip fit für die Digitalisierung. Es
braucht aber einige wichtige Verbesserungen,
also das Gegenteil einer
Lockerung: für die Bekämpfung von
digitaler Schwarzarbeit, für den
Gesundheitsschutz und die Regulierung
des Home-Office.
Schulung PeKos PostAuto
Damit PeKos ihre Rechte besser
wahrnehmen können, bietet die
syndicom Kurse zum Arbeitszeitgesetz
an. In Neuchâtel am 12. April, in Bern
am 19. April, in Olten am 23. August und
in Zürich am 30. August. Zudem
beginnt die Schulung zu Rechten und
Pflichten der PeKo-Mitglieder. Mehr
Infos bei: sheila.winkler@syndicom.ch
2018, Jahr wichtiger GAV
Der neue Swisscom-GAV ist gerade
unter Dach und Fach, die Verhandlungen
für den Presse-GAV haben endlich
begonnen und bald rüsten wir uns für
den GAV Druck. Um mehr über alle
Gesamtarbeitsverträge zu wissen, das
wichtigste Tool: GAV-Service.
syndicom.ch/recht/gavtool/
Mitgliederbeitrag von den
Steuern absetzen
Mitglieder in den Kantonen Genf, Jura,
Aargau, Zürich, Baselland und Baselstadt
sowie GrenzgängerInnen mit
Wohnsitz in Frankreich können ihren
Mitgliederbeitrag unter Umständen von
den Steuern abziehen. Dazu braucht es
eine Steuerbescheinigung. Wer bei my.
syndicom.ch angemeldet ist, druckt
sich die Steuerbescheinigung bequem
zu Hause aus. Wer sich auf
my.syndicom noch nicht registriert
hat, kann die Steuerbescheinigung
unter info@syndicom.ch oder telefonisch
unter 058 817 18 18 bestellen
(Donnerstags jetzt auch bis 18 Uhr 30).
Februar
1.
Podium Steueroase Schweiz
Hochkarätig besetztes Streitgespräch,
organisiert vom Arbeiterhilfswerk
(solidar) im Volkshaus Zürich, 19 Uhr
Anmeldung: goo.gl/CRqR4X
6./8./13.
Buchtreffs
Am 6. in Bern, am 8. in Zürich und am
13. in Basel beginnen die regelmässigen
Treffen der Buchhändlerinnen und
Buchhändler. Jeweils ab 19 Uhr. Bern,
Restaurant National. Zürich, Restaurant
Cooperativo. Basel Restaurant
Pinar.
28.
70. Jahresversammlung der
Pensionierten
Anmeldefrist: 12.2.2018
Basel, Restaurant L'Esprit (bei
Heiliggeistkirche). 12 Uhr bis ca. 17 Uhr
März
4.
Abstimmung No Billag
Damit wir uns nicht nachträglich
ärgern müssen.
10.
Tag der Freien 2018
Hat Journalismus eine freie Zukunft?
Müssen Fotografen und Journalisten
ihre Arbeit künftig über Crowdfunding
oder eigene Online-Abonnenten
finanzieren? Und wie steht es um die
neuen Medienprojekte?
Kulturhaus Helferei, Zürich 13:15-17:15
Für syndicom-Mitglieder 50 Franken,
für alle anderen 100 Franken.
Mehr und Anmeldung: goo.gl/aesuL3
Vorschau
9. Juni
A.o. Kongress syndicom
In Bern.
syndicom.ch/agenda
6 Die andere
Hans C. Werner
Seite
ist seit 2011 Leiter der Human Resources bei Swisscom
und Mitglied der Konzernleitung. Er hat in Betriebswirtschaft
doktoriert und arbeitete früher als Rektor einer
Kantonsschule, danach bei Swiss Re und bei Schindler.
1
Worin sehen Sie die Vorteile eines
Gesamtarbeitsvertrags?
Rund 13 000 Swisscom-Mitarbeitende
sind dem GAV unterstellt. Er ist seit
2000 stetig weiterentwickelt worden –
im Dialog mit den Sozialpartnern.
Bei gewissen Themen hat Swisscom
eine Vorreiterrolle wahrgenommen.
Ein GAV stellt eine gegenseitige
Verpflichtung dar, die über die
gesetzlichen Regelungen hinausgeht.
Er trägt den Besonderheiten des
Unternehmens und der Branche
Rechnung, drückt Verbindlichkeit
aus und schützt die Mitarbeitenden.
2
Und wo liegen die Nachteile solcher
Kollektivvereinbarungen?
Wenn ein Unternehmen aufgrund der
Entwicklungen auf dem Markt rasch
reagieren muss, aber aufgrund des
GAV nicht die nötige Flexibilität hat.
Oder, wenn sich Konzerngesellschaften
in unterschiedlichen Märkten
bewegen, aber für alle der gleiche
GAV gilt. Ich schätze unsere Sozialpartnerschaft
sehr, sie ist pragmatisch
und lösungsorientiert. Nur so
können wir in unserer schnelllebigen
Branche gemeinsam die Zukunft
gestalten.
3
Wie einigen Sie sich im Konfliktfall
mit ihren Mitarbeitenden?
Swisscom hat eine offene Feedbackkultur,
da bleiben Konflikte nicht
aus. Grundsätzlich suchen wir im
Gespräch nach einer einvernehmlichen
Lösung. Wir sind überzeugt,
dass regelmässige Rückmeldung
Konflikten vorbeugen kann. Das
fördern wir mit unseren Beitrags- und
Zielerreichungsgesprächen, dem
360°-Feedback und unserer Mitarbeiterumfrage,
bei der die Antworten der
Mitarbeitenden in Echtzeit für alle
sichtbar sind.
4
Was sind die Aufgaben der Personalvertretung
in Ihrem Konzern?
Die Personalvertretungen sind
Gesprächspartner für wichtige
operative Themen, die Auswirkungen
auf die Mitarbeitenden haben. Bei
Entscheiden dazu wirken sie mit. Die
Mitwirkung reicht von einem Anspruch
auf frühzeitige und umfassende
Orientierung über Anhörung und
Einbringen von Vorschlägen und
Stellungnahmen und paritätischen
Entscheiden bis hin zur eigenverantwortlichen
Selbstverwaltung. Sie ist
ein wichtiger Brückenbauer in
unserer Organisation.
5
Wie bewerten Sie das Lohnniveau in
Ihrer Branche? Liegt Ihre Firma eher
höher oder eher tiefer?
Grundsätzlich zahlt Swisscom faire
und marktgerechte Löhne, die im
Durchschnitt liegen sollten. Andernfalls
würden wir etwas falsch
machen: Zahlen wir überdurchschnittlich,
schränken wir die
Arbeitsmarktfähigkeit unserer
Mitarbeitenden ein – wir würden
ihnen gewissermassen «goldene
Fesseln» anlegen. Zahlen wir zu
niedrige Löhne, können wir nicht
die Fachkräfte einstellen, die wir
gewinnen müssen.
6
Wie hoch ist der Frauenanteil in Ihrer
Firma?
Der Anteil Frauen bei Swisscom in
der Schweiz liegt per Ende 2016 bei
26,8 Prozent. Dies ist ein Durchschnittswert.
Wir haben sehr technisch
orientierte Bereiche, bei denen
wir trotz verschiedener Anstrengungen
leider nach wie vor einen tiefen
Frauenanteil haben. Auf der anderen
Seite haben wir auch Einheiten wie
etwa die Kommunikation, in denen
der Frauenanteil auf marktüblich
höherem Niveau liegt.
Text: Sina Bühler
Bild: Swisscom
Gastautor
Hätte mich vor dreissig Jahren
jemand gefragt, was ich mit dem Wort «Netz»
verbinde, hätte ich wohl von Fischernetzen oder
Spinnennetzen geredet. Dass ein Begriff wie
Networking irgendwann zum selbstverständlichen
deutschen Sprachschatz gehört, ahnte ich
nicht. Inzwischen ist der Begriff «Netz» oder
«Net» übernutzt. Alles scheint ein Netz oder Teil
eines Netzes zu sein. Jeder, der mehr als einen
Freund oder eine Freundin kennt, sieht sich als
Zentrum eines Netzwerks. Frage ich meine
Bekannten, was sie gerade tun, antworten sie,
sie seien am networken. Wer nicht von morgens
bis abends Networking betreibt, verpasst den
Tag. Das Austauschen von Visitenkarten wird zur
Hauptaufgabe jeder Stehparty. Und weil jedes
Netz wiederum mit anderen Netzen verknüpft
wird, ist bald die ganze Menschheit vernetzt,
was freilich die Bedeutung der Vernetzung wieder
relativiert. Da ich als freier Autor nichts
Konkretes zu verkaufen habe, besitze ich keine
Visitenkarten. Stehe ich dann an einer Buchmesse
oder sonst einem Grossanlass in einer
Menge herum, in der alle Anwesenden untereinander
Visitenkarten austauschen, gebe ich
jeweils die Karten weiter, die ich zuvor erhalten
habe, so dass kartenmässig alles im Flow bleibt.
Das ist eine empfehlenswerte Partybeschäftigung,
weil einem die Menschen dann zum
Abschied alle möglichen Namen geben. Ausserdem
hat man am andern Morgen nicht alle
Taschen voller Visitenkarten, von denen man
nicht mehr weiss, wer sie einem zugesteckt hat.
Netze und Netzwerke sind allgegenwärtig.
Trotzdem sollten wir ihre Bedeutung nicht überschätzen.
Das Wort Netz suggeriert, alle Knoten
eines Netzes seien gleich wichtig. Doch alle
Vernetzung und alles Networking ändert nichts
daran, dass es letztlich die Hierarchien sind, die
darüber entscheiden, wer das Wort führt. Networken
mag wichtig sein. Noch wichtiger ist es,
von Fall zu Fall zu unterscheiden zwischen tragenden
Netzen und Netzen, die uns einfangen.
Damit alles
im Flow bleibt
Pedro Lenz lebt als freier Autor und
Geschichtenerzähler in Olten. Er
schreibt und performt meistens in
Mundart. Gelernter Maurer, später
Matur. Zahlreiche Buch- und CD-Veröffentlichungen,
etliche Preise. Sein
Bestsellerroman «Der Goalie bin ig»
wurde bisher in neun Sprachen übersetzt
und diente als Filmvorlage.
Präsident des Komitees Nein zum
Sendeschluss (gegen No Billag). Derzeit
in Babypause. Mehr auf pedrolenz.ch
7
Menschen machen Netze. Was machen die Netze mit uns?
Wer das Kabel hat, steuert die Welt. Der Kampf um die Kontrolle
Das Web ist tot. Was kommt nun?
Demokratie braucht unabhängige Medien. Nein zu No Billag
Dossier 9
Gefangen
im
Netz
10 Dossier
Von Menschen und Netzen.
Wer die Kabel hat, steuert die Welt
Wir sind im Netz. In vielen Netzen. Drei
Milliarden Menschen zappeln schon in den
Fängen von Facebook. Wir machen die Netze.
Doch was machen die Netze mit uns?
Text: Oliver Fahrni
Bilder: Peter Mosimann
Tatoos stechen und Drogen organisieren sind gesuchte
Kompetenzen im Gefängnisleben. Neuerdings stehen
dort aber andere Fachleute hoch im Kurs: IT-Freaks.
Klammheimlich haben Häftlinge in der amerikanischen
Kleinstadt Marion (Ohio) zwei Computer gebaut.
Darüber verbanden sie sich mit dem Netz der Strafanstalt,
hackten sich in die Gefängnisdatenbank und ins Internet,
schauten Pornos, verschickten Mails und bauten
einen regen Handel mit der Welt da draussen auf.
Die Sache wurde über die automatisierte Mail einer
Sicherheitssoftware ruchbar: Die Knastis hatten das
erlaubte Internetvolumen des Gefängnissystems überschritten.
Schliesslich fanden Wärter die Computer, die
auf Sperrholzplatten montiert waren, unter der Decke
eines Büros.
Was der Untersuchungsbericht der Behörden im April
2017 enthüllte, ist eine hübsche Parabel auf unsere Zeit.
Sie erzählt von Menschen und Netzen, von Einschliessung
und unbegrenztem Internet, aber auch von elektronischer
Kontrolle, Datenspur und inneren Grenzen: Die
Computer und das Internet wurden nicht für die Organisation
eines Ausbruchs genutzt.
3 Milliarden Facebook-Nutzer
Menschen haben sich schon immer vernetzt, in
Gemeinschaften, Bruderschaften und Organisationen
aller Art, aber auch in weltumspannenden komplexen
Handelsnetzen, Jahrtausende bevor 1958 das erste Modem
in Betrieb ging. Lange vor Blogger (1999), MySpace
und LinkedIn (2003), Facebook (2004), Youtube (2005),
Twitter (2006), Whatsapp (2009), Instagram (2010) etc.
Doch die Erfindung des Internets, das aus dem Arpanet
des Pentagons hervorging, und seine Popularisierung
durch das World Wide Web www (von Tim Berners-Lee um
das Jahr 1989 am CERN in Genf entworfen) haben einen
Prozess in Gang gesetzt, der die Grundlagen unserer Zivilisation
erschüttert. Wohin uns die Wucht dieses Prozesses
führt, wird man erst in einigen Jahrzehnten vermessen
können.
Was wir wissen: Die Welt zwitschert und summt. 2017
nutzten monatlich 3 Milliarden Menschen Facebook.
Täglich werden 269 Milliarden E-Mails abgeschossen.
Über Whatsapp (2014 von Facebook gekauft) kommunizieren
1,2 Milliarden Menschen. In Spitzenzeiten werden
15 ooo Tweets pro Sekunde verschickt, und die Rockröhre
Katy Perry hat 83 Millionen Twitter-Follower. Interessant,
wenn man bedenkt, dass das menschliche Gehirn auf
maximal 150 Kontakte ausgelegt ist, wie der britische
Psychologe Robert Dunbar herausgefunden hat.
Vor ein paar Jahren überschrieb der TV-Sender Arte
eine Dokumentation über die digital natives, die Generation,
die in den Social Media gross geworden ist, mit dem
Titel: «Google zeigt mich, also bin ich.» Stimmt das? Sind
wir 2018 erst wer, wenn wir im Netz sichtbar sind? Beim
französischen Philosophen René Descartes hiess der Satz
noch: Ich denke, also bin ich. Heute aber, so scheint es,
wird man erst zur ganzen Person, zum vollen Subjekt,
wenn man auf Facebook immer wieder die Standardfrage
beantwortet: «Was machst Du gerade?» Und für seine Antworten
wie «Vor der ersten Zigarette ein grosses Glas
Orangensaft geschlürft» (samt Handy-Foto vom Frühstückstisch)
gelikt wird. Je mehr man von sich preisgibt,
und sei es noch so banal, desto mehr Likes bekommt man,
desto sichtbarer ist man, desto stärker vernetzt ist man.
Vernetzt? Wir ahnen: Das kann noch nicht alles
gewesen sein. Höchste Zeit, dass wir uns als Mitglieder
der Netzwerk-Gewerkschaft syndicom etwas intensiver
mit dem Thema Netze beschäftigen.
Netzwerkgewerkschaft sind wir gleich doppelt. Wir
arbeiten in Berufen, die Netzwerke aller Art, vom Poststellennetz
und anderen Logistiknetzen über Medien bis zu
ICT-Netzen, bauen, betreiben, unterhalten. Und wir selbst
haben uns in einer Gewerkschaft vernetzt.
Netze sind materiell – Verbindung zwischen Dingen
Dies allein macht schon deutlich, wie sehr der Mensch
Netze braucht. Netze fangen, verbinden, halten. Sie sind
Werkzeug (Sieb, Fischernetz), vor allem aber die notwendige
Organisationsform der Gesellschaft. Austausch und
Handel brauchen Netze. Ohne Netze existiert keine
Grundversorgung mit Strom, Wasser, Gas, Öl, Fernwärme
etc. Netze sorgen für Gesundheit, etwa durch die Abwasserkanalisation.
Strassen- und Bahnnetze erhöhen die
Reichweite, lassen uns in weiten Räumen schnell herumkommen.
Netze schaffen Sicherheit. Bei Blackouts wie
1977 in New York bricht die öffentliche Ordnung rasch
weg. Damals wurden 1600 Geschäfte geplündert und 1000
Brände gelegt.
Die materielle Seite der Netze, mit der wir diese
Titelgeschichte bebildern, wird oft unterschätzt. Hunderte
Millionen Kilometer Leitungen, Schienen, Strassen,
Google zeigt
mich. Also bin
ich. Das kann
wohl noch
nicht alles
gewesen sein.
Rohre, Kanäle überziehen den Planeten, Myriaden von
Leit-, Stell-, Kontroll-, Schleus- und Verstärkerwerken
garantieren den Fluss der Dinge. Wer zur See fährt, kennt
die beeindruckenden Karten mit den dicken Strängen von
Seekabeln. Google liess gerade mehr als 9000 Kilometer
Glasfaser zwischen den USA und Japan auf dem Seegrund
verlegen, mit einer Kapazität von 60 Billionen Bytes pro
Sekunde.
Dass die Welt brummt, das baut auf dieses gigantische
technische Werk, die lokalen, regionalen und globalen
Netzwerke.
Doch Netze tun weit mehr für uns – und sie stellen
einiges mit uns an. Das ist ihre immaterielle Seite.
Über Knoten, Maschen und die Löcher dazwischen
Wenn wir Dinge verknüpfen, ordnen wir sie. In diesen
Netzen, sogar im banalsten Stromnetz, fliessen Informationen.
So wie wir die Netze anlegen, ordnen wir Wissen,
Zeichen und die Vorstellung von der Welt.
Historiker und Sozialwissenschaftler erkennen in
Netzen «Kulturtechniken». Denn die Netze wirken auf den
Menschen zurück, nicht erst mit dem Zwang, sich auf
Facebook durch regelmässige Entblössung sichtbar zu
machen. Der Plan des Metronetzes von Paris zum Beispiel
bestimmt meine Vorstellung von einem städtischen
Raum. Selbst Städte ohne U-Bahn wie Zürich oder Genf
organisiere ich vor meinem inneren Auge nicht über
Strassen, sondern über virtuelle Metrostationen. HB–
Volkshaus–Escher Wyss. Darin eingefangen: Die Kreise 4
und 5, wo das Leben tobt. In Genf: Grottes–Place de Neuve,
links die Uni–Plainpalais.
Das sind die Knoten, die mit anderen Knoten eine
Masche bilden, in der ein Raum umschlossen wird (die
Löcher dazwischen). Eine Masche, die wiederum mit
anderen Maschen zu einem Netz verknüpft ist. Wie in
einem Fischernetz.
Versuchen Stadtpolitiker, brennende Vorstädte zu
befrieden, bauen sie zuerst nicht bessere Schulen sondern
eine U-Bahn- oder Tramlinie dahin. Sie fangen den
Raum ein.
Netze strukturieren unser Weltbild, auch komplexere
Zusammenhänge als unsere simple Vorstellung von einer
Stadt. Der 2016 verstorbene italienische Wissenschafter
und Autor Umberto Eco («Der Name der Rose»), 40 Ehrendoktortitel,
hat Netze so definiert: «Das charakteristische
Merkmal eines Netzes ist, dass jeder Punkt mit jedem
anderen Punkt verbunden werden kann, und wo die
Verbindungen noch nicht entworfen sind, können sie
trotzdem vorgestellt werden. Ein Netz ist ein unbegrenztes
Territorium.»
Die Vernetzung als Befreiung
Eco sagte das 1989. Damals betrieben Menschen erst klassische
soziale Netzwerke, die per Telefon, Brief, Fax und
vor allem über Begegnung funktionierten. Es brauchte
einige Anstrengung, die Punkte miteinander zu verknüpfen
und in der Regel setzten diese Netzwerke die
Bekanntschaft mit den anderen Punkten voraus. Die
Vorstellung von einer Infrastruktur oder einer Kommunikationsstruktur
wurden noch weniger mit einem Netz als
mit dem Bild eines Baumes und dessen Verästelungen
verbunden. Netze aber sind nicht linear.
12
Dossier
Eco knüpfte mit seiner neuen Vision von einem
grenzenlosen Territorium an Konzepte an, die schon seit
zwei Jahrhunderten schwelten und immer mächtiger wurden.
Im revolutionären Frankreich des 18. Jahrhunderts
begannen Denker, getrieben von neuen Erkenntnissen
über die Natur, die Welt als Netz zu verstehen. Das prägte
die Bauweise von Kanalisation, Telegrafen und Eisenbahn.
Der Frühsozialist Saint-Simon ging noch einen
Schritt weiter: Er entwarf das erste Programm zur
globalen Vernetzung. Sie sollte eine gerechtere Welt
hervorbringen.
Anders als bei den alten Ägyptern, wo das Netz den
Göttern dazu diente, Feinde einzufangen, steht das Netz
in der Neuzeit für die Schaffung von Verbindungen. Also
für Entgrenzung, freien Austausch, Grenzenlosigkeit.
Und doch sind wir im Netz gefangen
25 Jahre nachdem er das Netz als grenzenlos beschrieben
hatte, wollte Eco das Internet «von Schwachsinn
befreien». Und 230 Jahre nach Saint-Simons Utopie vom
glücksbringenden weltweiten Netz ist die Welt zwar
vernetzt, aber kaum gerechter geworden.
Wir sind in der realen Netzwelt angekommen. Jetzt
wird an Universitäten Netzökonomie gelehrt. Netzwerkwissen
und Netzwerktechniken entscheiden, so behaupten
Ökonomen, über Erfolg oder Misserfolg. Die Welt sehen
wir nun als ein Netzwerk von vielen Netzen. Selbst
Jassclubs finden sich in Netzwerken. Netzwerkphilosophen
und -historiker füllen inzwischen ganze Bibliotheken,
von scharfen Kritikern bis zu den Vordenkern des Silicon
Valley. Filme wie «Matrix» loten Grenzen aus. In Dave
Eggers Roman «Der Circle» (2013) hat der Konzern «Circle»
mit dem Social-Media-Konzept «TruYou» nicht nur alle
anderen Konzerne verdrängt, sondern auch jede demokratisch
gewählte Regierung überflüssig gemacht. Motto:
«Ein einziger Button für den Rest deines Online-
Lebens.»
Davon sind wir gar nicht so weit entfernt. Drei Weltkonzerne,
Google, Facebook und Amazon, haben schon
weitgehend die Kontrolle über das Web übernommen
(siehe die Analyse des Social-Media-Masters von
syndicom, Marc Rezzonico, auf Seite 14). Sie sind aus dem
Nichts entstanden, machen heute bombastische Umsätze
und werden jeden Tag mächtiger. In der Netzbranche wird
mit Milliardenübernahmen in einem brutalen Stechen
und Hauen um die Vorherrschaft gerungen. Für die meisten
User hat das Netz heute keine materielle Dimension
«Du brauchst nur
noch einen Knopf für
den Rest deines
(Online-)Lebens.»
Dossier
13
mehr, ist die Medien-Box erst einmal eingerichtet und der
Laptop synchronisiert. Sie glauben, sich in einem virtuellen
Raum zu bewegen. Dieser fundamentale Irrtum zeigt,
wie gut die Konzerne darin sind, uns über die Realität der
globalen Vernetzung zu täuschen.
Dem Kabel sollst du folgen
Im Sommer 2016 enthüllten führende Forscher, Web-
Ingenieure und Netzaktivisten an einer Tagung in Berlin
unter dem sprechenden Titel «Deep Cable», wie Konzerne
und Sicherheitsdienste das Internet zu ihren Gunsten
strukturieren. Am Beispiel der Untersee-Kabelstränge
und der monumentalen Datencenter der Weltkonzerne
wiesen sie nach, dass nicht unsere Likes, sondern die
physische Infrastruktur der wirkliche Kampfplatz mächtiger
Interessen ist. Für uns Nutzer unsichtbar, entscheidet
sich dort, wer Zugriff auf die ungeheuren Datenmengen
hat, die wir täglich produzieren. Weiter, wer über Big Data
zur Kontrolle und Steuerung der User verfügt. Und wer die
Hoheit über die Algorithmen ausübt. Also letztlich
darüber, wie wir das Internet benutzen.
Oder wie es uns benutzt. Netze haben ein paar unangenehme
Eigenschaften.
Sie richten das, was wir tun, auf ihre Struktur aus. Logisch:
Wir bewegen uns zwischen Knoten. Netze disziplinieren
uns. Erst recht, wenn sie so produktiv sind wie das
Internet. Dieser Disziplinierung unterwerfen wir uns auch
noch freiwillig – und liefern mit den Daten den Stock, der
uns schlägt.
Von Netzen geht ein mächtiger Sog aus. Denn sie
geben vor, dass wir uns jederzeit mit jedem Punkt verbinden
können. Und sie stellen Unmengen an Information
zur Verfügung. Gratis, oder wenigstens sehr oft gratis. Das
lenkt unsere Aufmerksamkeit ins Netz, das fesselt uns.
Google, Facebook und Co. sind erfolgreich, weil sie unsere
Aufmerksamkeit steuern. Das Instrument dazu ist der
Algorithmus. Algorithmen sind geheim. Amazon hat über
Big-Data-Anwendungen seine Kunden und Kundinnen
schon so weit ausgeforscht, dass der Konzern, wie man bei
Amazon intern sagt, «weiss, was du bestellen wirst, noch
bevor du überhaupt daran denkst, etwas zu bestellen».
Weil der Sog so mächtig ist, ist die Freiwilligkeit, die
wir gerne in Anspruch nehmen, blosse Illusion. Aus Dave
Eggers «Circle» wird unter dem Slogan «Leidenschaft, Partizipation,
Transparenz» aus Freiwilligkeit Zwang, aus Indivudalität
Konformität.
Netze haben scheinbar keine Hierarchie. Das ist anziehend.
Tatsächlich herrscht im Netz die Hierarchie, welche
die Konzerne installieren. Wir können sie nicht entschlüsseln.
Wir erkennen aber: Sie unterscheidet nicht zwischen
richtig und falsch, sinnvoll und sinnlos, wichtig oder
unwichtig.
Social-Media-Netze machen aus uns den Rohstoff, mit
dem sie arbeiten. In der Internetindustrie gilt der Spruch:
Ist irgendetwas gratis, dann bist du die Ware. Misst man
unseren Wert für Facebook an der Börsenkotierung des
Konzerns, tragen jeder Schweizer und jede Schweizerin
etwa 1000 Franken zu dessen Vermögen bei. Bei Google
dürfte dieser Wert noch höher liegen.
Schliesslich: Davon, dass die digitalen Konzerne den
Kapitalismus per Uberisierung verschärfen, indem sie die
Arbeit und die sozialen Beziehungen attackieren, ist an
anderer Stelle die Rede: Siehe Manifest von syndicom zum
digitalen Umbau, Seiten 24/25 dieses Heftes.
Die Internetökonomie
ist um ein zentrales
Prinzip gebaut:
Ist etwas gratis, dann
bist du die Ware.
Einspruch: Die Mächtigen fürchten das Internet
Stimmt. Der (kurzlebige) politische Frühling in Ägypten
wurde als «Internetrevolution» gefeiert. Oppositionsbewegungen
überall auf der Welt nutzen die digitalen
sozialen Netzwerke. Unter der Maske von Fawkes drohen
Anonymous-Hacker mit Vendetta. WikiLeaks und ähnliche
Netzwerke machen Reichen und Regierenden die
Hölle heiss. Wahr ist: Einige Minister mussten wegen
Enthüllungen im Web den Hut nehmen. Doch nachhaltig
konnten Netzbewegungen den Gang der Dinge bisher
nicht beeinflussen. Saint-Simons Traum bleibt Utopie.
Eine wachsende Zahl von kritischen Köpfen sieht in
der digitalen Vernetzung inzwischen eher die Gefahr, dass
die Herrschaft einer Handvoll Konzerne über das Internet
und seine Anwendungen wie das Web und die Social Media
die Demokratie unterlaufen könnte.
Lob der physischen Realität
Netze sind nützlich. Sie sind die bisher beste Form, uns
ein Bild von der Welt zu machen. Zudem kann eine
komplexe Welt mit komplexen Problemen, wie etwa dem
Klimawandel, wohl nur mit ausgeklügelten Netzwerkprozessen
im Lot gehalten oder ins Lot gebracht werden.
Sogar die schärfsten Kritiker erkennen das. Ihr besonderer
Beitrag besteht darin, dass sie die Schleier über der
physischen Realität der Netze lüften. Bisher wurde viel
über die Virtualität der Netze gesprochen. Das Internet ist
nicht virtuell. Die Beziehungen in den Social Media
mögen teilweise virtuell sein, ihre Grundlage aber sind
Kabel, Funkanlagen, Rechenzentren. Versteht man, dass
materielle Kontrolle über diese Netze ihren Inhalt (mit)
bestimmt, gehen für eine Netzwerkgewerkschaft
Handlungsmöglichkeiten auf.
Die Netzinfrastruktur und die Netzhoheit, das macht
die exorbitante Macht der US-Konzerne deutlich, müssen
in Händen der öffentlichen Hand liegen oder dorthin
zurückkehren. In den Vereinigten Staaten fordern Bürgergruppen
die Verstaatlichung von Google. Unser Modell
zielt eher auf einen digitalen öffentlichen Dienst, der
Dienste wie Suchmaschinen und Big-Data-Lösungen
anbietet. Und auf einen umfassenden Schutz unserer
Daten.
Nur wird dies allein nicht genügen. Wir werden das
Ende von Facebook & Co. ausrufen und neue, endlich demokratische
Netze erfinden müssen.
netzpolitik.org
14
Dossier
Das Web ist tot. Was kommt nun?
Web 3.0 steht gegen Trinet.
Das World Wide Web, das auf Vielfalt und
Freiheit baute, gibt es seit 2014 nicht mehr.
Schuld daran sind Google, Facebook, Amazon.
Weshalb haben wir nichts bemerkt?
Text: Marc Rezzonico
Facebook und Google dominieren heute fast 70 % des
Internetverkehrs. Nach einem spektakulären Wachstum
im Onlinehandel ist nun auch Amazon zu diesen zwei Internetgiganten
hinzugestossen.
Wie konnte das geschehen? Nicht bei der Besucherzahl
der Websites geschah die grosse Zäsur, nicht bei der
Anzahl Internetnutzer oder bei den Schnittstellen der
sozialen Medien. Sondern weiter in der Tiefe, bei den
Leitungen, beim Datenverkehr und bei der Rollenverteilung
zwischen den drei Konzerngiganten.
Jedes der drei Unternehmen konzentrierte sich auf
das, was es am besten konnte: «Social Media» bei
Facebook, künstliche Intelligenz bei Google und
Onlinehandel bei Amazon. Google hat seine Social-Media-Apps
wie Google+ oder Google Waze aufgegeben,
Facebook verzichtet auf Bing … Google und Facebook sind
keine Konkurrenten, sondern Komplizen!
Die 30 % des Web, die diese Unternehmen noch nicht
beherrschen, werden schliesslich auch noch eingenommen
werden. Und damit ist auch die Vielfalt des Web
dahin, die zahlreichen Unternehmen Innovationen und
Wachstum ermöglicht hatte: Webgemeinschaften konnten
wachsen, und unabhängige Websites konnten fast
überall einen Host finden. Die Webwirtschaft, wie man sie
zu kennen glaubt, ist bedroht, weil die Webneutralität bedroht
ist. Die Netzneutralität garantierte, dass alle Datenflüsse
gleich behandelt wurden. Kurz vor Weihnachten
wurde sie nun von der US-Regierung abgeschafft. Davon
betroffen sind auch die Medien, unsere persönlichen Daten
und die Politik.
Die Ökonomie ist dabei entscheidend. In dieser neuen
diskriminierenden Situation werden die Provider den
Riesen Google, Facebook und Amazon schliesslich einen
billigeren Zugang anbieten. In Portugal beispielsweise
hat dies bereits begonnen. Dort überlässt man die Datenübertragung
dem freien Spiel der Marktkräfte. Es werden
Internetpakete für bestimmte Messaging-Dienste oder
soziale Netzwerke angeboten. Ein Internetabonnement
ist dann günstiger, wenn man Gmail und Facebook
benutzt und bei Amazon einkauft.
So besteht für die kleinen Unternehmen kein grosses
Interesse mehr daran, in eine eigene Website zu investieren.
Stattdessen werden sie Facebook-Seiten benutzen.
Kleine E-Commerce-Websites werden sich von Amazon
aufkaufen lassen oder aufgeben. Google wird als Suchmaschine
nicht mehr viel nützen, was seine Umstellung auf
die künstliche Intelligenz erklärt. Es entsteht gerade ein
Netzwerk von drei Netzen für alle. Das Trinet.
Doch auch das Web 3.0 existiert bereits
Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass längst ein paralleles
Internet entstanden ist: das sogenannte Dark Web.
Und das ist längst nicht alles. Verschiedenste Dienste und
Plattformen arbeiten seit Jahren an weiteren, parallelen
Netzwerken, damit das Web wieder sicherer und weniger
hierarchisch wird. Mittels neuer Technologien, eines
neuen Wirtschaftsmodells und neuer Anwendungen
versuchen sie, das Web wieder zu dezentralisieren und es
so von der heutigen Kunden-/Server-Logik weg zum Web
3.0 hin zu bewegen.
Diese Netze heissen IPFS, ZeroNet, Blockstack oder
SAFE Network. Sie basieren auf Kryptowährung (Bitcoin),
Kryptografie, Peer-to-Peer (P2P, BitTorrent) und Blockchains.
Dank diesen neuen Netzwerken werden die
Nutzer ihre Daten wieder unter Kontrolle haben und
deren Weitergabe neu definieren können.
Dann wird man sich auf ein klar definiertes Wirtschaftsmodell
stützen können, das beim ursprünglichen
Web weitgehend fehlte. Dies hatte zur heutigen Werbeflut
mit ihren Auswüchsen und Auswirkungen geführt.
Schliesslich stellen immer mehr Akteure, darunter
auch europäische Regierungen, die US-Dominanz bei der
Netzregulierung infrage.
Letztlich wird viel davon abhängen, ob wir das Diktat
des Trinets von Google, Facebook, Amazon hinnehmen
oder das Web 3.0 lernen. Sind wir bereit für den Wechsel
der virtuellen Umgebung?
netzpiloten.de/begriffsklarung-was-ist-das-web-30
Akzeptieren wir die
Diktatur des Trinet?
Oder sind wir bereit
für den Wechsel in
das Web 3.0?
Dossier
Demokratie braucht freie Medien
Nein zur Initiative «No Billag»!
15
Den Meinungsmachern hinter der Initiative
No Billag geht es nicht um die Abschaffung der
Billag. Vielmehr wollen sie dem unabhängigen
Radio und Fernsehen den Stecker ziehen.
Text: Roland Kreuzer, Zentralsekretär Sektor Medien
Die Rechtsbürgerlichen wollen mit No Billag den Service
public in den Medien zerstören. Würde das Volk am
4. März ihre Initiative annehmen, wäre dies das Ende für
die SRG, aber auch für viele private Radio- und TV-Stationen.
No Billag ist nicht ein Angriff auf die Firma, welche
die Gebühren eintreibt, sondern eine Attacke auf die freie
Meinungsäusserung.
Die Existenz der SRG ist direkt abhängig von den Fernseh-
und Radiogebühren, die drei Viertel zu den heutigen
Einnahmen von 1,6 Milliarden Franken beitragen (ein
Viertel sind Werbeeinnahmen). Wer hat ein Interesse daran,
der SRG den Stecker zu ziehen? Finanzmächtige
Gruppen, die über die notwendigen Geldmittel verfügen,
um private Propagandasender aufzuziehen.
Öffentliches Radio und Fernsehen gehört in Demokratien
zu den grundversorgenden Netzen. Jetzt lässt der Initiativtext
keine Zweifel an den Absichten der Initianten
aufkommen. Neu soll gemäss Initiative No Billag in der
Bundesverfassung im Artikel 93 stehen:
• Der Bund versteigert regelmässig Konzessionen für
Radio und Fernsehen.
• Er subventioniert keine Radio- und Fernsehstationen.
Er kann Zahlungen zur Ausstrahlung von dringlichen
amtlichen Mitteilungen tätigen.
• Der Bund oder durch ihn beauftragte Dritte dürfen
keine Empfangsgebühren erheben.
Auf Deutsch: Nur wer richtig viel Geld hat und am meisten
zahlt, darf in Zukunft senden. Gestrichen werden soll aus
der Bundesverfassung dafür ein entscheidender Satz: «Radio
und Fernsehen tragen zur Bildung und kulturellen
Entfaltung, zur freien Meinungsbildung und zur Unterhaltung
bei. Sie berücksichtigen die Besonderheiten des
Landes und die Bedürfnisse der Kantone. Sie
stellen die Ereignisse sachgerecht dar und bringen die
Vielfalt der Ansichten angemessen zum Ausdruck.»
Grosse Verlagskonzerne aber behandeln Information
zunehmend als Ware, die möglichst viel Geld in die
eigenen Taschen spülen soll: Tamedia ersetzt seine zwölf
Redaktionen durch je eine Einheitsredaktion in der
Deutsch- und der Westschweiz. NZZ und AZ Medien
ziehen nach und geben ihren Regionalzeitungen einen gemeinsamen
Einheitsmantel.
Die Verblocherung der Information
Christoph Blocher hat die Macht der Medien für
seine politischen Zwecke längst erkannt und dehnt sein
Medienimperium laufend aus: Zu «Weltwoche» und
«Basler Zeitung» kaperte er letztes Jahr Dutzende von lokalen
Gratiszeitungen, und nun streckt er seine Finger
nach der mächtigen «Südostschweiz» aus.
No Billag würde
13 500 Jobs zerstören.
Für SVP-Blocher
und den Profit der
Medienbarone.
16 Dossier
Das ist brandgefährlich für das Land: Entscheiden künftig
Milliardäre und profithungrige Aktionäre darüber,
welche Infomationen wir bekommen sollen (und in
welcher Form), sind die Auseinandersetzung mit
gesellschaftsrelevanten Themen aus verschiedenen
Sichtweisen und die Meinungsvielfalt in Gefahr. Es
drohen eine weitere Verarmung der Medienlandschaft,
ein Einheitsbrei und die «Berlusconisierung» respektive
«Verblocherung» der öffentlichen Diskussion.
In den vergangenen Jahren wurde schon deutlich,
wohin das führt: Sachgerechte Darstellung, Vielfalt,
kulturelle Entfaltung, wie sie heute als Auftrag für Radio
und Fernsehen in der Bundesverfassung stehen, interessieren
dabei nicht mehr.
Der Service public in den Medien ist uns auch künftig
1 Franken pro Tag wert
Ohne Gebühren stehen 6000 Stellen bei der SRG auf dem
Spiel. Insgesamt gehen die Mediengewerkschaften vom
Verlust von bis zu 13 500 Arbeitsplätzen im Medienbereich
aus, wenn No Billag Zustimmung fände. Denn auch
viele regionale private Radio- und Fernsehstationen,
Radiostationen in Berggebieten und nicht kommerzielle
Alternativradios wie Rabe und Lora überleben nur
dank ihres (kleinen) Anteils an den Gebührengeldern.
Die No-Billag-Befürworter verbreiten eine Stimmung,
die den Egoismus zum Mass aller Dinge erklärt und die
Werte der Schweiz ablehnt. Motto: Wer Filme und Serien
über Netflix oder Teleclub, Sport bei Sky, Musik über
Bezahlkanäle hört und schaut – oder am liebsten sein
eigenes Kulturangebot gratis herunterlädt –, soll nicht für
ein Vollprogramm der SRG bezahlen müssen. Jede und
jeder soll nur für den eigenen privaten Medienkonsum
bezahlen!
Wen kümmert es, dass diese Kommerzkanäle kaum
Information bieten, schon gar nicht für ein viersprachiges
Land wie die Schweiz. Minderheiten – kulturelle und
sprachliche Minderheiten, Volksmusikfreunde etc. –
haben in diesem Denken keinen Platz.
Wer rechnen kann, weiss aber, dass die Abos der Pay
TVs allein für die verschiedenen Mainstream-Sportangebote
wie Champions League, Fussball-WM, Olympische
Spiele, Skirennen etc. ohne Service-public-Angebot
immens viel mehr kosten würden als die SRG. Darum geht
es den Anti-SRG-Initianten ja gerade: Ohne SRG können
sie die TV-Zuschauerinnen und -Zuschauer erst richtig
schröpfen.
Weil wir nicht wollen,
dass uns Aktionäre
und Reaktionäre ihr
Programm aufzwingen,
sagen wir am 4. März
souverän Nein!
die Diskussion über das Programm können wir nur führen,
wenn die SRG als starkes öffentliches Medienunternehmen
weiterbesteht. Im Blocher-TV sind wir Bürgerinnen
und Bürger nicht gefragt. Da kommt nur einer zu
Wort.
Das Recht auf umfassende Information ist ein Grundrecht,
das nur durch einen starken Service public in den
Medien garantiert werden kann. Unabhängige Medien,
die nicht privaten Interessen gehorchen müssen, sind
entscheidend für die Meinungsbildung und das Funktionieren
einer Demokratie. Dass dies so bleibt, dafür sorgen
wir an der Urne.
sgb.ch/aktuell/nein-zu-no-billag/
madeinswitzerland.media/de/
savethemedia.ch
sendeschluss-nein.ch
Die Diskussion über die Programme ist nur mit dem
öffentlichen Fernsehen möglich
Natürlich haben wir uns alle schon geärgert über
manche Fernsehsendung oder die Ignoranz des Fernsehens
gegenüber unseren Anliegen. Die SRG gehört aber
der gesamten Bevölkerung. Darum kann öffentlich über
den Programmauftrag diskutiert und gestritten werden.
Im Blocher- oder Tagi-TV entscheiden allein die Bosse.
Für syndicom als Gewerkschaft, als Teil der Zivilgesellschaft
und als Organisation der Medienschaffenden ist
die Programmdiskussion wichtig.
Doch über das Programm stimmen wir am 4. März
nicht ab. Wer der Initiative No Billag zustimmt, um die
SRG zu strafen, schiesst sich in den eigenen Fuss: Denn
Dossier
SRG: 65 Jahre Flimmern
für die Schweiz
17
Das Schweizer Fernsehen stand von Anfang
an für den nationalen Zusammenhalt.
Und auch Kritik musste es früh einstecken
– von rechts wie von links.
Text: Stefan Boss
Fernsehen in den 1950er-Jahren, wie geht das? Zum
Beispiel so: Eine Schar von Leuten sitzt in einem Wirtshaus
und schaut sich auf einer kleinen Flimmerkiste
einen Schwank einer Schauspieltruppe an. Der erste
regelmässige Testbetrieb des neuen Mediums begann vor
65 Jahren in Zürich. Pro Tag wurde jeweils eine Stunde gesendet,
an fünf Wochentagen.
Kurz danach starteten Tests in der Westschweiz.
Fernsehstudios wurden ab 1960 in Zürich, Genf und
Lugano eingerichtet – drei Amtssprachen waren somit
vertreten. «Die ‹Tagesschau› wurde anfänglich auf
Deutsch, Französisch und Italienisch zu den gleichen
Themen in Zürich produziert», erzählt die Historikerin
Ursula Ganz-Blättler von der Uni St. Gallen. Der Zweck des
Fernsehens war, den nationalen Zusammenhalt zu fördern.
Er steht dank starker regionaler Berichtserstattung
bis heute im Zentrum.
Neben dem Zusammenhalt war in der Pionierzeit auch
die internationale Zusammenarbeit wichtig. Die SRG setzte
sich ein für die Eurovision, die Organisation für internationalen
Programmaustausch. Ein Meilenstein für die
internationale Fernsehübertragung war die Fussball-Weltmeisterschaft
von 1954 in der Schweiz. In einem berauschenden
Finalspiel schlug Deutschland im Berner Wankdorf
damals Ungarn 3:2, es war «das Wunder von Bern».
Zunächst waren Fernsehapparate teuer und deshalb
vorwiegend in Gaststuben anzutreffen. «Die Wirte hofften,
dadurch mehr Publikum anzulocken», sagt Ganz-Blättler,
die im Historischen Lexikon der Schweiz den Eintrag
zum Fernsehen verfasst hat. Im Jahr 1959 gab es dann bereits
50 000 Konzessionen, 1968 überschritt die Zahl die
Millionengrenze. Im gleichen Jahr bekam das Fernsehen
Farbe. Heute umfasst sein Leistungsauftrag programmliche
Vielfalt und föderalistischen Ausgleich.
Für die rechten Parteien schafft das öffentliche Fernsehen
zu viel gesellschaftliche Transparenz
Doch von Anfang an gab es auch Kritik am Fernsehen. Radiomacher
fürchteten die Konkurrenz. Zeitungsverleger
und Annoncenagenturen wollten das Abfliessen von Werbegeldern
verhindern. Sie erreichten, dass das Fernsehen
bis 1965 gänzlich werbefrei blieb. Sonntags- und Unterbrecherwerbung
wurde erst zu Beginn der 1990er-Jahre
zugelassen, als die SRG ihre monopolähnliche Stellung
verlor. In den 1970er-Jahren kritisierte die SVP erstmals,
das Fernsehen stehe politisch links («Hofer»-Club). Das
war wohl eine enge Sicht, denn auch linke und kulturkritische
Kreise übten immer wieder Kritik am Fernsehen.
Mit «No Billag» will die Rechte der SRG den Stecker
ziehen. Man kann nur hoffen, dass die Abstimmung vom
4. März die Geschichte des unabhängigen Schweizer Fernsehens
und Radios nicht abrupt beendet.
hls-dhs-dss.ch/textes/d/D10986.php
no-culture.ch
«Mit No Billag würden
wir auf ein GA für
Information, Unterhaltung,
Sport, Musik
und Kultur in allen
vier Landessprachen
verzichten.» Franz Hohler
Fotostrecke
Die Bilder in diesem Themendossier stammen vom Berner
Fotografen Peter Mosimann. Mosimann ist ein vielgereister
Meister seines Fachs. Er hat die sichtbaren Zeichen unserer
Vernetzung eingefangen: eine Abhörstation auf Seite 1. Eine
Handyantenne unter einem Autobahnviadukt (Seiten 8 und
9). Strommasten, einen Eisenbahntunnel und die
Verkehrsführung am Wandorf für die Seite 11. Auf 12 die
Energiezentrale Bern. Von dort stammt auch der Stoppschalter
Seite 17. Swisscom verarbeitet ihre Daten in einer
Hochsicherheitsanlage (Seite 14). Das Schweizer Fernsehen
in konzentrierter Produktion zeigt das Bild auf Seite 15, und
auf Seite 16 laufen SRG-Kabel heiss.
Manche, die sich auf Social Media tummeln, haben aus dem
Blick verloren, dass Netze nicht virtuell sind, sondern zuerst
eine aufwendige materielle Infrastruktur. Das Leben 2018 ist
in eine Vielzahl von Netzwerken eingebunden, die immer
enger zusammenspielen.
petermosimann.ch (Seite mit ihren zahlreichen starken
Reportagebildern)
18
Eine bessere
Arbeitswelt
Wem gehört der neue
Aufschwung?
Den Arbeitenden! Das
ist ökonomisch und
politisch elementar.
Im Jahr 10 der grossen Krise hat in
einigen Ländern der Aufschwung eingesetzt.
Sogar in der Schweiz, trotz der
katastrophalen Politik der Nationalbank,
die uns 150 000 Jobs gekostet
hat. 2018, vermutet der SGB, wird die
Wirtschaft um 2,5 Prozent wachsen.
Zeit also, um über die Verteilung
des Wachstums zu sprechen. Denn für
die Krise haben vor allem jene bezahlt,
die von ihrem Lohn leben. Mit Arbeitslosigkeit.
Mit Unterbeschäftigung und
Prekarisierung. Mit sinkenden Renten.
Und stagnierender Kaufkraft.
Die Ungleichheit hat scharf zugenommen.
Ungleiche Gesellschaften
vernichten Lebenschancen, sind weniger
innovativ, zudem krimineller
und kränker.
Jetzt ist es an uns, soziale Fortschritte
durchzusetzen. Der Aufschwung
muss dafür genutzt werden,
die Arbeitszeiten zu verringern. Heute
arbeiten wir eine halbe Woche länger
als 2013. Die AHV wollen wir stärken,
denn die 2. Säule taumelt. Wir müssen
den Sparwahn beim Service public
stoppen und Ausgleich für die teuren
Kassenprämien schaffen. Und klar ist
ohnehin: Die Lohnuterschiede zwischen
Mann und Frau müssen weg!
Die Wirtschaft brummt wieder. Jetzt braucht es bessere Löhne und kürzere Arbeitszeiten. (© chuttersnap)
sgb: goo.gl/9L8bZw
Jura: 4000 für
sichere Busse und gute
Chauffeurlöhne
Das Paket, das die syndicom und der
SEV kurz vor Weihnachten der jurassischen
Regierung in Delémont übergaben,
hatte es in sich: 4000 Bürgerinnen
und Bürger forderten per
Unterschrift, die Neu-Ausschreibung
von Buslinien mit Auflagen zum
Schutz der Arbeits bedingungen zu
verbinden.
Vor allem die branchenüblichen
Löhne und Arbeitszeiten seien einzuhalten.
Wer für den öffentlichen
Verkehr Busse betreibe, solle einem
Gesamtarbeitsvertrag unterschreiben,
verlangen Gewerkschaften und
Petitionäre. Immer mehr Kantone
schreiben ihre Verkehrslinien aus,
weil sie sich Einsparungen erhoffen.
Gehen die Konzessionen von PostAuto
und Jurassischer Bahn an private
Unternehmen über, könnten Jobs und
Sicherheit gefährdet sein: Bei
steigenden Fahrzeiten pro Tag etwa
wächst die Gefahr der Überlastung.
Link goo.gl/1LJmY2
«Die Flut der gesammelten Daten bringt die Logistik an ihre
Grenzen und gefährdet den Zugang zu Diensten.» Matteo Antonini
19
In der Logistik wird
die Teilung der
Gesellschaft deutlich.
Logistik ist die Antwort auf die
Probleme Versorgung und Zugang.
Sie basiert auf Netzwerken und digitalen
Daten. Seit einigen Jahren findet
dort ein Paradigmenwechsel statt. Die
Flut der Daten, die im Rahmen der
Digitalisierung gesammelt werden,
stellt eine wachsende Herausforderung
für das Logistiknetz dar. Etwa bei
der Lieferung. Wir können uns den
Produkten, die uns ständig angeboten
werden, nicht mehr entziehen. Und es
entstehen laufend neue, immer
stärker auf einzelne Kundinnen und
Kunden zugeschnittene Produkte.
Will das Vertriebs- und Verteilnetz
diese Nachfrage befriedigen, gerät es
unter Druck. Die Arbeitsbedingungen
verschlechtern sich weltweit, die
Prekarisierung nimmt zu. Häufig wird
der Wettbewerb über den Preis und
nicht über die Qualität geführt. Dabei
machen die Kosten auf dem «letzten
Kilometer» des Netzwerks 50 Prozent
des Endpreises aus. Das ist nicht nur
bei der Paketzustellung so, sondern
auch im Datennetz.
Auch der Zugang zu Diensten ist
nicht mehr gesichert. Der kürzliche
US-Entscheid, die Netzneutralität zu
kippen, folgt dem bekannten Muster
der Privatisierungen des Service public
bei Diensten wie Wasser, Bildung,
Gesundheit, Strom. Die Gefahr einer
Mehrklassengesellschaft beunruhigt
uns zunehmend.
Matteo Antonini ist Leiter des Sektors Logistik und
Mitglied der syndicom-Geschäftsleitung
Gewerkschaftliche Allianz gegen
Dumping durch Auslagerungen
Digitales Logistikdesign lässt alle Missbräuche zu. Aufträge in
Spitzenzeiten an Subunternehmen auszulagern, ist nicht neu.
Doch die Ausnahme wird immer mehr zum System, um die
Arbeitsbedingungen zu drücken. Mit Fairlog halten wir dagegen.
Tatort Genf: Ein Transportunternehmen
teilt seinem Festangestellten
jeweils am Morgen mit, ob und wie viel
er zu tun hat – klassische Arbeit auf
Abruf. Dafür erhält der Mann 20 Franken
die Stunde. Daneben arbeitet er
auch noch für andere Arbeitgeber. Als
er deshalb einmal anderweitig
verplant ist, wird er fristlos entlassen.
Tatort Zürich: Ein Zentrumsleiter von
PostLogistics hält die Personalressourcen
bewusst knapp. Ihm ist
erlaubt, Touren auszulagern, um
Auftragsspitzen zu brechen. Hier aber
wird das missbraucht. Die Unterkapazität
wird gezielt herbeigeführt, um
möglichst viel an andere Unternehmen
auszulagern.
Tatort Ostschweiz: Im Arbeitsvertrag
eines Paketboten steht: «Der
Arbeitnehmer verpflichtet sich,
diejenige Arbeitszeit aufzuwenden,
die zur erfolgreichen Erledigung der
Aufgaben erforderlich ist.» Mit anderen
Worten: unbegrenzte Arbeitszeit.
In all diese Fälle sind Subunternehmen
von grossen Transportfirmen
involviert. Sie erledigen die Arbeit oft
nicht mehr selbst, sondern kümmern
sich nur noch um Generierung und
Organisation der Aufträge.
Ein Phänomen der Digitalisierung
Diese Praxis wird Logistikdesign
genannt. Dass ein Paket von A nach B
kommt, und das möglichst effizient
koordiniert mit anderen Lieferungen
von verschiedenen Auftraggebern,
darin liegt die Kunst des Logistikdesigns.
In diesem Bereichen werden
hohe Gewinnmargen generiert. Die
Erledigung der Knochenarbeit überlässt
man Dutzenden von Subunternehmen.
Diese drücken gegenseitig
die Preise derart, dass die Arbeitsbedingungen
der Belegschaft massiv leiden.
Erst die Digitalisierung erlaubt
es, ein derart atomisiertes Konstrukt
überhaupt koordinieren zu können.
Diese Zersplitterung der Wertschöpfungskette
fordert die Gewerkschaft
massiv. Deshalb hat syndicom
mit den Gewerkschaften Unia und
SEV den Verein Fairlog gegründet. Mit
dieser Allianz wollen wir die Logistik
und den Strassentransport in seiner
ganzen Breite umfassen und endlich
sozialpartnerschaftlich regulieren.
(David Roth)
Gegen Hektik und Auslagerungen: Die Logistik muss wieder fairere Arbeit schaffen (© Peter Leuenberger)
syndicom.ch/branchen/logistik/fiarlog/
20 Arbeitswelt
«Sie wollen uns Lektionen in Qualität erteilen. Dabei sind es
ihre Restrukturierungen, die der Qualität schaden.» Antoine Grosjean
Redaktionen in der Romandie
machen Front gegen Tamedia
Mit Stellenabbau, Schliessungen und Einheitsredaktionen will
der Zürcher Grosskonzern Tamedia noch mehr Profit einfahren.
Zum Schaden der Meinungsvielfalt. Jetzt sagen die Journalistinnen
und Journalisten von fünf Blättern: Genug!
Am 15. Dezember gingen in Lausanne
fünf Westschweizer Redaktionen auf
die Strasse, um zusammen mit syndicom
und impressum gegen ihren
Arbeitgeber Tamedia zu protestieren.
Die Forderungen der Personalvertretungen
von «Le Matin», «Le Matin
Dimanche», «Femina», «24 heures»
und «La Tribune de Genève»: «Le Matin»
soll weiterhin gedruckt werden
und nicht nur als Digital-Ausgabe
erscheinen. Für Kündigungen aus
wirtschaftlichen Gründen soll ein
zweijähriges Moratorium gelten. Und
die Rentabilitätsvorgaben sollen
gesenkt werden. Schliesslich habe
Tamedia den Reingewinn im ersten
Halbjahr 2017 um 37,1% steigern können.
Weiter verlangen die Journalisten,
dass Verhandlungen über die
Reorganisation der Arbeit eröffnet
werden.
Ständige Angst um den Arbeitsplatz,
inhaltliche Ausdünnung der
Zeitungen und Übernahmeversuche –
die Journalisten haben genug und
setzen sich zur Wehr. Bei «Le Matin
Dimanche», «Le Matin» und «La Tribune
de Genève» (TG) boykottierten sie
die «Qualitätssitzungen», die in Anwesenheit
von Tamedia-Verwaltungsratspräsident
Pietro Supino stattfinden
Hartes Wort gegen brutale Realittät (© Sancey, Archiv)
sollten. «Dass uns die Geschäftsleitung
Unterricht in Qualität erteilen
wollte, wo es doch gerade ihre Restrukturierungen
sind, die der Qualität
schaden – das hat uns extrem verärgert»,
sagt Antoine Grosjean, Mitglied
der Redaktoren-Vereinigung der TG.
Ursache für die allgemeine Verdrossenheit
ist die lange Reihe von Restrukturierungen,
welche die Journalistinnen
und Journalisten von
Tamedia in der Romandie und auch in
der Deutschschweiz über sich ergehen
lassen mussten. Die Zürcher Mediengruppe
hingegen hält die Massnahmen
wirtschaftlich für nötig. 2016
wurden bei der TG sechs Stellen gestrichen.
Ende August 2017 kündigte
Tamedia die Fusion von «Le Matin»
und «20 Minutes» an: Neun Arbeitsplätze
wurden abgebaut, sechs davon
durch Entlassungen. Gleichzeitig wurde
bekannt, dass verschiedene Ressorts
der TG und von «24 heures»
zusammengelegt werden. Das Ziel: In
Zürich und in Lausanne sollen zwei
Mantelredaktionen geschaffen werden.
In Genf und Bern sorgte dies für
Unmut bei Parlamentariern, die sich
um die Stellung ihres Kantons in der
Medienlandschaft sorgten.
Der Demonstrationszug vom
15. Dezember, an dem rund 120 Personen
teilnahmen, blieb aber ohne
Wirkung. In einer internen Abstimmung
beschlossen die Journalisten
deshalb mit sehr grosser Mehrheit ein
Misstrauensvotum gegen Serge
Reymond, den Leiter von Tamedia
Westschweiz. Am 22. Dezember reiste
eine Delegation für ein Gespräch mit
dem Vorsitzenden der Tamedia-
Geschäftsleitung, Christoph Tonini,
und Pietro Supino nach Zürich.
«Unserer Ansicht nach hatten die vorgeschlagenen
Sitzungen mit Reymond
nichts anderes zum Ziel, als Zeit zu
gewinnen, damit der Umsetzung
nichts im Wege steht», sagt Antoine
Grosjean. «Wir hoffen, dass die Tamedia-Direktion
konkrete Antworten auf
unsere Forderungen hat. Wir sind fest
entschlossen, nicht locker zu lassen.»
(Dominique Hartmann)
Post Scriptum (Red): Tamedia hat das
Misstrauensvotum ignoriert.
goo.gl/xVzLdf
syndicom.ch/branchen/presse
Wir stehen auf, weil
die freie Information
auf dem Spiel steht
Die Hiobsbotschaften kommen
Schlag auf Schlag: Tamedia verpasst
seinen zwölf Tageszeitungen je eine
Zentralredaktion in Zürich und
Lausanne – klarer Abbau journalistischer
Vielfalt und vieler Stellen. Der
Depeschen-Agentur SDA drohen die
Verleger mit Ressourcenentzug – sie
greifen die Grundversorgung mit
verlässlichen Informationen an.
Ringier schliesst die traditionsreiche
Druckerei in Adligenswil – damit
vernichtet der Konzern mehr als 150
Stellen und befeuert die Monopolisierung
im Zeitungsdruck. Die AZ Medien
fusionieren mit den Regionaltiteln
der NZZ-Gruppe – damit überziehen
sie das Mittelland mit einem Mantelsystem,
das den LeserInnen von
St. Gallen über Luzern bis Basel die
selben Inhalte beschert. Wir GewerkschafterInnen
haben 2018 viel zu tun!
Gleichzeitig blasen die Rechtsnationalen
mit der Abschaffung der Radiound
Fernsehabgabe zum Angriff auf
die publizistisch vergleichsweise
unabhängige SRG. «Cui bono» fragten
die schlauen Römer, wem nützt das alles?
Jenen Milliardären, die Medien
billig zusammenkaufen, um ihr politisches
Programm noch besser unters
«Volch» zu bringen. Wem schadet es?
Uns allen, die wir eine offene, gerechte,
demokratische Schweiz wollen. Da
gibt es nur eines: Ein klares NEIN zur
No-Billag-Initiative!
Stephanie Vonarburg leitet die Branche Presse
und elektronische Medien und ist Mitglied der GL.
Korrekte Löhne und Arbeitszeiten sind im digitalen Brutalo-
Kapitalismus von Amazon, Zalando & Co. nicht vorgesehen.
21
No Billag ist Gift
für Menschen
mit Behinderung
Die No-Billag-Initiative trifft uns alle,
aber Migrantinnen und Migranten sowie
Menschen mit einer Behinderung
besonders stark.
Bei Annahme der Initiative muss
nicht nur die SRG den Betrieb einstellen,
auch den neun nicht kommerziellen
Radios wie LoRa und RaBe droht
das Aus. Deren mehr- und fremdsprachigen
Sendungen sind hoch integrativ.
Zu diesem Schluss kommt eine
Studie des Bundesamts für Kommunikation:
Sie informieren Migranten
und Migrantinnen über das Leben in
der Schweiz, sodass diese sich besser
zurechtfinden können. Und die Inhalte
sind ausgesprochen vielfältig, denn
häufig werden sie von den Betroffenen
selbst gemacht. Einen besonderen
Beitrag zur Solidarität mit gesellschaftlichen
Minderheiten leistet
auch die SRG – in allen vier Landessprachen.
Für Menschen mit Hörbehinderungen
sind die meisten TV-Programme
in den Hauptsendezeiten mit
Untertiteln versehen, weitere mit Gebärdensprache.
Für Menschen mit
Sehbehinderungen stehen viele Sendungen
als Hörversion zur Verfügung.
Die Website von SRF ist barrierefrei.
Diese Dienstleistungen des Service
public wurden mit Behindertenverbänden
kontinuierlich ausgebaut.
Auch aus diesen Gründen: NEIN
zur No-Billag-Initiative!
Patrizia Mordini, Leiterin Gleichstellung,
Mitglied der Geschäftsleitung
Schluss mit klug
Die SDA entlässt, weil die Verleger ihre eigene
Agentur totsparen. Kein Interesse mehr.
Die Depeschenagentur SDA ist ein solider Pfeiler der Information
in der Schweiz. Jetzt wird ihre Arbeit schlechter: Die
Besitzer bauen 35 bis 40 Vollzeitstellen ab. Der Abbau läuft
bereits: Seit November werden keine Abgänge mehr ersetzt.
Aus der Nachrichtenschmiede ohne Profitdruck, die
sich im Gegensatz zu den meisten ihrer Kundinnen durch
ein halbwegs intaktes Qualitästbewusstsein auszeichnet,
soll eine Firma werden, die Dividenden auszahlt. Grösste
Aktionärin ist seit Kurzem die österreichische Agentur
APA, ein wohl geplanter Kollateralschaden der Fusion zwischen
SDA und Keystone.
Die Story dahinter
In Wahrheit aber geht es um viel mehr als ein bisschen
Betriebswirtschaft und Fusion. Die SDA wurde 1895 von
Zeitungsverlegern gegründet, um mit der geballten Wucht
eines Journalistenpools zu hochqualifizierten und aktuellen
Informationen und Beiträgen aus aller Welt und allen
Regionen zu kommen. Und aus der Wirtschaft. Grosse nationale
Agenturen sicherten im 20. Jahrhundert in vielen
Ländern die demokratische Debatte, manchmal auch den
Einfluss eines Landes in der Aussenpolitik.
Seit einigen Jahren aber sparen die Medienhäuser ihre
Agentur tot. Für 2018 muss die SDA mit 3,1 Millionen Franken
leben. Für Ringier, Tamedia etc. haben qualifizierte
Information und Wissen an Bedeutung verloren. Sie setzen
eher auf Content. Also auf Gossip, kurzatmige News und
nicht strukturierte, universell formatierte und immer wieder
verwendbare Multimediapakete. Die gibts im Internet
oder aus eigener Produktion billiger. Dass die SDA heute
massiv abbaut, ist ein direktes Symptom des Zerfalls der
journalistischen Öffentlichkeit in der Schweiz.
Die SDA-Redaktion wehrt sich. In einer Resolution stellte
sie ihre Forderungen dar. Unter anderem: keine Vermischung
von Journalismus und PR, Diskussion über Inhalte.
Verzollen für Amazon
Onlinehandels-Multis setzen die Post und die
Arbeitsbedingungen der Branche unter Druck
Logistik in digitalen Zeiten ist auch dies: Die Post übernimmt
künftig die Verzollung von Amazon- Paketen. Das
verkürzt die Lieferzeit so massiv, dass die gesamte Palette
des US-Weltkonzerns (229 Millionen Produkte) in der
Schweiz lieferbar wird. Zum Entsetzen der Detailhändler.
Der chinesische Konzern Alibaba hat seine Sendungen
in die Schweiz 2017 um mehr als 40 Prozent gesteigert.
Ganz ohne Werbung. Die Preise sind so tief, dass sich sogar
Schweizer Händler bei Aliexpress eindecken.
Zalando hat im süddeutschen Lahr ein riesiges Warenlager
aufgebaut, um schneller in die Schweiz zu liefern.
Lastwagenkolonnen karren die Pakete zur Schweizer Post.
60 Prozent gehen auf dem selben Weg vom Kunden wieder
zurück. Ein absurdes Geschäftsmodell.
Doch die Post unternimmt alles, um diese Gross kunden
zu halten. 60 Millionen Franken hat sie in ihre drei Paketzentren
investiert. Sie experimentiert mit neuen Zustellungsformen
und -zeiten, testet Roboter und Drohnen,
nimmt den Konzernen die gesamte Administration ab.
Dank Präzisionsarbeit der Logistiker und der Pöstlerinnen
hält die Post noch rund 80 Prozent des Marktes. Mit sinkenden
Margen. Die Konkurrenz zahlt schlechtere Löhne.
Wenig mehr als 10 Euro Lohn pro Stunde
Es könnte noch schlimmer kommen. Amazon plant nicht
nur, in der Schweiz eine Drehscheibe zu errichten. Der
Multi mit Monstergewinnen erwägt sogar, selber auszuliefern.
Was dann der Logistikbranche droht, kann man etwa
in Deutschland beobachten. Amazon bezahlt Einstiegslöhne
um 10,52 Euro für Jobs unter extremen Bedingungen.
Jetzt führte die Gewerkschaft ver.di gerade wieder einen
harten Streik, um Amazon zu einem Kollektivvertrag zu
zwingen. Doch korrekte Löhne und Pausen sind in den materiellen
Niederungen dieses digitalen Brutalo-Kapitalismus
von Amazon, Zalando & Co. nicht vorgesehen.
Die Resolution der Redaktion ist hier: goo.gl/TRVHo1
ver.di-Streiks bei Amazon: goo.gl/UAE3jQ
22 Arbeitswelt
«Zu einem innovativen Unternehmen gehört eine innovative
Sozialpartnerschaft mit guten Arbeitsbedingungen.» Daniel Hügli
Salt macht den Salto. Gilt
Premium nur für Kunden?
Die Zukunft von Salt gleicht einem Hochseilakt. Nach
Handwechseln und Geldentnahmen durch Besitzer Xavier Niel
machen sich die Beschäftigten Sorgen um Job und Zukunft.
syndicom sucht den sozialen Dialog mit dem neuen
Management und strebt einen Gesamtarbeitsvertrag an.
Das Engagement der Gewerkschaft
syndicom für die Mitarbeitenden von
Salt (vormals Orange) reicht in die Zeit
des Markteintritts des Unternehmens
im Jahr 1999 zurück. Hohe Wellen
warf der Streik von 2003, mit dem wir
bei einer Massenentlassung der
damaligen Eigentümerin France
Télécom einen verbesserten Sozialplan
abringen konnten.
2010 untersagte die Wettbewerbskommission
die Fusion von Orange
mit Sunrise. Also verkaufte France
Télécom das Unternehmen 2012 an
den Investmentfonds Apax Partners.
Wie bei Investmentfonds üblich, wich
die langfristige Strategie kurzfristigen
Profitgelüsten.
Der Milliardär übernimmt
2015 kaufte der Milliardär Xavier Niel
Orange. Bei seinem Antritt in der
Schweiz gab sich Niel als langfristiger
Investor und versprach industrielle
Kontinuität, was sich aber umgehend
als leeres Versprechen entpuppte: Zuerst
liess er Orange in Salt umbenennen.
Danach wechselte er praktisch
das gesamte Topmanagement aus.
Mit dem neuen CEO Andreas Schönenberger
setzt Salt seither auf Innovation
sowie schlanke Prozesse und
Strukturen.
Rauer Umgang mit dem Personal
Diese Neuausrichtung bekommt besonders
das Personal zu spüren. Nebst
Stellenabbau ist die Rede von rauem
Umgangston und enormem Druck.
Anfang 2017 sickerte durch, dass
Salt künftig Festnetzangebote bereitstellen
wolle. Doch auch eine irritierende
Zahl machte die Runde: Besitzer
Xavier Niel soll sich einmal mehr
eine satte Dividende ausgeschüttet
haben, diesmal 500 Millionen Franken.
In einem Unternehmen, das einerseits
beträchtlich investieren
muss, andererseits im harten Gegenwind
steht, nennt man einen solchen
Vorgang unter Ökonomen eine
Substanzentnahme.
Eigenkapital halbiert
Ende 2017 wurde denn auch deutlich,
dass das Eigenkapital des Unternehmens
innert Jahresfrist mehr als halbiert
wurde. Kein Wunder also, dass
Salt für die Vergabe neuer Mobilfunkfrequenzen
eine Preisobergrenze fordert.
Salto mortale?
Nach all den Saltos ist derzeit unklar,
ob Salt sich noch in der Luft befindet
oder doch neuerlich Boden unter den
Füssen gefunden hat. Die rund 700
Mitarbeitenden können auf die Unterstützung
von syndicom zählen. «Premium»
soll nicht nur für die Kundschaft
gelten. Denn zu einem
innovativen Unternehmen gehört
auch eine innovative Sozialpartnerschaft
mit guten Arbeitsbedingungen.
(Daniel Hügli, Zentralsekretär Sektor
ICT)
syndicom.ch/branchen/telecom/salt/
Michel Gobet geht in
Pension. Das Team
Logistik schreibt ihm.
Dokument (Auszug).
«Lieber Michel, der Schriftsteller
Thomas Mann sagte: ‹Denken und
danken sind verwandte Wörter; wir
danken dem Leben, indem wir es
bedenken.› Es fällt uns nicht leicht,
uns vorzustellen, dass Du nach über
35 Jahren Gewerkschaftsarbeit in den
Ruhestand trittst. Du warst nie nur ein
Funktionär. Du hast Deinen Beruf
geliebt und gelebt.
Deine Art, Probleme anzugehen,
war nicht die 08/15-Vorgehensweise.
Ein kritischer Geist, Deine Analysefähigkeit,
ein strategisches Denkvermögen
und das beharrliche, bisweilen
fast sture Dranbleiben haben manch
innovativer Lösung zum Durchbruch
verholfen. Schnell und simpel, das
war nicht Dein Ding. Wohlüberlegt,
offen für Neues, oder sogar Unkonventionelles,
da warst Du in Deinem
Element.
Von lebensbejahendem Naturell
und auch ausserhalb des Berufes
vielseitig interessiert, zeichnet Dich
die Gabe aus, auf Leute einzugehen.
Mehrsprachig und anregend.
Kein Zufall, dass Du Redaktor für
die französische Ausgabe der Zeitung
der PTT-UNION warst. Lange Zeit der
einzige Romand in der Zentrale. Und
Gewerkschaftliches Urgestein: Michel Gobet
(© UniGlobal)
als Zentralsekretär hast Du die Interessen
des Postautofahrpersonals, des
Garagenpersonals und des Strassentransportes
durchgesetzt. Auch Deine
Zeit als stellvertretender Generalsekretär
der PTT-UNION ist uns präsent.
In Deinem Selbstverständnis hatte
die Vernetzung der Gewerkschaften
einen hohen Stellenwert. Dies sowohl
auf nationaler wie internationaler
Ebene. Du warst unser Aussenminister.
Das Gesicht der PTT-UNION, der
Gewerkschaft Kommunikation und
der syndicom in den internationalen
Gewerkschafsgremien.
Daneben warst Du im Verwaltungsrat
der Swisscom und der Post der
Vertreter der Arbeitnehmenden. Nicht
immer eine leichte Aufgabe, die
Balance zwischen berechtigten Interessen
der Mitarbeitenden und den
betriebswirtschaftlichen Fakten zu
finden.
Lieber Michel, wir danken Dir für
Deinen Einsatz zugunsten der Lohnabhängigen
und wünschen Dir alles
Gute.»
In Zeiten digitaler Revolution brauchen Gewerkschaften eine
besonders offensive GAV-Politik.
23
Der brandneue Swisscom-GAV
beweist: Sozialer Fortschritt geht
auch mit Digitalisierung
Economiesuisse würde den technologischen Umbruch gerne
für den sozialen Abbruch nutzen. syndicom, Swisscom und
eine aktive Belegschaft wählen jetzt einen klügeren Weg: Wir
gestalten die neue Arbeitswelt in Sozialpartnerschaft.
Noch bevor das Thema der Digitalisierung
den Weg auf die Agenda des
Bundesrates fand, forderte Economiesuisse
einen weiteren Abbau der
Bestimmungen zum Schutz der Arbeitenden.
Das erfordere der digitale
Umbau, behaupteten die Patrons.
Auch die Instrumente der Sozialpartnerschaft
seien nicht mehr geeignet,
den Anforderungen des Arbeitsmarktes
gerecht zu werden, fand die
Konzern-Lobby. Dagegen hielt der
Bundesrat im Bericht vom 7. November
2017 fest, dass die Sozialpartner
im Rahmen der digitalen Transformation
sehr wohl eine Schlüsselrolle bei
der Arbeitsmarktregulierung spiele.
Vorzeige-GAV für bewegte Zeiten
Jetzt bekräftigt der Abschluss des neuen
Firmen-Gesamtarbeitsvertrags für
die Swisscom, der am 1. Juli 2018 in
Kraft tritt, die Haltung des Bundesrates:
Es ist ein Vorzeige-GAV im Zeitalter
der Digitalisierung geworden.
Dies gelang, weil syndicom ein
ganzes Paket von Forderungen aus der
Analyse der digitalen Transformation
abgeleitet hatte. Es nahm die künftigen
Erfordernisse und Zumutungen
voraus. Ausbildung, arbeitsfreie Zeit,
Datenschutz, Mitbestimmung und
soziale Sicherung sind dabei zentral.
Wegweisende Verbesserungen
syndicom will den ökonomischen
Wandel mitgestalten. Wer das nicht
tut, hat bereits verloren, bevor der Umbau
eingesetzt hat. Chancen und
Risiken liegen nahe beieinander.
Diese Überlegungen sind die
Treiber einer offensiven GAV-Politik,
die von den Kolleginnen und Kollegen
bei Swisscom mitgetragen wird. Eine
Gewerkschaftspolitik, die nicht
reagiert, sondern agiert. Die Verantwortung
übernimmt. Und dabei
Mitwirkungsrechte gewinnt.
Die Digitalisierung ist dann eine
Chance, wenn die Sozialpartner den
Umbau gemeinsam gestalten. Im neuen
GAV stehen den Mitarbeitenden
ein Rechtsanspruch auf Aus- und Weiterbildung
zu, ein besserer Schutz ihrer
Daten sowie die Stärkung ihrer
arbeitsfreien Zeit. Die Verlängerung
des Elternurlaubs nimmt Rücksicht
auf die Bedürfnisse von jungen Mitarbeitenden.
Die Arbeit der gewerkschaftlichen
Vertrauensleute wird
durch einen umfassenden Kündigungsschutz
abgesichert.
Der digitale Umbruch bietet viele
Möglichkeiten, Wirtschaft und Gesellschaft
menschenfreundlicher und
nachhaltiger zu gestalten. Eingebettet
in die Sozialpartnerschaft minimieren
wir die Risiken und nutzen die
Chancen. (Giorgio Pardini)
In der letzten Verhandlungsrunde wurden im Swisscom-GAV starke Fortschritte fixiert (© Caro Wälti)
syndicom.ch/branchen/telecom/
Künstliche Intelligenz:
von der Fiktion zur
Realität
Isaac Asimov, Biochemiker, Sachbuch-
und Science-Fiction-Autor,
formulierte vor 70 Jahren die ersten
Grundgesetze der Robotik:
1. Ein Roboter darf der Menschheit
keinen Schaden zufügen oder
durch Untätigkeit gestatten, dass die
Menschheit zu Schaden kommt.
2. Ein Roboter darf keinen Menschen
verletzen oder durch Untätigkeit
zu Schaden kommen lassen.
3. Ein Roboter muss den Befehlen
des Menschen gehorchen, es sei denn,
die Befehle stehen im Widerspruch zu
den vorstehenden Gesetzen.
4. Ein Roboter muss seine eigene
Existenz schützen, solange dieser
Schutz nicht den vorstehenden Gesetzen
widerspricht.
Lange Zeit waren Roboter plumpe
Maschinen, die der Mensch einsetzte.
Dank modernen Techniken wie Sensorik
und künstlicher Intelligenz werden
Roboter fähig, feinmotorische Arbeiten
auszuführen und Entscheide
zu fällen, die auf den Menschen zurückwirken.
Aus ethischer Sicht muss die Verantwortung
für jedes Handeln von
Robotern weiterhin beim Menschen
liegen, denn Roboter befolgen Regeln,
die von Menschen programmiert
werden. Mit unserem Engagement tragen
wir dazu bei, dass Asimovs literarische
Fiktion zum Schutz der Menschheit
Realität wird.
Giorgio Pardini, Leiter Sektor ICT und
Mitglied der Geschäftsleitung
24 Politik
Wirtschaft 4.0: So wollen
wir leben und arbeiten
Die Arbeitenden, die sich in
der Gewerkschaft syndicom
zusammengeschlossen
haben, machen die digitale
Transformation. Tag für Tag,
ganz konkret, indem sie etwa
neue Netze bauen. Diese
industrielle Revolution wird
unsere Arbeit verändern und
darüber hinaus unsere
Lebensformen.
Nur: Wie das geschieht,
folgt nicht technischen
Zwängen, sondern wirtschaftlichen
und politischen
Entscheiden. Zwei starke
Gründe, uns eine eigene
digitale Strategie zu geben.
Am Kongress 2017 haben wir
sie diskutiert. Hier wird sie
skizziert.
Text: Bo Humair
Bilder: Creative Commons
Zum ersten Mal seit einem Jahrhundert
arbeiten wir wieder länger: Die
Wochenarbeitszeit steigt. Das ist
nicht nur ökonomisch und gesellschaftlich
absurd. Denn die Menge
bezahlter Arbeit wird weniger, also
müsste sie über die Senkung der
Arbeitszeit besser verteilt werden.
Seit dem Generalstreik galt die
stetige Gewinnung von mehr freier
Zeit als der Gang des Fortschritts
und als elementare Errungenschaft
der Gewerkschaften. Das war nichts
als gerecht, weil die Produktivität
unserer Arbeit stark wuchs.
Doch dass wir heute wieder
länger arbeiten, ist den Ewiggestrigen
vom Gewerbeverband noch nicht
genug. Sie wollen die gesetzliche
Die Digitalisierer
wollen uns 6 Tage
arbeiten lassen.
Mindestens.
Höchstarbeitszeit auf 50 Stunden
erhöhen. Also faktisch die 6-Tage-
Woche wieder einführen.
Damit liegen die Gewerbler in
einem üblen Trend: Obschon wir
die längsten Arbeitszeiten in Europa
haben, greifen neoliberale Politiker
im Dienst der Konzerne und im
Verbund mit Digitalswitzerland und
Avenir Suisse (von Swisscom
mitfinanziert) das Arbeitsgesetz an.
Drei parlamentarische Vorstösse
fordern, die Arbeitszeit zu verlängern
und zu flexibilisieren und den
ohnehin schon schwachen Schutz
der Arbeitenden abzubauen.
Das ist viel mehr als der
Versuch, zusätzlichen Gewinn aus
unserer Arbeit zu pressen. In ihren
Texten machen die Arbeitgeberverbände
klar, dass sie den digitalen
Umbau dazu benutzen wollen, die
sozialen Beziehungen auf den Kopf
zu stellen und unsere Errungenschaften
zu schleifen.
Ein zivilisatorisches Ringen
Sie wollen die Arbeitszeit verlängern.
Die Löhne senken. Die Arbeitsverträge
und die GAV aushebeln. In
der idealen Schweiz ihrer Träume
ist der fest entlöhnte Angestellte ein
Auslaufmodell. Immer mehr
arbeiten in Heimarbeit (als «Crowdworking»
oder «Tele-Arbeit» verkleidet),
in prekären Arbeitsverhältnissen,
ohne garantiertes Auskommen,
auf Abruf und ohne soziale Absicherung.
Dass dabei auch die AHV und
die anderen Sozialversicherungen
einbrechen würden, macht klar,
worum es hier geht: Diese Hardliner
haben eine andere Gesellschaft im
Sinn. Vorwärts in eine Form von
Turbo-Feudalismus. Sie haben den
Kampf um die Frage ausgerufen, wie
wir künftig arbeiten und leben
werden.
Die Technik ist ein billiger Vorwand
Schwarzmalerei? Schön wärs. Als
Gewerkschaft nehmen wir die
Strategien der Konzernlobbys, die
sie in Dutzenden von Papieren
aufgeschrieben haben, ernst. Nur ist
ihr Modell nicht unser Modell.
Die Digitalisierungs-Turbos
glauben, einen starken Hebel in der
Hand zu haben. Die technische
Entwicklung. Und damit verbunden:
die Arbeitsplätze. Diverse neuere
Studien sagen den Verlust von
vielen Millionen Arbeitsplätzen in
Roboter und Künstliche Intelligenz nehmen uns die Arbeit weg? Sehr gut, dann gewinnen wir freie
Zeit. Doch das wird Millionen Jobs kosten? Falsche Frage. Wir können dank der steigenden
Produktivität auch nur noch 25 Stunden arbeiten, die Arbeit besser verteilen und neue, bessere
Jobs schaffen. Das Ringen zwischen sozialer Digitalisierung und digitaler Barbarei hat begonnen.
25
Europa voraus, bereits in den
nächsten Jahren (nur der Schweizer
Bundesrat malt in seinem Bericht
mal wieder schön). 2055, so behauptet
die brutale Beratungsfirma
McKinsey, werde die Hälfte aller
Arbeitsstunden von Robotern
geleistet (siehe Grafiken, Seite27).
Falsche Frage, falsche Anwort
Nur wer länger arbeite, flexibler und
billiger, werde in der digitalen Welt
überleben, sagen die Konzerne. Und
manche fallen auf diesen Unsinn
sogar herein.
Ein Blick in die reale Ökonomie
(und in unsere eigene Geschichte)
klärt uns auf. Gemacht wird in einer
kapitalistisch organisierten Wirtschaft
nicht, was technisch möglich
wäre, sondern was den Aktionären
Rendite verspricht. Sonst hätten wir
längst intelligentere Verkehrssysteme.
Modulare Computer, die zehn
Jahre halten. Ökologische Energie.
Und einiges mehr.
Das ist der immense Nachteil
der Digitalisierung durch die
Konzerne. Digitale Techniken
könnten uns von schwerer oder
stumpfer Arbeit befreien. Sie
könnten uns klüger und freier
machen. Und uns dabei helfen, die
Schweiz ökologischer und gerechter
zu organisieren.
Die bessere Digitalisierung
Wie wir leben und arbeiten werden,
hängt also davon ab, ob wir eine
soziale Digitalisierung durchsetzen.
Überlassen wir sie den Konzernen
und ihren Aktionären, drohen
Massenarbeitslosigkeit und digitale
Barbarei.
Zentraler Kampfplatz der
Vierten Industriellen Revolution ist
die Arbeit. Da sind wir Gewerkschaften
kompetent. Roboter und
Künstliche Intelligenz ersetzen
menschliche Arbeit. Schlimm?
Nicht, wenn wir die hohe Produktivität
der Maschinen nutzen, um die
Arbeitszeit zu reduzieren und neue,
bessere Arbeit zu schaffen. Ein
uraltes Thema. Der soziale Fortschritt
hängt seit jeher davon ab, ob
wir die Verteilung der steigenden
Produktivität erzwingen können.
1. Schritt: Die Deregulierung
der Arbeit verhindern
Technik und
Politik sind klüger
als Ökonomie. Das
wollen wir nutzen.
Die gute Nachricht lautet: In Zeiten
technologischer und ökonomischer
Umbrüche sind die Umbauprozesse
für eine bestimmte Zeit offen und
unentschieden. Mit ihrer Attacke
auf die geordnete Arbeitsgesellschaft
versuchen die Konzerne, eilig
ein Fait accompli zu schaffen, noch
bevor sie überhaupt substanziell in
die digitalen Techniken investiert
haben: Ist die Arbeit erst einmal
dereguliert und uberisiert, sind die
Spielräume für die andere, soziale
Digitalisierung zu.
Darum werden wir jede
Aufweichung der Arbeitszeitregeln
mit gewerkschaftlichen und
politischen Mitteln verhindern.
Gegen den Versuch, die Arbeitsverträge
gesetzlich zu schwächen, um
die Schein-Selbstständigkeit zu
fördern, hat syndicom ein Modell
für einen universellen Arbeitsvertrag
entwickelt, der automatisch für
alle Arbeitsverhältnisse gilt, die
nicht durch einen GAV oder einem
normalen Arbeitsvertrag abgedeckt
sind. Notfalls werden wir ihn per
Volksinitiative durchsetzen. Für
Home-Office-Arbeiten entwickeln
wir Eckwerte, die in die GAV
getragen werden. Um die heimliche
Ausweitung der Arbeitszeit zu
stoppen, wollen wir das Recht auf
Abschalten als Norm installieren.
2. Schritt: Die Arbeitenden schützen
Arbeit in digitalen Zeiten verlangt
zeitgemässen Schutz. So muss die
digitale Steuerung und Kontrolle
der Arbeitenden, der digitale
Taylorismus, offengelegt und
gesetzlich wie im GAV reguliert
werden.
SUVA und Arbeitsmedizin
müssen auf die Belastungen und
Gefahren digitaler Arbeitsplätze
ausgerichtet werden.
Um die Sozialwerke zu garantieren,
müssen Formen gefunden
werden, die Maschinenarbeit per
Robotersteuer an der Finanzierung
von AHV, IV, ALV etc. zu beteiligen.
3. Schritt: Die gesellschaftliche
Debatte erzwingen
Der 1. schweizerische Digitaltag der
Konzerne (siehe Seite 26) machte
klar, dass die Aktionäre und ihre
Politiker einiges unternehmen, um
eine offene Debatte über die Ausrichtung
des digitalen Umbaus zu
bremsen. Wollen wir seine Chancen
packen, brauchen wir eine breite
demokratische Aussprache über die
Ausrichtung der Digitalisierung: Wo
soll investiert werden, mit welcher
Industriepolitik kann sie gesteuert
werden, wie wird die geringer
werdende Arbeit verteilt etc. Von der
öffentlichen Hand verlangen wir eine
gestaltende digitale Gesellschaftspolitik.
Wir haben beschlossen, ein
lebenslanges Recht auf Bildung und
Weiterbildung zu erwirken. Einen
stark ausgebauten und durchgesetzten
Datenschutz. Einen Produktionsfonds,
um sinnvolle Investitionen zu
finanzieren. Und einen digitalen
Service public, der digitale Techniken
und Dienste allen zugänglich
macht.
Heute aber schon ist klar:
Dieser Streit um die digitalen
Chancen wird eine harsche Auseinandersetzung.
Strategie, Thesen, alle Resolutionen im
Detail: syndicom.ch/Digitalisierung
26
Digidigihurra!
ist die neue Bürgerpflicht
90 Konzerne, ihre Lobbys,
Bundespräsidentin Doris
Leuthard und neoliberale
Politiker wollen uns digitalen
Enthusiasmus befehlen.
Da bleibt nur eine Frage:
Welche Digitalisierung
meinen sie?
Text: Oliver Fahrni
Tanzende Drohnen, moderierende TV-Roboter, abgesperrte Bahnhöfe, schrille
Inszenierungen und Wortgetöse: So intensiv wird gewöhnlich nur die
Fussball-WM vermarktet. Diesmal ging es, am nationalen Digitaltag vom
21. November, um die angelaufene industrielle Revolution. Ausgerichtet von
Digitalswitzerland, einem Zusammenschluss von Banken, Konzernen,
Verbänden, die sich Mitgliederbeiträge um 50 000 Franken leisten können.
Flankiert von Swisscom, PTT und SBB. Samt Bundesräten als Edelstatisten.
Zwar kommt die Wirtschaft 4.0 gerade dort nicht in die Gänge, wo sie
den Menschen die erhofften Vorteile brächte. Bisher wird Digitalisierung vor
allem zur Vernichtung von lebendiger Arbeit genutzt. Und selbst Topmanager
aus dem Silicon Valley warnen vor entfesselter Künstlicher Intelligenz
und marodierenden Robotern.
Dies alles würde also eine grosse Debatte verdienen. Doch einer solchen
offenen Auseinandersetzung wollten die Konzerne nun zuvorkommen, mit
ihrer Monster-Roadshow und einem 108 Seiten starken Ringier-Prospekt,
600 000-mal verteilt. Begeistert trommelte Bundespräsidentin Doris Leuthard
für die digitale Mobilmachung. Kein Problem. Alles gut. Gring ache u seckle!
Andere wollten da nicht nachstehen. PTT-Chefin Susanne Ruoff präsentierte
einmal mehr ihr «Leuchtturm»-Projekt, den «historischen Durchbruch»,
«weltweit führend»: Die Swiss-ID, die digitale Brandmarke für alle, realisiert
von Swiss Sign, einem Gemeinschaftsunternehmen von Banken, Versicherungen
und öffentlichen Betrieben. Fest im Blick: die Kundendaten.
Spam vom Chef
Wenn SwissSign-CEO Markus Naef versichert, die Daten würden «auf keinen
Fall» kommerziell genutzt und die Datenhoheit bleibe «jederzeit beim Nutzer»,
ist das bestenfalls ein Spam. Naef hofft darauf, dass die Bürgerinnen
und Bürger schon wieder vergessen haben, was sie gerade noch über den
gläsernen Menschen, WhatsApp und Google und Big Data gelesen hatten.
Klar wird eine solche digitale Identität mit Informationen beladen werden –
zum Beispiel über unsere Zahlungsfähigkeit oder unseren Leumund.
Denn das Modell der Digitalisierung durch die Konzerne beruht ja gerade
auf der systematischen Profilierung von jeder und jedem. Kein Konzern
würde sonst Geld in Projekte wie Swiss Sign investieren. Die Erfahrung zeigt:
Mit unseren Daten treiben sie jeden Missbrauch, den das Gesetz nicht explizit
verbietet und die Datenschützer nicht verfolgen. Beides ist hierzulande
schwach: das Gesetz und die Stellen, die das Gesetz durchsetzen sollten.
So soll es auch bleiben, finden die Konzernherren. Ein zentrales Mantra
des Digitaltages hiess: auf keinen Fall neue Regeln. Der Staat soll Daten
liefern, auch jene von Post und Swisscom, und er soll die Netze bauen und
teure Projekte finanzieren – aber sich sonst raushalten. Mehr: Er solle gefälligst
alle Regeln schleifen, die uns vor der Gier der Konzerne schützen, findet
Digitalswitzerland. Etwa die Arbeitszeit-Regeln. So geht die schöne neue
digitale Welt der Aktionäre. Und das Schlimmste dabei ist: Die Landesregierung
teilt diese brutale urkapitalistische Vision.
Darin war die vom Medienkonzern Ringier gesteuerte PR-Show erhellend:
Sie führte uns ihre Digitalisierung vor. Die Digitalisierung ohne die
Arbeitenden, ohne die Gewerkschaften, ohne Konsumenten und ohne die
Zivilgesellschaft. Doch Digitalswitzerland sollte wissen, dass es so nichts
wird, mit der befohlenen Hurra-Zustimmung. Und dem Bundesrat müsste
jemand sagen, dass er auf Irrfahrt ist – gerade wenn Ministerin Leuthard per
Virtual-Reality-Brille enthusiastisch die Eigernordwand durchsteigt.
Wir sind an immer mehr Systeme angehängt, die von uns Daten absaugen.
Konzerne, aber auch Regierungen nutzen diese Daten und digitale Techniken der
Automatisierung für den Totalumbau von Ökonomie und Gesellschaft.
27
Explodierende Datenmengen
16,1
163
ZETTABYTES
2016 2025
Big Data: In der digitalen Welt müssen rasch wachsende
Datenmengen verarbeitet werden. 1 Zettabyte (Zahl mit
21 Nullen) entspricht 36 000 Jahren HD-TV-Sendungen.
3 770 000 000 Menschen nutzen Internet
Amazon
339000 $
Instagram
321000
Pics
Apple
48000
Apps
Tweets
360000
pro
60
sec
Google
5200000
WhatsApp
43750000
Email
253472000
Facebook
3320000
Pro Minute werden 5,2 Millionen Suchanfragen bei Google
gestartet, eine Viertelmilliarde E-Mails versendet und
3,3 Millionen Facebook-Einträge gelikt.
600 bis 700 Megabyte an Daten erzeugt heute ein Mensch.
Täglich. Grob gesagt: 500 dicke Bücher. In drei Jahren soll
sich diese Zahl auf 1,5 Gigabyte mehr als verdoppeln. Eine
immense Datenspur.
Google erhöht seine Speicherkapazität täglich um 1 Petabyte.
Darauf würden 430 Millionen Stunden Film passen. Bei
Facebook fallen jeden Tag 4 Petabyte neue Daten an.
Noch vor wenigen Jahren wären diese Daten einfach ein
Haufen Einsen und Nullen gewesen. Heute können gigantische
Datensätze verknüpft und automatisch ausgewertet
werden. Das geht nur mit immer schnelleren und vernetzten
Rechnern, die bereits Trilliarden von Anweisungen pro
Sekunde ausführen.
Im Datenmining werden Profile von Gruppen und
Einzelnen erstellt, mit dem Ziel, unser Verhalten nicht nur zu
analysieren, sondern vorherzusagen und zu steuern.
Amazon weiss schon heute, was ich morgen bestellen werde.
Möglich machen dies komplexe Algorithmen. Die sind so
gebaut, dass sie dazulernen. Jedes Mal, wenn wir einen
Dienst benutzen, trainieren wir einen Algorithmus.
In Milliardenprojekten (wie dem Humanbrainproject der
EU unter Führung der Uni Lausanne) soll das menschliche
Gehirn simuliert werden. Mit expliziten Zielen wie medizinischen
Erkenntnissen oder dem Bau von neuronalen Computern
und impliziten Zielen wie der Verhaltenssteuerung.
Mobile Geräte sind die Voraussetzung für die intensive
Vernetzung.
66 % der Menschheit benutzen heute ein Handy.
Im Januar 2017 wurden 8 Milliarden Handy-Verbindungen
geschaltet.
37 % der Menschheit tummeln sich heute auf Social Media.
87 % der Facebook-Nutzer tun dies per Handy.
Die Zahl der Internetbenutzer ist von 2016 auf 2017 um
10 % gewachsen.
Die Roboter übernehmen
7000000
© Grafiken: Tom Hübscher, tnt-graphics
6
5
4
3
2
1
0
2012
Roboter/robots/robot
2014 2016 2019
Die Roboterzeit beginnt. Ihre Zahl wächst rasch. Mit
Sensorik und Künstlicher Intelligenz ausgerüstet, arbeitet
ihre jüngste Generation zunehmend autonom.
1 800 000 Industrieroboter waren 2016 im Einsatz, dazu
über eine Million Roboter in anderen Bereichen. Jetzt setzt
die Robotik zum grossen Sprung an. Künstliche Intelligenz
und hochentwickelte Sensoren machen sie fähig, sensible
Arbeiten zu verrichten.
Roboter übernehmen Jobs der Menschen. Noch weit mehr
Arbeitsplätze sind durch den systematischen Computereinsatz,
Big Data, Künstliche Intelligenz und Vernetzung
gefährdet.
800 Millionen Jobs sollen bis 2030 weltweit automatisiert
werden, sagt das McKinsey Global Institute.
47 % aller Jobs könnten durch die Digitalisierung vernichtet
werden, befürchtet eine Studie der Universität Oxford.
Schon in den nächsten 3 Jahren wird die Digitalisierung
5 Millionen Arbeitsplätze zerstören, glaubt das WEF.
28
Recht so!
Fragen an den syndicom-Rechtsdienst:
Guten Tag
Ich gelange an Sie, weil mein Arbeitgeber jedes Jahr einen
Weiter- und Teambildungsanlass mit anschliessendem
gemeinsamem Apéro organisiert. Der Anlass findet jeweils
am Samstag statt, damit der normale Betriebsablauf während
der Arbeitswoche nicht gestört wird. In der Einladung
zum Anlass steht, dass die Teilnahme freiwillig ist und nicht
als Arbeitszeit gilt. Der Arbeitgeber erwartet aber, dass alle
teilnehmen, und verlangt eine schriftlich begründete Abmeldung.
Muss ich am Anlass teilnehmen?
Mein Arbeitgeber vertritt die Meinung, dass für den Anlass
keine Arbeitszeit gutzuschreiben ist, da dieser freiwillig sei.
Das finde ich nicht richtig, und ich habe dies meinem Arbeitgeber
auch gesagt. Dieser lehnt aber kategorisch die
Anrechnung als Arbeitszeit ab. Ist das rechtlich zulässig?
Für den Fall, dass der Arbeitgeber meine Abmeldung nicht
akzeptieren sollte, möchte ich wissen, wie ich vorgehen
muss, damit die Dauer des Anlasses als Arbeitszeit gutgeschrieben
wird. Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort.
Freundliche Grüsse
Herr M. M., aus Basel
Antwort des syndicom-Rechtsdienstes
An einem vom Arbeitgeber als freiwillig
bezeichneten Anlass können
die Arbeitnehmenden teilnehmen
oder sie können fernbleiben. Die
Situation sieht jedoch wegen der klar
geäusserten Erwartungshaltung
anders aus. Aufgrund des Machtgefälles
im Arbeitsverhältnis gerät die
Einladung in die Grauzone zwischen
Wunsch und Weisung. Die Grauzone
wird verlassen, und es liegt definitiv
eine Weisung vor, wenn eine Abmeldung
nicht akzeptiert wird. Ich
empfehle Dir, keinesfalls dem Anlass
unbegründet fernzubleiben, sondern
Dich entweder abzumelden oder
teilzunehmen.
Der springende Punkt ist die Freiwilligkeit:
Die Teilnahme an einem
Anlass muss nicht als Arbeitszeit
gutgeschrieben werden, wenn es den
Arbeitnehmenden frei steht, fernzubleiben.
Akzeptiert der Arbeitgeber
Deine Abmeldung aber nicht, so kann
nicht mehr von Freiwilligkeit gesprochen
werden. Die Einladung wird zur
arbeitsrechtlichen Weisung, und die
Zeit muss als Arbeitszeit gutgeschrieben
werden. Das ergibt sich aus der
Bestimmung von Art. 13 Abs. 1 der
Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz,
wonach als Arbeitszeit diejenige Zeit
gilt, während der sich der Arbeitnehmende
zur Verfügung zu halten hat.
Sollte der Arbeitgeber Deine Abmeldung
nicht akzeptieren, so weise ihn
darauf hin, dass die Teilnahme in
diesem Fall nicht mehr freiwillig,
sondern obligatorisch ist. Konfrontiere
ihn mit den oben erwähnten
Bestimmungen. Sollte der Arbeitgeber
sich dann immer noch weigern,
Dir die Arbeitszeit gutzuschreiben,
dann nimm mit syndicom Kontakt
auf. Wir beraten, unterstützen und
vertreten Dich gerne.
syndicom.ch/recht/rechtso
1000 Worte
Ruedi Widmer
29
30 Freizeit
Tipps
© Sébastien Bourquin
Ein Tag, der die Welt und die
Wirtschaft lesbar macht
Ökonomen sind eine seltsame
Zunft. Sie glauben, die Gesetze zu
kennen, die die Welt regieren. Also
die Weltformel zu besitzen. Sie
sehen sich als eine Art Oberwissenschaft,
besser als Philosophie,
realer als Mathematik, wichtiger als
Biologie. Wundern muss uns das
nicht: Das Kapital beherrscht die
Welt. Es belehrt uns gerne, und seine
Ökonomen tun das auch. Dabei
ist Ökonomie, vor allem die beliebte
Betriebswissenschaft, bestenfalls
eine Hilfswissenschaft, die mit
völlig irren Annahmen arbeitet,
schlechtenfalls nackte Ideologie.
Schade. Es wäre so wichtig, mehr
zu wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge.
Doch Movendo hat
die Lösung: die Kurse mit David Gallusser
und Danièle Lenzin. Der
nächste findet am 7. März 2018 in
Zürich statt. Thema: Wie funktioniert
unsere Wirtschaft? Gallusser
ist ein Ökonom der anderen Art. Er
spricht nicht in Geheimsprache. Er
erklärt, mit sehr viel Material und
Kenntnis. Lenzin weiss alles über
Care-Ökonomie und einen feministischen
Wirtschaftsbegriff. Mit ihnen
wird das ein Tag, der die Welt
lesbarer macht.
Übrigens sind sehr viele Movendo-Kurse
bis weit in den Frühling
hinein ausgebucht. Rechtzeitig
planen lohnt sich (siehe Link).
Etwa für den Word- und Excelkurs
im April. Oder für die Gesundheit
am Arbeitsplatz im März. Oder
die Anleitung für den Umgang mit
Konflikten im Mai.
syndicom hilft dabei. Auf der
Internetseite «Mit uns auf Kurs»
(siehe Link) gibt sie eine gute Übersicht
über Movendo-Angebote und
die snydicom- und Helias-Kurse.
movendo.ch
syndicom-Übersicht; goo.gl/JCKYD8
Flanieren, trinken, hören:
kleine literarische Fluchten
Wo trifft man Gewerkschafterinnen
und Gewerkschafter an? Auf Versammlungen?
Immer mal wieder.
Auf der Strasse? Dort auch. Vor allem
aber: in Buchhandlungen. Sie
lesen noch. Das fällt auf. Es gibt die,
denen historische Romane oder
politische Analysen gefallen. Es gibt
die Eisenbahnerotiker, die sich in
Fachbuchhandlungen wie sinwel in
der Berner Lorraine an istrischen
Damplocks des 19. Jahrhunderts
begeistern. Vor allem sind einige
von uns klammheimlich Krimikenner,
Aficionados südamerikanischer
Literatur oder mit dem grossen
US-Roman per Du.
Für sie beginnt bald die schöne
Saison. Denn mit der Schriftstellerei
ist es wie mit der Popmusik: Wer
schreibt, verdient sein Geld eher mit
Auftritten und Lesungen als mit
dem Verkauf der Bücher. Darum
sind in den letzten Jahren zahlreiche
Literaturfestivals aus dem
Boden geschossen.
Kein Dorf mehr ohne Literaturtage.
Jedes Festival hat seine eigene
Ambiance. Das sind gute Orte, um
die Seele baumeln zu lassen und
nebenbei klüger zu werden, indem
man flaniert, trinkt, plaudert, hört
und liest, wandert, sich in Bergen
oder Altstädten tummelt. Dabei
sind die Literaten oft eine angenehme
Gesellschaft. Und fast immer ist
das erschwinglich. Anders als Marbella
auf jeden Fall.
Zum Beispiel am Berner Literaturfest
(22. bis 26. August). Eine
Stadt wird zur Bühne.
Zum Beispiel in Leukerbad
(29. Juni bis 1. Juli). Lesungen in
Bad und Schlucht, grossartig.
Oder Erzählzeit ohne Grenzen in
Singen/Schaffhausen (7. bis
15. April). Achtung: literarischer
Grenzverkehr.
berner-literaturfest.ch,
leukerbad: goo.gl/a9DgT3
erzaehlzeit.com
© Hartwig Klappert
Vom Sinn des Streiks
im dritten Jahrtausend
Vor einem Jahrhundert, im November
1918, fand der einzige landesweite
Generalstreik der Schweiz
statt. Unter anderem forderten die
Arbeitenden den Achtstundentag,
die Einführung des Frauenstimmrechts
und die Schaffung einer AHV.
Nach dem Zweiten Weltkrieg schlief
die Tradition des Streiks ein. Unter
dem Einfluss der Arbeitgeberpropaganda
glaubten viele sogar, Streiken
sei in der Schweiz gesetzeswidrig.
Die harte Arbeitgeberpolitik in den
1990er-Jahren zwang Belegschaften
mehrmals, den Arbeitsfrieden zu
brechen. Darauf wurde das Streikrecht
in der Bundesverfassung verankert.
Über 300-mal traten Belegschaften
seither in Ausstand. Hier knüpft
dieser Band an. Diverse Autoren
zeichnen die wichtigsten Streiks der
letzten Jahre nach: von der Basler
Zentralwäscherei über die Arbeitsniederlegung
bei Novartis am
16. November 2011 bis zum 33-tägigen
Streik in den SBB-Werkstätten
in Bellinzona. In Geschichten und
Bildern erfahren wir, dass jeder
Streik anders ist, aber in der Regel
auf Sympathie in der Bevölkerung
stösst. Kollektive Aktionen fördern
die Solidarität, sogar in Sektoren,
die keine Streik tradition kennen.
In Interviews wägen Vania Alleva,
Paul Rechsteiner und Enrico Borelli
die Zukunft des Streiks und seine
neuen Formen.
Vania Alleva und Andreas Rieger (Hg.),
Streik im 21. Jahrhundert, Rotpunktverlag,
168 Seiten, CHF 25.−
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Umfallen, Einsamkeit im Grossraumbüro?
Als starke und engagierte Gewerkschaft wehren wir uns für die freie
Berichterstattung, die Medienvielfalt, gute Arbeitsbedingungen, den
GAV und einen unabhängigen audiovisuellen Service public.
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Wir sagen NEIN zu «No Billag»
Démantèlement, monopolisation, uniformisation des médias, heures sup’
jusqu’à épuisement, newsrooms dépersonnalisées ?
En tant que syndicat fort et engagé, nous défendons le journalisme,
la diversité des médias, les bonnes conditions de travail, la CCT et le
service public des médias audiovisuelles.
Pour une société démocratique, bien informée !
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Nous disons NON à «No Billag»
Smantellamento, monopolizzazione, uniformazione dei media,
ore supplementari fino all’esaurimento, newsroom depersonalizzate?
In qualità di sindacato forte e impegnato difendiamo il giornalismo,
la diversità dei media, le buone condizioni di lavoro,
il CCL e un servizio pubblico dei media audiovisivi indipendenti.
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Diventa socio e rinforza il movimento: www.syndicom.ch
Diciamo NO a «No Billag»
32 Bisch im Bild Einige Impressionen vom Kongress der syndicom am 10. und 11. November in
Basel. Rund 400 Delegierte aus 13 Berufsfeldern und Gäste diskutierten unter
dem Stichwort Arbeit 4.O eine umfassende Strategie und ein Manifest
zum digitalen Umbau. Zudem gab sich die Gewerkschaft eine neue Leitung.
Fotografiert hat diese Bilder Fee Peper von ©Arts Vivants Produktionen. Mit einer Ausnahme: Das Foto der vier fröhlichen Damen
auf Seite 32 wurde uns zur Verfügung gestellt.
33
34
Aus dem
Leben von ...
Mario Ramlow
Der Blick fürs Technische
1967 im Berliner Osten geboren, lernte
Mario Ramlow Elektriker. Nach dem
Mauerfall erwarb er sich an der
Hochschule der Deutschen Telekom
den Diplom-Ingenieur in Nachrichtentechnik.
Seinen ersten Job fand er im
Festnetz. 2001 stieg er bei Mobilcom
in den Mobilfunk ein. Als die Firma
zuging, machte sich Ramlow selbstständig.
Die Alpine-Energie holte ihn
2005 in die Schweiz. Heute leitet er bei
Cablex als Projektmanager System
Engineering den Bereich Tunnelanlagen
im wachsenden Mobilfunkgeschäft. Er
ist Mitglied des Firmenvorstandes und
der Personalvertretung.
Text: aufgezeichnet von Bo Humair
Bild: Peter Mosimann
Das neueste Netz ist
immer schon das alte.
«Zirkelt so ein Riesenkahn in den
Hafen und macht seine Anlegemanöver,
ist das schon genial. Ich bin
gerne auf dem Wasser, ich hätte
auch Seemann werden können. Oder
Sportjournalist, wie mein Vater. Der
kam in der Welt rum. Doch ich habe
Elektriker gelernt. Es war die Zeit des
Mauerfalls, eine intensive Zeit.
Später habe ich Nachrichtentechnik
studiert. Letztendlich ist es o.k.
Ich machs halt und fühle mich wohl
dabei. Technik liegt mir. Wer das gut
macht, der steckt nicht einfach Teile
zusammen, der hat einen Blick fürs
Technische.
Der besondere Reiz besteht darin,
das ständig Erneuerte, das Unbekannte
zu verstehen und damit
funktionierende Netze für die
Menschen zu bauen. Vor ein paar
Jahren haben wir noch Koaxialkabel
verlegt, dann kam die Glasfaser. In
der Nachrichtentechnik verändern
sich die Dinge schnell. Jetzt wird mit
der 5G-Funktechnik vieles zusammenwachsen,
in hoher Kapazität und
mit rasenden Übertragungsraten. Es
geht um Gigabit/Sekunde. Wir
beginnen gerade damit. Eines lernt
man als Netzbauer: Steht ein Netz
erst einmal, wird schon das nächste
gebaut.
So wie es aussieht, wird der
Funkbereich jetzt schnell wachsen.
2018 werde alles mehr, sagt man bei
Cablex. Wir hatten eine harte Zeit.
Und die Umstrukturierung der Firma
war heftig. Als Personalvertretung
kamen wir mit unserer Mitwirkung
an Grenzen, wir wurden zwar
informiert. Aber die Ereignisse
haben uns überrollt.
Als ich in die Personalvertretung
rutschte, trat ich syndicom bei.
Darum gerissen habe ich mich nicht,
nach meiner obligatorischen
Mitgliedschaft beim Freien Deutschen
Gewerkschaftsbund damals
im Osten. In Berufen wie meinem
macht man nicht viel Aufhebens um
Überstunden oder Ähnliches. Wir
improvisieren, tüfteln, finden
Lösungen. Und muss in irgendeiner
Ecke des Landes noch eine Anlage
abgebaut werden, macht man das,
klar, auch wenn es nicht im Pflichtenheft
des Ingenieurs steht. Doch
gerade die qualifizierten Berufsleute
sollten in die Gewerkschaft. Denn
erst wenn man bei syndicom dabei
ist, merkt man, wie viel die Gewerkschaft
bringt und tut. Niemand sollte
sich da etwas vormachen: Nur die
Gewerkschaft bewirkt korrekte
Arbeitsverhältnisse. Vor allem in
Branchen, wo am Ende des Tages
schon alles anders ist als am Morgen.
Cablex wird vermutlich Leute
einstellen müssen, für den wachsenden
Mobilfunk. Wir haben viele gute
Berufsleute hier. Schweizer und
Kollegen aus diversen Ländern. Zum
Beispiel Tschechen. Sie sind gut
ausgebildet, rasch in der Auffassungsgabe
und sie arbeiten draussen
viel weg. Sie haben ihren Anteil
daran, dass das Schweizer Netz
besser ist als die Netze unserer
Nachbarn.»
syndicom.ch/branchen/netzinfrastruktur
Impressum
Redaktion: Marie Chevalley, Giovanni Valerio,
Oliver Fahrni
Tel. 058 817 18 18, redaktion@syndicom.ch
Porträts, Zeichnungen: Katja Leudolph
Fotos ohne ©Copyright-Vermerk: zVg
Layout und Korrektorat: Stämpfli AG, Bern
Druck: Stämpfli AG, Wölflistrasse 1, 3001 Bern
Adressänderungen: syndicom, Adressverwaltung,
Monbijoustrasse 33, Postfach, 3001 Bern
Tel. 058 817 18 18, Fax 058 817 18 17
Inserate: priska.zuercher@syndicom.ch
Abobestellung: info@syndicom.ch
Abopreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen. Für
Nichtmitglieder: Fr. 50.– (Inland), Fr. 70.– (Ausland)
Verlegerin: syndicom – Gewerkschaft
Medien und Kommunikation, Monbijoustr. 33,
Postfach, 3001 Bern
Das syndicom-Magazin erscheint sechsmal im Jahr.
Ausgabe Nr. 4 erscheint am 23. März 2018
Redaktionsschluss: 11. Februar 2018.
35
Das syndicom-Kreuzworträtsel
Ideal für alle, die sich verwöhnen
wollen: Zu gewinnen gibt es ein
beliebtes Cold Pack, gespendet von
unserer Dienstleistungspartnerin KPT.
Das Lösungswort wird in der nächsten
Ausgabe zusammen mit dem Namen der
Gewinnerin oder des Gewinners
veröffentlicht.
Lösungswort und Absender auf einer
A6-Postkarte senden an: syndicom-
Magazin, Monbijoustrasse 33, Postfach,
3001 Bern. Einsendeschluss: 20.2.18
Der Gewinner
Die Lösung des syndicom-Kreuzworträtsels
aus dem syndicom-Magazin
Nr. 2 lautet: GRENZGAENGER. Gewonnen
hat Peter Bohren aus Thayngen. Die
Hotelcard unserer Partnerin Hotelcard
ist unterwegs. Wir gratulieren herzlich!
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36 Inter-aktiv
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INSTAGRAM 18.12.2017
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Bilder unserer Aktionen und vieles
mehr. instagram.com/syndicom.
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Martin Schwab – Mir scheint, dass der Bundesrat eher die
Interessen der Wirtschaft vertritt als die Wüsche und
Aufträge der Bevölkerung.
WEB syndicom.ch 19.09.2017–19.12.2017
ENDE NETZNEUTRALITÄT 14.12.20177
Im offenen Web fliessen alle Daten
gleich schnell durch die Netze.
Die Trump-Regierung hat diesen
Grundsatz nun annulliert. Jetzt
kommt das 2-Klassen-Internet. Das
ist eine schlechte Nachricht
für alle Benutzer, ausser für die
grossen Provider und privilegierten
Konzerne.
Seit unsere neue Webseite online ist, hatten wir fast
124 000 Pageviews, davon 23 500 via Smartphone, und
fast 40 000 Sessions, davon 10 300 via Smartphone!
SYNDICOM KONGRESS 2017 11.11.2017
#syndicongress17 – Während unseres
Kongresses in Basel wurden unsere
Tweets mehr als 50 000-mal gelesen! Wir
waren ein Topthema in Europe!
MY.SYNDICOM 19.9.2017–19.12.2017
Das Mitgliederportal my.syndicom ging
am 20.9.2017 online, zusammen mit der
neuen Website von syndicom. Bis heute
haben sich bereits 1163 Mitglieder
registriert. Sind Sie schon mit dabei?
TWITTER – ApiyoAmolo 11.11.2017
#syndicomkongress17 – Resolution für eine kämpferische
syndicom ist ohne Gegenwehr angenommen. Yes, wir
kämpfen!
Facebook 30.11.2017
TWITTER – Paul Rechsteiner 11.11.2017
#syndikongress17 – NoBillag, das Risiko ist, die Schweiz
zu berlusconisieren!
Unser zuletzt meist gelesener und
geteilter Post war: «Syndicom
Kampagne erfolgreich! Das Postgesetz
muss überarbeitet werden!»
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STELLENAUSSCHREIBUNGEN 17.12.2017
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2,2 Mio. Männer, 2,4 Mio. Deutschsprachige,
1,2 Mio. Französischsprachige,
470 000 Italienischsprachige,
260 000 Spanischsprachige.
1,9 Mio. zwischen 19 und 30 Jahre alt.
250 000 zwischen 13 und 18 Jahre alt.