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GSa Heft 90 Mai 2005_komplett

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Thema: VERA – Die Diskussion geht weiter<br />

hen« und »neu«.) bemängelt Bartnitzky,<br />

hier werde »nichts von dem (gezeigt), was<br />

für den Lernbereich Sprachbetrachtung<br />

[…] wichtig ist. Dies nämlich sind die<br />

Denkleistungen der Kinder, die hinter den<br />

Entscheidungen für eine Wortart stehen.«<br />

(S. 12) – Zunächst: Nach wie vor ist jedenfalls<br />

auch wichtig, ob die Kinder zu richtigen<br />

oder falschen Ergebnissen kommen.<br />

Darüber hinaus ist gar nicht ausgemacht,<br />

ja eher unwahrscheinlich, dass Kinder im<br />

Rahmen eines Tests ihre Entscheidungen<br />

angemessen verbalisieren können. Sollen<br />

sie etwa einen kleinen Text schreiben?<br />

Das wäre zeitaufwändig und eine objektive<br />

Auswertung sehr schwierig. Wie<br />

seinem Anliegen im Rahmen eines Tests<br />

Rechnung getragen werden könnte, erörtert<br />

Bartnitzky leider mit keinem Wort.<br />

Vielmehr wendet er sich generell gegen<br />

das »rasch Angekreuzte« und »reines Abfragen«<br />

(S. 12), so dass erneut der Eindruck<br />

entsteht, es gehe nicht speziell um VERA,<br />

sondern um die Kritik an standardisierten<br />

Tests überhaupt.<br />

2.4 Aufgaben zur Orthografie<br />

Bartnitzky mutmaßt, die Testkonstrukteure<br />

wären auf Satzdiktate gekommen,<br />

weil sie aus ihrer eigenen Schulzeit<br />

nichts anderes kennen würden. Für die<br />

Orthografie stand nur sehr wenig Zeit zur<br />

Verfügung. Statt irgendeiner Version von<br />

Diktat hätte man z. B. auf orthografische<br />

Aspekte von »freien« Texten setzen können.<br />

Diese Option verbietet sich aber aus<br />

nahe liegenden Gründen. Daraus, dass<br />

jemand einen orthografisch einfachen<br />

Text richtig schreibt, folgt ja nicht, dass er<br />

leistungsfähiger ist als jemand, der einen<br />

orthografisch anspruchsvollen Text mit<br />

vielen Fehlern schreibt. Und: Dass unter<br />

den restriktiven Bedingungen eines standardisierten<br />

Tests auf eine Diktatversion<br />

gesetzt wird, impliziert nicht, dass nun<br />

auch in »normalen« Lernsituationen Diktate<br />

als Königsweg der Überprüfung von<br />

Rechtschreibwissen zu verstehen wären.<br />

»Jeder Satz hat seine Tücken, deshalb<br />

wurde er so konstruiert.« – Was hier,<br />

Bartnitzkys Stil entsprechend, negativ<br />

formuliert ist, lässt sich auch anders fassen.<br />

Es geht darum, Fehlerschwerpunkte<br />

auszumachen, eine qualitative Diagnose<br />

als Voraussetzung für eine gezielte Förderung<br />

zu leisten.<br />

2.5 Ein knappes Fazit<br />

Der außerordentlich scharfe Ton der Kritik<br />

Bartnitzkys an VERA erweist sich als völlig<br />

unangemessen. So blendet er Restriktionen,<br />

die mit einem standardisierten Test<br />

nun mal gegeben sind, systematisch aus<br />

und seine Lesart von Aufgaben sind zum<br />

Teil tendenziös, zum Teil auch (im Fall des<br />

Textes »Christian«) rational nicht mehr<br />

nachvollziehbar. Was Details angeht, so<br />

sind einige seiner Hinweise allerdings<br />

durchaus hilfreich.<br />

Wir finden es sehr bedauerlich, dass<br />

Bartnitzky auf die im Kontext von VERA<br />

formulierten Hypothesen über Fähigkeitsniveaus<br />

in den Kompetenzbereichen<br />

Lesen, Schreiben, Sprachbetrachtung und<br />

Orthografie nicht genauer eingegangen<br />

ist. Darüber hinaus erwähnt er mit keinem<br />

Wort, dass im Rahmen von VERA<br />

versucht wurde, Gesichtspunkten eines<br />

fairen Vergleichs Rechnung zu tragen.<br />

Es ist zu hoffen, dass seine Darstellung<br />

nicht das letzte Wort des Grundschulverbandes<br />

ist.<br />

3 Zu Selters Kritik<br />

der VERA-Aufgaben<br />

im Fach Mathematik<br />

Auch Selter hat in seinem Artikel eine<br />

Reihe von Kritikpunkten genannt, die wir<br />

als konstruktive Hinweise zur Kenntnis<br />

nehmen. Dies heißt jedoch keineswegs,<br />

dass wir mit allen genannten Aspekten<br />

einverstanden sind. Erneut kann aus<br />

Platzgründen nur auf einige wenige<br />

Punkte eingegangen werden.<br />

Selter bemängelt in Bezug auf Aufgabe<br />

2 (Arithmetik), dass »in manchen<br />

Bundesländern […] die Vorrangregel<br />

›Klammer vor Punkt- vor Strichrechnung‹<br />

erst Inhalt des 4. Schuljahres« sei und<br />

weiter, bezogen auf alle Arithmetikaufgaben:<br />

»Die Aufgabenanforderung entstammt<br />

zudem nicht dem Kernbereich<br />

des Arithmetikunterrichts der Klassen 1<br />

bis 4, so wie ihn die einzelnen Lehrpläne<br />

und die bundesweiten Bildungsstandards<br />

vorsehen.«<br />

Dies ist so nicht korrekt: Im Lehrplan<br />

Schleswig-Holsteins ist bereits für Klasse<br />

3 die Behandlung des Stoffes vorgesehen<br />

(S. 84). Für alle übrigen Bundesländer sind<br />

die Inhalte des Mathematik-Unterrichts<br />

der Klassen 3/4 im Lehrplan/Rahmenplan<br />

zusammengefasst, z. B. in der Lehrplanversion<br />

für Brandenburg (S. 36). Selbstverständlich<br />

werden nicht alle Kinder zu<br />

Beginn der vierten Klasse den gesamten<br />

Stoff kennen gelernt haben. Dass daraus<br />

nicht gefolgert werden kann, dass nur<br />

Inhalte der Klassenstufen 1/2 in einem<br />

solchen Test abgefragt werden dürfen,<br />

war oben schon dargelegt worden.<br />

Bezüglich der zentralen Aufgabe 9<br />

(Geometrie) kritisiert Selter: »… dass<br />

vernünftige Leistungen von Kindern<br />

nicht immer angemessen berücksichtigt<br />

werden. Die Figur beispielsweise durch<br />

das Anzeichnen eines zweiten Rechtecks<br />

zu erweitern und eine Symmetrieachse<br />

einzuzeichnen, ist eine produktive Leistung.<br />

[…] Nirgendwo steht aber explizit,<br />

dass man die vorgegebenen Figuren nicht<br />

verändern darf.« Die Aufgabenstellung<br />

ist jedoch eindeutig: Alle Spiegelachsen<br />

sollen (in die abgebildete Figur) eingetragen<br />

werden. Dem Arbeitsauftrag<br />

entsprechend wird es nur als vollständig<br />

richtige Lösung gewertet, wenn alle Spiegelachsen<br />

eingetragen wurden. Anders<br />

ist eine objektive Auswertung nicht zu<br />

realisieren. Wenn man erlaubt, dass die<br />

Figur verändert werden darf: Was ist dann<br />

eine richtige Lösung? Die Einzeichnung<br />

aller (also unendlich vieler) Spiegelachsen<br />

außerhalb der Figur? Der geneigte Leser<br />

ist eingeladen, selbst eine Korrekturanweisung<br />

hierzu zu entwerfen, die alle<br />

möglichen Antworten der Kinder umfasst<br />

und kategorisiert. Selter schreibt zur zentralen<br />

Aufgabe 10 (Sachrechnen/Größen):<br />

»Die Antwort C anzukreuzen, würde der<br />

(häufig in der Schule vermittelten) Alltagserfahrung<br />

entsprechen, dass große<br />

Mengen relativ gesehen günstiger sind.«<br />

Dies ist korrekt. Allerdings soll in der<br />

Schule auch über Alltagserfahrungen<br />

Hinausgehendes erlernt werden, z. B. die<br />

situationsangemessene Überprüfung<br />

solcher Erfahrungen unter Nutzung<br />

mathematischer Hilfsmittel.<br />

Abschließend ist noch anzumerken,<br />

dass die Aufgaben unter Mitarbeit von<br />

Lehrkräften und Fachdidaktikern entwickelt<br />

und auf Konformität mit den Lehrplänen<br />

und Standards überprüft wurden.<br />

Albert Bremerich-Vos, Jana Groß<br />

Ophoff, Andreas Helmke, Ingmar<br />

Hosenfeld, Sonja Wagner<br />

6 GSV aktuell <strong>90</strong> • <strong>Mai</strong> <strong>2005</strong>

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