06.02.2018 Aufrufe

soziologie heute August 2016

Das erste und einzige illustrierte soziologische Fachmagazin im deutschen Sprachraum. Wollen Sie mehr über Soziologie erfahren? www.soziologie-heute.at

Das erste und einzige illustrierte soziologische Fachmagazin im deutschen Sprachraum.
Wollen Sie mehr über Soziologie erfahren? www.soziologie-heute.at

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Wien:<br />

Solidarität mit den Opfern des Terroran-<br />

schlags in Paris im November 2015<br />

(Foto: Christian Michelides, wikimedia commons)<br />

der muslimischen Gemeinschaften<br />

voranzutreiben, braucht es auch<br />

verstärkter Anstrengungen für einen<br />

freien, offenen Dialog. Friedensreligionen<br />

stehen nicht per se - sie müssen<br />

auch dazu gemacht werden.<br />

Wie wird man eigentlich Terrorist?<br />

Motive und Beweggründe<br />

(Auszug aus: Hofer, B./Schneider, F: Die Terrorfalle -<br />

gibt es einen Ausweg? Easy Media, 2006)<br />

Die Beweggründe für Terroristen sind unterschiedlich<br />

und präsentieren sich oft als ein<br />

komplexes Gebilde aus sozialen, persönlichen,<br />

politischen, ökonomischen und religiösen Faktoren.<br />

Nur in seltenen Fällen ist ein Motiv alleine<br />

ausschlaggebend für die Entscheidung, terroristisch<br />

aktiv zu werden. Hinzu kommt noch<br />

der historische und der geografische Faktor.<br />

Für die Motive ist es mitunter ein Unterschied,<br />

in welcher Zeitepoche und in welchem geografischen<br />

Umfeld agiert wird, auch wenn letzteres<br />

in jüngster Zeit immer mehr relativiert wird.<br />

Dies gilt sowohl für das Christentum<br />

als auch für den Islam.<br />

Angst macht aber nicht nur der islamistische<br />

Terror. Berichte über<br />

bislang eher unauffällig lebende,<br />

labile Menschen, die sich zurückziehen,<br />

manchmal gar langfristig auf<br />

„ihren großen Tag“ hinarbeiten, um<br />

es schließlich allen zu zeigen: Ich<br />

nehme euch das, was euch lieb und<br />

teuer ist. Eure Kinder, eure Zukunft,<br />

eure Lebensgewohnheiten, eure<br />

Unbeschwertheit und Sicherheit, ja<br />

auch eure Ignoranz.<br />

Lernen mit der Unsicherheit<br />

zu leben?<br />

Müssen wir wirklich lernen, mit<br />

ständiger Unsicherheit zu leben?<br />

Oder haben wir diesen Lernschritt<br />

bereits hinter uns gelassen, weil<br />

uns die nun schon fast täglich vor<br />

Augen geführen Gewalttaten, die<br />

Berichte über kollektive Bedrohungen<br />

und Terrorakte, Umwelt- und<br />

Klimabedrohungen, Vulkanausbrüche,<br />

Amokläufe, Pandemien usf.<br />

zunehmend abstumpfen? Haben<br />

wir aus der Geschichte gelernt, aus<br />

den Erfahrungen mit Völkerwanderungen,<br />

Pest, Kolonialisierungen,<br />

Eroberungen, Religionskriegen, den<br />

beiden Weltkriegen, Revolutionen,<br />

Wirtschaftskrisen usf.? Oder fi nden<br />

wir uns wieder einmal im Soge historischer<br />

Wellenbewegungen, des<br />

arabischen Ländern vorwiegend als Kollektiv.<br />

Kränkungen, Benachteiligungen oder mangelnde<br />

Achtung vor der islamischen Welt werden<br />

als persönliche Kränkungen wahrgenommen,<br />

unabhängig davon, ob diese tatsächlich erfolgt<br />

sind oder nur als solche empfunden werden.<br />

Am Beispiel der Migranten lässt sich dies vielleicht<br />

am ehesten verdeutlichen. Während die<br />

erste Generation noch damit zufrieden war, einen<br />

Arbeitsplatz und eine Wohnung zu haben<br />

und Vergleiche mit ihrem ursprünglichen Heimatland<br />

anstellte, sieht sich die zweite Generation<br />

mit einer Situation konfrontiert, die nicht<br />

den von der Mehrheitsgesellschaft vermittelten<br />

Werten und Normen entspricht. Aufgrund ihrer<br />

Herkunft fühlt sich diese zweite Generation<br />

im Vergleich mit der Mehrheitsbevölkerung<br />

hinsichtlich Arbeitsplatz, Schulbildung und<br />

Einkommen benachteiligt und ausgegrenzt.<br />

Verstärkt wird diese Ansicht zudem durch die<br />

bipolare Medienberichterstattung - einerseits<br />

die oftmals negativ gefärbte Darstellung des<br />

Islam in den westlichen Medien, andererseits<br />

durch die verstärkte Zuwendung zu Medien aus<br />

eben diesen Ländern. Die Folge ist eine Verinden<br />

Familienmitglieder ein mitentscheidendes<br />

Motiv darstellt. Es ist vor allem die westlich-liberale<br />

Industrie- und Informationsgesellschaft,<br />

welche in den Alltag einfl ießt und in der eher<br />

traditionell geprägten Welt des Islam zu einer<br />

Art Abwehrrefl ex führt. Der im Überfl uss lebende<br />

„Westen“ mit seinen Verbündeten wird als<br />

Hegemonialmacht wahrgenommen, welche<br />

versucht, den Muslimen ihre Art und Weise der<br />

Wirtschaft und der Politik aufzudrängen.<br />

Persönliche Motive<br />

Persönliche Motive können insbesondere<br />

durch Erlebnisse und Erfahrungen geprägt<br />

sein, wie z.B. die Benachteiligung, Herabsetzung<br />

oder Erniedrigung von einem selbst, Familienmitgliedern<br />

oder dem nahen persönlichen<br />

Umfeld. Aber auch der Verlust von Familienoder<br />

Clanmitgliedern kann eine Triebfeder für<br />

die Entscheidung zum Terroristen sein.<br />

Soziale Motive<br />

Zum Unterschied von den westlichen Gesellschaften,<br />

wo der Individualismus vorherrschend<br />

ist, versteht sich die Gesellschaft in den<br />

Legistischer Rahmen<br />

Was hält unsere Gese<br />

Soziale<br />

Beziehungen<br />

Auf- und Niedergangs von Kulturen,<br />

Gesellschaftsformen, Stabilität und<br />

Instabilität, Ordnung und Chaos?<br />

Welche Lehren haben wir gezogen<br />

aus den Werken eines Oswald<br />

Spengler, George Orwell, Aldous<br />

Huxley, Thomas Mann, Stefan<br />

Zweig, Heinrich Böll und unzähliger<br />

anderer? 5<br />

Was hält unsere Gesellschaft<br />

eigentlich zusammen?<br />

Schon Robert K. Merton betonte:<br />

„Nur wenn das kulturelle Wertsystem<br />

bestimmte gemeinsame Er-<br />

Ökonomische Motive<br />

Gerade bei Selbstmordattentätern der Hamas<br />

oder dem islamistischen Jihad winken den Familien<br />

der Attentäter fi nanzielle Vergünstigungen,<br />

was bei der oft weit verbreiteten Armut<br />

- beispielsweise in den Palästinensergebieten -<br />

und der meist großen Anzahl der zu versorgen-<br />

Emotion<br />

Verbunde<br />

Intakt<br />

solidaris<br />

Gemeinw<br />

Staa<br />

14 <strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong> <strong>August</strong> <strong>2016</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!