soziologie heute August 2016
Das erste und einzige illustrierte soziologische Fachmagazin im deutschen Sprachraum. Wollen Sie mehr über Soziologie erfahren? www.soziologie-heute.at
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Motivation<br />
Organspende<br />
Ja? Nein? Vielleicht?<br />
von Susanne Langer, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg<br />
Seit zwei Jahren erforscht das Institut<br />
für Soziologie der Friedrich-Alexander-Universität<br />
Erlangen-Nürnberg<br />
(FAU) in Kooperation mit dem<br />
Institut für Ethik und Geschichte<br />
der Medizin der Universitätsmedizin<br />
Göttingen (UMG), was die Entscheidung<br />
gegen eine Organspende<br />
motiviert und welche Rolle die<br />
öffentliche Diskussion dabei spielt.<br />
Dafür interviewte das Projektteam<br />
60 Personen aus dem gesamten<br />
Bundesgebiet, die einer Organspende<br />
skeptisch gegenüberstehen. Zusätzlich<br />
wurden über 80 Plakatmotive<br />
von Organspende-Kampagnen<br />
analysiert. Erste Ergebnisse der<br />
Studie wurden bei der öffentlichen<br />
Podiumsdiskussion „Organspende<br />
zwischen Aufklärung und Reklame<br />
– ein Gespräch über Kampagnen,<br />
Medien und Kritik“ am Montag, 18.<br />
Juli, in der alten Universitätsbibliothek<br />
Erlangen diskutiert.<br />
Einer Umfrage der Bundeszentrale<br />
für gesundheitliche Aufklärung zufolge<br />
steht der Großteil der Deutschen<br />
einer Organspende nach dem Tod positiv<br />
gegenüber. Dennoch dokumentiert<br />
nur eine Minderheit ihre konkrete<br />
Bereitschaft, etwa auf einem<br />
Organspendeausweis. Die sozialen<br />
Gründe für diese Diskrepanz sind<br />
bislang wenig erforscht. In den Medien<br />
und der öffentlichen Debatte wird<br />
der Mangel an Spenderorganen zumeist<br />
auf den fehlenden Spendewillen<br />
der Bevölkerung zurückgeführt.<br />
„Um Zurückhaltung und Skepsis zu<br />
überwinden, wird in Kampagnen an<br />
die Bereitschaft der Menschen zur<br />
Organspende appelliert“, sagt Prof.<br />
Dr. Frank Adloff vom Institut für Soziologie<br />
der FAU. „Als Gründe für eine<br />
Verweigerung werden dabei vor allem<br />
mangelnde Informiertheit oder<br />
Misstrauen in das Transplantationssystem<br />
vermutet, ohne dass dieser<br />
Zusammenhang bisher geprüft worden<br />
wäre.“<br />
Gemeinsam mit Prof. Dr. Silke Schicktanz<br />
und Solveig Lena Hansen vom<br />
Institut für Ethik und Geschichte der<br />
Medizin der Universitätsmedizin Göttingen<br />
haben Prof. Dr. Frank Adloff<br />
und Dr. Larissa Pfaller die Motivationen<br />
für oder gegen eine Organspende<br />
nach dem Tod erforscht. In dem von<br />
der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />
(DFG) geförderten Projekt „Ich<br />
möchte lieber nicht. Das Unbehagen<br />
mit der Organspende und die Praxis<br />
der Kritik“ wurden die Ursachen kritischer<br />
Positionen ergründet, die in<br />
Interviews und Gruppengesprächen<br />
geäußert wurden. Außerdem haben<br />
die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />
die moralischen Botschaften<br />
öffentlicher Kampagnen<br />
von Gesundheitsorganisationen in<br />
den Blick genommen. Bisher wurden<br />
60 Teilnehmer interviewt und 83<br />
Postermotive analysiert.<br />
Suggestive Kampagnen erschweren<br />
freie Entscheidung<br />
Ein genauer Blick auf die Kampagnen<br />
zeigt: Obwohl sich jede Bürgerin<br />
und jeder Bürger frei entscheiden<br />
können soll, wird ihnen ein „Nein“ zur<br />
Organspende nicht leicht gemacht.<br />
Silke Schicktanz: „Organspende wird<br />
als sozial erwünschtes Verhalten<br />
Bild: http://www.organspende-info.de/downloads/24-134-18/Organspendeausweis%20ausfuellbar.pdf<br />
<strong>August</strong> <strong>2016</strong> <strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong> 29