06.02.2018 Aufrufe

soziologie heute August 2016

Das erste und einzige illustrierte soziologische Fachmagazin im deutschen Sprachraum. Wollen Sie mehr über Soziologie erfahren? www.soziologie-heute.at

Das erste und einzige illustrierte soziologische Fachmagazin im deutschen Sprachraum.
Wollen Sie mehr über Soziologie erfahren? www.soziologie-heute.at

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

„Eine Festung der Engstirnigkeit…<br />

Benutzbarkeit wird zum Kriterium…<br />

Was nicht ins Bild passt, wird ausgesperrt.<br />

Die großen Vernachlässiger.<br />

Die Kurvenanpassung mit<br />

Korrekturgliedern. Das Denken mit<br />

unverrückbaren Ausgangspunkten,<br />

und von da an wird immer ein wenig<br />

geschwindelt. Die Naturverwüstung<br />

kommt in zweiter Linie, zuerst die<br />

Menschenverwüstung, Verkarstung<br />

des Bewusstseins. Erfolg als Kriterium<br />

für Richtigkeit.“ 1<br />

I. In meinem (subjekt)wissenschaftlichen<br />

Verständnis von Wissenschaft<br />

im allgemeinen und Sozialwissenschaft<br />

im besonderen geht es – so<br />

Werner Hofmann (1968) zum Allgemeinen<br />

– zunächst formal um<br />

„methodische (d.h. systematische<br />

und kritische) Weise der Erkenntnissuche“<br />

und inhaltlich „ihrem allgemeinen<br />

Inhalt nach gerichtet: 1.<br />

auf das Erscheinungsbild der Wirklichkeit<br />

(als sammelnde, beschreibende,<br />

klassifi zierende Tätigkeit,<br />

als Morphologie, Typologe usw.); 2.<br />

als theoretische Arbeit auf Zusammenhang,<br />

Bedeutung, Sinngehalt<br />

der Erscheinungen, auf wesentliche<br />

Grundsachverhalte, auf Gesetze der<br />

Wirklichkeit. Die Erschließung des<br />

Erfahrungsbildes der Welt arbeitet<br />

der theoretischen Deutung vor; sie<br />

begründet deren empirische Natur<br />

und die Überprüfbarkeit ihrer Ergebnisse.<br />

Die Theorie aber stiftet<br />

erst die Ordnung des Erfahrungsbildes;<br />

sie erst gibt der empirischen<br />

Analyse ihren Sinn und nimmt die<br />

Erscheinungssicht vor der bloßen<br />

Form der Dinge in Hut. In diesem<br />

dialektischen Widerspiel von Erfassung<br />

und Deutung der Wirklichkeit<br />

ist konstitutiv für Wissenschaft die<br />

Theorie. Nicht immer verlangt das<br />

Verständnis von Wirklichkeit nach<br />

Theorie; doch erst mit der Theorie<br />

hebt Wissenschaft an.“ 2<br />

Genauer und zum Besonderen eines<br />

sozialwissenschaftlichen Kernbereichs<br />

und seines Handlungssinnverstehens<br />

mit Theodor Geiger<br />

(1949): „Die Soziologie kann sich<br />

nicht mit dem bloßen Registrieren<br />

menschlicher Handlungsweisen begnügen,<br />

sondern muss auch versuchen,<br />

die ihnen zugrundeliegenden<br />

subjektiven Prozesse aufzudecken<br />

und zu beschreiben.“ 3<br />

Damit ist ein wesentlicher Aspekt eines<br />

Anspruchsrahmens offengelegt.<br />

Geiger und Hofmann folgend, geht<br />

es hier um SoWiSiff, um öffentlich<br />

als Sozialwissenschaftler geltende<br />

und mit entsprechenden Stellen,<br />

Mitteln und Titeln versorgte Akademiker,<br />

die als pars-pro-toto, Teil des<br />

Ganzen, und seit Mitte des ersten<br />

Jahrzehnts im 21. Jahrhundert zunehmend<br />

fürs Ganze stehen und<br />

speziell um die, wissenschaftlich bewertet,<br />

ephemeren Texte eines USamerikanischen<br />

Modesoziologen:<br />

Professor Richard Floridas Creative<br />

Class 4 .<br />

II. Wenn sich „die Nachgeborenen“<br />

mit dem ersten Jahrzehnt des 21.<br />

Jahrhunderts und seinen PromiSo-<br />

Wis beschäftigen, werden sie auf<br />

Florida als nicht nur in Ganzdeutschland,<br />

sondern weltweit bekannten<br />

Namen stoßen. Ob diese Nachgeborenen<br />

ihn für bedeutsam genug<br />

halten werden, um sich mit seinen<br />

publizistischen Einlassungen ideologiekritisch<br />

auseinanderzusetzen,<br />

mag bezweifelt werden …<br />

Floridas These (von) der Kreativen<br />

Klasse (creative class) soll als „Wirtschaftstheorie“,<br />

so zusammenfassend<br />

das verbreitetste deutschsprachige<br />

Netzlexikon, erkannt haben,<br />

„dass die kreativen Köpfe einer Gesellschaft<br />

und die von ihnen ausgehenden<br />

Innovationen entscheidend<br />

für das ökonomische Wachstum<br />

von Regionen sind. Zugehörige der<br />

Kreativen Klasse sind in allen Bereichen<br />

der Arbeitswelt zu fi nden, entscheidend<br />

ist ihr „kreativer Output“<br />

und die daraus entstehenden Innovationen.“<br />

5<br />

Und weiter: „Florida geht davon aus,<br />

dass kreativer Output der wichtigste<br />

Faktor für Wirtschaftswachstum ist.<br />

[...] Fest steht, dass jeder Mensch<br />

ein kreatives Potential hat, jedoch<br />

muss er auch innerhalb eines Systems<br />

leben, das diese Kreativität<br />

fördert und zur Entfaltung bringt.<br />

(Florida. 2002. S. 56-57). Lange<br />

Zeit gingen die Innovationen von<br />

wenigen Einzelnen aus, die große<br />

Masse der Menschen arbeitete,<br />

ohne über ihre Arbeit nachzudenken.<br />

Dies traf besonders auf die<br />

Zeit der fordistischen Wirtschaftsordnung<br />

zu. Entstanden im frühen<br />

zwanzigsten Jahrhundert, teilte sie<br />

Wertschöpfungsprozesse in einzelne<br />

vordefi nierte Schritte ein. Das<br />

Fließband wurde zum Herzschlag<br />

der Produktion (Florida. 2002. S.<br />

62-66). Jedoch wurde dieses System<br />

ungefähr seit den achtziger<br />

Jahren großen Veränderungen unterworfen,<br />

ausgehend unter anderem<br />

von japanischen Unternehmen<br />

wie Toyota, welche erkannten, dass<br />

die Arbeiter einer Fabrik weit wichtiger<br />

für den Wertschöpfungsprozess<br />

waren als die benutzten Maschinen.<br />

Durch die härter gewordene globale<br />

Konkurrenz, gestiegenen Zeitdruck,<br />

durch kürzere Produktzyklen sowie<br />

die einhergehende Erkenntnis,<br />

dass diese Wirtschaftsordnung mit<br />

ihren vertikalen Organisationen<br />

und Hierarchien zu starr war, um<br />

diese Herausforderungen wirksam<br />

und erfolgreich zu bewältigen, entwickelten<br />

sich neue Formen der<br />

Wirtschaftsordnung. Flexibilisierung<br />

von Unternehmen, u.a. durch das<br />

Abfl achen von Hierarchien, größere<br />

Verantwortungsbereiche für Angestellte,<br />

Partizipation aller Beteiligten<br />

des Produktionskreises am Innovations-<br />

und Problemlösungsprozess.<br />

Dies führte zu tiefgreifenden Veränderungen<br />

in der Arbeitswelt. Arbeitende,<br />

die früher kein Teil des Innovationsprozesses<br />

waren, wurden<br />

nun mit eingebunden, ihr kreatives<br />

Potenzial genutzt. Durch diese Entwicklung<br />

wuchs die Zahl der „Kreativen“<br />

in der Wirtschaft beständig. In<br />

den USA beispielsweise betrug der<br />

Anteil der kreativen Klasse an den<br />

Beschäftigten etwa 10 % im Jahr<br />

1900, und vergrößerte sich nach<br />

<strong>August</strong> <strong>2016</strong> <strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong> 37

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!