E_1928_Zeitung_Nr.005
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— 1328 AUTOMOBIL-REVUE 17<br />
Der Tugendpreis. In letzten Jahre, kurz sten aus der Garderobe zu stehlen, wurde e<br />
vor Weihnachten, wurden von der französischen<br />
Akademie bekanntlich zwei Preise verhielt<br />
das Bild erst wieder, nachdem das besti<br />
gezwungen, den Raub zurückzugeben, und erteilt:<br />
Der Prix Cognacq für die Familien mi abgeschnitten war. Nicette hiess dieses Mäd<br />
vielen Kindern und der Tugendpreis, der al chen. Sein Liebhaber sei gesegnet.<br />
Belohnung für ein keusches und enthaltsame Endlich, es klingelte schon, sagte die Gar<br />
Leben -gedacht ist. Der Tugendpreis, gestiftet<br />
vor mehr als hundert Jahren von Herrn nen eine unserer Damen zeigen, die mehr al.<br />
derobenfrau: « Kommen Sie her, ich will Ih<br />
de Montyon, ist heute eigentlich nur noch alle anderen den Tugendpreis verdient.»<br />
eine ehrwürdige Erinnerung. Mit Keuschheit Hinter einem Wandschirm sass ein junges<br />
und Enthaltsamkeit können in der modernen Ding, kaum 17 Jahre alt, nackt, und strickte<br />
Zeit nur noch die Revuedichter etwas anfangen,<br />
nämlich wenn sie über diese verges-<br />
« Für den jüngsten Bruder, » sagte die Gar<br />
an einem Kinderhäubchen.<br />
senen Tugenden Witze machen. Ausser ihnen derobenfrau, «und der Vater ist krank und<br />
haben allenfalls noch die Akademiker Interesse<br />
für den Tugendpreis, denn einer de ist? Lieber Herr, zu meiner Zeit waren die<br />
sie ernährt die Familie. Ob sie tugendhaft<br />
Herren im Palmenfrack muss nach dem Wil Männer der Feder weniger dumm. Die Tu<br />
len des Stifters eine Rede halten, und fü gend sitzt ganz wo anders, als Sie Ferke<br />
diese Aufgabe ist eine gründliche Vorberei denken!»<br />
tung notwendig, wenigstens theoretisch. Dies<br />
mal war Henry de Regnier der Festredner. Gentleman bis zum Tod. Dieser Tage wurde<br />
in London die Leiche des achtzigjährigen<br />
pensionierten Obersten Yerburry obduziert,<br />
der dicht vor seinem Wohnhaus von einem<br />
Er hat seine Sache sehr gut gemacht, und<br />
die Tugend hat jetzt wieder ein Jahr Schon<br />
zeit.<br />
Ein junger Reporter aber hat zu Ehren de;<br />
Herrn de Montyon einen Gedanken gehabt,<br />
um den der Korrespondent des «Berliner<br />
Tageblattes», dem wir diese amüsante und<br />
doch so ernste Notiz entnehmen, den hoffnungsvollen<br />
Kollegen beneidet. Dieser glückliche<br />
Jüngling wollte einmal die Tugend interviewen,<br />
wo sie am schwersten zu finden<br />
ist. Er drang in die Garderobe eines grossen<br />
Revuetheaters ein, spitzte in Gegenwart von<br />
hundert nackten Mädchen den Bleistift und<br />
fragte:<br />
«Meine Damen, was denken Sie über den<br />
Tugendpreis?» Das gab ein Hallo! Das<br />
schöne Fräulein Floriane, nur mit einem dünnen<br />
Schleier umhüllt, antwortete lachend:<br />
«Das ist schon lange her, ich kann mich<br />
nicht erinnern, aber ich glaube, es war Liebe.»<br />
Eine kleine Verwechslung. Floriane dachte<br />
an den Preis für die verlorene Tugend.<br />
Louda, eine Dame vom Balkan, wusste besser<br />
Bescheid. Sie äusserte tiefsinnig:<br />
« Den Tugendpreis kriegen meistens bloss<br />
alte Jungfern. Was haben die schon davon? »<br />
Eine üppige blondine Venus verblüffte den<br />
Journalisten durch eine Frage, die schon<br />
manchen Journalisten verblüfft hat:<br />
«Haben Sie denn eine Ahnung davon, was<br />
die Angelegenheit bedeutet, mit der Sie uns<br />
anöden wollen? »<br />
Dieses Mädchen war, so was gibtes^Studentin<br />
der Philosophie gewesen. Der Reporter<br />
schämte sich, und weil ihm die Tugend<br />
für seine Leser doch als etwas zu schwierig<br />
erschien, gab er die Fragerei auf und bat lieber<br />
um die Photographien der Künstlerinnen.<br />
Diese wären für seine <strong>Zeitung</strong>!<br />
Und nun, o heilige Tugend, geschah das<br />
Wunderbare, dass alle die Mädchen, die am<br />
Abend nackt vor den Zuschauern stehen, den<br />
Tugendpreis erlangen wollten und forderten*<br />
es sollten in der <strong>Zeitung</strong> nicht mehr als die<br />
Köpfe von ihnen gezeigt werden. Als es dem<br />
Reporter gelang, die Photographie der Schön-<br />
Herz- und Leberbeschwerden,<br />
Atemnot, Arbeitsunlust, starke<br />
Brust, breite Hüften, dicker Bauch,<br />
fette Wangen, Nackenpolster,<br />
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Autotaxi überfahren worden war. Dem Lei<br />
chenbeschauer wurde mitgeteilt, dass de<br />
Oberst, bevor er starb, sagte: «Ich ging übe<br />
die Strasse, als ich überfahren wurde. Ich<br />
bin an dem Unfall ebenso schuld, als irgend<br />
ein anderer. Ich mache niemanden einen<br />
Vorwurf.» Der Leichenbeschauer lobte den<br />
Chauffeur, weil er nach dem Unglück nich<br />
davongefahren war, sondern sich bei der Polizei<br />
gemeldet hatte. Der Autolenker gab an,<br />
dass der alte Oberst auf dem Wege zur Rettungsinsel<br />
gezögert und einen Versuch gemacht<br />
hatte, umzukehren, was zur Folge<br />
hatte, dass das Auto ihn überiuhr. Der Totenbeschauer<br />
beschloss seine Amtshandlung<br />
mit dem Bemerken, Oberst Yerburry mtiss:<br />
einer der ritterlichsten Menschen gewesen<br />
sein; obwohl er tödlich verwundet worden<br />
sei, habe er sich alle Mühe gegeben, den Lenker<br />
des Autotaxis durch seinen Ausspruch<br />
von jeder Schuld .zu befreien, was in diesem<br />
Augenblick, angesichts des Todes, gewiss<br />
eine edle Tat war.<br />
Im Zeichen eines solchen Selbstheroismus<br />
dürften die Verkehrsunfallstatistiken aller<br />
Länder wohl ein gründlich verändertes Bild<br />
aufweisen, allein, noch fordert der rücksichtslose<br />
Egoismus von unschuldigen Opfern den<br />
gesetzmässig diktierten Tribut.<br />
Soviel Anklang wir mit unserem < Europa Touring<br />
»-Sprechsaal gefunden haben und soviel Fragen<br />
und Antworten uns von überall her zugegangen<br />
sind, so sind uns leider bis jetzt doch zwei Fragen<br />
aus dem Leserkeis noch nicht beantwortet worden.<br />
So Frage 2, in der ein Leser auf sechswöchiger<br />
Urlaubsreise die Hafrabaroute befahren möchte, um<br />
dann nach Schweden und Norwegen überzusetzen.<br />
Er hätte vor allem für letztere zwei Länder gern<br />
einige Winke und Ratschläge gehabt.<br />
Dann ist die Frage 10, die Auskünfte nach besuchenswerten<br />
Reisegebieten und Ratschläge für<br />
Reiserouten nach Jugoslawien wünscht, unbeantwortet<br />
geblieben. Hoffentlich findet sich doch noch<br />
in Leser, der die eine oder andere der fraglichen<br />
Gegenden kennt und Auskunft geben kann.<br />
Red.<br />
Touring Antwori 18. Gardasee. Die Gestade<br />
des Gardasees, die als äusserst beliebte Feriengebiete<br />
bekannt sind und jährlich von Tausenden besucht<br />
werden, sind erstaunlicherweise nicht ihrer<br />
;anzen Länge nach mit dem Auto befahrbar.<br />
Wer .von Brescia herkommt, wird sicher die<br />
ichöne grosse Strasse über Rezzato-Lonato nach<br />
Desenzano am Gardasee wählen. Um das Westufer<br />
kennen zu lernen, fahre man nach Saio, wobei man<br />
nur auf ganz kurzer Strecke direkt am Ufer entlangfährt.<br />
Weiter nordwärts verläuft die Strasse<br />
dann dicht am See hin. Von Salo nach Gardone<br />
scheint man wie durch einen einzigen Garten zu<br />
fahren. Ueber Maderno, Toscolano erreicht man<br />
Gargnano auf guter, breiter Strasse. Von nun aii<br />
wird aber letztere schmäler, ist aber landschaftlich<br />
immer noch sehr schön. Einige Kilometer nach<br />
Gampione schraubt sich die Strasse auf die Höhe<br />
nach dem hübsch gelegenen Tremosine, um dann<br />
wieder abzusteigen gegen den See und nach Limone<br />
sul Garda hin, das umgeben ist von reichen Zitronengärten.<br />
Weiter nach Norden hin gibt es keine<br />
Möglichkeit, dem Seeufer entlang zu fahren. Es<br />
bleibt kein anderer Weg, als wieder nach Salo<br />
zurückzufahren.<br />
Von hier wählt man den weiten, aber lohnenden<br />
Umweg über Sabbio-Vestone, entlang dem Lago<br />
d'Idro, über Lodrone, dann nach Osten hinauf durchs<br />
Val Ampola über die Wasserscheide und hinunter<br />
durch die Valle di Ledro, und man gelangt nach<br />
Riva, dem bekannten Fremdenort am Nordende des<br />
iardasees.<br />
Um das Ostufer des Sees zu erreichen, muss<br />
wieder ein Umweg gewählt werden, denn der nördlichste<br />
Teil des Ostufers ist wieder nicht befahrbar.<br />
Man fährt von Riva auf schmaler Strasse nahe dem<br />
See nach Torbole, biegt nach Norden ab, erreicht<br />
Nago und damit die grosse Strasse, die über den<br />
ago di Loppio hinüber ins Tal des Adige führt.<br />
Immer dem Flusslauf folgend, fährt man nun das<br />
Val Lagarina abwärts, rechts mit Blick auf Monte<br />
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Als Zufahrtsroute von Genf an den Gardasee mag<br />
folgende empfohlen werden: Genf, Lausanne, Martigny,<br />
Brig, Simplon, Domodossola, Pallanza, Arona,<br />
Milano, Brescia, Desenzano. F. L. in W.<br />
Touring II. Antwort 18. Gardasee. Das obere<br />
Ende des Gardasees ist nicht dem Ufer entlang<br />
befahrbar für Automobile. Wenn Sie nach Riva<br />
gehen wollen, ist der Weg von Desenzano über Salo,<br />
Vestone, dann Idrosee entlang über Staro, Pieve di<br />
Ledro zu wählen, und können Sie dann über Asco,<br />
Rovereto, Ala, St. Ambrogio nach Peschiera gelangen.<br />
Von Genf aus ist die beste Route nach dem<br />
Lago di Garda zu kommen folgende: Genf, Simplon,<br />
Locarno, Lugano, Chiasso, Como, Bergamo, Brescia,<br />
Sesenzano. Ich habe diese Tour im letzten Oktober<br />
bis nach Verona gemacht und überall ordentliche<br />
bis sehr gute Strassen angetroffen, was sonst nicht<br />
überall in Italien der Fall ist. P. Z. in N.<br />
Touring Antwort 19. Bretagne. Als beliebter<br />
Badeort der Bretagne sei La Baule genannt, 20 km<br />
westlich von St. Nazaire gelegen, mit wundervollem<br />
Badestrand. Eine Menge schönster Autotouren lassen<br />
sich von hier aus ausführen, z. B. durch dio<br />
Küstengebiete über Vannes, Lorient, Quimper nach<br />
Brest oder mehr ins Innere des Landes nach<br />
Rennes.<br />
An der Nordküste der Bretagne ist Linard ein<br />
bevorzugter und sehr empfehlenswerter Badeort.<br />
Auch von hier ist die Möglichkeit für eine Menge<br />
schöner Autotouren gegeben, man denke nur an den<br />
berühmten und sehenswerten Mont St. Michel.<br />
Zürich, Bern, Genf, Lyon, Clermont-Ferrand, Vichy,<br />
Ganz an der Westküste der Bretagne sei noch<br />
Douarnenez genannt, ebenfalls ein beliebter Badeort.<br />
Von hier aus sehr lohnend ein Besuch von<br />
Brest.<br />
Als Route, allerdings mit Umwegen, die aber in<br />
eder Hinsicht viel des Interessanten und Schönen<br />
bietet, sei von Zürich nach der Bretagne genannt:<br />
Zürich, Bern, Genf, Lyon, Clcrmont-Forrand. Virhv<br />
Nevers, Bourges, dann ins Gebiet der Loireschlosscr<br />
über Vierzon nach Blois, Orleans, Chartros (prächtige<br />
Kathedrale), Rambouillet (Sommersüz des Präsidenten<br />
der Republik), Paris, Versailles, Dreux,<br />
Verneuil, Mortagne, Alencon, Mayenne, Rönne» und<br />
von hier aus entweder nach La Baule oder nach<br />
Dinard oder Douaranenez. Ch. V. in J.<br />
Touring Antwort 20. Erzgebirge. Trotzdem das<br />
bis zu 1200 m aufsteigende und auf der Grenze zwischen<br />
Deutschland und der Tschechoslowakei gelegene<br />
Erzgebirge in landschaftlicher Hinsicht nicht<br />
,n den Schwarzwald heranreicht, und infolgedessen<br />
auch keinen so starken Fremdenverkehr aufweist,<br />
ist ein Besuch dieses Gebirges dennoch sehr zu<br />
mpfehlen. Das von Norden her sanft ansteigende,<br />
nach Süden schroff abfallende Gebirge ist von N<br />
nach S von guten Strassen durchzogen, auch am<br />
Nord- und Südrand bestehen gute Querverbindungen<br />
von W nach 0 (im S die bekannte Strasse Eger-<br />
Karlsbad-Komotau-Brüx). Mehr als die Hälfte des<br />
ebirges ist von schönem Fichtenwald bedeckt, der<br />
auf sächsischer Seite meist im Staatsbesitz sich be-<br />
Baldo, links auf die Monti Lessini, über San Amfindet<br />
(daher gute Waldstrassen). Was der<br />
Schwarzwald nicht bietet, findet sich reichlich im<br />
Erzgebirge: Bergbau auf Kohlen und Erze, Spinerei,<br />
Weberei, rege Hausindustrie, wie Spitzendöppelei,<br />
Stickerei, Spielwarenanfertigung. Die Gojirgsbevölkerung<br />
ist grossenteils arm. Vielbesucht<br />
brogio, Castelenuovo, Peschiera, erreicht man wieder<br />
den See. Die Fahrt dem Ufer entlang über<br />
Bardolino, Malcesine nach Navene (Endpunkt der<br />
Strasse) bietet landwirtschaftlich noch mehr als die<br />
andere Seeseite. Dass man für die Rückfahrt die<br />
gleiche Strasse benützen muss, wird niemand beauern,<br />
der die prachtvolle Strasse einmal kennt.<br />
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