E_1928_Zeitung_Nr.019
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Budapests ausser Ungarisch noch eine ander<br />
Sprache spricht. Nach endlosen Mühsaler<br />
und Irrfahrten, wovon uns eine, dank der Unmöglichkeit,<br />
ein riesiges Schild zu begreifen<br />
in einen Untergrundbahntunnel führte, erreichten<br />
wir endlich die Kettenbrücke und au<br />
der anderen Seite der Donau das Hotel Bri<br />
stol. Wenn manche Kleinigkeit hier nich<br />
ganz klappte, so war dies dein Umstand zu<br />
zuschreiben, dass wir uns eben dem Balkan<br />
schon näher befanden als Zentral-Europa.<br />
Mit Hilfe eines ungarischen Freundes lernte<br />
ich die Schönheiten dieser eigenartigen<br />
Stadt kennen, das Adelsviertel mit schein<br />
einzigartigen Cafe Ruszwurm, den Schwa<br />
benbers, den Zoologischen Garten und vieles<br />
andere mehr. Mit diesem Freund, der fliessend<br />
ungarisch spricht, setzte ich dann auch<br />
meine Reise durch Westungarn fort. Und ich<br />
kann es niemandem raten, die Reise Budapest-Graz<br />
ohne einen die Landessprache beherrschenden<br />
Begleiter zu unternelunen. Denn<br />
wohl waten wir mit einer wundervollen, von<br />
Königlich-Ungarischen Automobil-Club uns in<br />
freundglichster Weise gratis zur Verfügung<br />
gestellten Spezialkarte ausgerüstet. Aber was<br />
nützt die schönste Karte, wenn rechts und<br />
links unzählige Strassen abzweigen, die alle<br />
gleich breit und staubig sind und alle gleicherweise<br />
ohne Wegweiser. Für die Strecke<br />
Budapest-Graz, 350 Kilometer nach der<br />
Karte des Kgl. Ung. Automobil-Clubs, brauchten<br />
wir zwei volle Tage, und legten dabe<br />
laut Tachometer nicht 350, sondern 430 Kilometer<br />
zurück. Unzählige Male haben wir un<br />
verfahren, Auskünfte von Bauersleuten bekam<br />
selbst mein Freund nur schwierig. Das Fahren<br />
nach dem Kompass erwies sich in der<br />
ozeanartigen Ebene noch als das beste. Am<br />
besten ist es> in Tapolca, einem Nest unweit<br />
des Plattensees, zur Nacht zu bleiben. Im<br />
« Hotel » Eibeschütz bekamen wir wenigstens<br />
saubero Zimmer, wenn auch nichts zu essen.<br />
Auch BeiuLi konnten wir hier auftreiben. Unsere<br />
von Budapest mitgenommenen Mundvorräte<br />
erwiesen sich hier als sehr nützlich. Ein<br />
Abstecher an den Plattensee brachte landschaftlich<br />
herrliche Eindrücke. Berge der<br />
unwahrscheinlichsten Form wuchsen aus der<br />
Ebene auf, ein Rücken, der Sarg genannt, ein<br />
VulkaWkegel, dem Fujiama täuschend ähnlich,<br />
standen irrt violetten Licht eines unglaublich<br />
schönen, melancholischen Sonnenuntergangs.<br />
Der Plattensee lag schwach gekräuselt unter<br />
einem Himmel blasser Seide, das Schilf<br />
zischte in einem ersterbenden Wind — fern,<br />
fern von Europa und seinem Getriebe war<br />
man hier...<br />
Endlich hatten dann doch die ungarischen<br />
Zollbeamten von Szent-Gotthärd — wer<br />
kannte dich damals schon, du heute weltbekanntes<br />
Nest — den Kampf mit unserem<br />
Triptyk siegreich beendet. Mit grosser<br />
Freude hörten wir nun wieder deutsche<br />
Laute, sahen im sinkenden Tag deutsche Dörfer.<br />
Ein schmaler Bergrücken ward im<br />
Seheinwerferlicht noch überklommen und unter<br />
uns lag Graz, ein Lichtermeer. Im Hote!<br />
Steyrerhof genossen wir mit vollen Zügen<br />
wieder die Küche Oesterreichs und den Stil<br />
der reizenden alten Pensionistenstadt.<br />
Durch Steiermarks und Kärntcns wunderbare<br />
Täler, die schon in der vollen Pracht des<br />
Herbstes glänzten, zog unser Wagen über<br />
aussichtsreiche Berge, vorbei an prachtvollen<br />
Ruinen und Schlössern, durch blühende,<br />
freundliche Städte. Erst nordwärts nach<br />
Brück und dann wieder nach Süden über Judenburg,<br />
die wundervolle alte Stadt, über die<br />
sanften Pässe der Karawanken ging es, bis<br />
uns von weiter Fahrt Ermüdete Klagenfurt<br />
aufnahm, Klagenfurt, das in Lichtern strahlte.<br />
Der Revolver.<br />
Erzählung von Ernst Grossert.<br />
Also das hatte geklappt. 6 Uhr Abfahrt. Mit<br />
dem Auto liess sich dann vielleicht noch das<br />
Flugzeug erreichen. Das ging alles wie am<br />
Fädchen! Hauptsache, jetzt fort aus Basel!<br />
« Verrücktes Leben,» dachte Dieter, «treibt<br />
mich gestern der Zufall nach Basel und ausgerechnet<br />
diesen tollen Brüdern in die Arme.<br />
Na schön, ich habe mitgespielt, weil sie's<br />
durchaus wollten. Und nun sitze ich mit 450<br />
Plus im Bummelzuge. Grotesk? Spare zwei<br />
Franken Sclmcllzugszuschlag, macht also<br />
netto 452 Franken. Reingewinn, wie der alte<br />
Herr sagen würde!»<br />
Dieter blinzelte hinaus auf den Bahnsteig,<br />
der noch ganz nächtlich aussah. Die grosse<br />
Uhr schnappte die letzte Minute vorwärts.<br />
Punkt sechs Uhr. Der Rotmützige lief hastig<br />
am Abteil vorbei und pfiff.<br />
Dieter war froh, dass er allein war. Er hob<br />
seine langen Beine auf das Polster, zog den<br />
Mantel dicht an sich uud machte sich's bequem;<br />
der Zug rückte an.<br />
Aber kaum hatten die Räder sich dreiviermal<br />
gedreht, als die Coupetür aufgerissen<br />
wurde und ein grosser, kräftiger Mensch hereinsprang.<br />
Krach schlug die Türe zu. « Morgen » klang<br />
es ziemlich forsch.<br />
Dieter sagte fast ärgerlich «Guten Morgen»<br />
Es wurde gerade der Jahrestag der Abstimmung<br />
gefeiert, die Klagenfurt nicht jugoslawisch<br />
werden liess. Waren die Strassen in<br />
Ungarn durch gleiche Staubverhältnisse wie<br />
zwischen Wien und Budapest recht ordentlich<br />
eben und ohne fühlbare Löcher, so waren<br />
nun in Oesterreich die Strassen wirklich ausgezeichnet<br />
hart und glatt.<br />
Im Hotel Moser in Klageniurt hatten wir<br />
uns bald wieder gestärkt und rollten tags<br />
darauf weiter, dem Millstädter-See entlaug,<br />
von milder Herbstsonne beschienen. Nach<br />
Villach ging es weiter, dann hinauf nach Tarvis,<br />
wo wir Italiens Grenze überschritten und<br />
wo wir nach langer Zeit wieder auf die gewohnte<br />
rechte Strasscuseite überbiegen<br />
konnten. Auf der stets guten Strassc rollten<br />
wir die wilde Schlucht von Chiusaforte hinunter,<br />
um zwischen den zurückweichenden<br />
Bergen in die Poebeile hinauszuziehen und<br />
um in schneller Fahrt via Pontebba, Treviso<br />
Mestre zu erreichen. In der Garage Reale war<br />
unser Wagen bald gut verstaut, und in der<br />
sinkenden Sonne brachte das eigene Motorboot<br />
der Garage uns und unser Gepäck nach<br />
dem Lido, wo wir uns ein paar Tage Ruhe<br />
gönnten. Auf stets sehr guten Strassen sausten<br />
wir dann weiter über Padüa Viccnza an<br />
den Gardasee nach Desenzano. Ein kleiner<br />
Abstecher dem See entlang nach Maderno<br />
brachte uns zwar landschaftlich Wundervolles,<br />
aber dafür auch miserable Strassen, die<br />
auch so blieben, bis wir in Brescia wieder die<br />
grosse Strasse Verona-Mailand erreichten.<br />
Die Autostrada nahm in Mailand unserii Wagen<br />
auf, das Vollgas brachte uns schnellstens<br />
nach Sesto Calende, wo wir nun allerdings<br />
klappte unser Tachometer am Bellevue hoch,<br />
als wir uns trennten, uns die staubigen Hände<br />
schüttelten bis zur neuen Reise, bis zum neuen<br />
Start zur Grossen Fahrt.<br />
Die amerikanische AutonioblUudustrie verarbeitet<br />
14 Prozent der gesamten einheimischen<br />
Eisen- und Stahlerzeugung, 50 Prozent<br />
der Spiegelglas-, 63 Prozent der Leder-, 84,7,<br />
Prozent der Gummi-, 11 Prozent der Holz- 1 ,<br />
25 Prozent der Aluminium- und 12,7 Prozent<br />
der Kupfererzeugung.<br />
Erleichterung der Einreise in Italien. Wie<br />
die «Enit», die amtliche Verkehrszentrale<br />
Italiens bekannt gibt, beabsichtigt das Ministerium<br />
für öffentliche Arbeiten mit dem<br />
Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Inernatioilalen<br />
Konvention betreffend den<br />
Automobilverkehr vom April 1927 eine besondere<br />
Erleichterung für die Einreise von<br />
im Ausland domizilierten Automobilbesitzern<br />
u schaffen. Es soll an diese Automobilisten,<br />
die einen Wagen italienischer Herkunft besitzen,<br />
eine temporäre Einreisekarte, gültig<br />
für drei Monate, abgegeben werden, die zum<br />
Aufenthalt in Italien berechtigt, sofern der<br />
Wagen zum Privatgebrauch und zu touristischen<br />
Zwecken verwendet wird. Diese Spczialausweise<br />
würden durch alle Präfektcn<br />
des Königreichs ausgestellt und kämen dadurch<br />
Freipass, Triptyk oder Grenzpassicrscheinhefte<br />
in Wegfall.<br />
und schickte sich an, seine Beine etwas gesellschaftlicher<br />
zu gruppieren.<br />
« Lassen Sie nur,» sagte der andere, als er<br />
merkte, dass sich Dieter geniert fühlte, «ich<br />
werde mir's gleich auf der andern Bank ebenso<br />
gemütlich machen.»<br />
Dieter blieb nun in seiner bequemen Stellung<br />
und beobachtete wie der lange, kräftige<br />
Kerl seine braune Reisetasche ins Netz warf,<br />
mit einem Ruck den Gummimantel herunterzog,<br />
ihn aufhängte und sich schliesslich auf<br />
die gegenüberliegende Bank fallen liess. Das<br />
hatte alles etwas sehr Energisches. Der<br />
Fremde pustete mit aufgeworfenen Lippen<br />
wie einer, der nach strengem Lauf endlich<br />
zur Ruhe kommt. Schliesslich warf er mit<br />
einem Schwung die Beine aufs Polster und<br />
sass nun Dieter diagonal gegenüber.<br />
Der Zug schlepperte langsam an den Ka r<br />
sernen vorbei und stiess über zahllose Weichen.<br />
Dieter fühlte sich von dem Fremden fixiert.<br />
Er bemühte sich, ihn nicht zu beachten.<br />
Draussen hatten die Häuser aufgehört; man<br />
sah nichts als den milchigen Novembernebel,<br />
der einen schönen klaren Tag verhiess.<br />
Gelangweilt schweifte Dieters Blick durch<br />
das Coupe und blieb ganz zufällig an dem<br />
gelben Gummimantel des Fremden haften.<br />
Der elegante Kantonsratssohn fand die Farbe<br />
dieses Mantels einen Schein zu hell. Er liebte<br />
es, sich aus der Kleidung eine Vorstellung<br />
vom Träger zu bilden. Deshalb fasste er den<br />
AUTOMOBIL-REVUE<br />
TE-WU una MAO<br />
meine chinesischen Chauffeure.<br />
(Von einem Engländer aus Peking.)<br />
Im Reiche der Mitte ist die Chauffeurfrage<br />
sehr ernst. Das trifft besonders für Peking<br />
zu. In früheren Tagen ging die Redensart,<br />
dass alle Chinesen von besonderer Habgier<br />
und Schlauheit, die nicht Politiker werden<br />
konnten, Stallknechte wurden. Heute stimmt<br />
das nicht mehr. Heute werden sie Chauffeure.<br />
Rechts und links hört man nichts als Geschichten<br />
von Uuterschlcifungeu und Beraubungen.<br />
Der eine Wagen benötigt für höchstens<br />
sechs Meilen eine Gallono Benzin (über<br />
4,5 Liter), ein anderer kommt überhaupt nicht<br />
aus der Garage heraus, weil er andauernd<br />
reparaturbedürftig ist, ein dritter frisst unglaublich<br />
schnell und viel Schmieröl. Es gibt<br />
Leute, die gegen dieses Unwesen ankämpfen,<br />
die weitaus meisten aber geben bald den ungleichen<br />
Handel auf und lassen sich auspressen,<br />
ohne mit der Wimper zu zucken. Nur<br />
wer ohne Chauffeur auskommt, bleibt Sieger.<br />
Indes sind diese heroischen Seelen in der<br />
Minderheit.<br />
Zuweilen entsinne ich mich mit einem heitern<br />
und einem nassen Auge meines Chauffeurs<br />
Te-Wu 'seligen Angedenkens. Von Geburt<br />
ein Mandschu, erfreute er sich des hochtrabenden<br />
Namens « Krlegertugend ». Er war<br />
dick und freundlich und bestrahlte die gesamte<br />
traurige Schöpfung mit grösstcr Zufriedenheit.<br />
Er hatte zwei Leidenschaften:<br />
Essen und Kinder. Sobald der Wagen anhielt,<br />
war Te auch schon lierausgesprungen<br />
das Tempo ins Gegenteil umstellen niussteu; und stand alsbald an der nächsten Speisen-<br />
wo er mit einem Kind, das er<br />
denn bis an die Schweizergrenzc war dieverkaufsbude,<br />
Strasse so, dass uns lebhafte Erinnerungen an in seine Aermelfalten gehoben hatte, einen<br />
die Strecke Linz-Wien aufdämmerten. In Kuchen teilte. Kinder kamen überall zutraulich<br />
und ganz wie selbstverständlich zu ihm,<br />
Iselle erreichten wir nach 5 Wochen wieder<br />
Schweizerboden und Schwcizerstrasscn. Die und nie wies er eines zurück.<br />
Schönheiten aller Kantone paradierten noch Tc-Wu war insofern ein typischer Mand-<br />
vor uns, als wir über den Silnplon, Aigle, ;<br />
Saanen, Interlaken, Briinig nach Zürich zurück<br />
rollten.<br />
Den 37S2stcn Kilometer unserer Reise<br />
schu, als er ein geruhiges Dasein liebte und<br />
jedem Hader aus dem Wege ging. Alle Tage<br />
im Monat waren unsere Beziehungen von vorbildlicher<br />
Ungetrübtheit, bis auf den letzten,<br />
an dem sich der Fluch des Geldes auf Te-Wu<br />
entlud. An diesem Tage kam er mit einem<br />
eigens für diesen Anlass zurechtgelegten<br />
Diplomatengesicht au, präsentierte seine<br />
Rechnung und erzitterte unter meinem empörten<br />
Blick. Am Ende des zweiten Monats,<br />
als ich bereits Zuneigung für meinen fetten<br />
Begleiter gefasst und seine guten Eigenschaften<br />
schätzen gelernt hatte, sagte ich zu ihm: i<br />
« Du verf 1... Dieb, mich halst du mit deinen<br />
Schwindelrechnungen nicht zum Narren. Ich<br />
gebe ja zu, dass alle Chauffeure Spitzbuben<br />
sind, warum solltest du eine Ausnahme machen!<br />
In Zukunft aber versuche nicht mehr,<br />
mir etwas vorzulügen! Leg mir eine richtige<br />
Rechnung vor und sag mir, wieviel Prozent<br />
Aufschlag du nötig hast, um deinen dicken<br />
Pianos<br />
Bauch zu mästen.» Bei diesen harten Worten<br />
klärte sich das Gesicht der « Kriegertugend »<br />
auf. Er war kein Künstler im Rechnungfälschen<br />
und als Orientale ein bedauernswert<br />
unfähiger Lügner. Von diesem Tage an bis<br />
zu dem, da er mich verliess, lebten wir ungetrübt<br />
glücklich miteinander. Er legte mir korrekte<br />
Aufstellung vor und erhielt zum Ausgleich<br />
seinen Räuber- oder Erpressungssold.<br />
Als Fahrer war er grossartig. Die Strassea<br />
der Stadt wimmeln von Lahmen, Verkrüppelten,<br />
Taubstummen, Schwachsinnigen, von<br />
Schafen, Kamelen, Zicgeu, Hunden, Eseln<br />
und kleinen Kindern. Durch all dies hindurch<br />
wand er sich mit nie ins Wanken zu bringendem<br />
Gleichmut mit zwanzig Meilen die<br />
Stunde, ohne je etwas zu überfahren oder<br />
einen Abstand um Haaresbreite falsch einzuschätzen.<br />
Machte man ihm wegen seines zu<br />
knappen Vorfahrens Vorhaltungen, so auU<br />
wortete er mit der Miene gekränkter Unschuld<br />
: «Gefährlich? Zusammenstoss? hat<br />
Kriegertugeud schon einen Zusammenstoss<br />
gehabt? » Und darauf war nichts zu erwidern.<br />
Er hatte niemals Unfälle.<br />
Nur ein geheimer Stachel sass in Te-Wus<br />
feistem Fleisch. In Peking ist es allgemein<br />
anerkannte Chauffeursitte, Leute anzuspukken,<br />
die nicht schnell genug aus dem Wege<br />
gehen. Entsteht irgendwo eine Verkehrsstörung,<br />
so sieht inan die festliegenden Fahrer<br />
krampfhaft an ihren Backeutaschcn saugen,<br />
um Speichel zu sammeln, und sobald es angeht,<br />
spuckt jeder den in der Nähe befindlichen<br />
an, begleitet von einem herzhaften<br />
chinesischen Fluch. Te verlangte nun einen<br />
Assistenten, der neben ihm sitzen mid nach<br />
der Seite hin spucken sollte, die vom Chauffeurplatz<br />
aus unzugänglich war. Zu seinem<br />
Entsetzen schlug ich ihm nicht nur diesen<br />
Hilfsspucker ab, sondern verbot ihm dazu<br />
ein für allemal aufs Strengste, überhaupt zu<br />
spucken. Diese Verfügung beraubte ihn eines<br />
guten Teils seiner Lebensfreude, und er<br />
wagte kaum noch seinen Kollegen ins Gesicht<br />
zu sehen. Wie kann der Mächtige tief stürzen<br />
und seiner Kriegswaffen beraubt werden!<br />
Trotz dieses Misstons wäre Te noch heute<br />
bei mir, hätte ich das Land nicht 1923 verlassen,<br />
um einen Europaurlaub zu nehmen. Bei<br />
meiner Rückkehr holte mich Te lächelnd und<br />
heiter am Bahnhof ab. Doch fiel mir gleich<br />
etwas Gezwungenes in seinem Wesen auf.<br />
Ich fand bald heraus, dass er während meiner<br />
Abwesenheit eine Stelle bei einem chinesischen<br />
Bankier angetreten hatte. Nun waren<br />
zwar Gehalt und Erpressungsgelder an beiden<br />
Orten die gleichen, doch der Bankier<br />
speiste abends in Restaurants und besuchte,<br />
wie alle einflussreichen Chinesen, allabend-<br />
Harmoniums - Violinen - Musikalien<br />
Mandolinen, Lauten« Gitarren, Konzert- und Gitarre-<br />
Zithern, Handorgeln, Mundharmonikas, Utensilien, Saiten<br />
Stimmungen, Reparaturen, TEILZAHLUNG, MIETE<br />
Mantel genauer ins Auge. Es war nichts ungewöhnliches<br />
daran. Ein solider, ziemlich<br />
neuer Gummimantel, die eine Tasche hing<br />
schwer nach unten. Am Taschenschlitz sah<br />
man etwas Metallenes blitzen, rund und<br />
schmal.<br />
Plötzlich durchzuckte es Dieter : «Ein<br />
Revolver... Mein Spielgewinn... Dieses Einsteigen<br />
im letzten Augenblick ... Personenzug<br />
ohne Durchgangswagen... Donnerwetter,<br />
jetzt die Ruhe behalten.»<br />
Er musterte, wie absichtslos, den Fremden,<br />
der seine Mütze abgelegt hatte. Das Gesicht<br />
war ihm bekannt. Woher denn aber?<br />
« Vom Studium? vom Militär? Ach Unsinn,»<br />
sagte er schliesslich, «ein Durchschnittsgesicht,<br />
das es nicht nur einmal gibt.»<br />
Er sah wieder hinüber — da auf einmal<br />
wusste er Bescheid: Der Kellner, der heute<br />
Nacht im Spielsaal serviert hatte.<br />
Jetzt lag der Fall allerdings sehr klar, aber<br />
auch sehr bedenklich.<br />
Dieter sah sich möglichst unauffällig nach<br />
der Notbremse um. Sie war über dem Kopf<br />
des Fremden. Er prüfte den Verschluss der<br />
Türe. Sollte er sofort handeln, ehe es zu spät<br />
war?<br />
<strong>1928</strong> — No 19<br />
Flug-el<br />
TILIPHON: SELHAU 1509<br />
nuw A.BERTSCHINGER & Co., Zürich 1<br />
Ecke SteinmUnieaasse-SIhlstrastt nächst Jelmoli<br />
eben reimt sich mir zusammen, was Ihre<br />
plötzliche Unruhe bedeutet. Aber beruhigen<br />
Sie sich bitte. Ich bin auf Ihren Spielgewinn<br />
von heute Nacht wahrhaftig nicht begierig.<br />
Oder darf ich Ihnen beim Ziehen der Notbremse<br />
behilflich sein? » Das klang sehr höflich,<br />
aber Dieter hörte doch ein wenig Hohn<br />
heraus. Das ärgerte ihn.<br />
Der Fremde fuhr fort: « Wenn ich mir jetzt<br />
alle Umstände vergegenwärtige, so muss ich<br />
tatsächlich sagen, dass ich Ihre Unruhe verstehe.<br />
Aber bitte, seien Sie unbesorgt. Wir<br />
werden beide hell in Zürich landen. Sollten<br />
Sie aber doch noch Bedenken haben, dann<br />
benutzen Sie vielleicht jetzt die Gelegenheit<br />
umzusteigen Der Zu? wird sogleich halten.»<br />
Dieter war jetzt wirklich ganz beruhigt und<br />
wollte zeigen, dass er keine Memme war.<br />
Er sagte : « Sie erkennen vielleicht am besten,<br />
dass ich nicht feige bin, wenn ich Ihnen<br />
jetzt zugebe, dass ich tatsächlich Bedenken<br />
hatte. Aber wenn Sie so freundlich sein wollen,<br />
den Revolver aus Ihrem Mantel zu nehmen<br />
und mir ihn bis nach Zürich anzuvertrauen,<br />
dann kann der Rest unserer Reise<br />
vielleicht noch ganz gemütlich werden.»<br />
Der Fremde nickte uud zog aus der be-<br />
Manteltasche — eine Rciseflasche.<br />
Er war an sich nicht ängstlich und be-wussteschloss,<br />
noch zu warten, aber immer wieder Gewandt entkorkte er sie: «Also, wie wär's<br />
wechselte sein Bück zwischen der Notbremse mit einem Sehuss Scharlacher Meisterbrand?»<br />
und der Tür.<br />
Dieter hatte recht, der Rest der Reise<br />
Auf einmal lachte der Fremde kurz auf und wurde wirklich noch sehr gemütlich.<br />
sagte sehr freundlich: «Entschuldigen Sie,