E_1929_Zeitung_Nr.043
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Bern, Dienstag 14. Mai <strong>1929</strong> III. Blatt der „Automobi-Revue" No. 43<br />
Im heutigen<br />
„Autler-Feierabend":<br />
Seite<br />
Frühling am Bergsee 13<br />
Wenn man eine Panne hat 13<br />
Feuilleton 13<br />
Pariser-Banlieus 14<br />
Die Seite der Frau 15<br />
Die Modedame 15<br />
So oder so? 16<br />
Autlers-Kreuzworträtsel , 17<br />
Karl Friedrich Wiegand<br />
über die Schweiz<br />
»Noch heute verbindet die ob ihrer hohen<br />
lebten, blühten die Frühlingsblumen wie<br />
gen. Item, auch sie haben keine Zeit für dieheute. Ewig, in ewig gleichem und ewig seligem<br />
Spiel am Herzen der grossen Mutter.<br />
Poesie. Die Poesie ist ihnen keine innere<br />
Notwendigkeit, kein a priori vorhandenes<br />
T Als Menschen auf diesem Berge noch nicht<br />
AÜertümlichkeit ehrwürdige Mundart in derMilieu ihrer Seele.<br />
Hütten bauten, standen schon sturmerprobte<br />
Schweiz reich und arm, Vornehme und Geringe,<br />
Stadt und Land, Gelehrte und Ungeeten,<br />
denen die Poesie nur Geschäft ist. im Tale.<br />
Es gibt doch schon so viele moderne Po-<br />
Tannen, alte, graue, und sahen den Frühling<br />
lehrte zu einer Gemeinschaft und bildet da-<br />
Allerdings: mit dem Rentabilitätsgedanken<br />
durch zähes und nachhaltiges Band für die<br />
Erhaltung der Volkssitten, zur Wahrung der<br />
nationalen Eigenart u. Abgeschlossenheit (Eugen<br />
Frühe). Dieses Wort, für die Sprache der<br />
Eidgenossenschaft gesprochen, prägt die<br />
herrliche Selbständigkeit des eigenartigsten<br />
Volkes im deutschen Sprachbezirk in der<br />
besondern Art, wie es denkt, redet und<br />
schreibt. Es,gilt also nicht nur für das gesprochene<br />
Wort, sondern auch für die Sprache<br />
der Wissenschaft, der Kunst- und Naturbetrachtung<br />
und der Kritik. So sehr man<br />
gewillt ist, in der Eidgenossenschaft den<br />
^Kantönligeist» zu bekämpfen, meist jedoch<br />
dort, wo man auf Rechnung der Kantone<br />
für das grössere Vaterland und die Allgemeinheit<br />
sich einsetzt—so sehr muss man hervorheben,<br />
dass gerade innerhalb der Kantone<br />
jene kultwelle Eigenart gßpflegt wird, die<br />
das vorwiegend Schweizerische bedeutet, es<br />
deutlich unterscheidet von allem Nichtschweizerischen,<br />
jene Vielfältigkeit in def<br />
Einheit, die schon Gottfried Keller als Reichtum<br />
gesegnet hat, obwohl er in entscheidenden<br />
Fragen wettbürgerüch dachte. « Die<br />
Sprache ist die Scheide, in der das Messer<br />
des Geistes steckt», sagt Luther. Der geweckte<br />
Verstand und die abwägende Klugheit<br />
dieses Volkes, die sich auch in politischen<br />
und militärischen Fragen, in den Aeusserungen<br />
seiner Staatsmänner und Soldaten erwiesen,<br />
ergeben in Rede und Schrift eine gebändigte<br />
Fülle von Farbe, Korn und Schrot,<br />
eine Abneigung gegen die abgegriffene<br />
Münze, gegen das sprachlich Alltägliche,<br />
die natürlich am stärksten dort zutage treten,<br />
wo die Sprache in den Dienst der Kunst,<br />
Der Fall Cranmore<br />
Fortsetzung aus dem Hauptblatt.<br />
Er fuhr herum. Boulot kam wie ein Jagdhund<br />
hereingelaufen, den Kopf fast auf dem<br />
Boden, mit der Lampe rechts und links absuchend.<br />
Am Treppenhaus kam er zu einem<br />
plötzlichen Halt, zögerte ein© Sekunde,<br />
sprang dann die Stiege hinauf und verschwand<br />
oben.<br />
Mr. Mallow drehte den Hals, brachte ihn<br />
dann wieder in seine richtige Lage und<br />
schnüffelte hörbar. Er sagte kein Wort, aber<br />
ein Psychologe hätte aus dem Schnüffeln<br />
ein Urteil herausgehört, wie es so oft die Arbeit<br />
der Diplomaten erschwert. Manderton<br />
schwieg und füllte wieder einmal seine<br />
Pfeife.<br />
Boulot erschien wieder. Man hörte seine<br />
Schritte auf der Treppe, aber diesmal langsam<br />
und zögernd. Mit der Lampe leuchtete<br />
er sorgfältig alle Stufen ab. Am Ende der<br />
Treppe machte er halt.<br />
Frühling am Bergsee<br />
Frühling ist, wenn ich Mist fahre, sagt der<br />
Bauer nebenan. Man sieht, dass er wenig<br />
Poesie hat. Er hat keine Zeit für die Poesie.<br />
Aehnlich wie der Bauer reden die meisten<br />
Menschen. Sie reden zwar nicht vom Mist,<br />
da sie mit diesem unmittelbar wenigstens —<br />
nichts zu tun haben. Aber sie von ihren Geschäften,<br />
von ihren mordänen Unterhaltun-<br />
in der Brusttasche steht der Mensch dem<br />
Frühling sehr hilflos gegenüber. Fremd! Das<br />
ist die grösste Hilflosigkeit.<br />
Was will der Frühling bei solchen Menschen?<br />
Er weiss gar nichts mit ihnen anzufangen.<br />
Es ist gut, dass er ihretwegen nicht<br />
kommen muss, sonst bliebe er auf fernen<br />
Sternen.<br />
Je älter die Menschheit wird und je gescheiter,,<br />
desto weniger versteht sie das<br />
grosse Geheimnis des Frühlings. Habt ihr<br />
je schon eine alte Fühlingsblume gesehen?<br />
Niemals! Ringsum auf den Wiesen und an<br />
den Waldrändern blüht es. Und alles, was<br />
da blüht, ist sehr jung. Eine junge Jugend.<br />
Sp will es die Natur. Bei den Menschen aber<br />
ist die Jugend heute oft schon alt. Es.sind<br />
Bhtmen, die in den Sommer gehören und die<br />
unter dem Schnee des ersten Frühlings<br />
schon welken.<br />
Ob wohl die Jugend von heute noch dichtet,<br />
wenn der Frühling kommt? Jene Gedichte,<br />
die stille sterben, bevor der Sommer<br />
glüht. Die das an Ahnungen reiche, an Erkenntnissen<br />
arme Leben damals, als man<br />
Wehmut noch für Glück hielt und Glück<br />
noch für Wehmut, schmückten, erfüllten und<br />
zum Erleben wandelten!<br />
Es waren schlechte Gedichte, die wir einst<br />
machten. Und doch waren es herrliche Gedichte,<br />
denn in ihnen raunte das Erinnern an<br />
ein Urgefühl. Es waren Geheimnisse. Man<br />
wäre rot geworden, wenn jemand diese Gedichte<br />
vorgelesen hätte.<br />
Aber vielleicht gibt es diese Jugend heute<br />
nicht mehr. Die Menschheit altert in Sprüngen.<br />
Oft in fünfzig Jahren mehr als dann in<br />
«Pst!» rief er Manderton zu.<br />
Der Engländer gesellte sich achseäzuckend<br />
zu ihm.<br />
«Nirgends Blut,» flüsterte der Franzose,<br />
«aber es muss doch welches da sein. Bei<br />
Messerstichen gibt's immer viel Blut. Ich erinnere<br />
mich an Caserio, der den armen Präsidenten<br />
Carnot erstach — er war gebadet<br />
in Blut. Und auf dem Kleide von Madame<br />
war alles voll Blut. Wenn's hier geschehen<br />
ist... und es ist hier geschehen... dann<br />
müssen wir Spuren finden. Ah...!»<br />
Es war, als ob er in die Luft spränge, so<br />
schnell schoss er auf den äussersten linken<br />
Winkel des Korridors zu. Manderton war erstaunt<br />
über die Beweglichkeit dieser plumpen<br />
Gestalt. Boulot kniete schon auf dem<br />
Boden und Hess die Strahlen seiner Lampe<br />
über die weissen Randfliesen gleiten.<br />
Er wandte den Kopf und rief über seine<br />
Schulter Manderton zu: «Ich sagt's Ihnen ja!<br />
Da schauen Sie her!»<br />
Auf der Steineinfassuing zeigte sich ein<br />
dunkelbrauner Fleck.<br />
• lavier ywald<br />
der Kunstbetrachtung, der Anschauung und<br />
des Gefühls tritt. Der aufgebrochene Ackerboden<br />
empfängt keine Spreu, sondern ich<br />
möchte sagen: an der Höhenluft getrockneten<br />
Samen, der aufbricht in der Farbe der Jurawiese,<br />
in dem Duft der Alpenweiden, in den<br />
knorrigen Hochgebirgswäldern. Die Landschaft<br />
hat dieses Volk und seine Sprache geboren<br />
und in den Tälern, abgeschlossen von<br />
der grossen Welt, herrlich bewahrt.<br />
Von Franz<br />
Carl Endres<br />
fünfhundert. Daran denke ich am Ufer des<br />
Bergsees. Der Frühling in der Natur ist<br />
heute wie vor hunderttausend Jahren.<br />
Schüchtern zuerst und geheimnisvoll. Im<br />
Ahnen sommerlichen Werdens ein göttliches<br />
Kind !<br />
Als Menschen an diesem See noch nicht<br />
Im ewigen Wiederkommen liegt das Geheimnis.<br />
Und der Frühling ist sein Bote.<br />
Zwei Kinder sitzen'am Ufer des Sees auf<br />
einem alten, an das Land gezogenen Fischerkahn.<br />
Und spielen mit Blumen. Das<br />
Mädchen windet einen Kranz aus Kätzchen<br />
der Haselnuss und setzt ihn auf den Lockenkopf<br />
des Buben.<br />
Es ist ein ganz ernstes Spiel. Und die<br />
beiden Kinder sind heilig, denn sie wissen<br />
nicht, dass sie im Spiele das Geheimnis des<br />
Lebens offenbaren. Und der Frühling liegt<br />
hinter dem Hag, schaut ihnen zu und lacht.<br />
Ich weiss es, denn ich habe ihn liegen gesehen<br />
und lachen gehört. Er hebt den Arm<br />
und eine Lawine saust donnernd von den<br />
Höhen in das Tal. Er blickt auf die Almwiesen<br />
und vor der Wärme seines Augenstrahls<br />
flieht schmelzend die eisige Decke<br />
des Winters.<br />
Warum ist das tausendmal Wiederkeh-<br />
-tende, tausendmal-Erzählte, tausendmal Bei'<br />
obächtete immer wieder hinreissend? Warum<br />
ist wieder die Sehnsucht auch in alten<br />
Herzen, wenn der Frühling kommt?<br />
Ich glaube, die Gelehrten haben dafür<br />
fürchterliche Erklärungen. Und sie werden<br />
weiter erklären und zergliedern und sezieren,<br />
bis endlich die Sehnsucht tot ist. Aber<br />
auch dann wird der Frühling lachen. Was<br />
kümmert es ihn, wenn die Menschen zu gescheit<br />
geworden sind? Ihn, der seit Millionen<br />
von Jahren jung ist und in Ewigkeiten jung<br />
sein wird?<br />
Er liegt hinter dem Hag und freut sich<br />
der Kinder, die ihm ähnlich sind, und er<br />
lacht und lacht.<br />
«Da ist kein Irrtum möglich!» wisperte<br />
der Franzose eifrig. «Wie oft hab ich's früher<br />
auf dem Kopfsteinpiaster von La Roquette<br />
gesehen, wenn das Beil gefallen war.<br />
Deiblers Leute haben's nie wieder ganz wegwaschen<br />
können . . . Tiens regardez!»<br />
Mit der Lampe folgte er dem Fleck zum<br />
Rande des Fliesenmusters, wo er in eine<br />
dunkle Flüssigkeit überging, die auf den hier<br />
roten Fliesen kaum zu erkennen war. Er<br />
tauchte die Hand in die Flüssigkeit und hielt<br />
sie unter die Lampe. Von den Fingern träufelte<br />
es rot.<br />
Manderton sprang auf die Ateliertür zu.<br />
«Können Sie's aufbringen, Mallow?» rief er,<br />
«sonst muss einer von euch im Auto zu der<br />
Station und den Schlosser holen . . .»<br />
«Ich glaub, 's wird schon gehen,» krächzte<br />
der Strohhut. «Knips mal das Deckenlicht<br />
an, Smith!»<br />
Ein paar Minuten arbeitete der «Strohhut»<br />
mit einem Stück Kupferdraht am Schloss<br />
herum. Dann gab's einen leisen Schnapplaut<br />
und die Tür flog auf.<br />
(Fortsetzung folgt.)<br />
Der Frühlingsausflug nach<br />
Blühet in vollster Pracht<br />
Wenn man eine<br />
Panne hat<br />
Von Tristan Bernard.<br />
Der Wagen, der sich genau in der Mitte<br />
der Strasse hält, macht plötzlich langsam<br />
halt und neigt sich ein wenig zur Seite.<br />
«Ich glaube, wir haben eine Panne», meint<br />
der Chauffeur ganz friedlich. Das Wetter<br />
ist schön und milde. Man fühlt nach langen<br />
Stunden das unabweisliche Bedürfnis, ein«<br />
Zigarette zu rauchen, was wegen der mitreisenden<br />
Damen bisher unmöglich war.<br />
Eine Panne bei schönem Wetter ist, vorausgesetzt,<br />
dass man es nicht eilig hat, plaudert<br />
Tristan Bernard in einer Wiener <strong>Zeitung</strong>!<br />
über seine automobilistischen Erlebnisse,<br />
etwas sehr Schönes. Denn nur durch solch«<br />
Pannen lernt man die Landschaft einigermassen<br />
kennen. Der Chauffeur ist natürlich<br />
nicht dieser Meinung, da er auf dem Rücken<br />
liegend recht komplizierte Reparaturen<br />
durchzuführen hat. Oft findet der erzwungene<br />
Aufenthalt auch in der Nähe eines<br />
Wirtshauses statt, wo man darauf warten!<br />
kann, dass der Chauffeur sich nach getaner<br />
Arbeit mit uns bei einem Bier vereint. Das<br />
sind die friedlichen Freuden der Autofahrten.<br />
Eine Panne allerdings ist mir unangenehm<br />
im Gedächtnis geblieben. Es war eine Alpentour.<br />
Wir keuchten den Mont Cenis hinauf,<br />
nachdem wir Modane und Lanslebourg hinter<br />
uns gebracht hatten. Der Frühling war<br />
zwar schon angerückt, aber im Tal war er<br />
noch wenig, in den Bergen gar nicht zu spüren.<br />
Die Strasse war ziemlich schlüpfrig und<br />
die Sonne zu faul, um Strahlen auszusenden;<br />
so war die Strasse bald fast vollständig in<br />
Nacht getaucht und der Herrschaft dieser<br />
dunklen Macht überlassen.<br />
Mai<br />
Die Felder werden grün und farbensatt,<br />
Es lockt die Menschen aus der Stadt.<br />
In vielen fängt zu tiefst es jetzt zu<br />
[glühen an...<br />
Und andre macht der Frühling schwach<br />
[und matt,<br />
Und ihre Sinne dumpf und schwer.<br />
Bei all dem geh ich nebenher<br />
Und wandere durch Stadt und Land<br />
Und freue mich am blauen Band,<br />
Das jetzt der Frühling flattern lässt.<br />
Und doch ergreift auch mich das Blühen<br />
Beim Wandern durch die grünen Auen:<br />
Ich spüre es als weiches Ziehen —<br />
Nach fremden Ländern, Menschen — —*<br />
Und nach fremden Frauen.<br />
Ko.<br />
u»'»-wi«-» wi<br />
Ein<br />
Auto-Koffer<br />
hilft mit, eine Reise in Ihrem Wagen<br />
angenehm zu gestalten.<br />
MODELLE AM LAGER.<br />
SPEZIALANFERTIGUNGEN.<br />
ALFRED JCHMII)<br />
FGIN6 LEDERWAREN«. RBSEitNlMb-<br />
ST.GAL1EN<br />
SPEISERGASSE -H