E_1929_Zeitung_Nr.067
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N« 67 — <strong>1929</strong><br />
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EDEOEQ EPCR/0S\IU<br />
Als Arztfrau am Volant<br />
In unserer «Seite der Frau» ist schon viel<br />
von der Damenfahrerin oder vom Sportgirl<br />
die Red© gewesen, und wir haben als fortschrittliches<br />
Blatt (Automobilismus = Fortsehritt!)<br />
manch© Lanze gebrochen für die<br />
Rechte der Frau. Es ist aber oft so, dass<br />
wenn <strong>Zeitung</strong>en in der weiten Oeffentlichkeit<br />
um Anerkennung kämpfen, Menschen in<br />
aller Stille ein fortschrittliches Werk vollbringen.<br />
Während andere auf die Bewegung<br />
der Massen warten, schreiten einzelne wie<br />
Pioniere allein voran. Dies ist mutig und<br />
willensstark, wo es sich um die Erkämpfung<br />
von neuen Rechten handelt, aufopfernd und<br />
herrlich aber, wo es um neue Pflichten<br />
und, wie in nachstehendem Falle, um Hilfe im<br />
aufreibenden Berufe des Mannes geht. Frau<br />
Alice Ott-Bolz, Zürich, hat kürzlich, wie die<br />
<strong>Zeitung</strong>en melden, ihren Mann zum 30000.<br />
Krankenbesuch gefahren — gewiss ein selten<br />
schönes Jubiläum. Ueber ihre Erlebnisse als<br />
Kameradin an der Seite ihres vielbeschäftigten<br />
Gatten hat die tapfere Arztfrau selbst<br />
einen fröhlichen und erfrischend schlichten<br />
Aufsatz geschrieben. Wir entnehmen ihren,<br />
im « Bund » erschienenen Auto-Memoiren :<br />
Am Volant sitzen und seinen Mann zu den<br />
Kranken fahren ist wirklich etwas ganz anderes,<br />
als über die glatte Landstrasse fliegen<br />
und in Baden, Rapperswil, Einsiedeln, Zug<br />
oder Luzern zur Belohnung ein gutes Nachtessen<br />
serviert bekommen und vielleicht<br />
noch mit Kräbeli, Rapperswiler Stadtrösli<br />
und andern schönen Dingen beladen, zurückkehren.<br />
Das Fahren durch unsere schmalen Strassen<br />
und Gassen erfordert, besonders des<br />
Abends, eine solche Konzentration, die ein<br />
Arzt neben seiner beruflichen Tätigkeit unmöglich<br />
aufbringen kann. Ich halte es für<br />
ausgeschlossen, dass ein vielbeschäftigter<br />
Arzt hemmungslos seinen Wagen selbst zu<br />
lenken vermag. Und die Beobachtungen und<br />
Betrachtungen, die ich während meiner<br />
Wartezeit mache, sind so interessant und<br />
vielseitig, dass ich bisher noch nicht bereut<br />
habe, zu diesem Entschluss gekommen zu<br />
sein.<br />
* * *<br />
AUTOMOBIL-REVUE<br />
Viele liebe Bekannte begegne ich. Da ist<br />
mein Lumpenmann, der schwerhörig im ganzen<br />
Quartier herumstottert. Er fährt mit<br />
Vorliebe mit seinem Handwägelchen mitten<br />
auf der Strasse, um im allerletzten Moment<br />
recht und rechts auszuweichen.<br />
Das Fahren am Abend ist viel schwerer,<br />
das Warten aber bedeutend interessanter.<br />
Wie viele innige Küsse habe ich gesehen<br />
(bleib ruhig, mein Kind) — wie viele leichtere<br />
gehört! So viee Seufzer und Schwüre<br />
wurden losgelassen. Die Küsse waren immer<br />
echt — aber die Schwüre?!<br />
* * *<br />
Auch meinem Musikbedürfnis wird Rechnung<br />
getragen. Die ungarische Rhapsodie<br />
hörte ich selten so schön spielen, wie auf<br />
einem mir längst wohlbekannten elektrischen<br />
Klavier im Aussersihl. In der «neuen<br />
Welt» «liegt's in der Luft». Wieder an einem<br />
andern Warteort lerne ich die schönsten<br />
Schweizerjodler auswendig, weil dort<br />
ein Jodlerklub Probe hat und die eine Strophe<br />
immer tind immer wiederholt wird.<br />
* * *<br />
Aus traurigen Gedanken werde ich herausgerissen,<br />
wenn nach Dutzenden von<br />
Krankenbesuchen beim Warten ein wohlmeinender<br />
Fussgänger ruft: «Fahr doch mal,<br />
wenn du kannst.»<br />
* * •<br />
Am Samstag wird mit dem Staubtuch gewinkt<br />
und mit dem Besen gedroht — und<br />
alles Gute kommt von oben auf mein schuldloses<br />
Haupt und auf mein armes Citrönchen.<br />
Das saubere Wasser fliegt gegen die Haustür,<br />
das schmutzige gegen das Auto — denn<br />
jedes Mädchen macht heut rein.<br />
* * *<br />
Wenn die Augen müde werden, dann<br />
schneide ich Fratzen. Fressende Kaninchen<br />
nachmachen gilt als Massage. Die Augen<br />
kullern ä la Josephine Backer verhütet das<br />
Einschlafen. Versuchen Sie es selber. So<br />
lange Sie kullern, schlafen Sie nicht.<br />
* * *<br />
- Wenn ich einmal die Strasse satt habe,<br />
lege ich mich für einen Tag ins Bett. Der<br />
Herr Gemahl macht dann seine Besuche mit<br />
dem Tram. Und wie kommt er zurück. Er<br />
schimpft auf das Tram, auf die Menschen,<br />
auf die Zeit, auf alles. Ich aber werde fürstlich<br />
gepflegt, und es heisst: «Ruh dich nur<br />
gut aus, damit du bald wieder auf dem Posten<br />
bist; denn morgen haben wir «schüli<br />
viel.»<br />
Was gibt es Schöneres für eine Frau, als<br />
sich dem Manne unentbehrlich zu machen?<br />
Der Strumpf bleibt Trumpf!<br />
Nun ist Paul Poiret, der Pariser Modekönig,<br />
nach London gekommen, und auch er<br />
hat natürlich in dem Streit der Meinungen,<br />
ob Frauen bestrumpft oder unbestrumpft<br />
Die Mode<br />
für<br />
Week'End<br />
Ein reizendes<br />
Trägerkleidchen<br />
ans getupfter<br />
Maschseide<br />
Tennis spielen soälen, seine Ansicht verkünden<br />
müssen. Poiret ist für Strümpfe. Er geht<br />
so weit, zu sagen, dass jede Frau in Strümpfen<br />
besser aussehe als ohne. Und er fürchtet,<br />
das Nächste werde sein, dass die Frauen sich<br />
Bilder auf die Beine malen lassen.<br />
Poiret scheint überhaupt recht verärgert<br />
zu sein. Er erklärt, seit die Frauen die Krempen<br />
von ihren Hüten abgeschnitten und die<br />
Weite und Länge der Röcke abgeschafft hätten,<br />
werde es von Tag zu Tag schwieriger,<br />
eine Frau schön anzuziehen.<br />
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— „Ich ein Fiasco düanti." —<br />
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