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E_1929_Zeitung_Nr.069

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N ü 09 —<br />

Mädchen von heute . . .<br />

Um jung zu bleiben, muss man sich bekanntlich<br />

möglichst viel mit jungen. Menschen beschäftigen.<br />

Das tue ich auch rechtschaffen, und es wird mir<br />

•ran so leichter, als mich diese jungen Menschen von<br />

heute "wirklich «ehr interessieren. Zwei voa ihnen,<br />

die reizende siebzehnjährige Babette und der neunzehnjährige<br />

Louis Robert, sind mir besonders ans<br />

Herz gewachsen. Ich möchte nun erzählen, plaudert<br />

Schriftsteller Andre Flisseau im «N. W.<br />

Journal», was in den letzten Tagen mit diesen beiden<br />

passierte. Aus ihren und seinen Andeutungen<br />

konnte ich mit ein bisschen Phantasie die Geschichte<br />

ganz gut zusammenstellen:<br />

Louis Robert ist braungebrannt vom Rudern auf<br />

der Seine, mit glattanliegenden, glänzenden, schwarzen<br />

Haaren. Babette zierlich und blond, mit einem<br />

«hergerichteten» Gesicht, trotz ihrer Jugend, und<br />

Tasiertem Nacken, «modern» durch und durch, wie<br />

sie selber sagt. Vor ein paar Tagen befanden sich<br />

die beiden bei Freunden zu einer kleinen Tanzerei.<br />

Sie sassen im Halbschatten, der ein grosser Kuppler<br />

ist, ein wenig müde, ein wenig sehnsuchtsvoll<br />

durch die vielen Tangos. Plötzlich umfasst Louis<br />

Robert ihre nackten Schultern, zieht sie an sich.<br />

Babette wehrt sich, sehr erschrocken. Sie wirft den<br />

Kopf nach links und nach rechts, hält mit den Händen<br />

seinen Smoking von sich ab, kurz, sie tut alles,<br />

um seinen suchenden Lippen auszuweichen, denen<br />

sie schliesslich doch nicht entgeht. Dann gelingt es<br />

ihr aber, sich loszureissen und zwischen den Tanzenden<br />

zu verschwinden.<br />

Babettes Vater ist ein Geschäftsmann, dem es<br />

ganz gut geht, nur herrscht im Hause eine Art von<br />

Zugluft, so dass das Geld, das er verdient, im Nu<br />

durch alle Fenster hinausgeflogen ist, was Babettes<br />

Mitgift begreiflicherweise nicht sehr anwachsen lassen<br />

wird. Ihre Mama ist eine entfesselte junge<br />

Dame, die alles mitmacht und die Tage so «spritzt»<br />

wie ein Expresszug die kleinen Stationen. Jeder<br />

im Hause lebt sein Leben, ohne sich mit dem der<br />

anderen zu befassen. So hat auch Babette ihre<br />

«eigenen Bekanntschaften, ihre Flirts», die ihre<br />

Mutter nicht kennt, es sei denn, sie kommen sich hie<br />

und da einmal in die Quere. Babette hat ihr «Junggesellenzimmer»<br />

im Parterre des Hauses, mit einem<br />

eigenen Ausgang in eine kleine Gasse, die fast ihre<br />

Gasse ist. Ihr Zimmer ist selbstverständlich letzte<br />

Mode: schwarz, weiss, gold, alles ihr eigener, ein<br />

•wenig heftiger Geschmack. Manchmal wird dieses<br />

Zimmer zu einer Bar, in der Cocktails gemixt werden.<br />

Das Bett ist tagsüber ein grosser, quadratischer<br />

Diwan, auf dem alle Gäste, Jungen und Mädels,<br />

sich in Haufen wälzen und betäubende Opiumzigaretten<br />

als «letzten Schick» rauchen. Unkende<br />

AUl<br />

Gemüter prophezeien also Babette ein' schlechtes<br />

Ende und behaupten sogar, es habe schon schlecht<br />

angefangen.<br />

Und trotzdem hat Babette, deren Flirts unzählbar<br />

sind, noch nie geküsst. Trotz des niederen Diwans,<br />

trotz des verlockenden Beispiels um sie herum.<br />

Aus einem dunklen Instinkt der Selbstverteidigung,<br />

dank irgendeiner entfernten, aber gesunden<br />

Erbschaft im Blute hat sie es im Verein mit<br />

einer bewundernswerten Geschicklichkeit verstanden,<br />

auszukneifen, wenn's gefährlich wird, das zu<br />

vermeiden, was sie bei den anderen merkwürdigerweise<br />

nicht im geringsten störte.<br />

Da ist also ihr Freund Louis Robert, ein Iugend-<br />

•gespiele, mit dem sie sich schon seit undenklichen<br />

Zeiten duzte und der sie nun geküsst hat... Babette<br />

lief in die Halle, als ob sie verfolgt würde,<br />

nahm ihre Garderobe und stürzte auf die Strasse.<br />

Zu Hause schläft sie ein, ihr Schlaf wird aber<br />

von unruhigen Träumen gequält. Wie sie erwacht,<br />

ist es heller Tag. Ihre Augen fallen auf ein Bild<br />

Louis Roberts, das auf ihrem kleinen Tischchen neben<br />

dem Bett steht. Was für ein nettes Lächeln<br />

hat dieser Junge doch! Es scheint ihr, als sähe sie<br />

dies zum erstenmal. Plötzlich kommt ihr die Erinnerung<br />

an den Kuss von gestern abend wieder.<br />

Sonderbar, jetzt empfindet sie gar keine Empörung<br />

mehr! Im Gegenteil, ein bisher unbekanntes Gefühl<br />

beginnt in ihr die Augen aufzuschlagen, etwas von<br />

Vertrauen und Zukunftshoffen erfüllt sie.<br />

Da kommt das Stubenmädchen und meldet Louis<br />

Robert. Babette ist erstaunt. So früh? Aber ihr<br />

Herz jauchzt vor Freude dabei. Wenn Louis Robert<br />

so bald kommt, so ist das doch sicher, weil ihn dieselben<br />

Gefühle beseelen wie sie heute am Morgen ...<br />

Während sie also in grosser Eile ihre Toilette beendet,<br />

macht ihre Phantasie die abenteuerlichsten<br />

Sprünge: Babette ist auf einmal ganz das junge<br />

Mädchen der «alten Schule» geworden, das von<br />

süssen Zärtlichkeiten und einem jungfräulichen<br />

Brautkleid träumt und wie sie zitternd «Herein!»<br />

sagt, ist es, als ob sie die Liebs selbst erwarte...<br />

Louis Robert tritt ein. Er setzt sich und sie<br />

bemerkt ein Lächeln in seinem Gesicht, wie immer,<br />

wenn er irgendeine frivole Geschichte zu erzählen<br />

beginnen will. Und wirklich fängt er an: «Was<br />

sagst du zu Jean, dem armen Kerl, Babette? Er<br />

heiratet Germaine ...!» Ganz schüchtern hält sie<br />

ihm entgegen, dass das doch nichts Ueberraschendes<br />

sei. Worauf er meint: «Lieber Gott, wenn man<br />

alle netten kleinen Mädchen heiraten müsste, mit<br />

denen man in dunklen Ecken zärtlich getan hat ..!»<br />

Und ganz ohne Uebergang setzt er fort: «Was hast<br />

du denn gestern abend noch gemacht?» — «Ich bin<br />

nach Hause gegangen, mir war nicht recht wohl...»<br />

stottert sie. Er steht auf, stellt sich neben sie und<br />

will sie um die Mitte nehmen. Aber sie entschlüpft<br />

ihm -wie eine glatte Schlanga -«Geh!» ruft sie mit<br />

erstickter Stimme.<br />

Babette ist nun allein. Sie weint •... Nicht<br />

Louis Roberts wegen, das weiss sie recht wohl.<br />

Sie weint, weil es ihr plötzlich klar geworden ist,<br />

dass die Liebe nie in dieses Haus kommen wird.<br />

Die Liebe kommt nicht in Junggesellinnenzimmer,<br />

die schwarzgolden tapeziert sind und Sofas haben,<br />

auf denen zehn Paare sich tummelten. Nie hat sie<br />

sich mit der Liebe beschäftigt — jetzt glaubt sie<br />

plötzlich an ihre Existenz. Und sie empfindet es<br />

als einen tiefen Schmerz, dass sie nicht für Geschöpfe<br />

ihrer Art da ist. Denn zu jenen Menschenlarven,<br />

die sie kennt, kommt die Liebe nie. Und die<br />

anderen, zu denen sie kommt, die kennt Babette<br />

wiederum nicht, mit solchen Männern hat sie sich<br />

ja nie beschäftigt, weil sie ja «langweilig» waren,<br />

wie die anderen sagten. Mit einem Schlag ist ihr<br />

die Leere ihres Lebens klar geworden. Und so kam<br />

Babette zu mir, um mich um Rat zu fragen.<br />

Ich glaube, da ist ein kleines, liebes Seelchen zu<br />

retten. Ich werde mir jedenfalls Mühe geb<br />

Wie die Vorzugsstellung der Amerikanerin<br />

entstand.<br />

Die Amerikaner sind ein Pioniervolk Beherzte<br />

Männer sind ohne Frauen über die<br />

See gefahren und halben dort einen neuen<br />

Kontinent gerodet. Als dann die ersten<br />

Frauen kamen, wurde ihr Mut, sich dem Leben<br />

in einem rauhen Lande anzuvertrauen,<br />

hochgepriesen, und die ererbte europäische<br />

Ritterlichkeit machte es jedem Mann zur<br />

Pflicht, so einer tapferen JFrau dadurch zu<br />

danken, dass er ihr das Leben tunlichst erleichterte.<br />

Trotzdem haben diese ersten<br />

Frauen noch ein rauhes Leben teilen müssen<br />

und sich dabei vortrefflich bewährt. Mit<br />

dem wachsenden Wohlstand aber stieg der<br />

«Komfort». Das Leben der Frau wurde immer<br />

müheloser. So ist allmählich der Mahn<br />

zur Dollarmaschine geworden und hat Gott<br />

täglich zu danken, dass ein höheres, das ist<br />

weibliches Wesen gewillt ist, sein Leben zu<br />

teilen. Dieses höhere Wesen beansprucht ein<br />

Piedestal, tunlichst aus Edelmetall. Da das<br />

Leben selbst der Frau immer weniger Pflichten<br />

aufdrängte, der Mann aber nicht wagte,<br />

einer Göttin von Pflichten zu sprechen,<br />

konnte sich jene typisch amerikanische Weiblichkeit<br />

entwickeln, die nur Rechte kennt.<br />

Selbst wenn sie gemordet hat, wird an ihr,<br />

weil sie eine Frau ist, die Todesstrafe nicht<br />

vollstreckt, obwohl eine Mörderin doch noch<br />

etwas Ungeheuerlicheres ist als' ein Mörder.<br />

Kurzum, der amerikanische Frauenkult be-<br />

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zieht sich nicht auf die Frau, insofern sie ein<br />

höheres Ideal erfüllt, sondern auf die Frau<br />

schlechthin. Fern davon, besondere Pflichten<br />

zu haben, braucht sie nicht einmal die natürlichen<br />

Eigenschaften der Frau zu besitzen,<br />

deren Vorhandensein noch gar kein<br />

Ideal vorstellt. Immer mehr wächst die Zahl<br />

der Amerikanerinnen, die zwar nicht auf die<br />

Vorteile der Ehe verzichten wollen, aber die<br />

Mutterschaft, ja das eheliche Verhalten verweigern.<br />

Muss sie ein Kind gebären, so wird<br />

das häufig — zahllose amerikanische Romane<br />

berichten davon ganz naiv — als ein<br />

ungeheures Opfer der Frau gepriesen, und<br />

der Mann steht als Sünder daneben, der durch<br />

seine rohe Tiernatur der Frau so viel Leiden<br />

aufgebürdet hat. Dafür hat er dann bei<br />

der Erziehung wenig oder nichts mitzureden,<br />

Das Beste für Picknicks<br />

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