E_1929_Zeitung_Nr.084
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Bern, Dienstag 1. Okt. <strong>1929</strong> III. Blatt der „Aatomobil-Reoae" No. 84<br />
Im heutigen<br />
„Aatler-Feierabend":<br />
Seite<br />
Spanische Romanze 13<br />
Bunte Chronik 14<br />
Seite der Frau<br />
Die Hochzeitsreise 15<br />
Der Mann, der hasste 16<br />
Tourismus 16<br />
Touren-Sprechsaal 17<br />
Kreuzworträtsel 18<br />
Verjünge dich selbst!<br />
Sechs Monate Hawai.<br />
In einem soeben herausgekommenen Buch<br />
«Growing Joung and Staying Young; or<br />
Longer and Better Living» («Jung werden<br />
und jung bleiben; oder längeres und besseres<br />
Leben») kündet Park Q. Hammer, ein zurückgezogener<br />
Fabrikant aus St. Louis, an,<br />
den Jungbrunnen gefunden zu haben. Mr.<br />
Hammer ist zwar weder Arzt noch sonstwie<br />
Wissenschafter, er hat seine Verjüngungsmethode<br />
auch weder an andern Menschen<br />
noch an sich versucht — aber er hat zwanzig<br />
Jahre lang am Problem der Verjüngung herumstudiert<br />
und nun muss er sich offenbar<br />
darauf verstehen.<br />
Die Hammer'sche Verjüngungskur dauert<br />
192 Tage. Kurort: Hawai oder sonst eine<br />
Küste in tropischen Gebieten. Die Mitglieder<br />
der Verjüngungskolonie müssen:<br />
1. Mit nach unten gewendetem Gesicht auf<br />
einem Holzklotz schlafen.<br />
2. In derselben Stellung essen.<br />
3. Anfangs täglich 70 Minuten, dann bis<br />
zum Ende der Kur täglich 12 Stunden in der<br />
Brandung schwimmen.<br />
4. Sich von frischer Kokosnuss»und gewis-,<br />
sen "ausgewählten Früchten nähren, zuletzt<br />
nur mehr von Kokosnuss allein.<br />
5. Immer nur kurze Zeit hintereinander<br />
schlafen. Anfänglich nie länger als zwei<br />
Stunden hintereinander, dann immer weniger<br />
bis zum Schluss der Kur, da zwölf Einzelnickerchen<br />
ä 30 Minuten Dauer pro Tag genügen<br />
sollen.<br />
6. Alle Gedanken an das Geschäft oder andere<br />
Aeusserlichkeiten aufgeben. Keine Kleider<br />
tragen. Keine Besuche empfangen, tagaus,<br />
tagein, Sonntags und Werktags darf<br />
der Patient an nichts anderes denken als an<br />
die Kur.<br />
«Ich gebe zu,» schreibt der Jungbrunnen-<br />
Entdecker, «dass meine Ratschläge auf den<br />
ersten Blick etwas ungewohnt erscheinen.<br />
Wären sie aber weniger ungewohnt, so<br />
könnte es sich nur um die schon bekannten<br />
Kurprinzipien handeln (sehr logisch — nicht<br />
wahr?) und die haben noch niemals eines<br />
Menschen Leben verlängert. Mein Programm<br />
erneuert durch seine körperlichen Uebungen,<br />
seine Ruhe, die verlangten ungewöhnlichen<br />
Stellungen, die Atmungsvorschriften und die<br />
gewählte Nahrung den Körper von Grund<br />
auf. Ich bin fest überzeugt, dass Menschen,<br />
die ineine 192tägige Kur absolvieren, 'mit<br />
ausgesprochen verjüngten Körpern zurückkommen<br />
werden, mit Rümpfen und Gliedern,<br />
deren Zellstruktur regeneriert ist, mit kräftigen,<br />
neuen Lungen, reinem Blut, neubelebten<br />
Muskeln und wunderbar funktionierenden<br />
Verdauungsorganen.»<br />
Wer wagt's? Wer probiert's? Vielleicht<br />
teilt er dann seine Erfahrungen den Lesern<br />
des «Autler Feierabends» mit? Gute Reise<br />
und Erholung!<br />
at.<br />
SPANISCHE<br />
ROMANZE<br />
VOM ASPHALT<br />
Noch nie hat Spanien einen solch grossen Zuzug<br />
fremder Automobilfahrer erlebt als in diesem<br />
Jahre. Viele tausend Automobile und Motorräder<br />
fremder Herkunft befahren die Strassen<br />
der iberischen Halbinsel; Spanien macht grosse<br />
Anstrengungen, seine Strassen instand zu setzen,<br />
«eine Verkehrsverhältniese zu entwickeln und<br />
sich vor allem auf die Automobil-Touristik einzurichten.<br />
Die vom Verlag der «Automobil-Revue» anfangs<br />
dieses Jahres herausgegebene Automobilkarte<br />
mit Führer von Spanien, konnte bereits in<br />
2. Auflage erscheinen und wird von Automobilisten<br />
aller Länder als beste Orientierung für<br />
Touristenfahrten in Spanien geschätzt.<br />
Der deutsche Automobilfahrer Friedrich Koch-<br />
Wawra hat die nachstehenden Stimmungsbilder<br />
von einer Spanienfafcrt in der Vossischen <strong>Zeitung</strong><br />
veröffentlicht; sie illustrieren jene eigenartigen<br />
Verhältnisse der iberischen Halbinsel,<br />
wie sie nur ein Land hervorbringen kann, das<br />
jahrhundertelang seine eigenartige Entwicklung<br />
genommen und auch heute noch im Zeitalter des<br />
Automobilismus voll ursprünglicher Reize und<br />
Bräuche geblieben ist. Der Verfasser erzählt:<br />
Wenn von Spanien die Rede ist, so denken<br />
wir an goldenen. Pomp und feierlichen<br />
Stolz, an streife Hüte und Gitarrenmusik in<br />
dunklen Gassen, an konserviertes Mittelalter<br />
— doch wir vergessen die Statistik der Motorfahrzeuge,<br />
die im motorisierten Europa<br />
Spanien die zehnte, Deutschland die elfte<br />
Stelle anweist.<br />
Als ich bei La Junquera über die Grenze<br />
kam, telephonierte ich von der. Zollstation<br />
an meinen Freund, den Bischof von Fjgueras.<br />
Ich lernte ihn vor 7 Jahren in Argentinien<br />
kennen, als er noch Missionar war. Damals<br />
lebten wir am oberen Parana und besprachen<br />
in langen Nächten das Wesen der<br />
Dinge. Seitdem haben wir uns nicht wiedergesehen.<br />
Doch unsere Freundschaft wuchs<br />
durch zahlreiche Briefe und mancherlei<br />
Glückwünsche zu persönlichen Erfolgen. So<br />
ist es verständlich, dass ich die Stimme des<br />
Freundes am elektrischen Draht mit Freude<br />
hörte. «Willkommen auf spanischem Boden,<br />
Federico! Ich schicke dir sogleich einen Abgesandten<br />
entgegen. Bitte bleibe dort! Der<br />
Prälat Tancredo wird sofort abfahren.»<br />
Noch ehe ich etwas sagen konnte, war die<br />
Verbindung abgebrochen. Ich rauchte Zigaretten<br />
mit den Zöllnern und spielte mit dem<br />
Sargento eine Partie Schach, draussen an<br />
einem Tischchen im Freien.<br />
Nach einer guten Stunde kam ein Motorradfahrer<br />
auf das Zollhaus zu. Ein Mensch<br />
in ölbeflecktem Wams. Der Mann im grauen<br />
Verzeihung, Sennor, Prälat Tancredo bin ich selbst!<br />
Overall bremste, sprang von seiner Maschine<br />
und fragte nach mir.<br />
«Gewiss, ich bin Herr Koch-Wawra aus<br />
Berlin. Der Herr Prälat kann wohl sicher<br />
nicht kommen?»<br />
«Verzeihung, Sennor, Prälat Tancredo bin<br />
ich selbst», sagte der Mann und schob seine<br />
Maschine auf den Kippständer. «Willkommen<br />
auf spanischem Boden! Der Herr Bischof<br />
erwartet Sie.»<br />
* * *<br />
iVon der Grenze bis nach Figueras zieht<br />
sich ein spiegelglattes Strassenband durch<br />
die katalonischen Berge. Eine schmale AsphaJtstrasse<br />
mit erhöhten Kurven und sandbestreuten<br />
Gefällen, eine vorbildliche Verkehrslinie<br />
des XX. Jahrhunderts.<br />
Vor uns pufft der Prälat einher. Bauern,<br />
die des Weges kommen und in dem Motorradfahrer<br />
den geistlichen Herrn erkennen,<br />
schlagen ein Kreuzzeichen. Mag der Domherr<br />
auch noch so schief in der Kurve liegen<br />
— seine Rechte spendet doch den geistlichen<br />
Segen.<br />
An einer Benzinpumpe machen wir halt.<br />
Ein zahnloser Alter schwingt den Pumphebel;<br />
ein Junge hält den Schlauch und rechnet<br />
umständlich ab.<br />
«Ihr seid noch 25 Pesetas schuldig»,<br />
Spricht der Prälat. «Wollt Ihr sie nicht bald<br />
Schicken? Es ist nicht gut, der Kirche schuldig<br />
zu bleiben.»<br />
" ( «Gewiss, Väter, gewiss! Aber seht, wir<br />
haben Unglück gehabt. Unsere Kuh ist vorige<br />
Woche gestorben. Sie war unser einziger<br />
Besitz. Nun ist sie dahin, und wir müssen<br />
um Geduld bitten. Es ist schwer für kleine<br />
Leute, sich durchzuschlagen. Wenn wir wenigstens<br />
die Oelstation bekommen hätten,<br />
die Ihr 1 uns versprochen habt! Nun hat sie<br />
:'der"-Agusto Silva unten im Dorf gekriegt!<br />
Am Benzin ist doch nichts zu verdienen!<br />
Warum ist es nicht geschehen, wie Ihr's<br />
versprochen habt, Vater?»<br />
«Ich bin eins mit Euch im Schmerz über<br />
diesen Vorfall. Doch sendet das Geld, sobald<br />
Ihr's habt!»<br />
Ich befrage den Prälaten.<br />
«Wieso kriegen Sie Geld von dem Benzinwirt?<br />
Bei uns in Berlin ist es meistens<br />
umgekehrt.»<br />
«Ach, wissen Sie, die Pumpe ist noch<br />
nicht alt. Sie besteht erst seit kurzem. Vorigen<br />
Monate habe ich sie eingesegnet. Der<br />
Mann hat nur die Hälfte bezahlt. Er ist ein<br />
Vivo, wissen Sie! Man muss seinen Klagen<br />
kein Gehör schenken.»<br />
* * *<br />
Im offenen Portal steht mein Freund, der<br />
Bischof. Wir steigen aus, Kläre und ich.<br />
Ich habe mit Kläre ausgemacht, dass sie<br />
der spanischen Sitte folgen und unserem<br />
Gastgeber die Hand küssen solL Erst hatte<br />
sie zugesagt, aber nun tut sie's doch nicht.<br />
«Sie ist noch ein Kind, deine Gefährtin!»<br />
sagt der Gute, legt väterlich seine Linke<br />
auf ihre Schulter und begrüsst sie mit einem<br />
warmen, lateinischen Händedruck. Da beugt<br />
sie sich nieder, die stolze, feine Kläre mit<br />
dem Abitur und der Tennismeisterschaft,<br />
und tut, wie ihr geheissen.<br />
Wir speisen zusammen und trinken blauroten<br />
Wein aus dem Jahre 1890. Der Bischof,<br />
der Prälat, wir beide, und noch ein<br />
fünfter Gast, ein Ingenieur vom benachbarten<br />
Kraftwerk. Don Jaime Sala hat in Charlottenburg<br />
studiert und spricht das Deutsche<br />
mit dem Wohlwollen des Spaniers, dem es<br />
gut ging in der Gegend am Kurfürstendamm.<br />
Wir hören Radiomusik aus Berlin und erfahren<br />
von einem Brand in Moabit. Das<br />
Deutschlandlied klingt vorüber, die letzten<br />
Töne ersterben in den Bücherreihen der alten<br />
Bibliothek. Kläre wird zu Bett geschickt.<br />
Eine Schwester holt sie ab. Der Ingenieur<br />
Sala lächelt in sein Weinglas...<br />
* * *<br />
Es kommen viele beurlaubte Engel ins<br />
Palais. Frauen von katalonischer Schönheit,<br />
um ihre Wagen segnen zu lassen.<br />
V.T.<br />
Sie steht hinter Gitterstäben . . .<br />
Die Segnung geht so: Mein .Gefährte vom<br />
Rio Monday reicht der Dame wie auch dem<br />
Chauffeur die Hand zum Kuss. Ein Prälat<br />
hebt die Motorhaube. Dann besprengt mein<br />
Freund den Motor mit geweihtem Wasser<br />
und erfleht den Segen Gottes für den Wagen<br />
BIS773, Motornummer 88329."'Er legt<br />
dem Kühler die Hand auf und spricht: cDer<br />
Herr sei mit diesem Wagen auf allen seinen<br />
Wegen!» Schliesslich wird eine kupferne<br />
Plakette mit dem heiligen Christoph, dem<br />
Schutzpatron des Kraftwagens, unter der<br />
Haube befestigt, und fortan fährt die Dam©<br />
selbst...<br />
Mit einem Empfehlungsschreiben an den<br />
Prior des Klosters Monte Calvario versehen,<br />
fahren wir ab...<br />
Ein glitzerndes Band aus spiegelglattem<br />
Asphalt führt hinunter nach Asturien. An<br />
einer Wegkreuzung steht ein altes Vehikel,<br />
eine wurmstichige Tarantel aus den Kindertagen<br />
der Fordfabriken.<br />
Am Volant sitzt ein junger Mann mit einem<br />
steifen, schwarzen Hut auf dem klassischen<br />
Kopf. Er hält die Hand hoch erhoben.<br />
«Wohin des Weges, Freunde?»<br />
«Zum Monte Calvario.»<br />
«Seht an, zum Monte Calvario! Es sind<br />
noch 67 Kilometer bis dorthin. Sagt, hättet<br />
ihr vielleicht einen Schraubenschlüssel 14-<br />
16? Mein Federbolzen ist locker.»<br />
Der Herr stellt sich vor. Felipe Silva,<br />
Leutnant aus Guadalajara.<br />
Ich ziehe meinen Rock aus, werfe ihn dem<br />
steinernen Heiligen über den Arm und löse<br />
des Leutnants Federbolzen. Unterweil<br />
pürscht er sich an Kläre heran. Das gefällt<br />
mir nicht.<br />
Ich schmeisse den Schlüssel auf den Asphalt.<br />
Vielleicht probieren Sie selbst einmal, Heber<br />
Leutnant?»<br />
«Ich bin traurig, Freund aus Deutschland,<br />
Was haben Sie gegen mich, Lieber? Bitte,<br />
Ci garet ten<br />
Virginier