E_1929_Zeitung_Nr.106
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N° 1C6<br />
III. Blatt<br />
BERN, 13. Dezember <strong>1929</strong><br />
N» 106<br />
III. Blatt<br />
BERN, 13. Dezember <strong>1929</strong>;<br />
Die ersten Schweiz. Automobilstrassenprojekte<br />
Es war im Mai des Jahres 1912, als sich die<br />
Sektion Zürich des A. C. S. in einer Monatsversammlung<br />
mit einem Projekt für den<br />
« Bau schweizerischer Autobahn-Strassen »<br />
befasste, das ihr von den Herren H. A. Römer<br />
und J. Isler zwecks Prüfung der Ausführbarkeit<br />
solcher Autostrassen vorgelegt<br />
worden war. Die beiden Initianten hatten<br />
auf Grund eines ersten Projektes verschiedene<br />
Konzessionen zum Bau und Betrieb<br />
von Autostrassen nachgesucht und auch die<br />
besondere Unterstützung des eidg. Militärdepartementes<br />
gefunden. Es dürfte sich hierbei<br />
um das erste schweizerische Projekt für<br />
den Bau reiner Automobilstrassen gehandelt<br />
haben und vielleicht auch um den ersten derartigen<br />
Vorschiag überhaupt. Nachdem man<br />
nun in der Nachkriegszeit in verschiedenen<br />
Ländern zur Anlage reiner Autostraden übergegangen<br />
ist, ist es wohl von besonderem<br />
Interesse, zu vernehmen, wie man sich damals,<br />
vor 17 Jahren, den Bau solcher Automobilstrassen<br />
gedacht hatte.<br />
Anlass zu diesem schweizerischen Projekt<br />
gab der Bau verschiedener neuer Bergstrassen<br />
im Ausland, die in Verbindung mit bereits<br />
bestehenden Strassen zu einem stattlichen<br />
Netz von Rundtouren Anlass gaben.<br />
In der Projektstudie wird u. a. die 600 km<br />
lange «Grande Route des Alpes» in Frank-<br />
Teich genannt, ferner die damals projektierte<br />
grosse Pyrenäenstrasse von 650 km Länge,<br />
die Schaffung einer 900 km langen Rundstrasse<br />
in Britisch Columbien durch die Canadian-Pacific-Railway<br />
etc. Demgegenüber<br />
stand man in der Schweiz dem Bau neuer<br />
Bergstrassen nicht nur sehr skeptisch gegenüber,<br />
sondern die meisten der vorhandenen<br />
Alpenstrassen waren durch kantonale<br />
Verordnungen dem Motorfahrzeugverkehr<br />
gesperrt und es brauchte ja bekanntlich eines<br />
langen, hartnäckigen Kampfes, bis nach<br />
und nach wenigstens die wichtigern Passfibergänge<br />
dem Motorfahrzeug geöffnet wurden.<br />
Das Projekt Römer-Isler ging dahin, Verbindungsstrassen<br />
zu bauen, welche die geöffneten<br />
Alpenstrassen miteinander verbinden-würden,<br />
um so auch zu einer schweizerischen<br />
Route des Alpes zu gelangen. Da<br />
der ziemlich kostspielige Bau dieser Strassen<br />
durch die Kantone und Gemeinden nicht<br />
verwirklicht werden konnte, sahen die Initianten<br />
deren Ausführung durch Privatinitiative<br />
vor, wobei auch Subventionen der beteiligten<br />
Landesgegenden in Aussicht genommen<br />
waren. Selbstverständlich musste den<br />
Geldgebern für die Zurverfügungstellung der<br />
finanziellen Mittel ein gewisser Gegenwert<br />
geboten werden, d. h. gewisse Einnahmen,<br />
welche die Herren Römer und Isler in den<br />
Strassenabgaben, welche die diese Strassen<br />
befahrende Fahrzeuge zu entrichten hatten,<br />
sahen. In dem Projekt ist grundsätzlich festgelegt,<br />
dass der Bau einiger, d. h. der wichtigsten<br />
Strassenstrecken, und die Verbesserung<br />
von Zwischehstrecken oder Zufahrtstrassen<br />
durch eine Finanzgesellschaft angestrebt<br />
werden soll, der als Gegenwert die<br />
alleinige Konzession für einen regelmässigen<br />
Automobildienst auf denselben zuerkannt<br />
werden soll, wie es damals die französische<br />
Bahngesellschaft P. L. M. auf der Route des<br />
Alpes besass. Da, wo von den Kantonen<br />
keine grossen Subventionen erhältlich sind,<br />
soll der Betriebsgesellschaft das Recht eingeräumt<br />
werden, auch von den zirkulierenden<br />
Privatautomobilen eine bescheidene<br />
Fahrtaxe zu erheben, ähnlich wie Oesterreich-seine<br />
Mauttaxen erhebe.<br />
Für dieses erste schweizerische Automobilstrassennetz<br />
waren folgende Strassen in<br />
Aussicht genommen: Nufenenstrassen (Neubau),<br />
Gotthardstrasse (Verbesserung und regelmässiger<br />
Automobildienst im Sommer,<br />
wodurch die Privatautomobile hier von einer<br />
Strassentaxe befreit werden könnten),<br />
die Sustenstrasse zwischen Wassen und Innertkirchen<br />
(Neubau), Prageistrasse (Neubau;<br />
durch deren Bau glaubte man die Oeffnung<br />
der damals dem Motorfahrzeugverkehr<br />
geschlossenen Klausenstrasse zu erwirken),<br />
Grosse St. Bernhardstrasse (Ausbau), Forciaz-Pass<br />
oder Pas de Morgans (Ausbau),<br />
Lukmanierstrasse (Ausbau), Greinastrasse<br />
(Neubau). Es war vongesehen, für all diese<br />
Strassen die Konzession bei den eidgenössischen<br />
Räten zu er'angen und vorläufig eine<br />
Stüdiengesellschaft mit der Ausarbeitung<br />
der Projekte und dem Studium der Finanzierung<br />
zu beauftragen. Mit einigen Kantonen<br />
wurden bereits bezügliche Verhandlungen<br />
angeknüpft, wobei z. B. der Kanton Wallis<br />
für den Fall des Baues einer solchen Nufenen<br />
Autobahn, deren Benutzung auch den<br />
Privatautomobilen offen stünde, die alsbaldige<br />
Freigabe der Strasse Brig-Ulrichen für<br />
den Motorfahrzeugverkehr zugesichert hatte.<br />
Man rechnete auch damit, dass alsdann die<br />
Freigabe der Furka- und Grimselstrasse<br />
nachfolgen würde. Die Initianten waren fest<br />
davon überzeugt, dass durch den Bau sol-<br />
;i0er neuer Autobahn-Strassen und der Einführung<br />
eines Autobahnbetriebes auf denselben<br />
die Oeffnung aller übrigen Alpenstrassen<br />
bald nachfolgen würde.<br />
Um die Idee rasch verwirklichen und den<br />
Bau sicherstellen zu können, haben die Initianten<br />
dann Konzessionsgesuche für folgende<br />
Alpenstrassen eingereicht: La Forclaz,<br />
Grosser St. Bernhard, Gemmi, Brig-Ulrichen-Nufenen-Airolo,<br />
St. Gotthard, Susten,<br />
Pragel, Panixerstrasse und Greinastrasse.<br />
Dabei sei ergänzend beigefügt, dass damals<br />
u. a. die folgenden Passstrassen dem Motorfahrzeugverkehr<br />
gesperrt waren: Forclaz,<br />
Grosser St. Bernhard, Furka, Grimsel, Gotthard,<br />
Lukmanier,, Oberalp, Klausen und alle<br />
Bündner Strassen.<br />
Mit der Konzession für den Bau wurde<br />
auch dieselbe für den regelmässigen Betrieb<br />
von Autobahnen nachgesucht.<br />
Um- nun das Ziel erreichen zu können, war<br />
die Gründung einer « Schweizerischen Studiengenossenschaft<br />
für Autobahn-Strassen»<br />
geplant, welche die Verwertung der nachgesuchten<br />
Konzessionen bezweckte, sei es,<br />
dass sie zum Bau und Betrieb jeder Strasse<br />
selbst eine Spezialgesellschaft gründe, sei<br />
es, dass sie die erhaltenen Konzessionen weiter<br />
verkaufe. Das Kapital war mit Fr. 100,000,<br />
eingeteilt in 50 Genossenschaftsanteile ä<br />
Fr. 2000, in Aussicht genommen, wobei die<br />
Initianten Fr. 15,000 als Apport einbrachten<br />
und der Rest als Betriebskapital zu dienen<br />
hätte. Vom Gewinn oder bei Liquidation<br />
sollten vorerst die 35 bar emitierten Anteilscheine<br />
im Nennwert zurückbezahlt werden.<br />
Vorgesehen war ein Vorstand von drei Mitgliedern<br />
und Herr Isler sollte als Verfasser<br />
des Projektes als technischer Berater derj<br />
Gesellschaft verpflichtet werden. Als Apportj<br />
wären eingebracht worden die drei Konzes-i<br />
sionen für den Bau einer Pragel-, Susten-1<br />
und Nufenen-Automobilstrasse, ferner könnten<br />
die von Herrn Isler vorbereiteten weitern<br />
Konzessionsgesuche innert drei Monaten<br />
gegen eine Vergütung von 100 Franken per<br />
Kilometer erworben werden.<br />
Dies war das erste schweizerische Projekt<br />
einer Autostrasse. Schon bei der Gründung<br />
der Studiengenossenschaft stellten sich<br />
aber Schwierigkeiten hinsichtlich der Beschaffung<br />
der nötigen Geldmittel ein. Man<br />
war eben damals gegenüber solchen «neuartigen»<br />
Projekten und hinsichtlich der ra-<br />
.schen Zunahme des Motörfahrzeugverkehrs<br />
noch nicht so optimistisch eingestellt. Die<br />
Sektion Zürich des A. C. S. hat zwar schon<br />
damals einen weitsichtigen Blick gezeigt, indem<br />
sie an der genannten Monatsversammlung<br />
folgende Resolution fasste: «Die Sektion<br />
Zürich des A. C. S. hat nach Anhörung<br />
eines Referates mit Interesse von dem Projekt<br />
der Schaffung eines schweizerischen<br />
Automobilstrassennetzes Kenntnis genommen<br />
und spricht die Erwartung aus, es<br />
möchte im Interesse des Verkehrs gelingen,<br />
unsere Bundes- und kantoralen Behörden<br />
für das grosszügige Projekt zu interessieren.<br />
Die Sektion Zürich ist prinzipiell bereit, tatkräftig<br />
an der Realisierung dieses Projektes<br />
mitzuwirken.»<br />
Mitbestimmend für den negativen Ausgang<br />
dieses Automobilstrassennetzes mögen speziell<br />
auch die hohen Baukosten gewesen sein,<br />
die für die Susten-, Pragel- und Nufenenstrasse<br />
mit Fr. 7,700,000 in Aussicht genommen<br />
waren. Dem ganzen Projekt selbst<br />
setzte dann der Kriegsausbruch ein jähes<br />
Ende entgegen.<br />
Heute wird man mit Anerkennung dieser<br />
initiativen Männer gedenken und sich vielleicht<br />
fragen müssen, ob es nicht zweckmässiger<br />
wäre, anstatt des Baues reiner Autostrassen,<br />
vielmehr die Ausführung neuer Alpenstrassen<br />
anzustreben. Es ist ja auffallend,<br />
dass die Schweiz, die in der zweiten Hälfte<br />
des letzten Jahrhunderts so viele grosse<br />
Alpenstrassenbauten verwirklichte,- heut«<br />
nicht mehr imstande ist, irgendein neues<br />
Bergstrassenprojekt zur Ausführung 'zu brm-<br />
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