E_1929_Zeitung_Nr.108
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N°M8 - <strong>1929</strong> AUTOMOBIL-REVUE 11<br />
mit grosser Geschwindigkeit auf der nicht<br />
beleuchteten Hauptstrasse gegen Davos-Dorf.<br />
Auf der Strasse lag bei einer Kurve der Arbeiter<br />
N. G., der an diesem Tage etwas zu<br />
sehr dem Alkohol zugesprochen hatte und auf<br />
der Strasse liegen geblieben war. Der Angeklagte<br />
behauptet nun, er habe zwar auf kurze<br />
Distanz etwas auf der Strasse bemerkt, dieses<br />
aber iür einen Sack oder so etwas gehalten.<br />
Erst im letzten Augenblick hätte er<br />
das Gefühl gehabt, dass ein Mensch vor seinem<br />
Auto gelegen habe. Er fuhr über den G.<br />
hinweg und weiter gegen das Dorf. Hier berieten<br />
die beiden, was sie tun sollten. Sie beschlossen,<br />
zur Unglücksstätte zurückzufahren,<br />
um nachzusehen, was passiert sei. Dort<br />
fanden sie den Ueberfahrenen, der bald darauf<br />
an inneren Blutungen starb. S. und G.<br />
fuhren nun zur Garage. Sie konnten sich<br />
nicht entschliessen, Anzeige zu erstatten.<br />
Beide wurden kurz nach dem Vorfall verhaftet.<br />
Der Amtsankläger, Altregierungsrat Ganzemi,<br />
beantragte an der Hauptverhandlung,<br />
Si sei der fahrlässigen Tötung schuldig zu<br />
erklären und mit zwei Monaten Gefängnis zu<br />
bestrafen. G. sei der Begünstigung der fahrlässigen<br />
Tötung schuldig zu erklären und mit<br />
einer Woche Gefängnis zu bestrafen. Ausserdem<br />
Auferlegung der gesamten Untersucbungs-<br />
und Gerichtskosten an die Angeklagten.<br />
Das Urteil wurde am Freitag nachmittag<br />
gefällt. Es lautet: 1. H. S. wird schuldig<br />
erklärt der fahrlässigen Tötung im Sinne des<br />
§ 28 des Polizeigesetzes. 2. W. G. wird schuldig<br />
;erklärt der Begünstigung. S. wird mit<br />
sechs Wochen Gefängnis unter Anrechnung<br />
der Untersuchungshaft, aber ohne bedingten<br />
Straferlass verunteilt. Die zuständige Behörde,<br />
wird ersucht, ihm die Fahrbewilligung<br />
dauernd zu entziehen. G. wird mit drei Tagen<br />
Gefängnis bestraft unter Anrechnung der<br />
Untersuchungshaft. Die Verurteilten sind verpflichtet,<br />
die Untersuchungs- und Gerichtskosten<br />
im Betrage von 941 Fr. solidarisch zu<br />
tragen.<br />
gr.<br />
Aus «I«<br />
Formalismus auf unseren Gerichten, statt Verkehrs-<br />
, Verständnis.<br />
Vor Zürcher Ohorgericht ist letzte Woche ein<br />
Autoinobilfall zur Sprache gekommen, desson Erledigung<br />
für die aütomobill'ahrende Oeffentlichkeit<br />
vop Interesso erscheint. Es bandelte sich um die-<br />
Frage, ob ein Automobilfahrer polizeilich gebüsst<br />
werden könne, weil er an einem Freitaffnachmittag,<br />
als' der für Parkierungsrwecke vorgesehene Beatenplätz<br />
beim Hauptbahnhof Zürich durch den bekannten<br />
«Automobilmarkt •» besetzt war, seinen<br />
Wagen notgedrungen einige Minuten wahrend der<br />
Besorgung eines Geschäftes an der rechten Seite<br />
der Waisenhausstrasse aufgestellt hatte. Das Bezirksgericht<br />
hatte die Busse aufgehoben mit der<br />
Begründung, dass eine Gesetzesübertretung nicht<br />
vorliege. Da es sich bei dieser Sache um eine Angelegenheit<br />
von prinzipieller Bedeutung handelt,<br />
hatte der Gebüsste ein umfangreiches Expose eingereicht,<br />
das die Unnahbarkeit der polizeilichen<br />
•Bussenpraxis im vorliegenden, sehr, viele Fahrer<br />
betreffenden Fadl nachwies. Es wurde in dieser Eingabe<br />
u. a. ausgeführt:<br />
In die Hand jedes Motorfahrzeuglenkers wird,<br />
wenn er bei der kantonalen Automobilkontrolle<br />
seine Verkehrsbewilligung einholt, eine Broschüre<br />
gelegt, die vom Polizeiwesen der Stadt Zürich herausgegeben<br />
und erstmals im Jahre 1927 erschienen<br />
ist. Jeder gewissenhafte Fahrzeuglenker wird diese<br />
Erlasse studieren und auch den gezeichneten Uebersichtsplan<br />
der Broschüre zu Rate ziehen. Umgekehrt<br />
wird jeder Motorfahrzeuglenker für sich das<br />
Recht ableiten können, in strittigen fällen auf diese<br />
ihm in die Hand gedrückten « Erlasse > Bezug zu<br />
nehmen.<br />
Ein Blick auf den Gesamt-Stadtplan belehrt,<br />
dass die zwei wichtigsten Parkierungsplätze der<br />
unteren City der Werdmühle- und der Beatenplatz<br />
sind. Bei richtiger Parkierung nimmt der Beatenplatz<br />
nicht weniger als 40 Autos auf. Somit wird<br />
der gewissenhafte Automobilist, nachdem er die<br />
ihm überwiesenen .« Erlasse der Stadt Zürich über<br />
Verkehrspolizei» studiert hat. sich auf seinen<br />
Stadtfahrten daran erinnern, wo er parkieren kann,<br />
und dass er, um ein Geschäft in Bahnhofnähe abzuwickeln,<br />
den Beatenplatz dazu benutzen kann,<br />
seinen Wagen ohne zeitliche Begrenzung aufzustellen<br />
(während rings um das Bahnhofgebäude die<br />
zeitliche Limite vorgeschrieben ist.<br />
Die Stadtpolizei .unterhält, d. h. gestattet, jeden<br />
Freitagnachmittag auf dem von ihr selbst als Parkplatz<br />
bezeichneten Beatenplatz einen öffentlichen<br />
Automobilmarkt; sie sperrt während dessen Dauer<br />
den Platz beidseitig für den Verkehr ab; sie bezieht<br />
(für welche Kasse ist unerheblich) von jedem Autobesitzer,<br />
der am Freitagnachmittag dort seinen<br />
Wagen aufstellt, durch einen Polizisten in Zivil<br />
einen Platzpreis von 5 Franken gegen Quittung.<br />
Die Stadtpolizei legt, mit dem Grossteil der<br />
Bevölkerung, Wert darauf, die Verkehrszustände<br />
in der Stadt Zürich zu sanieren; sie lässt jedem<br />
Motorfahrzeugbesitzer die erwähnte Broschüre<br />
überreichen, worin die dem Automobilisten zur<br />
Verfügung stehenden Parkplätze verzeichnet sind.<br />
Die gleiche Behörde durchbricht ihre eigenen Anordnungen<br />
jeden Freitag nachmittag, indem sie<br />
den wichtigsten Parkplatz der Bahnhofgegend<br />
stundenlang beschlagnahmt und für dessen .Benützung<br />
eine Extrasteuer von Fr. 5 pro Wagen<br />
erhebt. Darüber hinaus versperrt sie in dem<br />
ohnehin verkehrstechnisch sehr ungünstigen Bahnhofgebiet<br />
eines der wichtigsten .Transitverkehfsstücko<br />
durch amtliche Verbotstafeln, so dass sich<br />
die allgemeinen Verkehrsverhältnisso am Fveitagnachmitfag'<br />
in jener Gegend "ausserordentlich verschlechtern;<br />
Ausgerechnet« am Börsentag, für j den amtlichstatistisch<br />
eine Verkehrs-Hausse mit einem Höchstmittel<br />
an Unfällen festgestellt ist, nimmt die Poli-'<br />
zeibehörde den Automobilisten, einen Raum für<br />
zirka' 4(V Wagen während der wichtigsten Stunden<br />
des Tages weg, ohne dem Automobilisten dafür ein<br />
entsprechendes Aequivalent zu geben. Im Gegenteil,<br />
sie geht hin und lässt durch besondere Polizeibeamte<br />
alle jene Fahrer ermitteln, die aus der<br />
durch die Polizei selbst geschaffenen örtlichen Notlage<br />
heraus ihre Vehikel notgedrungen auf einen<br />
andern noch freien Platz stellen, um sie nachher<br />
mit einer empfindlichen Busse zu belegen.<br />
Trotz solcher wohlbelegter und gewichtiger<br />
Gründe fühlte sich das Polizeirichteramt nicht bemüssigt,,<br />
zur ersten Verhandlung vor Bezirksgericht<br />
zu erscheinen, wo es lediglich mit einem formalistischen<br />
Hinweis auf Paragraphen das Vorliegen<br />
einer Polizeiübertretung geltend machon Hess.<br />
Etwas lebhafter wurde diese Amtsstelle erst, als<br />
der Freispruch durch das Bezirksgericht erfolgt<br />
war; denn nun hagelte es von allen Seiton Ablehnungen<br />
und Rekurse gegen ähnliche Bussenverfällungen,<br />
die alle ebenfalls solche Notparkierungen<br />
an Froitagnachmittagen betrafen, und deren grosse<br />
Zahl allein schon deutlich für die dringende Notwendigkeit<br />
einer Aenderung der geltenden Zustände<br />
spricht. Das Polizeirichteramt appellierte<br />
nämlich an die Oberinstanz. Man hätte denken sollen,<br />
dass das Obergoricht gemerkt hätte, dass hier<br />
ein Fall von allgemeiner Bedeutung vorlag, und<br />
dass es dem Gebüssten darum zu tun sei. eine prekär<br />
gewordene Verkehrsangelegenheit zur Abklärung<br />
zu bringen. Doch nichts von alledem. Obschon<br />
der Appellationsgegner nochmals schriftlich und<br />
auch mündlich die absolute Haltlosigkeit der Einrichtung<br />
des Automarktes und der gleichzeitigen<br />
Bestrafung von Automobilisten, die angrenzend<br />
parkieren, darlegte, ging der Gerichtsreferent über<br />
den ganzen Komplex dieser wichtigen Verkehrsfragen<br />
einfach hinweg, um sich mit der formalistischen<br />
Auslegung der Parkierungs- und Stationierungsvorschriften<br />
zu befassen, die keinerlei Anpassung<br />
an die örtlichen Verhältnisse kennen und einfach<br />
da sind, um auf Biegen oder Brechen eingehalten<br />
zu werden.<br />
In einer Zeit, wo der Automobilverkehr in der<br />
Stadt Zürich derart zunimmt und oft auf grössere<br />
Distanzen kein behördlich genehmigter Parkierungs-<br />
oder Stationierungsplatz vorhanden ist,<br />
wirkt diese formaljuristische Gerichtspraxis als<br />
Paragraphenreiterei, und das konstante Ausfällen<br />
von Polizeibussen, wegen Uebertretung der Parkierung<br />
svorschriften ist, wie der Appellationsgegner<br />
vor Gericht erklärte, nichts anderes als eine Sonderbesteuerung<br />
der Autofahrer.<br />
Dieser kleinliche und knifflige Geist gegenüber<br />
Einheimischen nimmt sich recht drastisch aus neben<br />
der Rücksicht; die etwa Ausländern bewiesen<br />
wird, für, welche Feststellung • es uns an zuverlässigen<br />
Beispielen nicht fehlt.<br />
Die, Aufhebung des freisprechenden Urteils des<br />
Bezirksgerichtes durch das Zürcher Obergericht<br />
kann daher, von der höheren Warte des allgemeinen<br />
Vorkehrsinteresses aus betrachtet, nur bedauert<br />
werden. Es ist ja nicht so, dass die Polizeibehörde<br />
auf dem Beatenplatz einen Automarkt arrangiert,<br />
um den Automobilisten zu «dienen», denn sie<br />
nimmt jedem Wageninhaber fünf Franken Standgeld<br />
ab; sondern es liegt hier nichts anderes als<br />
Mangel an Initiative vor, die es längst hätte ermöglichen<br />
sollen, einen solchen verkehrshinderlichen<br />
«Markt» an einen andern Platz zu verlegen, den<br />
per Axito zu erreichen ja überall leicht fällt!<br />
Z Z.<br />
Das kommt vor<br />
wenn Sie mit der Zeit nicht Schritt haften!<br />
Es gibt<br />
heute ein sicheres Gefrier-Schutzmiftel, das<br />
Ihnen solch peinliche Situationen erspart.<br />
Ch<br />
Bahnübergänge in Amerika. Aus einem.<br />
Bericht der New York Central Lines Eisenbahnen<br />
geht hervor, dass die Unfälle an.<br />
Strassenkreuzungen von 11% im Jahre<br />
1923 auf 26% im Jahre 1928 sich vermehrt<br />
haben. Im Jahre 1928 wurden in den \ o'veinigten<br />
Staaten von Amerika 27 500 Per-*<br />
sonen durch Autos getötet und 600 000• Personen<br />
verletzt, davon kommen 2568 Todesfälle<br />
und 6666 Verletzungen auf Unfälle an<br />
Bahnkreuzungen. M.<br />
Englische Vorschriften für Automobilbremsen.<br />
E. Die neuesten englischen Verordnungen<br />
befassen sich mit den Vierradbremsen<br />
an Wagen von unter 1 zwei Tonnen<br />
Gewicht. Die beiden Bremsvorrichtungen<br />
brauchen nicht mehr voneinander<br />
unabhängig zu sein. Es genügt, wenn zwei<br />
Mittel zur Betätigung der Bremsen vorhanden<br />
sind. Von diesen muss aber das<br />
eine auf alle vier Bremsen wirken, das audere<br />
kann auf alle vier Bremsen oder auch<br />
nur auf die Bremsen einer Achse wirken.<br />
Eine der Bremsvorrichtungen muss rein<br />
mechanisch ausgestaltet sein, also ohne<br />
Druckluft- oder Flüssigkeitsübertragung.<br />
Sie muss auch wirksam sein, wenn der<br />
Wagen ohne Aufsicht auf der Strasse steht.<br />
Automobilbetrieb bei den amerikanischen<br />
Eisenbahnen. Im Jahre <strong>1929</strong> ist<br />
die Zahl derjenigen Eisenbahngesellschaiten,<br />
die einen eigenen Personen-Automobilverkehr<br />
unterhalten, auf 43 gestiegen, gegenüber<br />
1928 bedeutet dies eine Zunahme<br />
um 9. Dabei handelt es sich aber nur um<br />
jene grossen Eisenbahngesellschaften, die<br />
in die Klasse 1 gehören, also mehr als eine<br />
Million Dollar Einnahme pro Jahr erreichen.<br />
Im Betrieb stehen 2265 Personenwagen<br />
gegenüber 826 im Jahr 1928. 36 447<br />
Meilen wurden zurückgelegt, gegenübor<br />
10 755 im Vorzahre. Im Lastwagenverkebr<br />
ist die Zahl der Gesellschaften von 33 auf<br />
37 gestiegen, die Zahl der Lastwagen erhöhte<br />
sich von 4863 (1928) auf 5861 (<strong>1929</strong>).<br />
Die zurückgelegten Meilen betrugen hier<br />
6677 (1928 = 2725). 150 Bahnhöfe waren<br />
1928 in den Automobilbetrieb einbezogen,<br />
<strong>1929</strong> sind es bereits deren 399. M.<br />
Vermeide in Ortschaften unnötig starkes<br />
Fahrlicht. Blende auf der Landstrasse beim<br />
Entgegenkommen eines andern Fahrzeuges<br />
irgendwelcher Art ab, und zwar weder' zu<br />
spät, noch zu früh.<br />
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