E_1930_Zeitung_Nr.030
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II. Blatt<br />
BERN, 1. April <strong>1930</strong><br />
II. Blatt<br />
BERN, 1. April <strong>1930</strong><br />
Der alte Streit, ob man bei Strassenneuanlagen<br />
bezw. Verbesserungen der Strassendecke<br />
Asphalt, Holz, Stein oder Beton verwenden<br />
soll, um der Schleudergefahr der Motorfahrzeuge<br />
tunlichst begegnen zu können,<br />
ist in der letzten Zeit wieder ziemlich heftig<br />
entbrannt; die Flamme wird geschürt und<br />
unterhalten von den Trümmern zerschellter<br />
Wagen, da man sich über die Löschmittel<br />
scheinbar nicht recht im klaren ist. Der gute<br />
Wille, die Voraussetzungen bezw. die Ursachen,<br />
die zum Schleudern der Automobile<br />
führen, zu beseitigen oder nach Möglichkeit<br />
einzuschränken, besteht zweifellos, sowohl auf<br />
automobilistischer Seite als auch seitens der<br />
Strassenbauer, es fehlte jedoch bisher eine<br />
zuverlässige und unangreifbare Formel, mit<br />
deren Hilfe man die Eigenschaften der<br />
Strasse bezüglich des Schleuderns der Motorfahrzeuge<br />
zahlenmässig einwandfrei hätte erfassen<br />
können.<br />
lieber die Gründe, welche das Schleudern<br />
herbeiführen, ist man in allen Kreisen einer<br />
Ansicht Man weiss, dass die Schlüpfrigkeit<br />
der Strassendecke als Ursache des Schleudern*<br />
nicht von der Strassenpflasterung als<br />
sendecke, ., sondern grösstenteils auf der<br />
schmierigen Oberschicht. Diese Schmierschicht<br />
ist natürlich nicht homogen und auch<br />
nicht gleichmässig über der ganzen Strasse<br />
verteilt; es werden daher die Reibungsziffern<br />
der einzelnen Räder verschieden gross<br />
sein, und diese demzufolge auf der Strasse<br />
mehr oder weniger grossen Widerstand finden.<br />
Bei Vorhandensein eines Differentials<br />
am Wagen wirkt sich die Differenz dieser<br />
verschiedenen Widerstände als Drehmoment<br />
aus und führt zum Schleudern oder, wie man<br />
es treffend bezeichnet, zum «Tanzen» des<br />
Fahrzeuges. Dieses Schleudern des ungebremsten<br />
Wagens ist jedoch unerheblich,<br />
führt kaum zu irgendwelchen Unfällen und<br />
kann durch richtige Konstruktion des Wasolche,<br />
sondern von der sich auf ihr bei beginnendem<br />
Regen oder beim Sprengen bildenden<br />
schmierigenSchicht herrührt, die sich in<br />
gleicher Weise auf Asphalt, Holz- oder Steinpflaster<br />
findet. Sobald die Strasse durch anhaltenden<br />
Regen rein gewaschen ist besteht<br />
Aus der Fahrpraxis<br />
Schlüpfriges Strassenpflaster, Schleudern und Bremsweg<br />
MbJ.<br />
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keinerlei Schleudergefahr mehr. Der Reibungskoeffizient<br />
zwischen Gummireifen und<br />
Fahrbahn beträgt auf trockener Makadamstrasse<br />
0,67, auf trocknem Asphalt 0,7; bei<br />
schlüpfriger Strassendecke sinkt sein Wert<br />
bis auf 0,17 und unter besonders schlechten<br />
Bedingungen bis auf 0,06. Der Wagen fährt<br />
dann nicht mehr unmittelbar auf der Stras-<br />
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dem geschwüidigkeitsbegrenzten Stadtverkehr<br />
kaum auftritt.<br />
Der niedrige Reibungskoeffizient auf<br />
schlüpfriger Fahrbahn wirkt sich als gefahrdrohend<br />
fast ausschliesslich beim Bremsen<br />
des Automobils aus. In der Bremsfrage liegt<br />
daher der Schlüssel der ganzen Schleuderfraige<br />
bzw. der Frage der zweckmässigsten<br />
Strassendecke.<br />
Um<br />
die bestmögliche Bremsung<br />
*i i * eines Fahrzeuges erzielen zu können, müsrtOu./i.<br />
tAj>602j sen (jjg Bremsen vom Fahrer derart betätigt<br />
werden^ dass 'd»e Räder sich noch soeben<br />
genünterbaues auf einem Minimum gehalten drehen, ohne blockiert zu werden. Die zur<br />
werdea Auch das Schleudern des Wagens Erreichung dieser Wirkung notwendige, an<br />
durch den Einfluss der Zentrifugalkraft in der Berührungsstelle zwischen Rad und Fahr-<br />
Kurven, das natürlich auch von der Beschaf- -bahn wirkende Bremsreibungskraft muss kleifenheit<br />
der Strasse abhängig ist, spielt in ner sein als das Produkt aus Reibungsziffer<br />
diesem: Falle keine grösse, Rolle, da es in und Adhäsionsgewicht, d. h. dem auf die ge-<br />
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wicht). Auf schlüpfriger Strasse wird also<br />
die an den Rädern wirkende Bremsreibungs-*<br />
kraft nur sehr gering sein können, um ein<br />
Blockieren vornehmlich der Hinterräder zu<br />
vermeiden, was naturgemäss auch einer nur<br />
geringen Bremswirkung entspricht. Führt<br />
die auf die Bremsen ausgeübte Bremsren<br />
bungskraft zum Blockieren der Hinterräder,<br />
so kann der Wagen unter Umständen sich<br />
querstellen, d. h. also ins Schleudern geraten;<br />
dies wird immer dann der Fall sein,<br />
wenn Vorder- und Hinterräder in verschie-i<br />
denen Ebenen laufen, d. h. bei jedem Rieh«»<br />
tungswechsel bzw. Einschlag der Vorder-*<br />
räder. Die im Wagenschwerpunkt beim<br />
Bremsen angreifenden Massenkräfte wirken,<br />
ohne dem Richtungswechsel der Vorderräder!<br />
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