E_1930_Zeitung_Nr.038
E_1930_Zeitung_Nr.038
E_1930_Zeitung_Nr.038
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Die Baronin Irma Weschetz v. Becskerek<br />
war ein Teufel.<br />
Unscheinbar, alt — in ihrer Jugend war<br />
sie gereist, hatte all© Länder Europas besucht<br />
— so lebte- sie jetzt auf ihrem Gut in<br />
Serbien, humpelte, in ihren grauen Rock gehüllt,<br />
über die Felder, keifte, schlug nach den<br />
Bauern und trat nach den Hunden. In ihrem<br />
Rock, sagten die Leute, sei ein Vermögen<br />
verborgen, das trüge sie mit sich. Und<br />
wirklich, oft zog sie die Hundert- und Tausenddinarscheine<br />
aus der Tasche, hielt sie<br />
den Bauern vor die Nase: « Da, da! Ihr<br />
Hunde, ihr Faulpelze! Mit diesen heiz' ich im<br />
Winter, wenn sie zu viele "werden! Aber<br />
euch? Verrecken sollt ihr! Euch nichts, gar<br />
nichts für euch!» Und sie schleppte sich weiter<br />
und stach mit feindseligen Blicken nach<br />
allen. Niemand sollte ihr Geld haben!<br />
Aber er hat sich verrechnet, er hat nicht an die<br />
Wut der Greisin gedacht, sie hängt eich an ihn...<br />
Sie lieh es zu; Wucherzinsen ^us und trieb<br />
das Geld unbarmherzig ein. Dem Andreas<br />
Hudjec verpachtete sie vierzig Joch um<br />
10,000 Dinar. Der Mann hatte Unglück. Die<br />
Gründe wurden im Sommer überschwemmt,<br />
die Ernte vernichtet. Er konnte die Pacht<br />
nicht bezahlen. Eine geringfügige Summe<br />
war es für die Baronin. Die Tochter Hudjecs<br />
war in dem Hochwasser umgekommen. Der<br />
Mann bat um Aufschub. In Elend war die<br />
Familie. Die Baronin blieb hart. Wie eine<br />
Spinne war sie, Hess pfänden, alles, Kuh und<br />
Ziege, Schrank und Tisch, alles, alles, stand<br />
dabei, gierig, bedacht, dass ihr nichts ent-<br />
Wenn Sie mit der<br />
Minute rechnen müssen,<br />
dann wählen Sie<br />
eine elektrische<br />
gebaut für jahrzehntelangen präzisen Gang<br />
Für das zeitgemässe Bureau halten<br />
wir besondere Modelle bereit 1<br />
Dürfen wir Ihnen nähere Auskunft erteilen?<br />
Der Teufel<br />
seiner hellgrauen Hose. Niemand beachtet<br />
ihn, niemand würdigt den Eindringling auch<br />
nur einer abwehrenden Bewegung. Der Kellner,<br />
der gerade am ändern Ende der Terrasse<br />
beschäftigt ist, hat ihn überhaupt nicht<br />
gesellen.<br />
Der Hund hat offenbar nicht gefunden,<br />
was er suchte: keinen Knochen, kein Stückchen<br />
Brot. Mit Kuchenkrumen scheint er sich<br />
nicht zu befassen. Unschlüssig steht er letzt<br />
vor der weissen Säule, schüttelt enttäuscht<br />
den struppigen Kopf, will sich gerade umwenden.<br />
Aber da scheint ihn ein interessanter<br />
Geruch zu fesseln. Er schnuppert eifrig<br />
an der Säule, und plötzlich, da geschieht es,<br />
— hebt er gedankenvoll das eine Bein.<br />
Der korrekte Jüngling springt entgeistert<br />
auf. Zum erstenmal kommt Leben in sein<br />
leeres Gesicht. Die hellgraue gebügelte Hose<br />
sieht jetzt durchaus nicht korrekt aus. Und<br />
während der herbeigeeilte Kellner den Köter<br />
mit flatternder Serviette hinausjagt, wankt<br />
der Jüngling, von mitleidig-belustigten Blikken<br />
geleitet, wie ein Geohrfeigter ins Hotel.<br />
Der Bann ist gebrochen.<br />
Ich atme erlöst auf.<br />
gehe. Der Mann erhängte sich. Irma Weschetz<br />
blieb ungerührt. Was ging es sie an,<br />
hätte er gezahlt!<br />
Ein Teufel war sie.<br />
Stephan Djuka brauchte Geld. Die Baronin<br />
lieh und behielt ein Viertel der Summe<br />
ein, für ein Viertel gab sie ihm Mais der alten<br />
Ernte, den er nicht brauchen konnte und<br />
billig weitergeben musste, nur für die Hälfte<br />
erhielt er Geld. Sie kündigte plötzlich. Eine<br />
Klausel in dem Vertrag gab ihr das Recht.<br />
Der Mann' musste fort, er wanderte aus, allein,<br />
über Nacht floh er und Hess Frau und<br />
Kinder zurück. Die verdingten sich in der<br />
Umgegend, "wurden käuflich. Was ging es sie<br />
an?<br />
So eine war sie. Ihr Neffe lebte in Belgrad.<br />
Ein Windhund war er, der auf das Erbe<br />
wartete, denn ihm musste später, weil keine<br />
andern Verwandten vorhanden waren, alles<br />
zufallen. Einmal kam er nach Becskerek.<br />
Demütig kam er zur Tante. Die, argwöhnisch<br />
— «was will er nur wieder, der Fresser,<br />
und wann wird er gehen?» — verkniff<br />
den Mund.<br />
Am Abend der Neffe: «Nur 20,000 Dinar,<br />
15,000 nur! Ich habe ein Mädchen, unglücklich<br />
wird es, kommt in Schande, kauf mich<br />
3os! Ich muss das Geld haben!»<br />
«Nein.»<br />
« Was ist diese Summe ? Nichts für dich,<br />
Weniger noch ist sie, gar nichts! Was sind<br />
15,000 Dinar! 10,000 gib! Gib mir 5000!»<br />
Sie, kichernd: «Nein, du Verschwender, du<br />
Nichtsnutz! Nichts erhältst du! Hast du ein<br />
Mädchen? Gut. Andre haben auch Kinder.<br />
Kein Geld sollst du haben.»<br />
Der Neffe wäll auffahren und ist demütig,<br />
denkt: ,Dass der Teufel dich hole, du Hexe!'<br />
und bettelt: «Gib mir das Geld, Irma Weschetz,<br />
was bedeutet es dir? Einmal werde<br />
ich alles haben, denk', was ist das für dich:<br />
5000 Dinar!»<br />
Aber sie gibt nichts. Keine fünf, nicht einen<br />
Dinar! «Geh', du Fresser,» sagt sie, «du<br />
Säufer, du Tagedieb, der du dem Herrgott<br />
das Geld aus der Tasche ziehst, geh' nur,<br />
von mir kriegst du nichts, nicht einen Dinar.<br />
Lieber verbrenne ich alles. In das Feuer. Im<br />
Winter. Das knistert und bläht sich und<br />
krümmt sich auf, schwarz, und fliegt fort.»<br />
Und sie freut sich und kichert, dass er<br />
denken muss: .Satan bist du, wer erschlägt<br />
dich?' Und wieder bettelt er, doch es ist<br />
vergebens. (Also Flordan Seidl in den «Dresd.<br />
N. N.».)<br />
Gegen Mitternacht bricht er in ihr Schlafgemach<br />
ein und reisst den Rock an sich» in<br />
dem sie ihr Geld eingenäht hat, Banknoten in<br />
englischer und amerükaniisoher Währung.<br />
«Du Verfluchte,» schreit er, «jetzt nehme ich<br />
mir, nicht 5000, nicht 20,000, soviel ich will,<br />
du Verrückte, was willst du mit dem Geld?<br />
AUTOMOBIL-REVUE <strong>1930</strong> N°38<br />
Verschleudern werde ich einmal und auch<br />
heute schon will ich mir nehmen!»<br />
Aber er hat sich verrechnet, er hat nicht<br />
an die Wut der Greisin gedacht, sie hängt<br />
sich an ihn, er schüttelt sie ab, dass sie mit<br />
dem Kopf auf den Boden aufschlägt, er will<br />
fort, sie ist wieder in der Höhe, klammert<br />
sich an ihn, krallt die Finger in seinen Arm,<br />
in seine Füsse, er hämmert mit den Fäusten<br />
gegen ihren Kopf, gegen ihr Gesicht, sie<br />
lässt nicht los, schreit schrill!<br />
Da stürzen die Leute herbei, die halten ihn<br />
fest. «Beraubt hat er mich, bestohlen, geschlagen!<br />
Haltet ihn fest!»<br />
Sie binden ihn, nach den Landjägern<br />
schickt sie und umkreist, bis sie kommen,<br />
den Gefesselten. «Ach, mein Kindchen, siehe,<br />
mein Täubchen, ich bin nicht tot, ich bin<br />
noch nicht schwach, nichts wirst du besitzen,<br />
gar nichts sollst du einmal haben.»<br />
Sie führen ihn ab und der Mann kommt vor<br />
Gericht und wird eingesperrt.<br />
Zäh ist Irma Weschetz.<br />
Ein Wort haftet in ihr: «Einmal werdeich<br />
alles besitzen.» Nichts soll er erhalten und<br />
niemand.<br />
Sie liess den Notar kommen. «Wer wird<br />
mein Geld besitzen? Wer meine Pferde? Die<br />
Schweine? Den Hof? Wer wird das Land<br />
haben und alles, was ich erworben?»<br />
«Ihr Neffe.»<br />
«Nicht der Dieb!»<br />
«Dann der oder jener?» Und weil sie immer<br />
«Nein!» ruft, sagt er endlich: «Dannder<br />
Staat.»<br />
«Was ist der Staat? Das sind alle! Niemand<br />
soll etwas haben! Wie ist das zu machen?»<br />
Der Notar zuckt die Schulter: Das geht<br />
nicht. An den Staat wird es fallen.»<br />
Irma Weschetz tobt. «Auch der Staat<br />
nicht!»<br />
Der Notar geht. «Was ist zu machen? Verrückt<br />
ist die Alte, der Teufel soll sie holen!»<br />
Als der Neffe seine Strafe abgesessen hatte,<br />
kam er auf den Hof. Ihr zum Trotz.<br />
«Wie ist das, Irma Weschetz? Einmal<br />
werde ich alles besitzen.»<br />
«Nie!» schreit die Alte voll Grimm.<br />
Der Neffe voll Hohn: «Dann eben ein andrer,<br />
Milan Mäjatovlc oder Alex Kallay oder<br />
die Frau des Andreas Hudjec oder die Töchter<br />
Stephan Djukas, die in den Schenken sitzen<br />
und trinken.»<br />
«Der Staat!» keift die Alte.<br />
Der Neffe lacht. «Was ist der Staat? Aufteilen<br />
wird er, der wird erhalten und jener,<br />
alle werden erhalten, hier werden sie sitzen,<br />
hier werden sie trinken, hier werden sie lachen<br />
und verschleudern. Alle sind Erben, lustiges<br />
Treiben wird sein und dir werden sie<br />
fluchen.»<br />
So schreit er laut immer wieder. Sie jagt<br />
ihn vom Hof, die Hunde sind los, er kommt<br />
wieder und schreit: «AHe werden besitzen<br />
und dir werden sie fluchen!»<br />
Ganz von Sinnen wird sie. Schweigt der<br />
Mensch nicht? Niemand soll von dem Ihren<br />
besitzen!<br />
Am Erntefest, als die Taglöhner alles eingefahren,<br />
als Scheune und Stall voll gefüllt<br />
sind, als alle auf das Fest warten, auf Speise<br />
und Trank, auf den alten Brauch pochen,<br />
festlich geschmückt im Hof stehen, tritt sie auf<br />
die Altane oben, sieht giftig hinab, denn jetzt<br />
soll sie gehen, und auf einmal lacht sie, wie<br />
irr, und schreit: «Fest! Fest! Ihr wartet, ich<br />
weiss wohl, worauf. Da! Da!» Und sie reisst<br />
Geldscheine aus ihrem Rock, zerfetzt sie,<br />
in winzige Stückchen zerfetzt sie sie, wirbelt<br />
sie in die Luft auf den Hof, auf die Menschen,<br />
Dollarscheme, Dinarscheine, in ganz<br />
TISCH-KOFFER KISS-PLY<br />
PATENT. Einzigartig für Ihre Picknick-Touren.<br />
Alles in einem Koffer für<br />
2, 4 oder 6 Personen, Stühle, Geschirr<br />
etc. Der Tisch-Koffer wie Inhalt ist<br />
äusserst stabil ausgeführt, bis zum feinen<br />
Luxus-Modell.<br />
kleinen Stücken, nein, es ist nicht möglich,<br />
sie je wieder zusammenzusetzen, Pfundnoten<br />
und Staatsverschreibungen. «Da! Rauft euch,<br />
fasst zu!» Die Bauern fallen darüber her.<br />
Oben das Weib, Wut im Blick, knirschend<br />
und irr, hetzt, reisst die Nähte auf, streut<br />
aus, und ist ängstlich bedacht, dass nur kleine<br />
Fetzen zu Boden fallen. Niemand soll von<br />
ihr besitzen!<br />
Auf dem Hof ist ein Getümmel, Schreien<br />
und Fluchen, Zerren und Treten, Schelten<br />
und Schlagen, und auf einmal steht ein Zerlumpter<br />
inmitten: der Neffe! Das Haar verfilzt<br />
und den Bart nicht gekämmt. Und er<br />
schreit — ist der Verfluchte denn überall?<br />
Treibt ihn der Böse um? Ist er Gehilfe des<br />
Satans? Wird er sie wahnsinnig machen ?<br />
Er schreit, dass seine Stimme den Länn<br />
Sie humpelt zerlumpt über die Felder..?<br />
übertönt: «Wirf nur! Alles kannst du nicht<br />
zerfetzen, nicht alles! Noch steht das Haus<br />
und der Hof, und die Herde ist gross!» Und<br />
er lacht, heiser klingt das und seine Stimme<br />
überschlägt sich: «Noch steht das Haus und<br />
der Hof, und die Scheunen sind voll und<br />
warten der Erben!»<br />
Da wird sie von Sinnen. Nichts soll erbesitzen,<br />
er nicht und niemand! Sie hetzt in die<br />
Küche, brennende Scheite reisst sie aus dem<br />
Herd, sie verbrennt sich die Hände, es schiert<br />
sie nicht, sie läuft auf den Hof, wirft die<br />
Brände auf die Garben, die in dessen Mitte<br />
hoch getürmt sind, dass das Feuer prasselnd<br />
aufschlägt. Die Leute stieben entsetzt auseinander,<br />
sie schreit, sie jubelt, endlich der<br />
Weg! Sie läuft wieder zurück, holt Glut, in<br />
die Ställe damit! Und wieder zurück! Und<br />
der Neffe hinter ihr her. Hetzt und lacht,<br />
schreit und hetzt: «Heio! Heio!» Die Leute<br />
versuchen zu löschen. Vergebens. Die Ernte<br />
ist gu|er Frass für das Feuer. Hellauf schlägt<br />
es. Sie wollen die Frau halten, aber die<br />
schlägt mit dem Feuer um sich, toll ist sie.<br />
Ueber das Dach springt schon die Glut, es<br />
ERLENBHCH'«<br />
RESTAURANT SCBÖNAÜ TL<br />
Spez.: Bouillabaisse — Queulles de Brechet -•<br />
Langoustes — Piccata — Stets lebende Fische,<br />
Selbstgekelterte Weine.<br />
E. MUSTER, chef de cuisine. Telephon 3 14.<br />
MODERN<br />
HERRENARTlMEL<br />
Eugene Meylan, La Ciiaux-de-Fonds<br />
Jacob-Brand-Strasse 61 Telephon 317<br />
Basel<br />
METROPOLE<br />
HOTEL.<br />
MONOPOLE<br />
KISS-PLY-KOFFER<br />
aufgestellt zum Picknick.<br />
Tisch-Koffer KISS-PLY komplett von<br />
Fr. 65.— bis Fr. 550.—.<br />
Verlangen Sie Katalog Nr. 3.<br />
General-Depot für die Schweiz:<br />
KISS.PLY-KOFFEß<br />
eingeräumt mit Stühlen.<br />
Rud. Haag, untere Langstrasse 213, Zürich 5<br />
GOLF LINKS Sport-Kleidung. Weekend-Zelte-Fabrikation en gros,<br />
Das Haus ersten Banges, im Zentrum der<br />
Stadt, mit modernem Komfort — überall fl.<br />
Wasser — Privat-Bäder — feines Stadtrestaurant.<br />
Telephon S. 37.63, S. 48.49.<br />
Dir. 17. A. Jüislin.<br />
GRIMM-REGKEWERTU<br />
MARKTGASSE »ECKE RINDERMARKT ZÜRICM1