E_1930_Zeitung_Nr.055
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N&55<br />
II. Blatt<br />
BERN, 27. Juni <strong>1930</strong><br />
II. Blatt<br />
BERN, 27. Juni <strong>1930</strong><br />
Tediniidie<br />
Nol<br />
Im Kampf mit der Hitze.<br />
Man sollte denken, dass ein Automobil die<br />
Flucht vor der gegenwärtigen Hochsommerhitze<br />
besonders erleichtern würde. Für die<br />
Besitzer offener Wagen trifft das wohl<br />
grösstenteils zu. Die Fahrer geschlossener<br />
Wagen haben aber oft ein noch schlimmeres<br />
Fegfeuer zu bestehen, als der ungeschützt in<br />
der prallen Sonne des Weges ziehende Wanderer.<br />
Manche geschlossene Karosserien<br />
werden im Sommer zu wahren Brutkästen,<br />
am nicht zu sagem : Krematorien. Die Tendenz,<br />
die Hölzkarosserie durch die Stahlblechbauart<br />
zu ersetzen, hat in dieser -Hinsicht-<br />
für den Autler entschieden eine Verschlimmerung<br />
gebracht. Die Metallwände<br />
geben die aufgenommene Sonnenwärme ins<br />
Karosserie-Innere mit relativ nur sehr geringen<br />
Verlusten wieder" ab. Das Metall ist<br />
ja ein viel besserer Wärmeleiter als Holz<br />
oder gar Luft. Die Wärmeisolation ist dort<br />
besonders gering, wo das Blech zugleich<br />
Äussen- tmd Innenwand bildet, wo also keine<br />
isolierende Luftzwischenschicht' vorhanden<br />
ist.<br />
Metallbauart, niedere Linie.<br />
Weiter hat die moderne, niedrige Linie<br />
nicht wenig dazu beigetragen, den Aufenthalt<br />
im Wagen bei heissem Wetter unangenehmer<br />
zu machen. Man muss nämlich wissen,<br />
dass ein grosser Teil der als lästig empfundenen<br />
Hitze nicht von erwärmter Luft<br />
herrührt, sondern von der Strahlung, welche<br />
das Dach und die Seitenwände aussenden.<br />
Die Wärmestrahlungsintensität .wächst dabei<br />
mit abnehmender Entfernung im Quadrat, in<br />
halber Nähe vom Dach z. B. ist es deshalb<br />
schon viermal so « heiss ». Bei modernen<br />
niedrigen Karosserien befindet sich aber oft<br />
die Schädeldecke der Insassen nur wenige<br />
Zentimeter von der wärmestraWenden Decke<br />
entfernt.<br />
.„ ;•,<br />
Nun braucht man allerdings die meisten<br />
dieser Hitze-Belästigungera auch nicht bedingungslos<br />
hinzunehmen. Gerade die moderne<br />
Zubehörtechnik hat wieder manches<br />
gebracht, was ihnen wirksam entgegenzutreten<br />
erlaubt. Ausserdem gibt es eine Anzahl<br />
Tricks, die- noch wenig bekannt sind, deren<br />
Anwendung aber als wirksames Gegenmittel<br />
gegen unangenehme starke Hitze in Frage<br />
kommt.<br />
.Es seien hier einmal in aller Kürze die<br />
meistversprechenden dieser Massnahmen aufgeführt.<br />
Einfluss der Karosseriefarbe.<br />
Ueberrasehend viel kann man schon erreichen,<br />
indem man die Karosserie oder mindestens<br />
ihr Dach mit einem weissen Anstrich<br />
versieht. Genau so, wie ein weisser Anstrich<br />
das Licht reflektiert und dadurch eben weiss<br />
erscheint, so reflektiert er auch die Wärmestrahlen.<br />
Der Anstrich oder — worauf es<br />
hier vielmehr ankommt — seine Unterlage,<br />
nimmt dadurch entsprechend weniger Wärme<br />
auf, bleibt kühler. Am besten würde sich<br />
irf dieser Hinsicht ein spiegelblanker Karosseriebelag<br />
verhalten. Ein schwarzer Anstrich<br />
dagegen verhält sich so ziemlich am schlechtesten,<br />
besonders wenn er noch matt ist,<br />
So wenig, wie er Licht reflektiert, reflektiert<br />
er die.Wärmestrahlung. Praktisch kann man<br />
durch Befühlen mit der Hand auch sehr leicht<br />
feststellen, dass zwischen der Eigentemperatur<br />
zweier der Sonne ausgesetzter Karosserien,<br />
von denen die eine hell, die andere<br />
dunkel gestrichen ist, ein grosser Unterschied<br />
bestellt.<br />
Je kühler die Karosserie als solche ist, umso<br />
kühler wird es auch in ihrem Innern bleiben.<br />
Für die Passagiere des Wagens kommt es<br />
dann weiter drauf an, welchen Belag die<br />
Innenseite der Karosserie aufweist. Wieder<br />
sind es dabei die dunklen Belagsarten, beispielsweise<br />
schwarzer oder dunkler Samt,<br />
Abb. 1. — Ventilation vom obern Rand der Windschutzscheibe<br />
aus. i<br />
die ungünstig wirken, wie Oefen, die man<br />
genau aus diesem Grund mit dunklen Oberflächen<br />
ausführt, geben dunkle Karosseriewände<br />
mehr Wärme in Form von Strahlung<br />
ab. Um die Wärmestrahlung ins Karosserieinnere<br />
auf ein Minimum zu reduzieren, sollten<br />
deshalb die Decke und die Innenwände<br />
mit möglichst hellen Stoffen bezogen oder<br />
hell gestrichen sein.<br />
Schliesslich besteht nochmals ©in recht<br />
fühlbarer Unterschied, ob man als Passagier<br />
selbst hell oder dunkel angezogen ist.<br />
Ventilatoren.<br />
Selbst im Fall, dass man sich gegen Strahlungswärme<br />
ideal geschützt hätte, bleibt aber<br />
noch manches zu tun übrig. Da ist einmal<br />
das Problem, wie man im geschlossenen Wagen<br />
die Luft am besten erneuert. Hält man<br />
die Fenster geschlossen, dann ist es natürlich<br />
bei richtigem Sommerwetter im Wagen<br />
«nicht mehr zum aushalten». Sobald man<br />
sie aber öffnet, beklagen sich mit Sicherheit<br />
einige Passagiere über c Zugluft».<br />
« Es zieht! »<br />
Merkwürdig ist nur, dass diese Zugluft<br />
ihre gefährliche Eigenschaft verliert, wenn<br />
sie sich nochmals verstärkt, wie z. B. bei<br />
Wagen mit «ciel ouvert» oder überhaupt<br />
bei der offenen Karosserie. Die «Zugluft»<br />
heisst dann plötzlich «Fahrtwind» und wird<br />
als ganz selbstverständlich betrachtet. Warum<br />
muss nun « Zugluft» schädlich sein und<br />
unbedingt Erkältungen mit sich bringen,<br />
während der viel stärkere « Fahrtwind » offenbar<br />
ganz harmlos ist ?<br />
Wohl deshalb, weil «Zugluft» nur aus<br />
einzelnen Luftstrahlen besteht, der «Fahrtwind<br />
* aber aus einer breiten, gleichmässigen<br />
Dusche. Im ersten Fall kann so ein Lüftstrahl<br />
eine Stelle des Körpers stark abkühlen,<br />
eine benachbarte dagegen ganz unberührt<br />
lassen. Anscheinend ist das Nervensystem<br />
vieler Menschen nicht imstande,<br />
gleichzeitig Schutzmassnahmen gegen Hitze<br />
und Kälte vorzunehmen. Da es beispielsweise<br />
durch die Hitzeabwehr in Anspruch<br />
genommen ist, versagt es dann gegerli die<br />
Kälte, es entsteht eine