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E_1933_Zeitung_Nr.003

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Verkehrsmittel, sowie die Rechte und Vorteile,<br />

die ihnen eingeräumt werden, seien<br />

derart verschieden, dass es den Eisenbahnen<br />

einfach unmöglich werde, erfolgreich gegen<br />

das Automobil anzukämpfen, wenn nicht hier"<br />

eine grundlegende Aenderung in absehbarer<br />

Zeit vorgenommen werde.<br />

Der Bau und Betrieb der Bahnen ist gesetzlich<br />

geregelt. In den Konzessionsvorschriften<br />

sind die Lasten aufgezählt, die jede Bahn für<br />

die Oeffentlichkeit zu übernehmen hat. Der<br />

Konzessionsbewerber weiss also genau,<br />

welche Verpflichtungen er zu tragen hat, und<br />

wenn ihm diese zu hart erscheinen, so kann<br />

er auf die Konzession verzichten. Die Bahnen<br />

können sich also nicht über Pflichten beklagen,<br />

die sie freiwillig übernommen haben.<br />

Neb'en diesen Pflichten räumt der Staat<br />

den Bahnen aber auch Rechte ein. Sie haben<br />

das Alleinrecht erhalten, auf einer bestimmten<br />

Strecke eine Bahnlinie einrichten zu<br />

dürfen. Dieses Recht wird heute als nebensächlich<br />

hingestellt, ist es aber nicht. Im<br />

weiteren erhielten die Bahnen das Expropriationsrecht,<br />

den Schutz des Bundes für<br />

ihre Anlagen und grösstenteils die Steuerfreiheit.<br />

Das sind Werte, die ebenfalls stark<br />

ins Gewicht fallen. Im weiteren haben die<br />

Bundesbahnen die Garantie des Staates für<br />

ihr Kapital und ihren Zinsendienst. Keine<br />

andere Unternehmung, ausser den staatlichen<br />

Betrieben, kann sich einer derartigen Sicherung<br />

durch die Allgemeinheit erfreuen. Privatunternehmungen<br />

gehen, wenn sie verlustbringend<br />

arbeiten, einfach zugrunde. Die<br />

S. B. B. dagegen haben, welches auch ihre<br />

Ergebnisse sein mögen, den Schutz der<br />

Allgemeinheit In gleich günstiger Lage befinden<br />

sich zahlreiche Nebenbahnen, deren<br />

Zinsendienst ganz oder teilweise durch die<br />

Allgemeinheit (Kantone und Gemeinden) gesichert<br />

ist. Warum hebt Herr Dr. Zehnder<br />

nicht auch diese Tatsache hervor? Die<br />

Bahnen verlangen ihre Befreiung von allen<br />

Lasten, sagen aber nicht, was sie dafür bieten<br />

wollen.<br />

Und nun zu den Ueberlegungen, welche<br />

schlussendlich zu dem erwähnten Rechenexempel<br />

führen!<br />

Die Argumentation von Dr. Zehnder geht<br />

vollständig fehl. Die Strassen haben bestanden,<br />

bevor es Automobile gab. Das Automobil<br />

kann also nicht für die Kosten des Strassenbaues<br />

haftbar gemacht werden. Das Verhältnis<br />

ist nicht das gleiche wie bei der Bahn.<br />

Diese hat ihren Schienenweg für den eigenen<br />

Bedarf gebaut und niemand als sie allein darf<br />

diesen Weg benutzen. Er steht unter dem<br />

besonderen, sehr weitgehenden Schutz des<br />

Staates. Anders die Strasse, die jedermann<br />

zugänglich ist, dem Fussgänger, dem Fuhrwerk<br />

und dem Automobil. Die Kosten des<br />

Strassenunterhaltes beliefen sich im Jahre<br />

1931 auf 11 Mill. Fr. Auf die heutigen Kosten<br />

umgerechnet, macht dies 16 Mill. Fr. Im<br />

Jahre 1931 beliefen sich die Ausgaben der<br />

Kantone für den Strassenbau und -unterhalt<br />

auf 78 Mill. Fr., so dass auf den Autoverkehr<br />

62 Mill. Fr. entfallen. Nun bezahlen aber die<br />

Automobilisten den Kantonen 25 Mill. Fr.,<br />

dem Bund für den Benzinzoll 40 Millionen<br />

und für Automobil- und andere Betriebsstoffzölle<br />

27 Mill. Fr. Der Allgemeinheit fliessen<br />

also über die vom Auto verursachten<br />

Strassenausgaben noch 30 Mill. Fr. zu, ein<br />

schweigend zusehen, wie man den Chauffeur<br />

.vor ihm warnte.<br />

«Pass' nur auf, Cholly!» schrie man von<br />

allen Seiten. «Nimm dich vor seinen Goldfüchsen<br />

in acht, Cholly! Nette Polizei, die<br />

selbst falsches Geld unter die Leute bringt!<br />

Die müssten noch Ammen mithaben, wenn<br />

sie spazieren gehen!»<br />

Aber während Kenyon in wilder Eile im<br />

Taxi dahinflog, kam ihm plötzlich eine Idee:<br />

das waren ja gerade die beiden Pfund, die<br />

er am Morgen in M. Lavertisses Geschäft<br />

zurückbekommen hatte! Er hatte den ganzen<br />

Tag keine anderen in der Tasche gehabt!<br />

Aha, war der rothaarige Franzose also doch<br />

tiefer als es aussah! Lag bei ihm vielleicht<br />

der Schlüssel zu der Sache? Ein Hoffnungsstrahl<br />

leuchtete wieder, und im nächsten<br />

Augenblick hatte Kenyon dem tief misstrauischen<br />

Chauffeur eine andere Order gegeben,<br />

ihr durch die Vorzeigung seiner<br />

Polizeikarte Nachdruck verliehen, und sauste<br />

nun durch die Strassen nach Holborn. Einmal<br />

Hess er den Chauffeur halten — vor<br />

einer Apotheke, wo er sich eine Viertelstunde<br />

aufhielt, dann ging es wieder weiter,<br />

und Schlag sieben Uhr sprang er vor dem<br />

Haus 138 Southampton Road heraus und gab<br />

Order, zu warten. Der rothaarige Ladenbesitzer<br />

war eben im Begriff, zu sch'.'essen.<br />

«Wir schliessen um sieben Uhr, Sir,» sagte<br />

er etwas steif.<br />

«Tun Sie das,» rief Kenyon, «und kommen<br />

Sie dann mit mir ins Geschäft. Ich habe mit<br />

Ihnen etwas zu sprechen, Monsieur!»<br />

«Etwas Wichtiges, Sir?»<br />

«Verdammt wichtig, und machen Sie nur<br />

keine Ausflüchte,» sagte Kenyon barsch. Zögernd<br />

Hess der Mann die Rolläden herab, und<br />

sicher sehr schöner Betrag, wenn betrachtet<br />

wird, dass die Bahnen keine Steuern'bestahlen.<br />

Herr Dr. Zehnder macht geltend, dass die<br />

Zölle einen Anteil der allgemeinen Einnahmen<br />

des Staates ausmachen und nicht ausschliesslich<br />

für den Strässenunterhalt beansprucht<br />

werden dürfen. Der Zoll auf Benzin betrug<br />

bis zum Jahre 1919 30 Rp. auf 100 kg.<br />

Nehmen wir an, der Zoll wäre im gleichen<br />

Verhältnis wie bei den anderen Verbrauchsartikeln<br />

gesteigert worden, so würde er jetzt<br />

vielleicht Fr. 1.— für 100 kg betragen. Selbst<br />

wenn wir einen zehnfach höheren Zoll ajs im<br />

Jahre 1919 berechnen, macht dies erst Fr. 3.—<br />

für 100 kg aus. Der Rest geht über die<br />

Normalbelastung weit hinaus und gehört.nicht<br />

in die Bundeskasse, sondern auf die Strasse.<br />

Das ist bei den Debatten im Nationalrat im<br />

Jahre 1923 deutlich zum Ausdruck gebracht<br />

worden. Von den 40 Mill. Fr. Benzinzolleinnahmen<br />

gehören also wenigstens 35 Mill.<br />

Franken den Kantonen für den Strässenunterhalt,<br />

was mit ihren Steuereinnahmen<br />

zusammen 60 Mill. Fr. ausmacht. Dazu kommen<br />

aber noch die Fiskalzölle auf den Automobilen,<br />

die 33 Prozent des Warenwertes<br />

ausmachen. Auch diese Zölle sind übersetzt,<br />

da es keine einheimische Personenautomobilindustrie<br />

zu schützen gibt.<br />

Die Automobilisten kommen also nicht<br />

allein für die Mehrausgaben der Kantone für<br />

den Strässenunterhalt auf, sondern liefern der<br />

Allgemeinheit mit 30 Mill. Fr. noch einen erheblichen<br />

Betrag ab. Die Bahnen dagegen<br />

zahlen keine Steuern (selbst wenn sie nicht<br />

steuerfrei sind) und die Zollansätze auf dem<br />

von ihnen benötigten Material sind äusserst<br />

gering. Während Benzin' mit 158 Prozent<br />

des Warenwertes belastet ist, beträgt die<br />

Zollbelastung für Eisenbahnwagen für den<br />

Personentransport 15 Prozent, für Kupferdraht<br />

4 bis 6 Prozent, für Eisenbahnschienen<br />

6 Prozent (60 Rp. für 100 kg), für Achsen<br />

und Räder 5 Prozent. Schon daraus geht die<br />

Bevorzugung der Bahnen gegenüber derii<br />

Automobil deutlich hervor.<br />

Wenn sich die Bahnen heute in einer<br />

schwierigen Lage befinden, so trägt nicht die<br />

Autokonkurrenz daran die Hauptschuld, sondern<br />

die Ueberkapitalisation und die übertrieben<br />

hohen Betriebsausgaben. Das Anlagekapital<br />

der S.B.B, ist vom Jahre 1913<br />

bis 1930 von l 489 000 000 Fr. auf 2 714 000 000<br />

Franken, also um 82 Prozent gestiegen. Der<br />

feste Zins hat von 52916000 Ff. im Jahre-<br />

1913 auf 114 628 000 Fr. im Jahre s 1930 zugenommen,<br />

also um 116 Prozent. In denglet*;<br />

chen Zeit haben die Betriebsausgaben eine<br />

Steigerung von 133 278 000 Fr.,auf 267 574000<br />

Franken oder um 100 Prozent erfahren, wobei<br />

die Löhne für das Personal mit 137 Prozent<br />

inbegriffen sind. Die Einnahmen dagegen<br />

haben nur um 83 Prozent zugenommen.<br />

Es ist nun klar, dass bei 116 Prozent höheren<br />

Zinsaufwendungen und 100 Prozent höheren<br />

Betriebsausgaben der Betrieb mit Verlust<br />

arbeiten muss, wenn die Einnahmenvermehrung<br />

nur 83 Prozent beträgt und die Rechnung<br />

schon im Jahre 1913 mit einem Venust<br />

von 5,7 Mill. Fr. abschloss. Mit einer solchen<br />

Geschäftsführung wäre jedes andere Unternehmen<br />

schon längst in Konkurs geraten.<br />

Nebenbei sei noch bemerkt, dass bei den<br />

Privatbahnen die Personalausgaben im Jahre<br />

1894 51 Prozent der Betriebsausgaben ausmachten,<br />

während sie bei den Bahnen jetzt<br />

ging mit Kenyon, der die Türe von innen<br />

verriegelte, in den Laden.<br />

Um halb zehn Uhr desselben Abends stand<br />

Kenyons Chauffeur halb weinend im Gespräch<br />

mit einem Polizeikonstabler vor dem<br />

Hause 138 Southampton Road. Es sei nun<br />

über zwei Stunden her, sagte er, seit der<br />

Herr, von dem die Leute sagten, dass er falsches<br />

Geld habe, und der selbst behauptete,<br />

ein Polyp — ein Polizist zu sein, in diesen<br />

Laden getreten war! Was sollte er tun? Was<br />

zum Teufel sollte er tun? Das waren schwere<br />

Zeiten für einen Chauffeur, wenn schon die<br />

Polypen — die Polizisten die Leute mit falschem<br />

Geld anschmierten. Er bespuckte<br />

energisch einen Laternenpfahl, und der Polizeikonstabler,<br />

der seiner Klage ein williges<br />

Ohr geschenkt, hatte, war eben im Begriff an^<br />

zuklopfen, als die Türe sich öffnete und<br />

Kenyon auf der Schwelle erschien, mit einem<br />

schwarzhaarigen Herrn, der beim Anblick des<br />

Konstabiers von einem Zittern befallen<br />

wurde.<br />

«Mr. Kenyon, Sir, ein Konstabier...» stammelte<br />

er.<br />

«Ich sehe es,» sagte Kenyon ruhig. «Stei-<br />

AUTOMOBIL-REVUft <strong>1933</strong><br />

78 Prozent erreichen. Da liegt der wirkliche<br />

Grund der schlechten Ergebnisse der Bahnen,<br />

und eine Besserung wird für solange nicht<br />

eintreten, als nicht die Besoldungsverhältnisse<br />

denen der Privatindustrie angeglichen<br />

sind. Dagegen aber wehrt sich das Personal,<br />

das seine bevorzugte Stellung nicht aufgeben,<br />

dafür aber der Allgemeinheit eine Krisensteuer<br />

aufbürden will.<br />

WIT haben gesehen, dass die Voraussetzungen,<br />

von denen die These ausgeht, an<br />

und für sich schon falsch sind. Sie müssen<br />

logischerweise auch zu einem unrichtigen<br />

Resultat führen.<br />

Der Vorschlag von Dr. Zehnder, die Allgemeinheit<br />

solle 80 Prozent des Anlagekapitals<br />

der Bahnen übernehmen, ist nicht diskutierbar.<br />

Die Bahnanlagen sind nicht der Allgemeinheit<br />

zur Benutzung zugänglich wie die<br />

Strassen, sie sind reservierter Besitz der<br />

Bahnen. Auf* der Strasse kann jedermann<br />

verkehren, auf der Bahnlinie dagegen nur<br />

der der Bahn gehörende Zug. Die Voraussetzungen<br />

sind also verschieden.<br />

Wenn wir einmal Autostrassen besitzen<br />

und diese nur dem Automobilisten zur Verfügung<br />

stehen, so ändert sich die Sache.<br />

Dieser wird dann, wie es anderwärts geschieht,<br />

in FoTm einer besonderen Abgabe<br />

für die Kosten und den Unterhalt der Strasse<br />

aufkommen. Bei unseren Strassen aber liegen<br />

die Verhältnisse anders.<br />

Die Uebernahme von 80 Prozent des Anlagekapitals<br />

der Bahnen durch die Allgemeinheit<br />

hätte zur Folge, dass diese die Verzinsung<br />

und Tilgung der gewaltigen Summen<br />

übernehmen müsste. Jetzt trägt der Bahnbenützer<br />

den Kostenanteil und er erhält dafür<br />

eine Gegenleistung in der Form des<br />

Transportes. Das ist richtig. Muss aber die<br />

Allgemeinheit die Kosten tragen, so werden<br />

diese Bevölkerungskreisen überbunden, die<br />

mit den Bahnen wenig oder gar nicht in<br />

Berührung kommen. Wir wollen nicht von<br />

den Automobilisten reden, aber von den Bergbewohnern,<br />

von den Bewohnern entlegener<br />

Gegenden usw. Nicht jeder Ostschweizer hat<br />

Gelegenheit« und die nötigen finanziellen<br />

Mittel, sich Fahrten auf der Montreux-<br />

Öberlahd-Bahn zu erlauben. Warum aber<br />

soll er an die Kosten dieser Bahn mittragen.<br />

Das ist doch unlogisch.<br />

Der Vorschlag von Herrn Dr. Zehnder<br />

würde, wenn er in die Tat umgesetzt werden<br />

sollte;' zu einer unerträglichen Belastung der<br />

Wtrtsdiaft anwachsen. Was nützen uns um<br />

30 Prozent verbilligte Bahntarife, wenn die<br />

Wirtschaft an Zöllen und Steuern erstickt?<br />

Die S.B. B. werden in ihrem Sanierungsprogramm<br />

voraussichtlich die Uebernahme<br />

von 800 Mill; Fr. durch den Bund vorschlagen.<br />

Muss dieser nun noch 650 Mill. Fr. von<br />

den Nebenbannen übernehmen, so bürdet er<br />

sich eine Schuldenlast auf, die ohne schwerste<br />

Schädigungen für die Wirtschaft nicht verzinst<br />

und getilgt werden kann. Solche Vorschläge<br />

sind nur realisierbar, wenn zu einer<br />

Bundessteuer noch neue Steuern und Zollerhöhungen<br />

kommen. Dass Solche nicht<br />

wünschbar sind und eine dahingehende Vorlage<br />

vom Volk crlatt abgelehnt werden würde,<br />

liegt auf der Hand.<br />

Für unsere Bahnen gibt es nur eine Hilfe<br />

— die Reorganisation ihrer Betriebe und Susserste<br />

Sparmassnahmen. 37<br />

gen Sie in diesen Wagen, Lavertisse. AI'<br />

right, Konstabier. Ich bin Mr. Kenyon, der<br />

in der Falschmünzersache arbeitet. Glaubte,<br />

hier eine Spur gefunden zu haben.»<br />

«Nichts los, Sir?»<br />

«Nichts Besonderes,» sagte Kenyon nach<br />

einem Augenblick des Zögerns. «Gothenburg<br />

Road 49,» fügte er, an den Chauffeur gewendet,<br />

hinzu, der seinen Platz wieder eingenommen<br />

hatte. «Und rasch vorwärts!»<br />

An der Ecke von Euston Road hörten sie<br />

die heiseren Rufe eines <strong>Zeitung</strong>sverkäufers:<br />

«Star, Extraausgabe! Der Chef der Falschmünzerbande<br />

so gut wie festgenommen,<br />

grosse Neuigkeiten, Star, Extraausgabe!»<br />

In der Sekunde hatte Kenyon das Auto<br />

gestoppt und ein Exemplar der <strong>Zeitung</strong> gekauft;<br />

und während es weiter über das holprige<br />

Pflaster ging, las er folgenden sensationellen<br />

Artikel: «Drama in Westend. — Die<br />

Falschmünzerbande wieder im Zuge! — Ihr<br />

Chef beinahe festgenommen... Mystifikation<br />

oder das Vorgehen eines Wahnsinnigen?»<br />

«Unmittelbar nachdem das Blatt in Druck<br />

gegangen ist, erhalten wir folgende sensationelle<br />

Nachricht. Nähere Notizen folgen später:<br />

Um sechs Uhr abends, als die grossen<br />

Westendfirmen eben im Begriff waren, zu<br />

schliessen, fuhr ein grosser weisser Limousinewagen<br />

vor der Generalagentur der Dion-<br />

Böuton-Gesenschaft iii der Oxford Street<br />

vor. Ein stattlicher, weisshaariger Herr, der<br />

selbst gelenkt hatte, stieg aus, begab sich in<br />

die Geschäftsräume und verlangte den Direktor<br />

zu sprechen. Dieser wurde gerufen und<br />

kam, doch als er den weisshaarigen Herrn<br />

erblickte, wollte er kaum seinen Augen trauen.<br />

Vor sich sah er keinen anderen als den<br />

Mann, der vor zirka einer Woche den äusserst<br />

kühnen Schwindel gegen die Gesellschaft<br />

verübt hatte, dessen sich unsere Leser noch<br />

erinnern dürften; ein Herr fand sich ein, der<br />

aufs i-Tiip?eIchen Lord Randolphe Caxton<br />

glich, stellte sich als dieser vor, kaufte gegen<br />

Kontrakt einen weissen Limousinewagen und<br />

verschwand, nachdem er eine Anzahlung von<br />

zweihundert falschen Pfund erlegt hatte. Nun<br />

wohl, in dem Mann, der jetzt vor ihm stand,<br />

erkannte der Direktor zu seiner unaussprechlichen<br />

Bestürzung den besagten Mann, und<br />

man denke sich sein Erstaunen, als er diesen<br />

sagen hörte: «Sie entschuldigen schon, Herr<br />

Zum Vortrittsrecht im neuen<br />

Gesetz.<br />

Zur Regelung des Verkehrs an Strassengabelungen<br />

und -kreuzungen können zwei<br />

Prinzipien angewendet werden: Entweder<br />

die Priorität von rechts, wobei jeder Fahrzeugführer<br />

verpflichtet ist, an jeder Kreuzung<br />

sein Fahrtempo zu verlangsamen, oder<br />

dann die Priorität der Hauptstrasse, wie sie<br />

uns notwendig erscheint für eine leichte Verkehrsabwicklung<br />

auf den grossen Durchgangsstrassen.<br />

Das Konkordat hatte in Art. 16 als Hauptregel<br />

die Priorität der Hauptstrasse anerkannt,<br />

die allerdings gemildert wurde durch<br />

das Vortrittsrecht des von rechts kommenden<br />

Fahrzeuges bei Strassen gleicher Klasse.<br />

Der eidgenössische Gesetzgeber sollte nun im<br />

neuen Automobilgesetz dieses Problem neu<br />

regeln, aber er zeigte sich von allem Anfang<br />

an recht unsicher. Im Vorentwurf zum<br />

Bundesgesetz wurde in Art. 25 die Konkordatsregelung<br />

im grossen und ganzen- bestätigt.<br />

Die Expertenkommission schlug 1930<br />

vor, es sei im Ueberlandverkehr das Vorrecht<br />

der Hauptstrasse und innerorts die Priorität<br />

des von rechts kommenden Fahrzeuges vorzusehen.<br />

Dieser Antrag wurde jedoch nicht<br />

berücksichtigt, und der Entwurf von 1930,<br />

welcher dem Parlament im Jahre 1931 unterbreitet<br />

wurde, sah als Grundregel das Vortrittsrecht<br />

von rechts mit einer Reserve zugunsten<br />

der Priorität der als Hauptstrassen<br />

gekennzeichneten Strassen vor. Der definitive<br />

Gesetzestext hielt sich in Art. 27 genau<br />

an den Entwurf und gab der Artikel im Parlament<br />

zu keinerlei Diskussion Anlass.<br />

Dagegen sahen sich die Verkehrsverbände<br />

veranlasst, auf diese Angelegenheit zurückzukommen<br />

und ersuchten Bern zu Beginn<br />

des Jahres 1931, dass die Fassung dieser<br />

Bestimmung vor ihrer Annahme nochmals<br />

gründlich geprüft werde. Die Verbände verlangten,<br />

man möchte auf den Vorschlag der<br />

Expertenkommission zurückkommen, mit der<br />

Ergänzung, dass den Lokalbehörden die Möglichkeit<br />

eingeräumt werde, auch innerorts<br />

Hauptstrassen zu schaffen und diese durch<br />

geeignete Signale als solche zu bezeichnen.<br />

Ich kam selbst in der Verwaltungsratssitzung<br />

des T. C. S. vom 14. März 1931 auf die Angelegenheit<br />

zu sprechen und wies vor allem<br />

darauf hin, dass, nachdem bestimmte Strassen<br />

als Hauptstrassen gekennzeichnet werden<br />

können, es sich darum handeln müsse,<br />

zu wissen, nach welchen Grundsätzen diese<br />

Klassierung erfolgen werde. Es war nämlich<br />

zu befürchten, dass bis zu dem Zeitpunkt, da,<br />

diese Bezeichnung der Hauptstrassen erfolgen<br />

wird, der Fahrzeugführer verpflichtet<br />

wäre, an jeder Strassenkreuzung oder -gabelung<br />

seine Geschwindigkeit zu vermindern,<br />

selbst auf den Verkehrswegen, die bis anhin<br />

als ausgesprochene Durchgangsstrassen betrachtet<br />

worden sind.<br />

Seither sind Monate ins Land gegangen —<br />

das Gesetz wurde angenommen und die Vollzugsverordnung<br />

im vergangenen November<br />

ebenfalls genehmigt. Wir suchen aber in beiden<br />

vergeblich nach irgendeinem Hinweis,<br />

wie und wann die Bezeichnung der Hauptstrassen<br />

stattfinden soll. Da nun das Gesetz<br />

bereits in Kraft getreten ist, ergab sich hier<br />

eine Ungewissheit, weshalb die Sektion<br />

Waadt des T. C. S. sich veranlasst sah, beim<br />

Direktor, ich könnte nicht sagen, dass ich mit<br />

dem Wagen zufrieden bin, den ich am 26. bei<br />

Ihnen gekauft habe, und ich möchte darum<br />

bitten, mir kontraktgemäss meine zweihundert<br />

Pfund zurückzugeben. Das Auto habe<br />

ich mitgebracht;»<br />

Dabei zieht der Mann ein Papier aus der<br />

Tasche, in dem der Direktor den Kontrakt<br />

erkennt. Bei diesem Anblick gelingt es ihm<br />

endlich, die Lähmung zu überwinden, in die<br />

das Vorgehen des-Mannes ihn versetzt hat,<br />

und er stürzt mit dem Ruf: «Der Schwindler!<br />

Der falsche Lord Caxton! Haltet ihn» auf<br />

den Betrüger los. Wie höchst erstaunt, zuckt<br />

dieser zusammen, stürzt zur Tür hinaus und<br />

ist verschwunden, ehe noch der Direktor und<br />

die hinzueilenden Angestellten ihn ergreifen<br />

konnten; die letzteren waren durch die<br />

Schliessungsarbeiten zu sehr beschäftigt gewesen,<br />

um die 'Episode zu bemerken.<br />

Und damit war die Sache beendet, keine<br />

Spur des weisshaarigen Betrügers war zu<br />

finden; ob er sich nun in einem Auto oder in<br />

der Untergrundbahn gerettet hatte, er war<br />

und blieb verschwunden. Die Dion-Bouton-<br />

Gesellschaft hat ihren Wagen wieder, das ist<br />

alles.<br />

Aber wie soll man diese unerklärliche Episode<br />

verstehen? Ist das der Streich eines<br />

Narren? Steht man vor einer Mystifikation?<br />

Das scheint ausgeschlossen, aber was hat<br />

sich in dieser wunderlichen Angelegenheit,<br />

der Falschmünzerbande von 1908, als unmöglich<br />

erwiesen? Wie dem auch sei, es ist die<br />

höchste Zeit, sie aus der Welt zu schaffen,<br />

und noch einmal müssen wir wiederholen:<br />

Schläft die Scotland Yard? Schläft Mr. James<br />

Kenyon?»<br />

(Forts, im «Autler-Feierabend».)

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