E_1933_Zeitung_Nr.031
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Bern, Freitag, 7. April <strong>1933</strong> III. Blatt der „Automobil-Revue" No. 31<br />
April<br />
Von Richard von Schaukai.<br />
Und ist der Tag auch schneeverhüllt,<br />
gar eisig angekommen:<br />
doch war die Luft schon lenzerfüllt,<br />
und zärtlich angeglommen.<br />
Im Ofen saust der Wirbelwind,<br />
die Finger sind verklommen:<br />
doch übers Herz ist hoffnungslind<br />
ein Frühüngshauch geschwommen.<br />
Was ist ein Stall?<br />
oder: Grossvater kommt nach New-York.<br />
Von Quiquerez.<br />
«Da lasst mich einmal sitzen und in Ruhe<br />
euch angucken, schön der Reihe nach, Enkelchen!<br />
Das ist nett, dass eure Eltern uns<br />
allein gelassen haben ... passt nur auf, wie<br />
rasch wir uns befreunden werden ... Ich<br />
soll euch etwas erzählen? Einverstanden.<br />
Aber was denn bloss? ... Von eurem Vater?<br />
Wie er noch ein Kind war? Ach, da gäbe<br />
es viel zu erzählen! Also, Heinrich war ...<br />
ja, ja, ich weiss schon: Henry, gewisse.<br />
aber damals hiess euer Vater noch ganz<br />
simpel Heinrich und war ein richtiger<br />
dummer Läusbub! Dass der einmal über<br />
das grosse Wasser gehn und in Wallstreet<br />
noch eine Nummer werden könnte, — also,<br />
_wenn mir das jemand prophezeit hätte! Du<br />
" ieber Himmel!<br />
Was meint ihr, was es für Mühe gekostet<br />
hat, euern Vater, als er so zehn oder zwölf<br />
Jahre alt war, früh aus dem Rett zu bringen!<br />
Freilich: Kinderchen, bei uns auf<br />
dem Lande, da heisst es, um 4 Uhr früh<br />
'raus aus den-Federn! Um 4 Uhr, ich denke<br />
nicht daran, euch einen Raren aufzubinden<br />
... zuerst musste er in den Stall... ein<br />
Stall? Was ist das? Aber, Kinderchen ...<br />
ein Stall! Ein ganz gewöhnlicher, einfacher<br />
Rufe aus dem Dunkel<br />
Roman von Karl Strecker.<br />
(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)<br />
«Sagen wir also: Du hast nur aus Neugier<br />
die kurze Zeit, als ich damals hinausgegangen<br />
jvar, benutzt, um mein Portemonnaie zu<br />
.urchsuchen — es lag in meiner Tischschublade,<br />
vergiss das nicht! Also harmlos<br />
war die Sache keineswegs.. Und als du dabei<br />
den Schein vom Leihamt fandest, hast du es<br />
gleich.dem Vater gepetzt.»<br />
«Du hattest doch jedenfalls den versetzten<br />
Ring entwendet...»<br />
«Nein, es war nichts anderes als ein heimliches<br />
Ausleihen. Ein Zusammentreffen unglücklicher<br />
Zufälle. Ich hatte Peter Benrath<br />
mein ganzes Taschengeld geliehen, er war<br />
ja sicher. Er konnte aber sein Versprechen<br />
nicht halten, es mir zum Geburtstag von<br />
Käthe zurückzugeben. Ich musste damals<br />
Käthe, die ja mehrere Anbeter hatte, auch<br />
dich, ein Geburtstagsgeschenk machen —»<br />
«Du musstest!...»<br />
Stall. Ihr wisst das alle nicht? ... Ruth? ...<br />
Ethel? ... Jim? ... Ein Stall, nun, das ist<br />
so eine Art Haus, worin die Tiere wohnen,<br />
die Kühe zum Reispiel...<br />
Kühe???<br />
Lasst mich einmal ein bisschen ausschnaufen.<br />
Kühe... ich soll euch sagen,<br />
was das ist! Kühe?? Hm ... Ruth, bist<br />
doch die Aelteste, erzähl' mal deinen Geschwistern,<br />
was Kühe sind. Du weisst das<br />
auch nicht?... Aber, Kinderchen, ich<br />
meine doch die Tiere, die uns... nein, ich<br />
bin sprachlos... ganz gewöhnliche, einfache<br />
Kühe! Diese grossen, braunen Tiere<br />
mit zwei Hörnern an der Stirne, mit den<br />
braunen Glotzaugen, mit dem Schweif, —<br />
die Tiere, die uns Milch geben ... aber,<br />
Ethel, was sagst du da! Milch wird doch<br />
nicht in der Fabrik gemacht... Milch wird<br />
doch gemolken...<br />
Was das heisst: gemolken???<br />
nen, das verspreche ich euch. Ich mache<br />
euch einen Vorschlag: heute sollt ihr., mir<br />
etwas erzählen ... einverstanden? Von<br />
euerm Vater? Grossartig! Wie er mit<br />
Jack Diamond die Papiere gekauft hat? ...<br />
Was für Papiere? ... Briefpapiere? ...<br />
Ach so, auf der Börse! Ich verstehe!...<br />
Und wie die beiden es angestellt haben,<br />
dass die Papiere aufs Doppelte ...?? Schön,<br />
Kinderchen,<br />
zu ... ><br />
einverstanden... ich höre<br />
Die goldene Zeit der<br />
Automaten<br />
Von einem Denker ist unser Jahrhundert<br />
als die Zeit der Automaten benannt worden.<br />
Indessen scheint diese Benennung nur bildlich,<br />
nicht aber wörtlich zu stimmen. Die<br />
wirkliche Glanzzeit der Automaten liegt weit<br />
hinter uns, um die Wende des 1.8. Jahrhunderts.<br />
Damals gab es eine fast unglaub-<br />
Kinder, Kinder! Rutsch mal bisschen<br />
von meinem Knie herunter, Jim, mir ist<br />
heiss geworden bei euch in New York.. • liche Hausse an allerlei Automaten. Es war<br />
Ja ... na, ja, wartet nur, sofort! Sofort insbesondere der französische Mechaniker<br />
will ich euch erklären, was das heisst: gemolken<br />
... Also, passt mal auf... diese und automatische Menschen, die alle mög-<br />
Jacques Vaucanson, der automatische Tiere<br />
Tiere, diese Kühe, übrigens auch die Zie-lichegen ... die kennt ihr auch nicht?... also ihm ist der Wiener Wolfgang v. Kempelen<br />
Künste verstanden, gebaut hat. Neben<br />
bleiben wir bei den Kühen, wenn die ihre nicht zu vergessen, dessen schachspielender<br />
Euter voll mit Milch haben... ja, Euter, Automat, der berühmte Schachtürke, sogar<br />
Euter... na, lassen wir das! Bleiben wir Napoleon in helles Erstaunen versetzt hat.<br />
bei Heinrich ... das heisst, bei Henry ... (Uebrigens sah man vor einigen Jahren einen<br />
wie der also nicht in den Stall wollte, melken<br />
wollte er nicht, die Eier suchen wollte spieler», der diese Maschinen-Menschen in<br />
grossartigen französischen Film «Der Schach-<br />
er auch nicht... Was sagst du, Eihel? ... ganz unerhört eindrücklichen Bildern zeigte.)<br />
Warum er sie suchen musste?... wer sie Angeblich soll der grösste aller Strategen auf<br />
versteckt hatte? Die Hühner selbst, Kinder<br />
... wenn sie die Eier legen, dann su-<br />
Kempelens matt gelegt worden sein. Wäh-<br />
dem Schachbrett von dem listigen Automaten<br />
chen sie sich Verstecke, wo sie in Ruhe rend die beiden Namen noch heute unvergessen<br />
sind, erinnert man sich kaum mehr an<br />
brüten können ... Aber! Das ist doch die<br />
Höhe! Was das heisst, brüten? ... Ethel... den Schweizer Mechaniker Pierre Jacques<br />
Jim... Ruth... Ethel...?!<br />
Droz, der als einer der genialsten Uhrmacher,<br />
Einen Augenblick mal, Kinderchen .,. die je gelebt haben, auf Nachruhm Anspruch<br />
Passt mal auf, ich bin heute etwas müde, erheben kann. Die spielerische Tendenz jener<br />
von der langen Reise, müsst ihr wissen. Zeit, Automaten zu ersinnen, hat er mit der<br />
Morgen werde ich viel besser erzählen kön-<br />
'Uftrniächerkünst geschickt verbunden. Er ist<br />
«Jung und bis über die Ohren verliebt, wie<br />
ich war, musste ich es eben, und ich hatte<br />
damals keine Bedenken, den alten Ring unserer<br />
Mutter, den sie schon jahrelang nicht<br />
mehr trug, aus der Kommode zu entleihen.<br />
Kein Hahn hätte danach gekräht, denn schon<br />
am nächsten Tage erhielt ich von Benrath<br />
das Geld zurück und hätte den Ring eingelöst.<br />
Der einzige Mensch aber, den die<br />
ganze Sache allein was anging, hatte nur ein<br />
nachsichtiges Lächeln für —»<br />
«O ja,» unterbrach ihn Richard und der<br />
alte Neid und Hass war wieder in ihm erwacht,<br />
«das glaube ich! Mutter hatte ja für<br />
dich immer nur ein nachsichtiges Lächeln.<br />
Du warst ja immer der Liebling, das Muttersöhnchen,<br />
das nie etwas Schlimmes tat' —»<br />
«Dass du damals gleich zu unserem Vater<br />
liefst, mein teurer Zwillingsbruder, war die<br />
niederträchtigste Schurkerei! Unser hartköpfiger<br />
alter Herr war ja unbeirrbar im<br />
Glauben an seinen guten Leumund. Nicht ob<br />
etwas Schlimmes geschehen war, sondern ob<br />
die Leute etwas davon erfuhren, galt ihm als<br />
die Hauptsache. Weisst du,» er senkte die<br />
Stimme, «was du damals getan hast? Das<br />
Schlimmste, was man einem Menschen, zumal<br />
einem jungen Menschen antun kann, du<br />
hast ihn mit seinen Wurzeln aus dem Erdboden<br />
gerissen und auf fremdes Brachland<br />
geworfen.» Er hielt einen Augenblick inne<br />
und sah vor sich hin. «Jung und lebensfroh<br />
stand ich damals vor dem Abiturientenexamen<br />
— und plötzlich sah ich mich in einer<br />
Fremde, deren - Sprache ich kaum verstand.<br />
Dort neuen Halt suchen zu müssen, ohne jede<br />
Hilfe, jahrelang immer wieder zurückgeworfen<br />
ins Nichts — denk' dich da hinein, und<br />
du wirst einsehen, dass du an mir mehr als<br />
einen Mord begangen hast.»<br />
«Nein, nein!» rief Richard und hob wie zur<br />
Abwehr seine Hand. «Das bestreite ich. An<br />
alledem bin ich' nicht schuld!»<br />
Georg sah ihn kalt an. Tiefe Stille. Nur<br />
das schwere eintönige Ticken der hohen<br />
Standuhr in der Ecke hörte man, den furchtbaren<br />
Atem der Zeit, der mit eherner Gleichgültigkeit<br />
die Minuten abmass und die Unabwendbarkeit<br />
aller Schicksale mechanisch<br />
festzulegen schien.<br />
Richard drehte unwillkürlich den Kopf<br />
nach der Uhr, die wie eine Schildwache in<br />
„Ecke des guten Beispiels "<br />
Was guter Wille vermag.<br />
Im letzten Sommer war ich mit meinem<br />
Wagen in Italien. Auf der Heimreise wollte<br />
ich über Stresa nach Lugano. Meine Frau<br />
fand nun au} der Karte einen Weg, der<br />
von Stresa nach Ponte-Tresa eine hübsche<br />
Abkürzung bildet. Ich hatte allerdings<br />
sofort Bedenken wegen den engen Strossen<br />
und malte mir schon zum voraus aus, wie<br />
eine Kreuzung mit einem andern Wagen<br />
sich gestalten würde. Meine Frau war<br />
aber so stolz auf ihre Entdeckung, dass sie<br />
mich damit beruhigte, auf dieser kleinen<br />
Strasse werde uns sicher kein anderes<br />
Fahrzeug begegnen. Ich fuhr also los, und<br />
siehe da, nach einer halben Stunde Fahrzeit<br />
begegneten wir einem grossen Auto,<br />
mit dem ein Kreuzen unmöglich schien.<br />
Da hatten wir ja unsere Bescherung! Links<br />
und rechts war ein kleines Bord, und in<br />
den angrenzenden Wiesen stand hohes<br />
Gras. Ein Ausweichen schien nicht möglich.<br />
Ich dachte schon ans Rückwärtsfahren,<br />
da ich den kleineren Wagen hatte.<br />
Doch der Fahrer des anderen Wagens war<br />
schon ausgestiegen, suchte rasch' eine Verflachung<br />
des Bordes und trampelte im<br />
Gras herum, um zu kontrollieren, ob der<br />
Boden hart genug und ein Einsinken nicht<br />
möglich sei. Die Prüfung schien ihn zu<br />
befriedigen. Lachend deutete er mir, dass<br />
ich ohne Gefahr über die Wiese fahren<br />
könne. Er war, für mich sehr besorgt und<br />
überzeugte sich genau, ob ich ja richtig<br />
über das Bord hinwegkomme.<br />
Dieses Entgegenkommen hat uns sehr<br />
angenehm berührt, um so mehr, als wir auf<br />
der gleichen Reise auch das Beispiel von<br />
zwei Hartköpfen erlebt hatten, wo keiner<br />
dem andern Platz machen wollte.<br />
0. B. in W.<br />
auch der eigentliche Erfinder der Musikuhr.<br />
Er stellte eine Wanduhr her, die die Stunden<br />
mit einem harmonischen Glockenspiel angab,<br />
der Ecke stand. Ein unbestimmtes Gefühl der<br />
Furcht beschlich ihn bei dem strengen Gleichmass<br />
dieser Geisterstimme, die eisern das<br />
Geschehen im Takt hielt und alles überdauern<br />
wird. Ein fast fatalistisches Gefühl überkam<br />
den Schlossherrn, dass alles nach unabwendbaren<br />
Gesetzen sich vollziehen müsse, und<br />
dass auch sein Schicksal schon nach Sekunden<br />
festgelegt sei bis in jede Einzelheit...<br />
Er räusperte sich und begann mit veränderter<br />
Stimme: «Du kannst dir denken, wie<br />
überrascht und erschrocken ich bin.» Schon<br />
im selben Augenblick fragte er sich, ob es<br />
nicht unklug sei, so zu beginnen. «Sieh, ich<br />
wusste ja gar nichts von dir. Und du wirst<br />
mir das eine glauben, Georg. Soviel Anteil<br />
nehme ich wahrhaftig an dir, meinem Zwillingsbruder,<br />
dass ich gern wissen möchte, wie<br />
es dir ergangen ist. Erzähle doch, bitte!»<br />
Georgs Blick wurde dunkel. «Ich glaube<br />
gern, dass dir eine kurze Gnadenfrist am<br />
Herzen liegt. Vielleicht könntest du mich<br />
noch umstimmen, wie? Und vielleicht ergäbe<br />
sich während der Erzählung ein Augenblick,<br />
wo du meine Unachtsamkeit benutzen und<br />
dich irgendwie retten könntest? Aber täusche<br />
Kein Verladen des Wagens. - Interessantes Tourengebiet. - Das grosse Festprogramm im<br />
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