E_1933_Zeitung_Nr.031
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hin» wörtlich folgendes schreibt: «Die<br />
Schweiz einerseits und Oesterreich mit dem<br />
in Italien liegenden Dolomitengebiet anderseits<br />
sind für reichsdeütsche Fahrer ungefähr<br />
gleich weit entfernt. Für die erste Alpenfahrt<br />
wird man es vorziehen, die Alpenpässe in<br />
Südtirol und Norditalien zu befahren. Dieselben<br />
sind landschaftlich zweifellos die<br />
schönsten Alpenstrassen; ausserdem ist die<br />
Strassenanlage unvergleichlich besser als in<br />
der Schweiz. Die Schweizer Strassen in den<br />
Alpen sind in den meisten Fällen ausserordentlich<br />
schmal. Dazu kommen die wenig<br />
angenehmen Bestimmungen, welche in der<br />
Schweiz im allgemeinen und auf Schweizer<br />
Alpenstrassen im besondern bestehen und die<br />
besonders auf einen Fahrer, der im. Alpenfahren<br />
noch keine Uebung besitzt, nicht<br />
förderlich sind. Es ist zu hoffen, dass die<br />
Schweiz ihre Hochstrassen ausbaut und ihre<br />
Sonderbestimmungen bald abbauen wird.»<br />
Kurt Mair ist Oesterreicher und seine eingehenden<br />
Kenntnisse der österreichischen<br />
Alpenstrassen und insbesondere auch der<br />
Dolomitenstrassen dürften seine Auffassungen<br />
über die schweizerischen Alpenstrassen etwas<br />
einseitig beeinflusst haben. Aber, wenn man<br />
seine Worte sachlich und vorurteilsfrei prüft,<br />
wird man finden, dass in ihnen mehr als nur<br />
ein Körnchen Wahrheit steckt. Ich kenne<br />
verschiedene Alpenstrassen im Tirol, in den<br />
Dolomiten und auch in Frankreich, habe auch<br />
feststellen können, was an denselben alles<br />
verbessert wird, und ich kann mich vom Gefühl<br />
nicht trennen, dass den Schweizer Alpenstrassen<br />
droht, nach und nach in die zweite<br />
Linie zurückgedrängt zu werden und die<br />
Schweiz ihre hundertjährige Vorzugsstellung<br />
als Reiseland verlieren könnte, trotz der unvergleichlichen<br />
Grossartigkeit ihrer Hochxebjrgswelt;<br />
denn die Konkurrenz des Auslandes<br />
wirkt sich nicht nur in der Gebirgs*<br />
Szenerie, sondern namentlich auch im Zustand<br />
der Strassen aus. Wenn von den Millionen<br />
Fahrern, welche alljährlich die Alpen<br />
tm Automobil bereisen, auch in Zukunft ein<br />
jrosser Teil auf unsere Alpenstrassen gezogen<br />
werden soll, so müssen dieselben auch<br />
einen Zustand aufweisen, der ein sicheres und<br />
genussreiches Fahren gewährleistet. Der<br />
Reiseverkehr der Zukunft geht sicher den<br />
besten Alpenstrassen nach und wohl deshalb<br />
ist es kein Zufall, wenn im alpinen Reiseverkehr<br />
heute Italien an der Spitze steht. Was<br />
die Italiener in den letzten Jahren in den<br />
Alpen geleistet haben, ist beispiellos. S<br />
dem Friedensschluss hat Italien sein Strassehnetz<br />
nicht nur. umgebaut, sondern auch um<br />
mehr als ein Dutzend neuer, grossartiger<br />
Strassen bereichert. Keine der schweizerischen<br />
Alpenstrassen ist in derart grosszügiger<br />
Weise dem AutomöbÜverkehr angepasst<br />
worden wie z.B. die StrasSen in den<br />
Dolomiten über den Karrerpass, das Pordoijoch,<br />
das Sellajoch, oder in den Westalpen<br />
das Stilfserjoch, auf dem gerade jetzt die<br />
vielen Kehren in vorbildlicher Weise den Bedürfnissen<br />
des Automobilverkehrs angepasst<br />
werden. Am Gardasee ist in den letzten Jahren<br />
eine Strasse gebaut, worden, die an Kühnheit<br />
kaum zu übertreffen ist. Noch grossartiger<br />
ist das italienische Projekt einer aus<br />
einer ganzen Passfolge bestehenden Hochstrasse<br />
im Monte Rosa- und Matterhorngebiet,<br />
wo der Verbindungspass zwischen<br />
Alaqua und- dem Gressoney die Höhe von<br />
2871 m erreichen und eine Gegend erschlossen<br />
werden soll, die in der Aussicht dem Gornergrat<br />
mindestens ebenbürtig ist. Was zudem<br />
am Ausbau des italienischen Strassennetzes<br />
auffällt, ist die Planmässigkeit im Ausbau.<br />
Talstrassen und Alpenstrassen werden zu<br />
einem Ganzen verbunden, das sich systematisch<br />
in das grosse Netz der italienischen<br />
Strassen einpasst.<br />
Während in der Schweiz seit dem Jahre<br />
1901, d.h. nach der Eröffnung des Umbrails,<br />
keine durchgehende Alpenstrasse mehr gebaut<br />
wurde, hat Frankreich die aus mehreren<br />
Passgruppen bestehende Route des Alpes<br />
zwischen Genfersee und Mittelmeer geschaffen;<br />
mit dem im Jahre 1934 zu eröffnenden<br />
Pfflon<br />
Col des Messet<br />
Jaunpass<br />
,Simplon<br />
Ofenpass<br />
Furka<br />
Oberalp<br />
Klausen<br />
Brünijr.<br />
Strasse<br />
Gr. 8t. Bernhard .<br />
Grimse:<br />
St,. Got.tharri .<br />
Liukmanier.... • -<br />
Lenzerheide .....<br />
Julier ....<br />
Flüela ...<br />
Maioja<br />
Albula<br />
Spiügen<br />
St, Bernhardin...<br />
Samnaun .......<br />
Vira<br />
Aig<br />
Champs-Pelerh;<br />
Balle<br />
Brig<br />
Zernez<br />
Brig<br />
Meiringen<br />
ßrannen<br />
Chur<br />
Altdorf<br />
Lazern<br />
Diteniü<br />
Chur<br />
Tiefencastel<br />
Davos-Dori<br />
Chiavenna<br />
Tiefenoiurtel<br />
Thusis<br />
Splüsen<br />
Martansbrnek<br />
Vira<br />
Amt»<br />
Gtteig<br />
he» Monlins<br />
Boitigen<br />
Somodoewte<br />
Spondinig '<br />
HoapenthM<br />
Gletsch<br />
Belünzon»<br />
Andennatt<br />
Iinthal<br />
Meiringen<br />
Biaaoa<br />
XjefenoMt«!<br />
SilvapUm»<br />
Site<br />
l*ndeck<br />
Ponte<br />
Chiavenna<br />
Bellinzona<br />
Samnanntel<br />
Indemini<br />
Col de l'Iserau, der mit 2770 m Höhe dms<br />
Stilfserjoch übertrifft, dürften die Bauten an<br />
der französischen Route des Alpes vorläufig<br />
ihren Abschluss finden.<br />
Auch das arme Oesterreich steht nicht zurück.<br />
Im Frühjahr 1930 hat die österreichische<br />
Regierung den Beschluss gefasst, den Bau<br />
der Grossglockner-Hochalpenstrasse unverzüglich<br />
in Angriff zu nehmen. Auf der Südseite<br />
ist diese Alpenstrasse grössten Formats<br />
bereits bis auf 2300 m Höhe fertig erstellt<br />
Die Strasse erhält eine Länge von etwa 43 km,<br />
eine Breite von etwa 6 m und wird nach<br />
modernsten technischen Grundsätzen ausgebaut<br />
werden. Sie schafft die kürzeste Verbindungslinie<br />
zwischen München und Udine.<br />
Was nun ?<br />
Ich habe im vorstehenden Kapitel die Leistungen<br />
der an die Schweiz angrenzenden<br />
Staaten im modernen Alpenstrassenbau in<br />
grossen Zügen auseinandergesetzt. Die Konsequenz,<br />
die sich für uns hieraus ergibt, ist<br />
die unangenehme Erkenntnis, dass die Schweiz<br />
ihre seit mehr als hundert Jahren innegehabte<br />
dominierende Stellung im Ausbau der Alpenstrassen<br />
zu verlieren droht und die Konkurrenz<br />
des Auslandes systematisch daran arbeitet,<br />
den Durchgangsverkehr über die Alpen<br />
in der Nord-Süd-Richtung der Schweiz zu<br />
entziehen. Die Vorzugsstellung, welche die<br />
Schweiz bisher unbestritten geniessen konnte,<br />
hat uns eingeschläfert. Wir hielten unsere<br />
Vormachtstellung als etwas geradezu Selbst?<br />
verständliches, gefestigt durch natürliche<br />
Vorteile und Tradition. Auf den Lorbeeren<br />
ausruhend, sind wir aber inzwischen überflügelt<br />
worden, und es entwickelt sich für die<br />
schweizerische Fremdenindustrie auch von<br />
dieser Seite eine nicht zu unterschätzende<br />
Gefahr, die ihr schliesslich zum Verhängnis<br />
werden könnte, ohne dass die gegenwärtige<br />
Krise allein daran schuld wäre. Ohne internationalen<br />
Verkehr über die Alpen ist die<br />
hoch entwickelte Fremdenindustrie nicht mehr<br />
denkbar und auch nicht mehr lebensfähig,<br />
ganz ähnlich wie die Exportindustrie ohne<br />
internationalen Handel zugrunde gehen muss.<br />
Es ist unsere Pflicht, uns darauf zu besinnen.<br />
Die stetige Verbesserung der Alpenstrassen<br />
wird in entscheidender Weise dazu beitragen,<br />
die Vorzugsstellung der Schweiz im alpinen<br />
Reiseverkehr wieder zurückzugewinnen.<br />
Wie soll das nun geschehen? In der Demokratie<br />
ist man sich an keine Machtsprüche<br />
gewöhnt und hat auch keine solchen zu gewärtigen.<br />
Der Ausbau des schweizerischen<br />
Alpenstrassennetzes ist daher zur Hauptsache<br />
der Initiative verkehrspolitischer Verbände,<br />
verkehrstechnischer Verbände und der Alpenkantone<br />
anheimgestellt, die aber fatalerweise<br />
infolge der ihnen von der Natur aufgezwungenen<br />
wirtschaftlichen Struktur nicht in der<br />
Lage sind, neben dem notwendigen Ausbau<br />
der Talstrassen auch noch denjenigen der<br />
Alpenstrassen grosszügig durchzuführen. So<br />
wird der Ausbau der schweizerischen Alpenstrassen<br />
in Hauptsache eine Angelegenheit<br />
AUTOMOBIL-REVUE <strong>1933</strong> - N°31<br />
Übersicht der schweizerischen Alpenstrassen<br />
von<br />
Martigny<br />
nach<br />
7832*73Orrorong i. 4. Jh.<br />
Tor Chr.<br />
3 2 1 6 6 0 1 8 3 8 / 8 0<br />
2 0 3 1 * 4 8 1 8 6 2 / 6 9<br />
3 9 , 7 1 6 1 1 1 8 7 2 / 7 8<br />
6 3 , 6 » 0 6 1 8 0 1 / 0 7<br />
5 8 . 5 2 1 5 5 1 8 7 1 / 7 2<br />
7 7 , 9 2 4 3 2 1 8 2 0 / 8 8<br />
3 7 , 1 2 1 6 6 1 8 9 1 / 9 4<br />
1 3 6 2 1 1 2 ( X 1220-1230;<br />
Neue Str. 1819/30<br />
9 6 2 0 4 8 1 8 4 0 / 6 3<br />
4 7 . 6 1 9 5 2 1 8 9 3 / 9 9<br />
5 4 , 9 1 0 1 1 1 8 6 2<br />
6 2 , 0 1 9 1 9 1 8 2 0 / 7 7<br />
2 8 3 1 6 7 1 1 8 3 4 / 4 0<br />
4 3 3 2 2 8 7 1 8 2 0 / 3 4<br />
2 6 , 4 2 3 8 6 i 8 6 6 / 6 7<br />
1 7 9 1 8 1 7 1 8 2 7 / 4 0<br />
4 0 4 1 2 3 1 6 J 8 5 3 / 8 6<br />
6 6 2 1 1 8 R ö m e r z e i t<br />
7 3 3 2 0 6 3 1 8 1 8 / 2 1<br />
1 6 1 5 1 6 —<br />
16,6 1398 1918/21<br />
des Bundes, und zwar nicht nur aus<br />
Jiellen, sondern auch aus volkswirtschaftichen<br />
Gründen, die weit über die regionalen<br />
interessen der Alpenkantone hinausgreifen,<br />
s sollte dazu kommen, dass der Bund nicht<br />
nur den Bau neuer Alpenstrassen, sondern<br />
auch den Ausbau der bestehenden Alpenstrassen<br />
fördert, in der Weise, dass er die<br />
für Neubauten geltenden Subventionsansätze<br />
auch auf den Ausbau anwendet, von der Erwägung<br />
geleitet, dass gerade diese letzteren<br />
Arbeiten sehr geeignet sind, produktive<br />
Arbeitslosenfürsorge zu betreiben. Es mag in<br />
diesem Zusammenhang interessant sein, zu<br />
wissen, dass die neue französische Strasse<br />
von Grenoble an den Qenfersee ganz im<br />
Zeichen der Arbeitslosenfürsorge steht, indem<br />
dabei 20 000 Arbeiter auf Monate hinaus nutzbringende<br />
Beschäftigung haben. Zweifellos<br />
stehen einem grosszügigen und raschen Aus*-<br />
bau der Alpenstrassen grosse Hindernisse<br />
entgegen, von denen ich besonders erwähne:<br />
der Ausbau des Talstrassennetzes. Die rasche<br />
Anpassung der Talstrassen an die Erforder<br />
nisse des modernen Verkehrs war das Naheliegende,<br />
aber auch Trennende. Die Verbesserung<br />
der Talstrassen hat bis jetzt gewaltige<br />
Summen verschlungen, noch ebensoviel Kapital<br />
wird dafür aufgebracht werden müssen.<br />
Auch die Alpenkantone nahmen an diesem<br />
Umschwung im Talstrassenbau teil, auch sie<br />
wurden gezwungen, die Zufahrtsstrassen zu<br />
den Alpenstrassen zu modernisieren und hieiüf<br />
sehr viel Geld auszugeben. Die finanzielle<br />
Kraft der betreffenden Kantone reicht deshalb<br />
nicht mehr aus, gleichzeitig auch noch die an<br />
die Zufahrtsstrassen anschliessenden Alpenstrassen<br />
in angemessener Weise auszubauen;<br />
man musste sich darauf beschränken, dieselben<br />
wenigstens gut zu unterhalten. So ist<br />
es bis zu einem gewissen Grad entschuldbar<br />
wenn die betreffenden Kantone" mit dem Ausbau<br />
der Alpenstrassen gegenüber dem Ausbau<br />
der Talstrassen im Rückstand blieben. Indessen<br />
bilden die Alpenstrassen mit den Zufahrtsstrassen<br />
ein organisches Ganzes, das<br />
verkehrswirtschaftlich nicht ohne Nachtei<br />
trennbar ist, und man wird deshalb zwangsweise<br />
auch die Verbesserung der Alpen<br />
strassen systematisch weiterfähren müssen<br />
Wenn man sich auf den Standpunkt stellt<br />
dass die Erhaltung eines der wichtigsten Glieder<br />
unserer Volkswirtschaft, der Fremdenindustrie,<br />
die Anpassung der schweizerischen<br />
Alpenstrassen an diejenigen unserer Nachbarländer<br />
erheischt, so werden wir noch wei<br />
mehr tun und auch ein beschleunigtere;<br />
Tempo einschlagen müssen. Zunächst kann<br />
es sich nicht darum handeln, neue Alpen<br />
strassen zu bauen. Viel dringlicher, vom verkehrspolitischen<br />
Standpunkt betrachtet, is<br />
die Modernisierung der in der Nord-Süd-<br />
Richtung über die Alpen führenden internationalen<br />
Hauptverkehrsrouten, sowie de<br />
ost-westlichen Hauptrouten, und zwar nach<br />
einem festzustellenden Programm, in da<br />
auch die beidseitigen Zufahrtsstrassen ein<br />
bezogen werden müssten. In zweiter Linie<br />
;äme dann der Ausbau der an die Haupt-<br />
•outen anschliessenden oder mit diesen inlirekt<br />
in Verbindung stehenden übrigen Alpentrassen<br />
in Frage, ebenfalls nach einheitchen,<br />
technischen Grundsätzen.<br />
Die- Modernisierung der Hauptverkehrsouten<br />
muss prinzipiell in der Weise erfolgen,<br />
ass sich der gesamte Fahrverkehr sicher<br />
nd reibungslos abwickeln kann. Weniger<br />
massgebend für den Ausbau ist die Reisegeschwindigkeit,<br />
allein schon deshalb, weil<br />
man die unvergleichlichen Reize, welche eine<br />
Alpenfahrt bietet, nicht in möglichst rascher<br />
blge an sich vorüberziehen lassen, sondern<br />
in sich aufnehmen sollte. Zudem ist die<br />
Länge der Alpenübergänge nicht so gross,<br />
dass eine Steigerung der Reisegeschwindigkeit<br />
einen nennenswerten Zeitgewinn brächte.<br />
Die Vereinigung schweizerischer Strassenfachmänner<br />
hat für neue und umzubauende<br />
Bergstrassen Normalien aufgestellt, welche<br />
von der Baudirektoren-Konferenz zur Anwendung<br />
empfohlen werden. Folgende technische<br />
Massnahmen werden dabei in Betracht<br />
gezogen werden müssen:<br />
A. Hauptrouten:<br />
1. Durchgehende Verbreiterung der nutzbaren<br />
Fahrbahn auf 6 m;<br />
2. Verbesserung der Linienführung und der<br />
Sicht an allen denjenigen Stellen^ wo dies<br />
notwendig und nicht mit unverhältnismassig<br />
grossen Kosten verbunden ist;<br />
3. Befestigung des Planums durch Um- und<br />
Neubau von Stützmauern, Kunstbauten und<br />
Verstärkung der Fahrbahn, namentlich an<br />
den beiden Strassenrändern;<br />
4. Verbesserung der Kehren nach den Normalien<br />
der V. S. S., Pflasterung der Fahrbahn<br />
in den Kehren;<br />
5. Verbesserungen in der Strassenentwässerung;<br />
6. Ausführung von starkem Schutzfried an<br />
gefährlichen Stellen;<br />
7. Einwalzen der Fahrbahn, soweit keine<br />
künstlichen Beläge vorhanden sind;<br />
8. Ausführung künstlicher Beläge, soweit dies<br />
die finanziellen Mittel ermöglichen;<br />
9. Ausbau des Hilfsdienstes und bessere Organisation<br />
des Strassenunterhaltes.<br />
B. Weniger wichtige Routen:<br />
1. Sukzessive Verbreiterung der nutzbaren<br />
Fahrbahn auf 4,2 bis 5,2 m, in erster Linie<br />
durch Ausfüllung der meistens vorhandenen<br />
Seitengräben, Herstellung von Ausweichstellen<br />
nach den Normalien der<br />
V.S.S.;<br />
2. Verbesserung der Sicht, wo dies ohne ün-<br />
. verhältnismässig grossen Kostenaufwand<br />
möglich ist;<br />
3. Befestigung des Planums durch Um- und<br />
Neubau von Stützmauern, Kunstbauten und<br />
Verstärkung der Fahrbahn;<br />
4. Verbesserung fehlerhaft angelegter Kehren<br />
und Kehren mit zu kleinem Krümmungshalbmesser,<br />
womöglich Pflasterung<br />
der Fahrbahn;<br />
5. Ausführung von Schutzfried an gefährlichen<br />
Stellen;<br />
6. Walzen der Fahrbahn, soweit dies die<br />
•finanziellen Mittel ermöglichen und wirtschaftlich<br />
ist;<br />
7. Ausbau des Hilfsdienstes und bessere Organisation<br />
des Strassenunterhaltes.<br />
C. Zusammenfassend seien folgende Postulate<br />
aufgestellt:<br />
1. Der Ausbau des schweizerischen Alpenstrassennetzes<br />
ist mit Rücksicht auf die<br />
Konkurrenz des Auslandes dringlich. Er<br />
ist nach den unter lit. A und B gegebenen<br />
Richtlinien und in Anwendung der von der<br />
Vereinigung Schweiz. Strassenfachmänner<br />
herausgegebenen Normalien zu vollziehen;<br />
2. Die Arbeiten sind als Notstandsarbeiten<br />
auszuführen;<br />
3. Der Bund gewährt an den Ausbau der<br />
Alpenstrassen oder Bergstrassen von internationalem<br />
Charakter Beiträge, deren Höhe<br />
mindestens dem Subventionsansatz für<br />
neue Alpenstrassen gleichkommt;<br />
4. Der Bund bezeichnet die Hauptrouten und<br />
weniger wichtigen Routen und setzt die<br />
Reihenfolge des Ausbaues fest.<br />
ben. Dass unser Vater lange tot ist, erfuhr<br />
ich erst zufällig vor etwa einem Jahr. Er<br />
starb, ohne mich in seinem Testament bedacht<br />
zu haben.»<br />
«Wir wussten ja nicht, wo du warst, ob du<br />
noch lebtest!»<br />
«So! Wusstet ihr das nicht? Du hast also<br />
meine vier Briefe in den letzten Jahren vor<br />
dem Krieg nicht erhalten?»<br />
«Nein, auf mein Ehrenwort!» —<br />
Georg hob die Hand, «Damit verschone<br />
mich, bitte. Auch den Einschreibebrief nicht,<br />
den ich dir in höchster Not schrieb, nachdem<br />
ein Brief an Vater als unbestellbar zurückgekommen<br />
war? Das wird sich ja wohl auf<br />
der Post noch feststellen lassen. Aber beruhige<br />
dich! Ich werde es nicht feststellen.<br />
Denn für mich liegt jdie Sache ohnehin klar.<br />
Und unsere Abrechnung nachher wird sehr<br />
kurz sein, ein bisschen abgerissen, sozusagen.»<br />
«Georg,» es kam weich und schmeichelnd<br />
von zitternden Lippen, «ich bitte dich, wir<br />
wollen alles in Güte abmachen. Sieh, ich will<br />
alles mit dir teilen —»<br />
«Danke! Neben dir leben, neben dir...»<br />
— er verzog die Lippen. «Nein.» Nach kurzer<br />
Pause fuhr er fort: «Du bist ja ein so<br />
guter Rechner. Immer ein besserer gewesen<br />
als ich. Also wirst du die einfache Rechnung<br />
schnell kontrollieren können. Ich habe zweiundzwanzig<br />
Jahre nicht gelebt, durch deine<br />
Schuld!»<br />
«Durch mei —? Das stimmt schon nicht,»<br />
wehrte sich der Bruder.<br />
«Es stimmt. Die letzten zweiundzwanzig<br />
Jahre hast du an meiner Statt gelebt. Sehr<br />
gut sogar. Jetzt will ich zweiundzwanzig<br />
Jahre statt deiner leben. Eine glatte Rechnung.»<br />
«Und ich?» schrie Richard.<br />
«Du wirst» — er machte eine Handbewegung<br />
— «hier verschwinden.»<br />
Richard schnellte im Sessel vor. «Also<br />
du willst zum Mörder an mir werden?!»<br />
keuchte er.<br />
«Das wäre wohl kaum der richtige Ausdruck.<br />
Nicht auf ein Leben, nur auf eine Umschichtung<br />
kommt es mir an. Auf eine natürliche<br />
Wendung unserer Lage. Wie ich einmal<br />
gelesen habe, Hegen Zwillinge im Mutterleibe<br />
so, dass das eine Kind den Kopf nach unten,<br />
das andere den Kopf nach oben hat.»<br />
«Das wäre wohl anders auch gar nicht<br />
möglich.»<br />
«Sehr richtig, aber ausserhalb des Mutterleibes,<br />
im Sonnenlicht, muss das natürlich<br />
aufhören. Du hast aber trotzdem den Kopf<br />
zweiundzwanzig Jahre oben, ich unten gehabt.<br />
Es ist einfach folgerichtig, naturnotwendig,<br />
dass wir jetzt tauschen. Du sprichst von<br />
Mord, gemordet,» seine Stimme hob sich dunkel,<br />
«hast du mich.» Er schnitt mit einer kurzen<br />
Handbewegung eine Erwiderung ab. «Es<br />
gibt nämlich, Bruder Richard, einen schlimmeren<br />
Tod als den durch die Pistole. Oh, der<br />
ist kurz und leicht Der schlimmste Tod aber<br />
ist der des Lebenden, dem doch alles abgeschnitten<br />
ist, was sein eigentliches Leben<br />
ausmacht. Diesen Tod habe ich fast ein<br />
Vierteljahrhundert hindurch erlitten, ich wiederhole<br />
es: durch deine Schuld, denn du<br />
warst damals der Angeber, der Ehrabschneider.»<br />
Seine Stimme war härter, lauter geworden.<br />
Plötzlich sah er von der Ofenbank<br />
in der Ecke zwei grünlich funkelnde Augen<br />
auf sich gerichtet. Es war die Angorakatze,<br />
die dort geschlafen hatte und jetzt, schon e,i»e<br />
Weile wach, zu den Sprechenden hinüberlauschte.<br />
Georg war zu erregt, um weiter<br />
auf sie zu achten.<br />
«Es geschah aus Unbedacht, Georg. Ich<br />
ahnte ja die Folgen nicht. Und sieh, herausgekommen<br />
wäre es ja doch einmal!»<br />
«Wäre es nicht Niemals! Hätte ich den<br />
Leihschein nicht arglos in meine Geldtasche<br />
gesteckt, hättest du nicht darin nachgeschnüffelt,<br />
wahrscheinlich um mich zu bestehlen—»<br />
«Pfui!»<br />
(Fortsetzung im «Autler-Feierahend».)